Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 18. April 1994
Aktenzeichen: 6 S 445/94

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 18.04.1994, Az.: 6 S 445/94)

1. Wurde das erstinstanzliche verwaltungsgerichtliche Verfahren durch ein rechtskräftiges Urteil mit Kostenausspruch beendet und ergibt sich daraus, daß das Verwaltungsgericht den Klageantrag objektiv zu eng ausgelegt hat, subjektiv aber der Überzeugung war, über den Streitstoff in vollem Umfang entschieden zu haben, ist für die Streit-/Gegenstandswertfestsetzung der Klageantrag in der (reduzierten) Form maßgebend, wie ihn das Verwaltungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat.

Gründe

Die Beschwerde ist auslegungsbedürftig sowohl hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers als auch hinsichtlich des Beschwerdeziels.

Der Senat versteht die Beschwerde als im eigenen Namen von den Prozeßbevollmächtigten der Kläger erhoben. Die Kläger selbst hätten kein schutzwürdiges Interesse an einer Erhöhung des "Streitwerts". Die Erhöhung würde sie nicht begünstigen, sondern lediglich den Beklagten als kostenpflichtigen Teil belasten. Ein rechtlich schutzwürdiges Interesse der Kläger daran, daß der Beklagte höhere Verfahrenskosten trägt, wäre aber nicht anzuerkennen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 26.09.1991 - 1 S 2086/91 - NVwZ-RR 1992, 110).

Ausdrücklich verfolgt die Beschwerde zwar das Ziel, den "Streitwert" zu erhöhen. Richtig verstanden haben die Beschwerdeführer aber mit ihrem Antrag auf "Streitwert"-Festsetzung vom 07.12.1993 nicht den Streitwert im Sinne der §§ 13, 25 GKG, sondern den Gegenstandswert im Sinne von § 10 BRAGO gemeint. Da Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) in Sozialhilfesachen nicht erhoben werden (§ 188 Satz 2 VwGO), erfolgt auch keine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im Sinne des § 25 GKG. Dagegen kann das Gericht in solchen Verfahren unter anderem auf Antrag des Rechtsanwalts den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluß selbständig festsetzen (§ 10 Abs. 1 BRAGO). Dies war das Interesse der Beschwerdeführer, und dementsprechend war die Entscheidungsformel des Festsetzungsbeschlusses neu zu fassen.

Im übrigen bleibt die Beschwerde jedoch erfolglos, weil das Verwaltungsgericht den Wert von der Höhe her zutreffend auf 404,75 DM festgesetzt hat. Gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 8 Abs. 1 BRAGO ist der Gegenstandswert für verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 13 Abs. 2 GKG). Dabei ist von dem Antrag in der Form auszugehen, wie ihn das Verwaltungsgericht seinem Urteil zugrunde gelegt hat (BayVGH, Beschl. v. 19.06.1991, NVwZ 1991, 1198), wenn - wie hinzugefügt werden muß - dieses Urteil bereits rechtskräftig ist. Denn damit stehen der Entscheidungsumfang des erstinstanzlichen Urteils und gleichzeitig auch die Reichweite der Kostenentscheidung rechtskräftig fest. Eine rechtskräftige Kostenentscheidung darf aber nicht dadurch unrichtig werden, daß der Gegenstandswert für die Gebührenberechnung nachträglich geändert wird (BGH, Beschl. v. 30.06.1977, MDR 1977, 925). Dazu würde jedoch ein Erfolg der Beschwerde im vorliegenden Verfahren führen: Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten lediglich dazu verpflichtet, den Klägern für den Monat Mai 1992 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Es war dabei - ob zu Recht, mag dahinstehen - offensichtlich der Meinung, über den Streitstoff in vollem Umfang zu entscheiden, wie die Abfassung des Urteilstenors und der Hinweis zu Beginn der Entscheidungsgründe deutlich machen. Der Kostenausspruch erfaßt demnach auch nur die für diesen Entscheidungsumfang entstandenen Kosten. Würde man den Gegenstandswert in dem von der Beschwerde angestrebten Maß erhöhen, müßte der Beklagte Kosten aus einem ca. 11fach höheren Gegenstandswert zahlen, als er materiell zur Leistung von Sozialhilfe durch das Urteil verpflichtet wurde. Dies wäre nicht rechtens, wie folgende Überlegung deutlich macht: Hätte das Verwaltungsgericht nicht nur über den Monat Mai 1992, sondern - entsprechend der ständigen Senatsrechtsprechung zur Bestimmung des Klagezeitraums in Streitigkeiten über laufende Sozialhilfeleistungen (vgl. zuletzt Senatsbeschluß vom 30.07.1993 - 6 S 1316/93 - m.w.N.) - über den Zeitraum bis zum Erlaß des Widerspruchsbescheids im März 1993 entschieden, wäre eine teilweise Klagabweisung nicht auszuschließen gewesen. Dann hätten die Kläger insoweit aber auch teilweise die Kosten tragen müssen. Über diesen möglichen Verfahrensausgang würde sich eine Gegenstandswerterhöhung zum jetzigen Zeitpunkt hinwegsetzen, mit der Folge, daß der Beklagte für Kosten einzustehen hätte, für deren Zuordnung eine Entscheidung fehlt. Wenn die Beschwerdeführer der Meinung waren, daß den Klägern vom Verwaltungsgericht zu wenig zugesprochen wurde, hätten sie das gebotene Rechtsmittel einlegen müssen. Da sie das nicht getan haben, sondern sich mit dem reduzierten Entscheidungsumfang zufrieden gegeben haben, müssen sie ihre Gebühren auch aus dem niedrigeren Gegenstandswert geltend machen.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 18.04.1994
Az: 6 S 445/94


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