Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 10. Dezember 2009
Aktenzeichen: 2 U 66/09

(OLG Stuttgart: Urteil v. 10.12.2009, Az.: 2 U 66/09)

Revision beim BGH unter dem Az. I ZR 4/10 anhängig.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ulm vom 13.08.2009

g e ä n d e r t .

2. a) Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Kunden beim Bezug eines rezeptpflichtigen Artikels mit Rezept einen V.-Gutschein über 3,00 EUR anzubieten

und/oder zu gewähren und/oder ausgegebene Gutscheine einzulösen;

und/oder für den Bezug der 3,00 EUR-Gutscheine oder deren Einlösung zu werben

und/oder werben zu lassen, insbesondere wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben erfolgt:

b) Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahren nicht übersteigen darf.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.Die Beklagte kann die Vollstreckung in der Hauptsache durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 50.000,00 EUR

Gründe

I.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie hat der Sache nach auch Erfolg.

A.

Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Kurz zusammenfassend und ergänzend:

Der Kläger vertritt die wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Belange des bayerischen Apothekerstandes. Zu seinen satzungmäßigen Aufgaben gehört unter anderem die Förderung des lauteren Wettbewerbs. Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke, die dort auch eine Präsenzapotheke betreibt. Sie gehört zum Konzern der Drogeriemarktkette S.. Sie bietet rezeptpflichtige und nicht rezeptpflichtige Arzneimittel an. Sie wirbt bundesweit, zumal sie auch Internetwerbung betreibt, und verteilt ihre Kataloge in S....Filialen.

Sie lobt für jeden rezeptpflichtigen Artikel mit Rezept einen V-Gutschein über 3,00 EUR aus. Diesen Gutschein erhalten sowohl gesetzlich versicherte als auch privat versicherte Kunden. Er wird auch gewährt, wenn eine Befreiung von der Zuzahlung vorliegt oder wenn die Medikamente zuzahlungsfrei gemäß § 31 Abs. 3 Satz 4 SGB V sind. Die Gutscheine können in den deutschen Filialen der Firmen S., I. und R. sowie online bei S. homeshopping oder V.-Versandapotheke eingelöst werden (Bl. 7), womit diese im Ergebnis beim Erwerb etwa von Hygieneartikeln, Lebensmitteln, Textilien bis hin zu Baumarktartikeln eingesetzt werden können.

Der Kläger hält die Werbung der Beklagten (K 2) aus erst- wie auch zweitinstanzlich erneut vorgebrachten, im Einzelnen nachfolgend abzuhandelnden Punkten für wettbewerbswidrig.

Der Kläger hat beantragt,

[wie zweitinstanzlich erneut].

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vom Kläger herangezogene Vorschriften zum Teil für auf sie nicht anwendbar erachtet, jedenfalls aber für tatbestandlich nicht erfüllt angesehen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat dabei einen Verstoß gegen § 7 HWG verneint. Diese Vorschrift verbiete eine produktbezogene Werbung, was nur der Fall sei, wenn bestimmte, ganz konkrete Arzneimittel solchermaßen beworben würden. Dies sei vorliegend angesichts eines produktübergreifenden Gutscheinsystems nicht der Fall. Auch ginge von dieser Vergünstigung kein übermäßiger Anreiz aus, nur dieses Vorteils wegen ungeachtet der konkreten gesundheitlichen Befindlichkeit auf eine verstärkte ärztliche Verordnung von Medikamenten und gegebenenfalls Einnahme zu dringen. Aus ähnlichen Erwägungen sei § 4 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu verneinen. Auch die Arzneimittelpreisverordnung sei nicht verletzt. Dabei könne offen bleiben, ob diese auf ausländische Versandapotheken überhaupt Anwendung finde und - dann - Europarechtskonformität bestehe. Denn der Preis für das jeweils verschriebene, rezeptgebundene Medikament werde uneingeschränkt erhoben, mithin nicht unterschritten. Der im Gutschein liegende Vorteil verkörpere sich nur in anderen Gegenständen. Das Gutscheinsystem beinhalte auch keine Umgehung dieser arzneimittelpreisrechtlichen Vorschriften. Zwar bestehe formal ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Bestellung des rezeptpflichtigen Arzneimittels und der Gewährung des Gutscheins. Materiell liege aber eine Umgehung der Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel nicht vor. Die Preisbindung wolle die flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch die Vermeidung eines ruinösen Preiswettbewerbs gewährleisten. Dieses schutzwürdige Gut werde aber durch das Gutscheinsystem der Beklagten nicht in relevanter Weise tangiert. Dem Kunden stehe nach der Gesetzeslage die Wahl zwischen einer Präsenzapotheke und einer Online-Bestellung offen. Dass das Gutscheinsystem nicht nur die Wahl der jeweiligen Vertriebsform, sondern damit zugleich die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung beeinflusse, sei nicht nachvollziehbar gemacht. Das Gutscheinsystem verstoße auch nicht gegen § 200 VVG. Nach dieser Vorschrift dürfe die Gesamterstattung die Gesamtaufwendungen nicht übersteigen, auch wenn die versicherte Person wegen desselben Versicherungsfalls einen Anspruch gegen mehrere Erstattungsverpflichtete habe. Im Streitfall erhalte eine privat versicherte Person von der Beklagten einen Gutschein, aber nicht eine Erstattung im Rahmen des Versicherungsfalles.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers .

Dieser hält unter vertiefender Wiederholung an seinen erstinstanzlichen Angriffen fest. So liege ein Verstoß gegen § 7 HWG vor, der auf Produktgruppenwerbung anwendbar sei, welche auch vorliege, da die Vergünstigung mit einem konkreten verschreibungspflichtigen Arzneimittel im Zusammenhang stehe. Darüber hinaus sei Zweck der Vorschrift, Wertreklame im Bereich des Heilmittelwesens möglichst weitgehend einzudämmen. Das bekämpfte Bonussystem installiere dieses gesetzgeberisch untersagte Marketinginstrument aber gerade besonders großflächig. Die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung nehme deshalb diesen Wertungsansatz auch auf. Er entspreche auch Art. 86 der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.05.2001, wonach alle Maßnahmen zur Schaffung von Anreizen, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, Werbung für Arzneimittel darstelle. Eine Unterscheidung zwischen produkt- und unternehmensbezogener Werbung sei darin nicht angelegt. Dies gelte umso mehr, als Art. 87 Abs. 3 dieser Richtlinie bestimme, dass die Arzneimittelwerbung den zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern müsse; wie dies das streitgegenständliche Gutscheinsystem leisten solle, sei nicht zu erkennen. Im Bereich der Richtlinie sei für eine Grundrechtsprüfung kein Raum. Ein einschränkendes Verständnis des HWG, wonach eine zumindest mittelbar Gesundheitsgefährdung vorliegen müsse, sei nach der Gintec-Entscheidung des EuGH nicht mehr angängig. Diese mittelbare Gesundheitsgefährdung liege im Übrigen aber auch vor, da insbesondere Folgeverschreibungen auf telefonische Nachfrage, allein aufgrund von Angaben der Patienten, ausgestellt würden; es sei nicht fern liegend, dass ein Gutscheinsystem dazu beitrage, verstärkt Verschreibungen zu erwirken. Eine damit einhergehende abstrakte Gesundheitsgefährdung unterfalle dem Schutzbereich des § 7 HWG. Ein nicht unverbreiteter Missstand sei auch, dass Patienten verschreibungspflichtige Medikamente verordnet erhielten, diese aber nicht aufbrauchten oder gar nicht erst einnähmen. Sie würden die Rezepte aber gleichwohl einlösen, um in den Genuss der finanziellen Zuwendung zu kommen. Es sei nicht erkennbar, woher das Landgericht die Sachkunde besitze, dass ein Hartz-IV-Empfänger nicht so geschickt sei (Beweis, dass doch: Sachverständigengutachten, Bl. 319), einem Arzt ohne objektive medizinische Indikation Beschwerden vorzutäuschen und ihn dadurch zur Verschreibung eines rezeptpflichtigen Arzneimittels zu veranlassen, um immer wieder im Gutscheinwege 3,00 EUR abzuschöpfen. Auch § 4 Ziff. 1 UWG sei verletzt. Zu seiner Auslegung im Bereich des Heilmittelwesens sei die Wertvorgabe von § 7 HWG heranzuziehen (Bl. 371). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei eine Werbung mit Werbegaben für Heilmittel eine unangemessene, unsachliche Einflussnahme im Sinne des § 4 Ziff. 1 UWG. Die Anlockwirkung werde besonders in Fällen deutlich, in denen der Patient von der Zuzahlung befreit sei oder zuzahlungsfreie Arzneimittel erhalte. Die Zusatzvorteile belasteten die Solidargemeinschaft der Versicherten mit Arzt- und Medikamentenkosten ganz erheblich, wenn diese ausschließlich wegen des angebotenen Gutscheins generiert würden. Wenn die Beklagte im Zusammenhang mit ihren Ausführungen zur Sicherheitsleistung (§ 712 ZPO) darauf abstelle, dass sie im Falle des Verbotes dieses Marketingkonzepts gar in ihrer Existenz gefährdet sei, belege dies gerade den großen Erfolg dieses Instrumentes und damit seiner ganz erheblichen Anlockwirkung. Das Konzept der Beklagten verstoße auch gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), welche auch auf die Beklagte anwendbar sei. Der mit dieser Verordnung verfolgte Zweck, den auch das Landgericht nicht verkannt habe, im Verhältnis zwischen Apotheke und Verbraucher einen Preiswettbewerb auszuschließen, werde aber gerade verfehlt, wenn dem Kunden beim Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels die Wahl offenstehe zwischen für ihn kostenneutralem Bezug und Erwerb bei gleichzeitiger geldgleicher oder geldähnlicher Prämierung. Dies sei schon im Falle eines einzigen solchermaßen handelnden Wettbewerbers gegeben, werde aber nur sinnfälliger, wenn man an ein Massenphänomen, ähnlich den Pay-back-Kartensystemen, denke. Die Beschaffung des Heilmittels werde dann ganz maßgeblich von der Absicht der Erlangung solcher Zusatzvorteile bestimmt sein. Insbesondere in ländlichen Bereichen werde es, wofür auf den erstinstanzlichen Beweisantrag verwiesen wird, zur Verdrängung von Präsenzapotheken und damit zu einer Gefährdung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln kommen. Das angegriffene Konzept greife bewusst in das Preisgefüge preislich gebundener Arzneimittel ein. Eine formale Differenzierung zwischen Erst- und Zweitgeschäft sei bei einem Konzept, das über den Erwerb preisgebundenen Arzneimitteln bei der Beklagten dem Kunden ermögliche, nahezu sämtliche Geschäfte des täglichen Bedarfs bei einem mit der Beklagten verbundenen Unternehmen zu besorgen, nicht angebracht. Letztlich sei dem Landgericht auch darin zu widersprechen, dass kein Verstoß gegen § 200 VVG vorliege. Diese Vorschrift ziele darauf ab, dass der Versicherungsnehmer durch die Inanspruchnahme der Versicherungsleistung nicht besser gestellt werde als vor oder ohne den Versicherungsfall. Der Versicherungsnehmer habe aber auch die Interessen seines Versicherers zu wahren, wogegen er verstoße, wenn er nur aufgrund eines Vorteilversprechens auf das Angebot eingehe, ohne den Vorteil an den Versicherer weiterzuleiten.

Der Kläger beantragt:

[wie ausgeurteilt].

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers/Berufungsklägers gegen das Urteil des Landgerichts Ulm vom 13. August 2009 - Az: 10 O 77/09 - zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig. Sie hält insbesondere daran fest, dass ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung, welche sich auf ausländische Versandapotheken ohnehin nicht erstrecke, auch nicht vorliege, da durch die Gewährung von Gutscheinen auf Drittware der von der Arzneimittelpreisverordnung vorgeschriebene Preis nicht unterschritten werde, sondern sich ausschließlich auf der Ebene der Drittware realisiere. Die Unterscheidung zwischen Erst- und Zweitkauf sei rechtlich auch geboten, da von den ausgegebenen Gutscheinen nur ca. die Hälfte auch tatsächlich eingelöst würden. Die Verordnung verhalte sich nur zur Preisgestaltung, in Bezug auf Zugaben werde sie von § 7 HWG als lex specialis verdrängt. Diese Vorschrift erfasse nicht Imagewerbung, welche mit einem solchen Zugabesystem aber nur geschehe. Dieses Normverständnis werde auch durch die Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel bestätigt. Denn mit ihr sei auf dem Gebiet der Arzneimittelwerbung eine vollständige Harmonisierung erfolgt; ein allgemeines Zuwendungsverbot im Zusammenhang mit der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimittel finde sich dort aber gerade nicht. Ein über § 7 HWG geschaffener Sonderweg wäre danach unzulässig und könnte jedenfalls ohne Vorlage an den EuGH gar nicht beschritten werden. Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung, welche als Tatbestandsmerkmal richtlinien- und verfassungskonform jedenfalls in die Vorschrift hineinzulesen sei, trete durch die Zugabe nicht ein. Von den von der Beklagten gewährten Gutscheinen im Wert von nur 3,00 EUR gehe die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung nicht aus, zumal nicht der Patient, der in den Genuss des Vorteils komme, sondern der Arzt die Entscheidung über die Kaufveranlassung des Arzneimittels treffe. Auch versuchten die wenigsten Patienten Einfluss auf die konkrete Medikation zu nehmen, noch weniger wüssten diejenigen, welche dem Arzt nur Beschwerden vorspiegelten, ob dieser darauf gerade mit der Verordnung verschreibungspflichtiger Arzneimittel reagiere. Selbst wenn man § 7 Abs. 1 HWG als erfüllt ansähe, so läge die Rechtfertigung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 a vor, denn der von der Beklagten gewährte Gutschein werde in Höhe eines ganz bestimmten Geldbetrages gewährt; die Voraussetzungen für die Rückausnahme lägen nicht vor, denn die von der Beklagten im Zusammenhang mit der Gutscheingewährung abgegebenen Arzneimittel unterfielen gerade nicht den Preisvorschriften der Arzneimittelpreisverordnung, welche auf niederländische Versandapotheken und damit auf die Beklagte ohnehin nicht anwendbar sei. Letztlich handele es sich bei der Gabe auch um eine geringwertige Kleinigkeit. Auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG liege nicht vor, da die Mindestzuzahlung nach § 61 Satz 1 SGB V mit 5,00 EUR durch den Gutschein nicht einmal kompensiert werde. Auch bei zuzahlungsbefreiten Patienten übe die Höhe der Zuwendung keinen unangemessenen unsachlichen Einfluss aus. Auch die Solidargemeinschaft werde nicht belastet, weil es durch den Gutschein nicht zu einer einzigen zusätzlichen Verschreibung komme. Der Verweis auf § 200 VVG sei verfehlt, da für die Versicherung ohne jeden Belang sei, wo sich der Patient mit dem verschreibungspflichtigen Arzneimittel eindecke.

Der Kläger tritt in seiner Replik der von der Beklagten dargestellten Konkurrenz zwischen § 7 HWG und Arzneimittelpreisverordnung entgegen. Letzterer gehe es um die Unterbindung von Preiswettbewerb auf der letzten Handelsstufe, ersterer um unsachlich beeinflussende Wertreklame. Auch der BGH beschäftige sich in der Entscheidung DeguSmiles & more nicht tragend mit europarechtlichen Vorgaben zur Arzneimittelwerbung, insbesondere nicht mit Art. 87 Abs. 3 RL 2001/83/EG. Art. 88 Abs. 1 Ziff. 1 der genannten Richtlinie verbiete die Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel, die nur auf ärztliche Verschreibung abgegeben werden dürften. Aufgrund der Vollharmonisierung bestehe die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Regelungen zu schaffen, die Arzneimittelwerbung außerhalb der Fachkreise in verschreibungspflichtigen Segmenten verböten. Vorsorglich werde die Klage auch auf einen Verstoß gegen § 10 Abs. 1 HWG gestützt. Der Bundesgerichtshof habe in der bezeichneten Entscheidung vom 26.03.2009 - I ZR 99/07 - DeguSmiles & more hervorgehoben, dass § 7 HWG nur dann anwendbar sei, wenn die gewährte Werbegabe aus Sicht des angesprochenen Verkehrs sich als Werbung für konkrete Heilmittel darstellte, was für eine Sortimentswerbung bei Medizinprodukten bejaht worden sei. Wenn aber das HWG sich auf eine solche Gutscheinwerbung erstrecke, gelte dies auch für § 10 HWG. Der Gutschein stelle dann eine unzulässige Werbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel außerhalb der Fachkreise dar. Gefährdungstatbestände des HWG im Bereich des vollharmonisierten Arzneimittelwerberechts seien keiner einschränkenden Auslegung durch die Schaffung ungeschriebener Tatbestandsmerkmale zugänglich. Gemessen an der betragsmäßigen Zuwendung, welche der Entscheidung DeguSmiles & more zu Grunde lägen, mag ein Gutschein von 3,00 EUR gering erscheinen; gemessen am durchschnittlichen Verkaufspreis eines verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittels von 36,72 EUR belaufe sich der Vorteil auf 8,17 %, bei nicht wenigen Packungswerten mit einem Abgabepreis von nur 10,00 und 15,00 EUR gar auf 20 bis 30 % des jeweiligen Umsatzes. Die Geringwertigkeit lasse sich auch nicht mit dem Beispielsfall der Erstattung der Kosten des öffentlichen Nahverkehrs rechtfertigen. Dort werde dem Patienten eine zur Ermöglichung des Erwerbs bereits getätigte Aufwendung wieder erstattet, hier aber eine frei verfügbare Bereicherung verschafft, die nicht in irgendwelchen Warengeschenken bestünden, welche einen echten Bedarf auch leicht verfehlen könnten, sondern aus solchen, welche aus einem nahezu unbegrenzten Sortiment frei abgerufen werden könnten. Der Patient verdiene so bares Geld. Auch § 200 VVG werde verletzt. Im Falle einer privaten Krankenversicherung trete der Versicherte in Vorleistung, rechne danach mit seinem Versicherer ab, führe aber den ihm gewährten wirtschaftlichen Zusatzvorteil nicht ab.

Die Beklagte hat, insbesondere im Hinblick darauf, dass der Senat in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hat, dass er eine von dem landgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung zu treffen gedenke, nach Schluss der mündlichen Verhandlung umfänglich mit vornehmlich rechtlichen Argumenten dupliziert. Diese finden in der nachfolgenden Bewertung Beachtung.

B.1.

Klagebefugnis.

a) Der Kläger hat sein ausführliches Vorbringen hierzu belegt, das Landgericht hat sie im Ansatz bejaht, dann letztlich doch dahingestellt sein lassen. Diese von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung (BGH GRUR 2007, 614 [Tz. 14] - Sammelmitgliedschaft V ; Büscher in Fezer, UWG [2005], § 8, 226 i.V.m. 224) ist zu bejahen.

b) Besteht der Satzungszweck (auch) in der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, reicht eine reine Abmahntätigkeit nicht aus. Vielmehr müssen Tätigkeiten wie die Beobachtung des Marktgeschehens oder die Aufklärung der Mitglieder und der Allgemeinheit hinzutreten (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl. [2009], § 8, 3.45). An sich ist nicht notwendig, dass der Verband seinen Satzungszweck ununterbrochen nach außen manifestiert (Köhler a.a.O. § 8, 3.49). Wenn allerdings ein Verband keine angemessene Tätigkeit zur Verwirklichung seines Satzungszweckes entfaltet, etwa sich auf eine bloße Abmahntätigkeit beschränkt, dürfte dies ein gewichtiges Indiz dafür sein, dass er dazu nicht in der Lage ist (Köhler a.a.O. 3.49). Der Verband kann, was ihm freisteht, sich auch im Einzelfall etwa eines Rechtsanwaltes bedienen (BGH GRUR 2000, 1093 [juris Tz. 15; vgl. ferner Tz. 20] - Fachverband ). Bei einem ordnungsgemäß gegründeten und aktiv tätigen Verband spricht eine tatsächliche Vermutung für die tatsächliche Zweckverfolgung, die der Gegner zu widerlegen hat (BGH a.a.O [juris Tz. 23] - Fachverband ).

c) Dass der Kläger auf seiner Homepage (B 4) sich nicht als Wahrer des lauteren Wettbewerbs, sondern - so die Beklagte (Bl. 66) - in reiner Lobbyarbeit übe, ist unmaßgeblich. Entscheidend ist die satzungsmäßig (K 1) verankerte Aufgabe, nicht jedwede Ausprägung der konkreten Verbandsarbeit, die jenseits der abwertenden Beurteilung durch die Beklagte unschwer als interessenbestimmte Aufklärung von Mitgliedern und Öffentlichkeit bewertet werden kann. Der Kläger hat - auch unwidersprochen - seine sächliche und personelle Ausstattung vorgetragen, welche ihn in die Lage versetzt, der auch hier wahrgenommenen Aufgabe generell gerecht zu werden (vgl. auch Bl. 160). Dass etwa der Juristenstab sich schwerpunktmäßig anderen Aufgaben zuwendet, nimmt dem Kläger nicht von vornherein die Klagebefugnis. Auch die Beklagte lässt gelten, dass der Kläger im aufgezeigten Berichtszeitraum mit über 70 Fällen unlauteren Wettbewerbs befasst gewesen ist und sich dieser auch angenommen hat (Bl. 136); dass der Kläger dabei vielfach die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. eingeschaltet hat, deren Mitglied er ist, steht nicht dafür, dass eine vollständige Auslagerung der satzungsmäßigen Aufgabe stattgefunden hätte. An einer solchen (Teil-) Auslagerung ist ein ordnungsgemäß gegründeter und aktiver Verband nicht gehindert, zumal wenn er zur Stärkung seiner Funktion auch Mitglied des weiteren, übergeordneten reinen Wettbewerbsverbandes ist. Zwar hat die Beklagte die tatsächlichen Voraussetzungen bestritten gehabt (Bl. 137). Das bloße Bestreiten genügt jedoch nicht, um einem sächlich und personell ausreichend aufgestellten und in für die Klagebefugnis wesentlichen Tätigkeitsbereichen aktiven Verband die Prozessvoraussetzung abzusprechen. Darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Danach ist von der Klagebefugnis auszugehen. Darin fügt sich nur ergänzend bestätigend ein, dass die Parteien diese Frage von sich aus auch nicht mehr in das Berufungsverfahren getragen haben.2.

Die internationale Zuständigkeit.

a) Nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleich steht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Unter die Zuständigkeit des Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO fallen Klagen aufgrund unerlaubter Wettbewerbshandlungen. Der Ort des schädigenden Ereignisses im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d.h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist. Bei Wettbewerbshandlungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Die Zuständigkeit hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts eingetreten ist. Es reicht vielmehr aus, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen ist (BGHZ 167, 91 [Tz. 21] - Arzneimittelwerbung im Internet ).

b) Der Ort des schädigenden Ereignisses liegt vorliegend in Deutschland. Der Internet-Auftritt der in den Niederlanden ansässigen Beklagten ist international ausgerichtet gewesen, war auch in deutscher Sprache gehalten und an deutschsprachige Europäer gerichtet. Die Beklagte hat sich zur Verwirklichung ihres Geschäftsmodells gerade auch der deutschen Drogeriemarktkette Schlecker bedient, dort die Bestellformulare aufgelegt und die Kunden nach Deutschland beliefert. Es geht im Vertriebsmodell der Beklagten darum, die auf die Medikamentenbeschaffung in deutschen Apotheken gerichtete Willensentschließung der in Deutschland ansässigen Patienten auf die Beklagte umzulenken und die Versorgung durch eine dortige Präsenzapotheke durch eine solche durch sie zu ersetzen. Das Ziel bei der Medikamentenbeschaffung durch den Verbraucher ist die Substituierung des einen Vorortlieferanten durch einen anderen Vorortlieferanten. Damit ist Marktort Deutschland (vgl. BGHZ a.a.O. [Tz. 22] - Arzneimittelwerbung im Internet , ferner HansOLG Hamburg A&R 2009, 87 [juris Tz. 63]).3.

a) Nach dem soeben auch beschriebenen kollisionsrechtlichen Marktort ist deutsches Wettbewerbsrecht als Recht des Ortes anzuwenden, auf dessen Markt die wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinandertreffen (BGHZ a.a.O. [Tz. 25] - Arzneimittelwerbung im Internet ; HansOLG Hamburg a.a.O. [Tz. 63]). Danach bestimmt sich im Ausgangspunkt ungeachtet der Frage, ob es der Beklagten im Verhältnis zum Verbraucher wirksam gelungen ist, niederländisches Recht zu vereinbaren, die Lauterkeit des streitbetroffenen Verhaltens der Beklagten nach UWG (ebenso OLG München U. v. 02.07.2009 - 29 U 3744/08 [B. II. 2.]; vgl. auch das in weiten Passagen wortgleiche Urteil desselben Senats vom gleichen Tag mit dem Aktenzeichen 29 U 3648/08). Das OLG München hat auch überzeugend hergeleitet, dass § 4 Abs. 2 TDG und § 3 Abs. 2 TMG keine Anwendung finden, da Gesundheitsschutz betroffen (§ 3 Abs. 5 TMG/§ 4 Abs. 2 TDG) und zudem der gegenständliche Einsatz des Originalrezeptes vonnöten ist.

Dies ist - wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat auch ergeben hat - im Übrigen zwischen den Parteien nicht im Streit.

b) Die lauterkeitsrechtliche Bewertung wird vorliegend nicht dadurch überlagert, dass, wie die Beklagte bestrittenermaßen behauptet, sie gegenüber den Kunden durch ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Vereinbarung niederländischen Rechts vorgegeben habe. Insoweit erachtet auch der Senat dafür, dass die Vorschriften der deutschen AMPreisV als zwingendes öffentliches Recht gemäß Art. 34 EGBGB ohnehin nicht vom Vertragsstatut erfasst werden (so HansOLG Hamburg a.a.O. [Tz. 71 f.]; OLG München U. v. 02.07.2009 - 29 U 3744/08) und danach eine formularmäßige Rechtswahl aus dem Anwendungsbereich dieses Normenwerkes nicht herausführt.

aa) Soweit ausländisches Recht Vertragsstatut ist, beurteilt sich im Ausgangspunkt die Frage der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle grundsätzlich nach diesem (Hau in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 5. Aufl. [2009], IntGV, 59; H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl. [2006], Anh. § 310 BGB, 650). Doch bleibt die Möglichkeit einer Sonderanknüpfung zu beachten (Hau a.a.O. 59). In den wichtigen Fällen sog. Verbraucherverträge i.S.v. Art. 29 EGBGB sind die §§ 305 ff. auch bei wirksamer Vereinbarung ausländischen Rechts anzuwenden (H. Schmidt a.a.O. 650). Unter in dieser Vorschrift näher bestimmten Voraussetzungen ist trotz der Rechtswahl das am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers geltende zwingende verbraucherschützende Recht anzuwenden. Auf ausländischem Recht unterliegende Verträge mit deutschen Kunden, die unter diese Vorschrift fallen, finden daher die §§ 305 ff. Anwendung (H. Schmidt a.a.O. 655 m.w.N.).

bb) Eine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB ist anzunehmen, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie muss eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Verbrauchers in einer Art und Weise abweicht, mit der er nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. etwa BGH U. v. 30.09.2009 - IV ZR 47/09 [Tz. 13]).

cc) So läge es hier, falls sich der auch unter Beweis gestellte Vortrag (Bl. 179) der Beklagten als richtig erweisen sollte. Denn nach dem Streitstand tritt die Beklagte dem Verbraucher nicht als niederländische Apotheke in Erscheinung, jedenfalls nicht in ganz wesentlichen Ausprägungen ihres vertrieblichen Auftretens über Filialen deutscher Drogeriemarktketten wie etwa S. I. oder R. und auch online über deutsche Anbieter wie etwa wiederum Schlecker. Wie bereits oben zur internationalen Zuständigkeit ausgeführt ist das Vertriebskonzept darauf ausgelegt, die Vorortbeschaffung rezeptpflichtiger Medikamente durch eine, was die Vorortbelieferung des Patienten anbelangt gleichwertige Versorgung durch die Beklagte zu ersetzen, ihn über ihm vertraute deutsche Handelsorte auf einen anderen Belieferer umzulenken, der sich ihm nach Art der Kontaktaufnahme und Vertragsabwicklung als voll- und gleichwertigen Ersatz seiner Apotheke präsentiert. Dieses Gleichwertigkeitsversprechen ist wesentlicher Bestandteil des Vertriebsmodells der Beklagten, mit welchem es ihr auch gelingt, das von Vertrauen in die Kompetenz der Apotheke getragene besondere Verhältnis zum bisherigen Medikamentenlieferanten aufzulösen. Wird dann, nach der Argumentationsstruktur der Beklagten ganz wesentlich, um sich aus Schutzregeln für das deutsche Apothekenwesen und/oder den deutschen Patienten zu lösen, dieser Beschaffungsakt unter die Geltung ausländischen Rechts gestellt, so verfolgt die Beklagte mit einer solchen formularmäßigen Vorgabe nicht nur ausschließlich eigene Interessen, sondern täuscht im Sinne einer Überrumpelung den Verbraucher nach dem auf Gleichwertigkeit gerichteten Geschäftsmodell über ein wesentliches Vertragselement. Danach wäre die angebliche Rechtswahlvorgabe in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen jedenfalls schon unwirksam. Denn mit der Vereinbarung niederländischen Rechts wird der Verbraucher entweder anderen vertraglichen oder haftungsrechtlichen Vorschriften unterstellt, jedenfalls aber, selbst bei einer Gleichwertigkeit oder einer durch europarechtliche Vorschriften vorgegebenen Gleichartigkeit, im Konfliktfall gezwungen, zur Wahrnehmung seiner Rechte einen Rechtsanwalt zu suchen und zu finden, der das maßgebliche Recht und Gesetz im niederländischen Rechtskreis beherrscht, was für den Verbraucher mit erheblichen Schwierigkeiten und Belastungen verbunden ist. Dass ihm dabei die mit beabsichtigte Ausschaltung der AMPreisV keine konkreten Nachteile, sondern vielleicht nur Vorteile einträgt, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Denn die Wirksamkeitsbewertung der Rechtswahl richtet sich aus an dem zwischen Verkäufer und Verbraucher abweichend vereinbarten Recht. Ist diese Vereinbarung unwirksam, so fällt jedenfalls als Reflex hiervon die erstrebte Ausschließung der AMPreisV, auf deren Wertigkeit für die Vertragsschließenden es bei der Gültigkeitsprüfung der Rechtswahl nicht ankommt.

Deshalb hat der Senat in der Sache in eine Rechtsprüfung einzutreten, welche ganz maßgeblich von deutschen Vorschriften und deutschem Recht geprägt ist, wozu auch die Beachtung europarechtlicher Richtlinien zählt.

dd) Nach der Verordnung Rom I Art. 6 Abs. 1, welche ab 17.12.2009 gilt (Rom I Art. 29; vgl. Thorn in Palandt, BGB, 69. Aufl. [2010], Rom I Vorbemerkung I, 1) und welche vorliegend mit zu beachten ist, da ein auf Wiederholungsgefahr gestützter Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist und damit auch die Prüfung dieses unmittelbar anstehenden Rechtes einzuschließen hat (vgl. allg. zum Übergangsrecht bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen zuletzt BGH U. v. 28.05.2009 - I ZR 124/06 [Tz. 15] - LIKEaBIKE ), unterliegen Verbraucherverträge, wenn der Unternehmer seine gewerbliche Tätigkeit auf einen Staat, in welchem der Verbraucher seinen persönlichen Aufenthaltsort hat, ausrichtet, dem Recht des Aufenthaltsortes des Verbrauchers (Art. 6 Abs. 1 b Rom I). Zwar können auch diese Vertragsbeteiligten eine Rechtswahl treffen. Die Rechtswahl darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach Abs. 1 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom I). Insoweit kommen die zwingenden Vorschriften der §§ 305 f BGB zur Anwendung (Thorn a.a.O. Art. 6 Rom I, 8). Dieser Wertungsansatz trifft sich mit dem obigen zum alten, gegenwärtig im Übrigen noch wenige Tage gültigen Rechtszustand.4.

Der Senat ist dabei nicht das erste (Ober-)Gericht, welches sich mit dem vorliegenden Problemkreis zu befassen hat. Beim Bundesgerichtshof stehen allein vier Entscheidungen hierzu an, auch das Bundessozialgericht hat sich in Teilen mit auch vorliegend zur Entscheidung gestellten Fragen befasst. Der Aussetzungsantrag der Beklagten (Bl. 61), den das Landgericht in seinem Urteil - im Übrigen zutreffend (vgl. BGHZ 162, 373 [juris Tz. 11]) - abschlägig mitbeschieden hat, ist in II. Instanz denn auch nicht wiederholt worden. Soweit im nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten beantragt wird, im Hinblick auf angeblich am 15.04.2010 anstehende mündliche Verhandlungen des BGH in (nun) sechs angeblichen Parallelverfahren (B 25) mit der Verkündung dieser Entscheidung so lange zuzuwarten, um ein eigenes Revisionsverfahren in der vorliegenden Sache zu ersparen, kann dem nicht entsprochen werden. Daran sieht sich der Senat schon durch die allerdings nur als bloße Ordnungsvorschrift ausgestaltete (vgl. BGH NJW 1999, 143 [juris Tz. 8]) Norm des § 310 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 525 ZPO gehindert. Die angeregte Handhabung liefe im Übrigen auch auf eine faktische Aussetzung hinaus, die - wie ausgeführt - gerade verwehrt ist. Der Senat findet danach eine Reihe von auch obergerichtlichen und dabei auch divergierenden Entscheidungen vor, welche teilweise eine baldige Bewertung durch den Bundesgerichtshof, oder, so die Einschätzung der einen oder anderen Partei, gar eines gemeinsamen Senats der obersten Bundesgerichte oder des EuGH erfahren werden. Dies sind auch die dafür vorgesehenen rechtsstaatlichen Instrumentarien, um die von der Beklagten zuletzt zu Recht eingeforderte Einheitlichkeit der Rechtsordnung herzustellen und zu gewährleisten. Eine Bindung des Senats an irgendeine jener Entscheidungen, gar nur an eine beklagtengünstige - so ein Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung: im Zweifel für die Freiheit des Wirtschaftens des Kaufmanns -, gibt es nicht. Danach sieht der Senat seine Aufgabe neben der Sachbefassung mit dem gesamten Streitstoff und damit auch allen im Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen bei seiner Entscheidungsbegründung weniger in der nochmaligen Gesamtaufbereitung des Meinungsstreits als vielmehr in der Darstellung, warum er innerhalb des jeweiligen Meinungsspektrums den einen Lösungsansatz gegenüber einem anderen für vorzugswürdig erachtet.5.

Eine Verletzung von § 200 VVG vermag der Senat allerdings nicht zu erkennen.

Im Versicherungsrecht galt: was der Versicherer vertraglich versprochen hatte, musste er halten; er konnte sich von seinem Versprechen nicht unter Berufung auf ein angebliches Bereicherungsverbot lösen, es sei denn das Gesetz bestimmte ausdrücklich etwas anderes (Rogler in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG [2009], § 200, 3; Brömmelmeyer in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht [2008], § 200 VVG, 1; Hütt in Münch-Komm. zum VVG [2009], § 200, 6). Das ist mit § 200 VVG nunmehr der Fall (Rogler a.a.O. 3; Brömmelmeyer a.a.O. 1; Hütt a.a.O. 10). Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass Erstattungsleistungen aus Beihilfeansprüchen oder aus der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits und Leistungen aus einer privaten Krankenversicherung andererseits zusammen die Gesamtkosten des Versicherten nicht übersteigen (Rogler a.a.O. 1; Brömmelmeyer a.a.O. 4; Hütt a.a.O. 21 [zum Gesetzgebungsgang, wonach der Versicherer nur abzüglich der Leistungen der Beihilfeträger und der Kranken- oder Pflegekassen zur Leistung verpflichtet {ist} ]). Angesichts der beschränkten Abkehr im Bereich der privaten Krankenversicherung vom vormals herrschend als nicht bestehend angesehenen Bereicherungsverbot ist eine ausweitende Auslegung dieser Vorschrift zu einer Generalklausel im gesamten Krankenversicherungsrecht nicht tragfähig. So gilt denn auch: Unabhängig davon also, wie man § 200 qualifiziert, ist eine Erfüllungswirkung bei Leistungen Dritter nie gegeben (Hütt a.a.O. 23). Danach unterfällt eine Zuwendung eines Dritten an einen (privat) Krankenversicherten nicht diesem Schutzgesetz (so zur Normqualität: Rogler a.a.O. 11). § 200 VVG kann damit nicht herangezogen werden, um die Gewährung der Vergünstigung zu einem Verstoß und damit einer Wettbewerbsverletzung zu machen. Dass durch solche Zuwendungen im Endergebnis die Solidargemeinschaft der Versicherten wiederum belastet werden könnte, ist im Regelungsbereich des § 200 VVG nicht verortet.6.

Auch vermag der Senat keinen Verstoß gegen § 7 HWG zu sehen.a)

aa) In den Geltungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes einbezogen ist allein die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht dagegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezug auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt. Die Beantwortung dieser für die Anwendbarkeit des HWG entscheidenden Frage hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem gesamten Erscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Die Bestimmung des § 7 HWG ist daher nur dann anwendbar, wenn gewährte Werbegaben sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen (BGH GRUR 2009, 1082 [Tz. 15] - DeguSmiles & more ; HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 104]). Die teilweise in Rechtsprechung und Schrifttum vertretene Auffassung, nach der eine produktbezogene Werbung nur bei Zuwendungen für einzelne oder abgegrenzte Teile des Sortiments vorliege, Zuwendungen auf alle Produkte des Gesamtsortiments dagegen als unternehmensbezogene Werbung einzustufen seien, vernachlässigt den Zweck der Regelung des § 7 HWG. Dieser besteht vor allem darin, durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer Werbung mit unentgeltlichen Zuwendungen ausgehen könnte. Die Eignung dazu hängt aber nicht davon ab, ob die Zuwendung allein für genau genannte Heilmittel, eine nicht näher eingegrenzte Vielzahl von Heilmitteln oder sogar für das gesamte, neben Heilmitteln auch andere Produkte umfassende Sortiment angekündigt und gewährt wird. Der Umstand, dass das beanstandete, [dort] in Form eines Treueprogramms betriebene Kundenbindungssystem der Beklagten sich auf deren gesamtes Sortiment erstrecke, steht der Bewertung nicht entgegen, es handelt sich um Absatzwerbung (BGH a.a.O. [Tz. 16] - DeguSmiles & more ; HansOLG Hamburg a.a.O. [Tz. 104 und 107]).

bb) Daran gemessen kann der Charakter der reinen Absatzwerbung, des also noch hinreichenden Bezugs zu bestimmten Heilmitteln, nicht verneint werden. Die Vergünstigung wird gerade in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe von Medikamenten gewährt. Dass der Bezugspunkt dieses Vertriebssystems sich auf ein größeres, wenngleich durch Rezeptpflicht streng eingekreistes Sortiment bezieht, ändert danach an der notwendigen Produktbezogenheit dieser Werbung nichts (im Ergebnis ebenso HansOLG Hamburg a.a.O. [juris. Tz. 106]; a.A. OLG Köln APR 2009,109 [juris Tz. 21], da ein 10 %iger Preisvorteil dort nicht als außergewöhnliche Herabsetzung des Normalpreises, sondern nur als Werbung für den besonderen geldwerten Vorteil im Vergleich zu üblichen inländischen Arzneimittelpreisen verstanden werde).b)

aa) § 7 HWG setzt zwar keine konkrete Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Adressaten der Werbung voraus (BGH a.a.O. [Tz. 19] - DeguSmiles & more ), die Vorschrift gilt jedoch dann nicht, wenn die abstrakte Gefahr einer solchen Beeinflussung von vornherein nicht besteht (vgl. Bülow in Bülow/ Ring, HWG, 3. Aufl. [2005], § 7, 7; offen gelassen von BGH a.a.O.[Tz. 19] - DeguSmiles & more ).

bb) Adressat der Vergünstigung ist nicht der Arzt, der allein für die Verschreibung berufen ist (vgl. zur Beeinflussung von beratenden Personen: etwa BGH GRUR 2009, 996 [Tz. 10 und 11] - Winteraktion ). Der Abruf des Vorteils geschieht erst, wenn die Entschließung des Arztes abgeschlossen und der Patient im Rahmen einer Therapieentscheidung des Arztes ein Rezept in Händen hält. Eine mittelbare Gesundheitsgefährdung kann auch nicht damit begründet werden, dass die Gewährung solcher Vorteile Anreize schaffen könnte, beim Arztbesuch auf Folgeverschreibungen zu drängen, deshalb dort gar entsprechende Beschwerden vorzuspiegeln oder Folgeverschreibungen im Wege bloßen telefonischen Ersuchens zu erwirken. Zum einen ist von einem gesetzmäßigen Verhalten des Arztes auszugehen, der sich nur von medizinischen und an seiner Berufspflicht ausgerichteten Entscheidungen hat leiten zu lassen. § 7 HWG hat nicht die Funktion, durch Druck gegenüber anderen Marktteilnehmern auf einer anderen Verkehrsstufe ein Korrektiv zu Pflichtverletzungen eines Dritten aufzubauen, die unmittelbar keinen Wettbewerbsbezug aufweisen. Die Mutmaßung, etwa Hartz-IV-Empfänger würden als Simulanten das Gutscheinsystem der Beklagten zur Verbesserung ihrer finanziellen Lage instrumentalisieren und dadurch wesentliche Bereiche des Gesundheitssystems gefährden (Bl.124), ist durch nichts belegt, erfahrungswidrig und läuft im Übrigen auf eine Diskriminierung eines häufig auch unverschuldet in wirtschaftliche Bedrängnis geratenen Teils unserer Gesellschaft hinaus. Dass in mehr als denktheoretischem Maße jemand die kriminelle Energie für ein solches Vorgehen aufbringt, um bei einem Kauf bei Schlecker 3,00 EUR zu sparen, ist lebensfremd. Soweit die Berufung rügt, das Landgericht hätte seine Wertung, für eine solche Gefahrenlage hätte es eines weiteren Tatsachenvortrags des Klägers bedurft, nicht ohne richterlichen Hinweis treffen dürfen, ist dies unbeachtlich, da die Kausalität eines solchen angeblichen Pflichtenverstoßes nicht dargetan ist. Denn soll der Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht liegen, muss die Rüge ausführen, wie die betreffende Partei auf einen entsprechenden Hinweis reagiert hätte, insbesondere was sie im Einzelnen vorgetragen und welche rechtlichen Ausführungen sie in diesem Fall gemacht hätte. Denn nur dann kann beurteilt werden, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Gehörsverstoß beruht (BGH GRUR 2008, 1126 [Tz. 12] - Weiße Flotte ; VersR 2008, 845 [Tz. 30]). Daran fehlt es vorliegend schon. An der vorliegenden Grundwertung ändert auch der Verweis auf Art. 87 Abs. 3 RL 2001/83/EG nichts, wonach eine Arzneimittelwerbung den zweckmäßigen Einsatz des Arzneimittels fördern muss. Im Kern verfolgt diese Vorschrift die gleiche Schutzrichtung wie § 7 HWG. Fehlt dem Marketingkonzept wie dargestellt der unmittelbare Bezug zu einem Arzneimittel oder die Geeignetheit, Arzneimittelmissbrauch durch Einnahme oder unnützen Erwerb zu begünstigen, wird auch diese europarechtliche Vorschrift nicht berührt.7.

Eine Verletzung von § 4 Nr. 1 UWG ist ebenfalls zu verneinen.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH reicht der Einsatz aleatorischer Reize für sich genommen nicht aus, um den Vorwurf der Unlauterkeit zu rechtfertigen (BGH GRUR 2009, 875 [Tz. 12] - Jeder 100. Einkauf gratis ). Wettbewerbswidrig ist eine Werbung vielmehr erst dann, wenn die freie Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise durch den Einsatz aleatorischer Reize so nachhaltig beeinflusst wird, dass ein Kaufentschluss nicht mehr von sachlichen Gesichtspunkten, sondern maßgeblich durch das Streben nach der in Aussicht gestellten Gewinnchance bestimmt wird (BGH a.a.O. [Tz. 12] - Jeder 100. Einkauf gratis ), wenn von der Vergünstigung eine derart starke Anziehungskraft ausgeht, dass die Rationalität der Nachfrageentscheidung auch bei einem verständigen Verbraucher vollständig in den Hintergrund tritt. Da die Anlockwirkung, die etwa von einer besonders günstigen Preisgestaltung ausgeht, gewollte Folge des Wettbewerbs ist, kann der Umstand allein, dass mit einem Rabatt geworben wird, die Unlauterkeit nicht begründen (BGH WRP 2008, 783 [Tz. 15]).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen kann nicht von einer Unlauterkeit nach dieser Vorschrift ausgegangen werden (offen gelassen in HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 117]). Der Vergünstigung kann nicht die Impulsqualität zugeschrieben werden, dass der Verbraucher nur ihretwegen einzig dem Vertriebsweg über den Versand den Vorzug gibt und die Vorteile der Präsenzapotheke vor Ort (wie Beratungsqualität, Ortsnähe, persönlicher Kontakt) ausschlägt.8.

Das Gutscheinsystem verstößt jedoch gegen die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Insoweit folgt der Senat dem HansOLG Hamburg in seiner schon vielfach bezeichneten Entscheidung.

a) Die AMPreisV steht nicht schon deshalb nicht zur Prüfung an, weil sie von § 7 HWG als lex specialis verdrängt würde. Denn schon der jeweilige Gesetzeszweck ist ein anderer: § 7 HWG schützt den Verbraucher vor unsachlicher Beeinflussung, die AMPreisV hat den Schutz einer Apothekeninfrastruktur zum Ziel (ebenso für Nebeneinander der Verbotsvorschriften: OLG Karlsruhe GRUR-RR 2009, 176 [juris Tz. 14 und 15]; HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 101]).b)

aa) Soweit die Ansicht vertreten wird, ausländische Versandapotheken seien nicht an das deutsche Arzneimittelpreisrecht gebunden (etwa OLG Köln APR 2009, 109 nach juris; BSG MedR 2009, 619 [juris Tz. 23 f.]), kann dem nicht gefolgt werden (ebenso OLG München U. v. 29.07.2009 - 29 U 3744/08 [III. 2.]). Das auch im nachgereichten Schriftsatz wieder vorgebrachte Argument, der Gesetzgeber habe mit § 73 Abs. 1 Nr. 1 a AMG die Anforderungen an ausländische Versandapotheken, welche die Beklagte im Übrigen erfülle, abschließend geregelt, verfängt nicht. Denn dort sind nur versandspezifische Voraussetzungen geklärt. Folgte man diesem Einwand auch zu Ende, wäre die Konsequenz, dass ausländische Versandapotheken auch von anderen patientenschützenden Anforderungen des Arzneimittelrechts (etwa Kennzeichnungs- oder Aufklärungspflichten) befreit wären. Das OLG Köln begründet die angeblich mangelnde Erstreckung des deutschen Regelwerkes auf ausländische Versandapotheken damit, dass andernfalls der Gesetzgeber im Zuge der Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung [GMG] vom 14.11.2003 schon aus Gründen der Klarstellung eine deutlichere Bezugnahme auf das inländische Preisrecht ausgesprochen hätte (OLG Köln a.a.O. [juris Tz. 10]). Dieses gesetzesgeschichtliche Argument schöpft sich nur aus einem wünschenswerten, an den Gesetzgeber zu stellenden Transparenzgebot, eine bewusste Befassung und Entschließung im Gesetzgebungsverfahren wird nicht aufgezeigt. Zudem werden die Anforderungen an die Gesetzestechnik überspannt, dass, wird ein gleichsam selbstverständlicher Regelungskreis um vertriebsspezifische Besonderheiten ergänzt, die vertrieblichen Grundregeln nicht mehr gelten sollen, wenn der Gesetzgeber nicht gegebenenfalls beständig die Selbstverständlichkeit der Fortgeltung der Grundregeln im Zuge von Gesetzesänderungen bekräftigt. Dies findet seine mittelbare Stütze, wenn die Beklagte selbst zutreffend darauf abstellt, dass die AMPreisV älter als der Versandhandel sei. Folge ist dann aber nicht, dass Altrecht verdrängt wird, wenn nicht dessen Fortgeltung insoweit gesetzgeberisch ausdrücklich festgestellt wird, sondern dass das Ergänzungsrecht einen vorgefundenen Rechtszustand nur mit seinen vertriebsmodellspezifischen Vorschriften abrundet, und, soweit keine unüberbrückbaren Widersprüche in den jeweiligen Regelwerken angelegt sind, das Altrecht fortgilt. Der nach dieser Sicht notwendig zu manifestierende gegenläufige gesetzgeberische Wille erschließt sich auch nicht aus der vorgelegten Seite des Handelsblatts, die ausschließlich eine Annahme des betreffenden Redakteurs wiedergibt. Auch der aufgezeigte gescheiterte Gesetzgebungsversuch, die deutschen Versandapotheken aus der Bindung an die AMPreisV zu befreien, belegt nicht, dass nach dem Scheitern dieser Gesetzesinitiative wenigstens die ausländischen Versandapotheken befreit sein/bleiben sollen, sondern nur, dass eine Besserstellung deutscher Versandapotheken hinsichtlich des deutschen Marktrechtes der AMPreisV gescheitert ist, es also für alle hiesigen Marktteilnehmer fortbestehend bleibt. Soweit das BSG das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip heranzieht, wonach die Wirkung von Staatshoheitsakten an den Gebietsgrenzen der tätig werdenden Staatsgewalt ende, vermag dies nicht zu überzeugen; denn hier geht es nur scheinbar darum, deutsches Recht in die Niederlande zu exportieren, vielmehr geht es darum, das deutsche Marktortrecht auch gegenüber hier operierenden niederländischen Unternehmen durchzusetzen. Insgesamt verfangen die systematischen Erwägungen, welche etwa das OLG München (III. 2.) oder das HansOLG Hamburg angestellt haben. Nicht nur das dort aufgezeigte Normengefüge von § 78 und § 73 AMG i.V.m. § 11 a Abs. 1 Nr. 1 ApoG stehen dafür, sondern auch das Ziel der Arzneimittelpreisbindung, wonach verhindert werden soll, dass Apotheken in einen - möglicherweise ruinösen - Preiswettbewerb zueinander treten. Würde ausländischen Anbietern, deren Marktort aber die Bundesrepublik Deutschland ist, nur aufgrund ihrer Ansässigkeit im Ausland eine Freistellung von den Regeln des Marktortrechts gewährt, käme es nicht nur zu einer - möglicherweise hinzunehmenden - Inländerbenachteiligung, sondern zur Gefährdung des übergeordneten Schutzziels der Versorgungssicherheit auf dem Feld eines überragenden Schutzgutes, nämlich dem der Gesundheit. Wie schon der Kläger mit Fundstellen zutreffend dargelegt hat, belegen die Wachstumsraten der Beklagten dieses Gefährdungspotenzial, dem angesichts des überragenden Schutzgutes Gesundheit schon in den Anfängen gewehrt werden darf. Es muss angesichts einer greifbaren Gefährdungsmöglichkeit nicht im Wege eines Feldversuches erprobt werden, wann das Risiko sich genau verwirklicht. Deshalb muss auch nicht der Frage nachgegangen werden, ob andere als US-amerikanische Marktanteile nicht zu gewärtigen sind und ob bei einer solchen Quote der Versandapotheken das Schutzgut dann schon nachhaltig oder gar irreparabel geschädigt ist. Auch hat die Wertung nicht an der Unbeachtlichkeit einer Inländerdiskriminierung anzusetzen, sondern daran, ob Ausländer auf dem deutschen Markt die gleichen Pflichten insoweit treffen.

bb) Die Erstreckung der Arzneimittelpreisbindung auf in den Mitgliedstaaten ansässige Versandapotheken, soweit sie sich an Endverbraucher im Inland wenden, steht im Einklang mit dem primären wie mit dem sekundären Gemeinschaftsrecht. Denn eine solche Maßnahme wäre nach Art. 30 EG zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt (HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 86]; OLG München a.a.O.). Der jeweilige Inlandsgesetzgeber kann danach nach der Verfasstheit der Infrastruktur und dem von ihm angestrebten Schutzniveau im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung im Rahmen seines Beurteilungsspielraums (Einschätzprärogative) Einzelregelungen treffen; der Senat macht sich dabei die überzeugenden Ausführungen des HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 83 bis 94] sowie des OLG München a.a.O. insoweit zu Eigen. Mit dem HansOLG Hamburg a.a.O [juris Tz. 83 bis 84] geht auch der Senat davon aus, dass die vollständige Harmonisierung im Bereich der Arzneimittelwerbung (vgl. BGH GRUR 2009, 179 [Tz. 12] - Kundenbefragung II ; 2009, 1082 [Tz. 23] - DeguSmiles & more ; EuGH GRUR 2008, 267, 269 [Tz. 39] - Gintec ) dem vorliegenden Verständnis über die Anwendbarkeit der AMPreisV nicht entgegensteht (ebenso OLG München a.a.O. [III. 2. a) cc) (2)]). Denn nach dem sekundären Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art. 4 Abs. 3 Humanarzneimittelkodex, ergibt sich die Befugnis, Arzneimittelpreise für den eigenen Mitgliedstaat festzulegen, damit auch für ausländische Versandapotheken, falls der gemeinsame Marktort das Inland ist (so mit ausführlicher und überzeugender Begründung HansOLG Hamburg a.a.O.). Eine Vorlagepflicht des Senats nach Art. 234 Abs. 2 EG besteht nicht, zumal er nach gebotener Zulassung der Revision nicht das letztentscheidende Gericht ist und, wenn überhaupt, gegebenenfalls eine einheitliche Vorlage durch den Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Vielzahl der dort gleichgerichteten anhängigen Verfahren angezeigt ist.

c) Die auf der Grundlage des § 78 AMG erlassene AMPreisV schreibt in ihren §§ 1 und 3 für verschreibungspflichtige Fertigarzneimittel die Festlegung eines einheitlichen Apothekenabgabepreises vor. Diese Bestimmungen werden auch dann verletzt, wenn für ein preisgebundenes Medikament zwar der korrekte Preis angesetzt, dem Kunden aber unmittelbar gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels Boni gewährt werden, sei es in Form reduzierter Zuzahlungen, sei es in Form von überwiesenen oder ausgezahlten Geldbeträgen. Dass nicht nur - wie sonst bei Rabattgewährungen - eine vom Kunden zu erbringende Zahlung reduziert wird, sondern der Kunde ein Geldgeschenk erhält, dem keinerlei eigene Vermögenshingabe gegenübersteht, ist unerheblich. Durch die AMPreisV sollen alle wirtschaftlichen Vorteile, die der Patient dadurch erzielen könnte, dass er ein Rezept bei einer bestimmten Apotheken einlöst, vermieden werden, da auch solche Boni jedenfalls mittelbar einen Preiswettbewerb unter den Apotheken auslösen würden, der aber gerade durch die feste Preisbindung - wie es auch nicht die Parteien anders sehen - verhindert werden soll; denn diese ist darauf angelegt ist, zu verhindern, dass Apotheken in einen - möglicherweise ruinösen - Preiswettbewerb zueinander treten (HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 69]; OLG München a.a.O.). Zwar bleibt es beim gebundenen Preis. Durch einen unmittelbar gekoppelten Vorteil büßt der das Arzneimittel Abgebende aber einen Teil des vorgeschriebenen und an ihn zu zahlenden Preises ein, dem entspricht der Vorteil des Verbrauchers. Die Vergünstigung durch im wirtschaftlichen Ergebnis Absenkung des Ausgabepreises wird zum Instrument der Lenkung der konkreten Nachfrageentscheidung, damit wird das Preisargument im Wettbewerb um den Kunden eingesetzt, mithin Preiswettbewerb betrieben (ebenso HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 69]; ebenso OLG München a.a.O.). Dabei kann ebenso wenig eine Rolle spielen, dass sich der Vorteil nicht beim Erstgeschäft (Abgabe des Medikamentes an den Patienten), sondern erst bei einem Zweitgeschäft (Einlösung bei Schlecker und anderen Vertragspartnern der Beklagten) realisiert. Denn für denjenigen, der die Umsatzentscheidung trifft, den Patienten, bleibt die Wirkung der Preisabsenkung durch Eröffnung einer Vergünstigung augenfällig, der innere und unmittelbarer Zusammenhang mit seiner Lieferantenwahl offenkundig. Dass dem Verbraucher kein Geldbetrag zur Verfügung gestellt oder ein von ihm zu erhebender Zahlbetrag gekürzt wird, ist ebenso wenig von Belang, wie, dass ihm zur Realisierung der Vergünstigung nur das Sortiment einiger Großanbieter im Zweitgeschäft offen steht. Dem Verbraucher sind ihm günstige Veränderungen eines Preises geläufig, auch in Gestalt von gekoppelten geldwerten Vorteilen. Dass früher eine rechtliche Aufspaltung in einerseits Rabatte andererseits Zugaben gegeben war, ändert an ihrem gemeinsamen Charakter, der wirtschaftlichen Rückführung des erhobenen Preises, nichts. So hat denn auch das OLG Karlsruhe a.a.O. die Gewährung sog. Bonustaler an den Kunden beim Erwerb verschreibungspflichtiger preisgebundener Arzneimittel ohne weiteres als Verstoß gegen §§ 1, 3 Abs. 1 AMPreisV angesehen. Bedenkt man zudem, wie lichtbildlich belegt und im Übrigen unstreitig ist, dass etwa bei Schlecker Stände mit Bestellformularen aufgestellt sind, so ist der Weg des Verbrauchers von der Wahl des Lieferanten zur Einlösung des Gutscheins aus einem Großsortiment im wahrsten Sinne des Wortes nur ein Schritt. Dies zeigt, dass die Differenzierung zwischen Erst- und Zweitgeschäft künstlich ist und dem maßgeblichen Verständnis von einer effektiven Preisreduzierung zuwiderläuft.9.

a) Ein Verstoß gegen die AMPreisV unterfällt auch § 4 Nr. 11 UWG (HansOLG Hamburg a.a.O. [juris Tz. 96]; so auch zu § 7 Abs. 1 HWG: BGH GRUR 2009, 1082 [Tz. 21] - DeguSmiles & more , eine Vorschrift, welche nach verschiedentlicher Ansicht die AMPreisV als lex specialis verdrängen soll).

b) Der Verstoß ist auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern oder Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 1 UWG; OLG Karlsruhe a.a.O. [juris Tz. 19]; so zu § 7 Abs. 1 HWG BGH a.a.O. [Tz. 22] - DeguSmiles & more ). Die Vergünstigung verschafft der betreffenden Apotheke einen Wettbewerbsvorteil gegenüber (Präsenz-)Apotheken ohne ein solches Gutscheinsystem und ist durch seine Geeignetheit, nachhaltig auf die Wahl des Belieferungsweges durch den Verbraucher einzuwirken, in der Lage, durch Umsatzumlenkungen in den Bestand von Apotheken und damit die Apothekeninfrastruktur einzugreifen und mithin das Verordnungsziel, die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu gewährleisteten, zu gefährden (ebenso OLG München a.a.O.). In einer Art Reflex scheint dies auch im Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten auf, wenn diese, welche mit jährlich steigenden Raten Millionenumsätze in der Sparte der Versandapotheke generiert, im Falle des Verbots des Gutscheinsystems ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet sieht.10.

Vorliegend ist schon angesichts des Schutzgutes nicht erkennbar, dass der Beklagten eine Aufbrauchs- oder Umstellungsfrist zu gewähren (vgl. hierzu allg. Bornkamm in Hefermehl/Bornkamm a.a.O. § 8, 1.58 f) wäre. Im Übrigen auch deshalb nicht, da der Senat einen Teilvergleich insoweit angestrebt hatte und die Parteien übereinstimmend erklärt haben, läge das Urteil erst einmal vor, sähen sie sich wie auch in anderen gleichgelagerten Fällen sehr wohl in der Lage, diese Frage untereinander selbst zu regeln.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 542 Abs. 1, 543 i.V.m. § 3 ZPO.

Dem Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 Abs. 1 ZPO ist nicht zu entsprechen. Zwar ist er nur in erster Instanz gestellt (Bl. 99 bis 101). Er ist jedoch in der Instanz zu stellen (Herget in Zöller, ZPO, 28. Aufl. [2010], § 714, 1). Da die Beklagte vor dem Landgericht aber obsiegt hat, ist er - ähnlich einem Hilfsantrag eines obsiegenden Klägers (vgl. BGH U. v. 18.05.2009 - II ZR 124/08 [Tz. 23]; GRUR 2005, 692 [II 2 a] - statt-Preis ) - zugleich in II. Instanz mit angefallen.

Materiell wird ein nicht zu ersetzender Nachteil des Schuldners durch die Vollstreckung gefordert; erforderlich sind also irreparable Folgen durch die Vollstreckung, die so gut wie sicher zu erwarten sind. In Betracht kommen also Fälle, in denen die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners sicher scheint (Lackmann in Musielak, ZPO, 7. Aufl. [2009], § 712, 1 a). Der Sachantrag des Schuldners ist glaubhaft zu machen (§ 714 Abs. 2 ZPO; vgl. auch Lackmann a.a.O., 3). Der Schuldner hat seine Vermögensverhältnisse offenzulegen (BGH WM 1985, 1435 [juris Tz. 6]; Herget in Zöller a.a.O. § 712, 5). Im Zweifel haben gemäß § 712 Abs. 2 die Interessen des Gläubigers Vorrang, insbesondere wenn Unterlassungsansprüche betroffen sind (Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. [2009], § 712, 5). Die Beklagte hat es schon an der hinreichenden Darlegung, im Übrigen an der entsprechenden Glaubhaftmachung fehlen lassen. Auch darauf hat der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen. Unabhängig davon steht auch der Charakter des geltend gemachten Anspruchs, mit dem zudem bedeutende Gemeinschaftsgüter verfolgt werden, dem Erfolg des Antrags entgegen.

Die Revision war zuzulassen. Beim Bundesgerichtshof stehen nach Mitteilung der Parteien vier/sechs Rechtsmittel gegen obergerichtliche Entscheidungen zur identischen oder gleichartigen Frage an; schon das Gebot der Rechtseinheitlichkeit erfordert, durch Zulassung der Revision auch der Beklagten eine Teilhabe an der zu erwartenden Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zu eröffnen. Ungeachtet dessen liegen divergierende oberlandesgerichtliche Entscheidungen vor.






OLG Stuttgart:
Urteil v. 10.12.2009
Az: 2 U 66/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3be0d8298cf2/OLG-Stuttgart_Urteil_vom_10-Dezember-2009_Az_2-U-66-09




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