Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 21. November 1997
Aktenzeichen: 6 U 55/97
(OLG Köln: Urteil v. 21.11.1997, Az.: 6 U 55/97)
Das werbliche Angebot eines Fahrradhändlers, beim Kauf eines ,nagelneue(n) P...Jubilé Fahrrade(s)" das ,alte fahrbereite Fahrrad" des Kunden mit einem Betrag von bis zu DM 200,00 in Zahlung zu nehmen, ist jedenfalls dann als sog. übertriebenes Anlocken wettbewerbswidrig im Sinne von § 1 UWG, wenn die angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der Gestaltung der Anzeige und der Begründung des Angebots die werbliche Ankündigung dahin verstehen (können), daß auch nicht mehr verkehrssichere alte Fahrzeuge zu einem Betrag von bis zu DM 200,00 entgegen genommen werden.
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 4. Februar 1997 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 641/96 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung ist zwar
insgesamt zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen
Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil die im
Beschlußweg erlassene einstweilige Verfügung aufrechterhalten. Denn
das Unterlassungsbegehren der gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG
prozeßführungsbefugten und aktivlegitimierten Antragstellerin
erweist sich gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des
übertriebenen Anlockens als begründet.
Unter welchen Voraussetzungen eine Wettbewerbshandlung als nach
Maßgabe von § 1 UWG unlauteres "übertriebenes Anlocken" einzuordnen
ist, hat bereits das Landgericht in
dem erstinstanzlichen Urteil zutreffend und erschöpfend
dargestellt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher insoweit
gemäß § 543 Abs. 1 ZPO auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils
der ersten Instanz - dort S. 10 f ( = Bl. 47 f d. A. ) - Bezug
genommen. Die verfahrengegenständliche Werbung in der Ausgabe der
Bild-Zeitung vom 5. September 1996 ist aber auch unter
Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Antragsgegnerin als
nach diesen Maßstäben unlautere Wettbewerbshandlung zu
qualifizieren.
Indem die genannte Werbeanzeige in ihrer konkreten Gestaltung
für die Inzahlungnahme von Gebrauchtfahrrädern einen
Anrechungspreis von " bis zu DM 200.- " verspricht, wird zumindest
ein für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung maßgeblicher Teil des
angesprochenen Publikums " übertrieben " angelockt. Ein nicht
unerheblicher Teil der Adressaten der Werbung, denen die Mitglieder
des erkennenden Senats als Eigentümer alter und potentielle
Erwerber neuer Fahrräder zugehörig sind, wird nämlich die
vorbezeichnete Aussage aufgrund des Zusammenhangs, in den sie
gestellt ist, in dem Sinne verstehen, daß selbst für nicht mehr
verkehrssichere, gleichwohl aber noch "fahrbereite" Fahrräder der
ausgelobte " Spitzenwert " von DM 200.- erzielbar ist. Denn nach
der Darstellung in dem durch das " Sternchen " in bezug genommenen
Fließtext unterhalb des in der Art einer Titelzeile auffällig
hervorgehobenen Werbeversprechens verfolgt die Inzahlungnahme
gerade den Zweck, " Deutschlands Straßen ...sicherer " zu machen (
"Deutschlands Straßen sollen sicherer werden". ). Diese Aussage
suggeriert , daß es der Antragsgegnerin mit dem Versprechen, für
die Inzahlungnahme " alter fahrbereiter Fahrräder " einen
Ankaufspreis bis zu DM 200.- zu zahlen ( " Sie bringen Ihr altes
fahrbereites Fahrrad bei uns vorbei und dafür verrechnenen wir bis
zu 200.- DM..."), im Interesse der Verkehrssicherheit gerade darum
geht, solche Fahrräder aus dem Verkehr zu ziehen, die für die
Sicherheit auf "Deutschlands Straßen" eine Beeinträchtigung oder
sogar Gefährdung darstellen könnten. Das wiederum sind aber nicht
etwa lediglich unmoderne oder alte, im übrigen noch
verkehrstaugliche und -sichere Fahrräder, sondern gerade solche,
mit denen zwar die Fortbewegung als solche noch möglich ist, die
über diese " Fahrbereitschaft" hinaus den Anforderungen an die
Verkehrssicherheit jedoch nicht mehr standhalten. Entgegen der
Auffassung der Antragsgegnerin wird das Entstehen dieser, durch die
vorbezeichnete Aussage erweckten Assoziation auch nicht etwa durch
den weiteren, ebenfalls in dem genannten Fließtext enthaltenen
Hinweis "...Und ganz schnell bei Ihrem ZEG-Händler vorbeiradeln "
verhindert. Denn unabhängig davon, daß zumindest ein nicht
unbeachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs diese Aufforderung
als bloßen Werbeappell verstehen wird, mit dem die Interessenten
zum möglichst schnellen Aufsuchen der Fahrradhändler veranlaßt
werden sollen und mit dem gerade auf den spezifischen Anlaß und
Hintergrund der konkreten Werbung angespielt wird ( "Fahrräder",
"Fahrradfahrer", "Fahrradfahren", "Radeln" ), kann jedenfalls auch
mit nicht verkehrssicheren, gleichwohl aber fahrbereiten Fahrrädern
bei einem Fahrradhändler "vorbeigeradelt" werden. Die weitergehende
Aussage, daß
nur mit verkehrssicheren Fahrrädern bei den ZEG-Handlern
"vorbeigeradelt" werden soll und daß die dort in Zahlung zu
gebenden Altfahrräder daher verkehrssicher sein müssen, läßt sich
der in Rede stehenden Aussage in ihrer konkreten Formulierung
folglich nicht entnehmen.
Versteht aber ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen
Verkehrs die angegriffene Werbung in dem Sinne, daß der ausgelobte
Spitzenankaufspreis gerade auch für die Gruppe der zwar
fahrbereiten, im übrigen aber nicht mehr verkehrssicheren
Gebrauchtfahrräder erzielbar sei, suggeriert dies einen Vorteil,
der eine mit den Grundsätzen des Leistungswettbewerbs unvereinbare
übertriebene Anlockwirkung auslöst. Dabei kommt es von vorneherein
nicht darauf an, daß es sich bei dem genannten Spitzenpreis um
einen nach der Schwacke-Liste für viele, auch mehrere Jahre alte
Gebrauchtfahrräder durchschnittlichen Typs realistischen Betrag
handelt. Unerheblich ist ferner, inwiefern den Verbrauchern
überhaupt das Vorhandensein einer Schwacke-Liste für
Gebrauchtfahrräder bekannt ist. Das alles kann hier letzlich
dahinstehen, weil bei den in der erwähnten Schwacke-Liste taxierten
Gebrauchtfahrrädern ein unfallfreier, von den üblichen
Gebrauchsspuren abgesehen, einwandfreier technischer, im übrigen
verkehrssicherer Zustand zugrundegelegt ist ( vgl. S. 18 der
Schwacke-Liste = Anlage zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 28.
April 1997 ). Für den Teil des von der Werbung angesprochenen
Verkehrs , dessen Gebrauchtfahrrad nicht verkehrssicher ist,
stellen sich daher die in der Schwacke-Liste angegebenen Beträge
und damit zugleich
auch der in der verfahrenbetroffenen Werbung ausgelobte
Spitzenbetrag somit jedenfalls als unrealistisch dar. Dies
begründet und verdeutlicht zugleich den hohen Anreizeffekt der
genannten Summe und die hiervon ausgehende besondere Anlockwirkung
: Gerade weil die Erzielbarkeit einer Summe von bis zu 200.- DM für
nicht verkehrssichere, tatsächlich aber von vorneherein von diesem
Preisbereich ausgeschlossene Fahrräder suggeriert wird, entsteht
der Eindruck eines - im Interesse der Verkehrssicherheit -
ausgelobten ganz besonders günstigen Ankaufsangebots. Dieser
Eindruck ist auch geeignet, die Interessenten in erster Linie
deshalb zum Aufsuchen der ZEG-Fahrradhändler zu bewegen, um dort in
den Genuß des erwarteten Vorteils zu gelangen. Selbst wenn sich
anschließend an Ort und Stelle die vorstehende Erwartung eines
günstigen Ankaufspreises für nicht verkehrsichere Fahrräder als
objektiv unzutreffend erweisen sollte, besteht dann aber die
Gefahr, daß sich die Kunden vordergründig - beispielsweise aus
Gründen der Bequemlichkeit - deshalb für das Angebot des jeweiligen
Fahrradhändlers entschließen, weil sie sich bereits der Mühe
unterzogen haben, ihr nicht verkehrssicheres Gebrauchtfahrrad, für
welches sie sich nach der Werbung eigentlich einen günstigeren
Preis vorgestellt haben, dorthin zu bringen. Dies gilt sogar in
besonderem Maß für Interessenten, die ein den Anforderungen der
Verkehrssicherheit an sich nicht mehr genügendes Gebrauchtfahrrad
in Zahlung geben wollen. Denn gerade bei diesen kann die mit einer
" Rückfahrt " gegebenenfalls verbundene Unsicherheit im Verkehr die
Entschließung noch fördern, vor allem deshalb auf das Angebot des
jeweiligen
ZEG-Fahrradhändlers einzugehen, um nicht die erneute, mit dem
Benutzen des verkehrsunsicheren Fahrrades verbundene Sorge und
Unsicherheit auf sich nehmen zu müssen. Entgegen dem Leitbild des
Leistungswettbewerbs trifft der Interessent dann seine
wirtschaftliche Entscheidung aber nicht mehr im Hinblick auf die
Preiswürdigkeit und die Qualität der Ware, sondern ohne eine solche
Prüfung der verschiedenen Wettbewerbsangebote in erster Linie
deshalb, weil er - sei es aus Bequemlichkeit oder sei es aus Sorge
um die Sicherheit seines Rücktransports - die Gelegenheit zum Kauf
nutzt. Gerade hierin liegt aber das Unlauterkeitsmerkmal des mit
den guten wettbewerblichen Sitten unvereinbaren "übertriebenen
Anlockens", mit dessen Verbot verhindert werden soll, daß die
angesprochenen Verkehrskreise von einer Prüfung der Qualität und
Preiswürdigkeit der verschiedenen Angebote des Wettbewerbs wegen
des Versprechens eines besonderen - angebotsfremden - Vorteils
abgelenkt und dadurch die Mitbewerber von vorneherein um die Chance
gebracht werden, ihrerseits das Publikum mit ihren Angeboten
wirksam anzusprechen ( vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht,
19. Auflage, Rdn. 90 zu § 1 UWG m. w. N. ).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig ( § 545 Abs.
2 ZPO ).
OLG Köln:
Urteil v. 21.11.1997
Az: 6 U 55/97
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