Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht:
Beschluss vom 19. November 2007
Aktenzeichen: 20 ZD 8/06

(Niedersächsisches OVG: Beschluss v. 19.11.2007, Az.: 20 ZD 8/06)

In förmlichen Disziplinarverfahren nach der Niedersächsischen Disziplinarordnung ist eine Vertretung des Vertreters der Einleitungsbehörde durch Rechtsanwälte nicht möglich; Rechtsbehelfsbelehrungen müssen sich hier auch auf die Form der Anfechtung erstrecken.

Gründe

I.

Am 21. Januar 2007 (Bl. 1/16, 6/16 und 16/16 Beiakte - BA - K) beschloss der Beschwerdeführer zu 2 (Kreisausschuss), dass gegen den Beamten ein förmliches Disziplinarverfahren eingeleitet und der Beschwerdeführer zu 1 zum Vertreter der Einleitungsbehörde bestimmt werde. Am 26. Januar 2004 fand ein Gespräch des Leiters des das Personalwesen umfassenden Fachbereichs des Beschwerdeführers zu 3 (Landkreis) mit dem Beamten statt (vgl. Bl. 257 f. BA H). In diesem Gespräch wurde der Beamte insbesondere davon in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer zu 2 beschlossen hatte, ein förmliches Disziplinarverfahren gegen ihn einzuleiten.

Unter dem Briefkopf €Landkreis € Der Oberkreisdirektor€ und dem Datum des 27. Januar 2004 zeichnete der damalige Oberkreisdirektor des Beschwerdeführers zu 3 eine Einleitungsverfügung ab, in der der Beschwerdeführer zu 2 keine Erwähnung fand und deren Text mit dem Satz begann: Sehr geehrter Herr € hiermit leite ich gegen Sie das förmliche Disziplinarverfahren ein. Die mit dem vollen Namen unterschriebene Urschrift dieser Einleitungsverfügung (vgl. Bl. 95 f. Gerichtsakte - GA -) wurde am 4. Februar 2004 gegen Empfangsbekenntnis (Bl. 253 BA G) dem Beamten zugestellt, während in den Akten lediglich ein von mehreren Personen paraphiertes Exemplar (Bl. 248 ff. [251] BA G) verblieb.

Durch ein am 16. Juni 2005 zugestelltes (Bl. 33 BA J) Schreiben vom 15. Juni 2005 (Bl. 31 BA J) lud der Untersuchungsführer den Beamten zur Vernehmung.

Am 31. Oktober 2005 hat der Vertreter der Einleitungsbehörde der damaligen Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht seine Anschuldigungsschrift vorgelegt.

Mit Beschluss vom 20. Februar 2006 hat das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die §§ 69a Abs. 4 und 63 Abs. 1 Nr. 1 NDO das Verfahren gegen den Beamten eingestellt, weil die Einleitungsverfügung nicht schriftlich ergangen sei und aus ihr nicht deutlich werde, dass die zuständige Einleitungsbehörde sie erlassen habe.

Unter dem 20. Februar 2006 hat die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts die Zustellung dieses Beschlusses der Vorinstanz verfügt (Bl. 34 - GA -). Daraufhin ist die Entscheidung in einer an den Beschwerdeführer zu 3 adressierten Sendung abgeschickt worden. Am 22. Februar 2006 (Bl. 36 GA) hat der Landrat des Beschwerdeführers zu 3 das entsprechende Empfangsbekenntnis über die Zustellung der Sendung abgezeichnet. Am 8. März 2006 ist dem Vertreter der Einleitungsbehörde persönlich die an ihn weitergeleitete Entscheidung der Vorinstanz zugegangen (Bl. 86 GA).

Am 3. März 2006 haben die drei Beschwerdeführer durch von ihnen gemeinsam beauftragte Rechtsanwälte Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts eingelegt; die Vorinstanz hat nicht abgeholfen (Bl. 53 GA).

Am 26. September 2006 hat sich der Vertreter der Einleitungsbehörde persönlich die in seinem Namen eingelegte Beschwerde der Rechtsanwälte und deren Begründung (Schriftsatz vom 29. März 2006) zu Eigen gemacht (Bl. 67 GA). Am 29. September 2006 hat er selbst Beschwerde gegen die Entscheidung der Vorinstanz eingelegt und die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer etwaigen Versäumung der Beschwerdefrist beantragt (Bl. 70 ff. GA).

Die durch die Beschwerdeführer beauftragten Rechtsanwälte sind der Auffassung, dass sich der Vertreter der Einleitungsbehörde durch sie als Bevollmächtigte vertreten lassen könne, da er ihnen nicht sein Amt als solches übertragen habe, sondern ihnen lediglich die Führung eines Rechtsmittelverfahrens überlasse, durch das die Fortsetzung des zu Unrecht eingestellten förmlichen Disziplinarverfahrens erstritten werden solle. Werde dieses Verfahren fortgesetzt, gedenke der Vertreter der Einleitungsbehörde, seine Rechte und Pflichten vor dem Verwaltungsgericht wieder selbst wahrzunehmen. Zur Erteilung einer Vollmacht sei er berechtigt gewesen, da die Einleitungsbehörde kein Interesse daran gehabt habe, dass er seine Vertretungsmacht in dem Beschwerdeverfahren persönlich ausübe.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde macht für den Fall, dass seine wirksame Vertretung durch die beauftragten Rechtsanwälte nicht möglich sei und er sich die Einlegung des Rechtsmittels durch diese auch nicht fristwahrend habe zu Eigen machen können, geltend, dass er ohne Verschulden verhindert gewesen sei, die Zwei-Wochen-Frist des § 78 Abs. 3 NDO einzuhalten. Da seine Rechtsanwälte das Mandat übernommen hätten, ohne Bedenken zu äußern, habe er davon ausgehen dürfen, dass er sie wirksam habe bevollmächtigen können. Vor dem entsprechenden richterlichen Hinweis vom 18. September 2006, der ihm am 25. September 2006 zur Kenntnis gelangt sei, sei ihm die etwaige Problematik einer solchen Bevollmächtigung nicht bekannt gewesen. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher gerechtfertigt.

Zur weiteren Begründung der Beschwerden führen die durch den Vertreter der Einleitungsbehörde beauftragten Rechtsanwälte sowie die Beschwerdeführer zu 2 und zu 3 aus, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Einleitungsverfügung weder schriftlich ergangen sei noch aus ihr deutlich werde, dass die zuständige Einleitungsbehörde sie erlassen habe. Dies ergebe sich unter anderem aus der Rechtsprechung des Niedersächsischen Disziplinarhofs mit Urteil vom 17. Februar 1994 - 2 NDH L 3373/92 -, die sich auf eine im Wesentlichen identische Rechtslage beziehe. Hingegen lasse sich die von dem Verwaltungsgericht zitierte Judikatur des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 13. Mai 2005 - 3 ZD 1/05 - (RiA 2006, 187 f.) auf den vorliegenden Fall nicht übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 29. März 2006 (Bl. 45 ff. GA) verwiesen.

Der Vertreter der Einleitungsbehörde, die ihn vertretenden Rechtsanwälte sowie die Beschwerdeführer zu 2 und zu 3 beantragen,

den angefochtenen Beschluss vom 20. 02. 2006 aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Osnabrück zurückzugeben.

Der Beamte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er meint die Rechtsmittel der Beschwerdeführer seien unzulässig. Der Vertreter der Einleitungsbehörde habe die Befugnisse seines höchstpersönlichen Amtes auch nicht teilweise auf Rechtsanwälte übertragen können. Aus § 35 NDO ergebe sich, dass die Vertretung der Einleitungsbehörde im gerichtlichen Disziplinarverfahren nur durch Richter oder Beamte im statusrechtlichen Sinne wahrgenommen werden könne, die den Weisungen der Einleitungsbehörde unterlägen. Rechtsanwälte seien keine solchen Beamten und aus ihrer in § 3 Abs. 1 BRAO umschriebenen Funktion ergebe sich, dass ihnen gegenüber das erforderliche unmittelbare Weisungsrecht der Einleitungsbehörde nicht bestehe. Eine €Genehmigung€ des durch einen Rechtsanwalt eingelegten Rechtsmittels sei nicht möglich. Denn nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist könne ein angeschuldigter Beamter darauf vertrauen, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bestand habe, wenn keine ordnungsgemäße Beschwerde erhoben worden sei. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Rechtsmittelfrist durch den Vertreter der Einleitungsbehörde fehle es wohl schon am Merkmal der unverschuldeten Versäumung.

Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht das Verfahren auch zu Recht eingestellt.

Insoweit wird wegen weiterer Einzelheiten der Beschwerdeerwiderung auf den Schriftsatz vom 4. Juli 2006 (Bl. 61 ff. GA) verwiesen.

II.

20Die durch beauftragte Rechtsanwälte im Namen des Vertreters der Einleitungsbehörde sowie der Beschwerdeführer zu 2 und zu 3 eingelegten Beschwerden sind zu verwerfen, weil sie unzulässig sind. Den Beschwerdeführern zu 2 und zu 3 fehlt es an der erforderlichen Beschwerdeberechtigung. Die anwaltliche Einlegung der Beschwerde im Namen des Vertreters der Einleitungsbehörde ist mangels Vertretungsmacht der unwirksam Bevollmächtigten unzulässig.

Die durch den Vertreter der Einleitungsbehörde persönlich eingelegte Beschwerde ist dagegen zulässig und begründet.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts (Nds. GVBl. 2005, 296 [316]) werden förmliche Disziplinarverfahren, in denen - wie hier - im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes (1. Januar 2006) der Beamte bereits zur Vernehmung nach § 58 NDO geladen war, nach der Niedersächsischen Disziplinarordnung fortgeführt, wobei das Verwaltungsgericht an die Stelle der Disziplinarkammer und das Oberverwaltungsgericht an die Stelle des Disziplinarhofs tritt (Art. 11 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Neuordnung des niedersächsischen Disziplinarrechts). Gegen den Beschluss, durch den das Verwaltungsgericht unter Berufung auf § 69a Abs. 4 NDO das förmliche Verfahren gegen den Beamten eingestellt hat, ist somit gemäß § 78 Abs. 1 NDO eine Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht statthaft.

Die Zulässigkeit einer solchen Beschwerde setzt allerdings des Weiteren eine Rechtsmittelberechtigung (vgl. §§ 25 Satz 1 NDO, 296 StPO) des jeweiligen Beschwerdeführers voraus, die sich aus der Beteiligtenstellung und der Möglichkeit des Eingriffs in Verfahrenspositionen oder Rechte ergeben muss.

Beschwerdeberechtigt ist demnach zwar der für den Dienstherrn am Verfahren beteiligte Funktionsträger, hier der Vertreter der Einleitungsbehörde (vgl. Bieler/Lukat, NDO, Kommentar, Stand: Sep. 2001, Rn. 5 zu § 78 und Rn. 2 vor § 78), nicht aber der Dienstherr als solcher, vertreten durch das nach allgemeinem Verwaltungsorganisationsrecht für ihn nach außen handelnde Organ. Das ergibt sich daraus, dass die Disziplinarbefugnisse, unter denen alle Maßnahmen im weiteren Sinne zu verstehen sind, die nach der Niedersächsischen Disziplinarordnung getroffen werden können (Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 5 zu § 15), zur Ausübung abschließend (Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 1 zu § 15) den zuständigen Behörden, Dienstvorgesetzten und Disziplinargerichten übertragen sind (§ 15 Abs. 1 NDO). Da die Landkreise - als solche - selbst keine einschlägige disziplinarrechtliche Zuständigkeit besitzen, fehlt es also dem Beschwerdeführer zu 3 bereits an der Rechtsmittelberechtigung.

Der Beschwerdeführer zu 2 ist ebenfalls nicht beschwerdeberechtigt. Dieser Beschwerdeführer ist zwar gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 2 NDO i. V. m. § 61 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 NLO im vorliegenden Falle als Einleitungsbehörde zuständig. Gemäß § 35 Satz 1 NDO hat aber die Einleitungsbehörde nach der Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens (§ 34 Satz 1 NDO) - mindestens (vgl. § 25 Satz 1 NDO i. V. m. § 227 StPO) - einen Beamten oder Richter zu ihrem Vertreter in dem Verfahren zu bestellen. Nur durch einen solchen gemäß § 35 NDO bestellten Vertreter kann sie in dem (förmlichen Disziplinar-) Verfahren vor den Disziplinargerichten wirksame Verfahrenshandlungen vornehmen. Prozesserklärungen, die sie unmittelbar durch andere Personen abgibt, sind dagegen unwirksam; Rechtsmittel sind unzulässig, die in ihrem Namen von einem nicht nach § 35 NDO bestellten Vertreter einlegt werden (vgl. NDH, Beschl. v. 17. 10. 1991 - 1 NDH M 5/91 - S. 6 f. des Abdrucks; Nds. DStH, Beschl. v. 7. 12. 1954 - DSt B 6/54 -, OVGE 9, 327 [328 f.]; Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 1 zu § 35; Breithaupt/Zoch, Kommentar zur Nds. Disziplinarordnung, Göttingen 1963, Rn. 4 zu § 54; und zum nordrhein-westfälischen bzw. Bundes- und Reichsrecht: OVG NRW, Urt. v. 6. 9. 1957 - V 15/55 -, VerRspr. Bd. 10 [1958], BeamtR Nr. 120 sowie BVerwG, Beschl. v. 13. 3. 1972 - I DB 1.72 -, BVerwGE 43, 323 [325 f.]). Das hiernach bestehende alleinige Vertretungsrecht der gemäß § 35 Satz 1 NDO bestellten Beamten oder Richter ist durch den Sinn und Zweck der genannten Vorschrift gerechtfertigt. Indem eigens ein Vertreter der Einleitungsbehörde mit selbständiger verfahrensrechtlicher Stellung berufen wird, dessen Befugnisse von denjenigen getrennt sind, die daneben der Einleitungsbehörde selbst verbleiben, soll nämlich die Objektivität des Verfahrens gestärkt werden: Prozesshandlungen sollen der am Ausgang des Verfahrens besonders nah interessierten Einleitungsbehörde in gewissem Maße entzogen werden, ähnlich wie das im Strafprozess durch die alleinige Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft anstatt anderer interessierter Behörden erreicht wird (vgl. Nds. DStH, Beschl. v. 7. 12. 1954 - DSt B 6/54 -, OVGE 9, 327 [329]). Dieser Effekt wäre aber nicht zu erzielen, könnte die Einleitungsbehörde neben ihrem eigens bestellten Vertreter unmittelbar selbst Verfahrenshandlungen vornehmen.

Die anwaltliche Einlegung der Beschwerde im Namen des Vertreters der Einleitungsbehörde ist mangels Vertretungsmacht der unwirksam bevollmächtigten Rechtsanwälte unzulässig.

Die Befugnis, die Einleitungsbehörde im förmlichen Disziplinarverfahren zu vertreten, kann nämlich nur von dieser selbst erteilt werden und die Vertretung darf zudem gemäß § 35 Satz 1 NDO nur einem Beamten oder Richter übertragen werden. Die dem Vertreter der Einleitungsbehörde erteilte Vertretungsbefugnis ist ihrem Wesen und Zweck nach ein höchstpersönliches Amt, das den bestellten Beamten nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet und ihm die Möglichkeit nimmt, einen Rechtsanwalt zu bevollmächtigen. Der Gesetzgeber hat die wichtige Aufgabe des Vertreters der Einleitungsbehörde einer mit den Rechten und Pflichten eines Beamten oder Richters ausgestatteten Person vorbehalten. Diese Regelung entspricht der Einsicht, dass der Vertreter der Einleitungsbehörde in Ausübung der Disziplinargewalt des Dienstherrn tätig wird und aus diesem Grunde - ähnlich einem im Strafverfahren amtierenden Staatsanwalt - eine hoheitliche Funktion wahrnimmt, bei deren Eigenart sich eine Delegation auf Private von selbst verbietet (so bereits - die Entscheidung allerdings nicht tragend - NDH, Beschl. v. 17. 10 1991 - 1 NDH M 5/91 - S. 6 f. des Abdrucks unter Hinweis auf OVG NRW, Beschl. v. 22. 12. 1980 - V-16/80 -, OVGE 35, 188 [189]); im Ergebnis ebenso: Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 2 zu § 35).

Da sich die anwaltliche Einlegung der Beschwerde im Namen des Vertreters der Einleitungsbehörde nach dem Recht der Niedersächsischen Disziplinarordnung - objektiv - als fehlgeschlagener Versuch einer Ausübung von Hoheitsgewalt darstellt, hat sich der Vertreter der Einleitungsbehörde das Rechtsmittel auch nicht zu Eigen machen können. Denn er hat der von Privaten vorgenommenen Prozesshandlung nicht rückwirkend jenen hoheitlichen Charakter beizulegen vermocht, den sie nur auf der Grundlage einer Beleihung mit Hoheitsgewalt hätte haben können, für die es hier indessen an einer gesetzlichen Grundlage fehlt. Die Beschwerde im Namen des Vertreters der Einleitungsbehörde haben die beauftragten Rechtsanwälte also unzulässigerweise als Vertreter ohne Vertretungsmacht eingelegt.

Die durch den Vertreter der Einleitungsbehörde persönlich eingelegte Beschwerde ist dagegen zulässig und begründet.

Sie ist nicht verfristet.

Nach § 78 Abs. 2 NDO ist die Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht innerhalb von zwei Wochen seit Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen; die Beschwerdefrist wird jedoch auch gewahrt, wenn während ihres Laufs die Beschwerde bei dem Oberverwaltungsgericht eingeht. Diese Beschwerdefrist gilt aber nur dann, wenn die nach § 24 Abs. 1 NDO vorgeschriebene Rechtsbehelfsbelehrung weder unterblieben noch unrichtig erteilt worden ist (§ 24 Abs. 2 NDO).

32Dem Vertreter der Einleitungsbehörde ist durch das Verwaltungsgericht eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt worden.

Unrichtig im Sinne des § 24 Abs. 2 NDO ist eine Rechtsbehelfsbelehrung u. a. dann, wenn sie lückenhaft ist (Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 6 zu § 24), sodass der Betroffene die Erfordernisse für die Fristenwahrung aus ihr nicht sicher entnehmen kann (vgl. Claussen/Czapski, in: Claussen/Janzen, BDO, Handkommentar, 8. Aufl. 1995, Rn. 6a zu § 24). Gemäß § 24 Abs. 1 NDO ist der Betroffene bei allen anfechtbaren Entscheidungen über die Möglichkeit der Anfechtung, über die Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und über die Formen und Fristen der Anfechtung schriftlich zu belehren. Die dem Vertreter der Einleitungsbehörde hier durch das Verwaltungsgericht erteilte Rechtsmittelbelehrung informierte nicht über die Formen der Anfechtung. Eine fehlende Belehrung über die Formen der Anfechtung macht jedoch die Belehrung unrichtig (vgl. Claussen/Czapski, a. a. O., Rn. 6a zu § 24; Ratz, in: Köhler/Ratz, BDO, Kommentar, 2. Aufl. 1994, Rn. 5 zu § 24). Es kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass ein Vertreter der Einleitungsbehörde einer Belehrung in diesem Punkte nicht bedarf. Zum einen könnte nämlich nach der disziplinarrechtlichen Literatur zweifelhaft seien, ob die Beschwerde nach § 78 NDO überhaupt irgendwelchen Formerfordernissen unterliegt (dies für die Beschwerde gemäß § 79 BDO verneinend: Köhler, in: Köhler/Ratz, BDO, Kommentar, 2. Aufl. 1994, Rn. 11 zu § 79), was gemäß § 25 Satz 1 NDO i. V. m. § 306 Abs. 1 StPO oder § 299 StPO aber sehr wohl der Fall ist (Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 6 vor § 78; vgl. auch: Janzen, in: Claussen/Janzen, BDO, Handkommentar, 8. Aufl. 1995, Rn. 9 zu § 79; BVerwG, Beschl. v. 13. 3. 1972 - I DB 1. 72 - BVerwGE 43, 323 [326]). Zum anderen stellt sich vor dem Hintergrund der technischen Entwicklung und der Regelungen der §§ 25 Satz 1 NDO, 41a StPO die Frage, ob den bestehenden Formerfordernissen auch durch die Einreichung elektronischer Dokumente genügt werden kann, was allerdings weder auf der Grundlage des ehedem gültigen § 1 ElekRVVO (Nds. GVBl. 2004, S. 154) möglich war, noch nunmehr gemäß § 1 Abs. 1 ERVVOJust (Nds. GVBl. 2006, S. 247) möglich sein dürfte, da auch die letztgenannte Vorschrift lediglich auf der Grundlage einer nach der Niedersächsischen Disziplinarordnung nicht entsprechend anwendbaren Ermächtigungsnorm (§ 55a Abs. 1 Sätze 1 bis 4 und 6 VwGO) erlassen wurde.

Aufgrund der Unrichtigkeit der erteilten Rechtsmittelbelehrung hat sich die im vorliegenden Falle für die Einlegung einer Beschwerde durch den Vertreter der Einleitungsbehörde maßgebliche Frist nach § 24 Abs. 2 Halbsatz 1 NDO bestimmt: Die Einlegung ist innerhalb eines Jahres nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zulässig gewesen.

Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts gilt als dem Vertreter der Einleitungsbehörde am 8. März 2006 zugestellt.

Die durch § 69a Abs. 4 Satz 3 NDO vorgeschriebene Zustellung der Entscheidung der Vorinstanz hatte sich gemäß § 23 Abs. 1 NDO nach den Vorschriften des Niedersächsischen Verwaltungszustellungsgesetzes zu richten. Infolge der Verweisung in § 23 Abs. 1 NDO finden dann gemäß § 1 Abs. 1 NVwZG die §§ 2 bis 10 VwZG Anwendung (vgl. Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 1 zu § 23). Die von der Geschäftstelle des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Falle wohl beabsichtigte Zustellung des Beschlusses gemäß § 5 Abs. 4 VwZG ist allerdings fehlgeschlagen, weil die Sendung, die das zuzustellende Dokument enthalten hat, irrtümlich nicht an den Vertreter der Einleitungsbehörde adressiert worden ist. Letzterem ist die Entscheidung gleichwohl unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen. Gemäß § 8 VwZG gilt in einem solchen Falle das Dokument als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es dem Empfangsberechtigten, hier also dem Vertreter der Einleitungsbehörde, tatsächlich zugegangen ist. Das ist am 8. März 2006 geschehen.

Die für den Vertreter der Einleitungsbehörde maßgebliche Beschwerdefrist hat somit erst mit dem Ablauf des 8. März 2007 geendet (§ 25 Satz 1 NDO i. V. m. § 43 Abs. 1 Satz 1 StPO in entsprechender Anwendung auf eine Jahresfrist) und ist durch die am 29. September 2006 eingelegte Beschwerde gewahrt worden.

Vor diesem Hintergrund bedarf der Vertreter der Einleitungsbehörde keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 25 Satz 1 NDO, 44 Satz 1 StPO, die ihm infolge eines Mitverschuldens an der Fristversäumung (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 22. 12. 1980 - V-16/80 -, OVGE 35, 188 [190 f.]) wohl nicht zu gewähren gewesen wäre.

Die Beschwerde des Vertreters der Einleitungsbehörde ist auch begründet; denn das Verwaltungsgericht hat das Verfahren zu Unrecht unter Berufung auf die §§ 69a Abs. 4 Satz 1 und 63 Abs. 1 Nr. 1 NDO eingestellt. Der Vorinstanz ist nicht darin zu folgen, dass es an einer rechtswirksamen Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens gegen den Beamten fehle. Der Einstellungsbeschluss ist deshalb aufzuheben und das Verwaltungsgericht wird das erstinstanzliche Verfahren fortzuführen haben.

Die für die Einleitung gemäß § 128 Abs. 1 und Abs. 5 NDO erforderliche vorherige Unterrichtung der Aufsichtsbehörde - welche das Verfahren nicht an sich gezogen hat - ist erfolgt (Bl. 437 f. BA H). Der Beschwerdeführer zu 2 hat als zuständige Einleitungsbehörde die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens beschlossen. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz ist die Einleitungsverfügung schriftlich ergangen und wurde aus ihr hinreichend deutlich, dass sie von der zuständigen Einleitungsbehörde erlassen war. Sie ist zudem als dem Beamten am 4. Februar 2004 zugestellt zu betrachten, sodass die Einleitung an diesem Tage gemäß § 34 Satz 4 NDO wirksam wurde.

In § 34 Satz 2 NDO ist bestimmt, dass das förmliche Disziplinarverfahren durch eine schriftliche Verfügung der Einleitungsbehörde eingeleitet wird. Diese Verfügung wird dem Beamten zugestellt (§ 34 Satz 3 NDO). Der im vorliegenden Falle gemäß Art. 11 Nr. 12 Satz 1 und Nr. 14 KVerfRefG sowie § 57 Abs. 1 Nr. 2 NLO a. F. für ihre Unterzeichnung zuständige Oberkreisdirektor (vgl. insoweit auch: NDH Urt. v. 17. 2. 1994 - 2 NDH L 3373/92 -, S. 20 f. des Urteilsabdrucks - UA) hat die dem Beamten zugestellte Urschrift der Verfügung mit vollem Namen gezeichnet. Damit ist dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Einleitungsverfügung genügt. Zu Unrecht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass ein solches Vorgehen zur Erfüllung der strengen Formvorschriften im förmlichen Disziplinarverfahren nicht ausreiche, weil der Sinn der Unterzeichnung darin liege, dass sich aus dem Verwaltungsvorgang selbst die Verantwortung des Dienstvorgesetzten für den Erlass und die Zustellung der Einleitungsverfügung ergebe. Die Niedersächsische Disziplinarordnung enthält nämlich keine Bestimmungen darüber, wie die Einleitung des förmlichen Disziplinarverfahrens aktenkundig zu machen ist. Insbesondere bestimmt sie nicht, dass zumindest eine mit dem vollen Namen unterzeichnete Urschrift der Einleitungsverfügung bei den Akten zu verbleiben habe, damit sich aus dem Verwaltungsvorgang selbst die Verantwortung des Dienstvorgesetzten für den Erlass und die Zustellung dieser Verfügung ergibt - was allerdings tunlichst so gehandhabt werden sollte. Entscheidend ist vielmehr, dass nach den Umständen gewährleistet ist, dass der Adressat der Einleitungsverfügung und die mit dem Disziplinarverfahren befassten Gerichte mit hinreichender Gewissheit klären können, dass die Verfügung auf dem Willen des für ihre Unterzeichnung Zuständigen beruht und mit seinem Willen dem Adressaten zugestellt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 4. 4. 1996 - NotZ 30/95 -, NJW-RR 1996, 1015 [1015]). Eine solche Klärung ist hier ohne weiteres möglich, da dem Beamten die mit dem vollen Namen unterzeichnete Urschrift der Verfügung zugestellt worden ist und er dem Senat eine Ablichtung derselben vorgelegt hat. Soweit das Verwaltungsgericht aus der - im Übrigen zu § 17 BDG ergangenen - Entscheidung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2005 - 3 ZD 1/05 - (RiA 2006, 187) geschlossen hat, dass für die Frage, ob die Einleitungsverfügung schriftlich ergangen sei, allein auf den Inhalt des Aktenstücks abzuheben sei, kann dem für Fälle des § 34 NDO, in denen der Beamte eine Urschrift der Verfügung mit dem Willen ihres Unterzeichners erhalten hat, nicht gefolgt werden.

Im Ergebnis ist der Beschwerde auch darin zuzustimmen, dass die hier erlassene Einleitungsverfügung - wie es erforderlich (vgl. Bieler/Lukat, a. a. O., Rn. 9 zu § 34) ist - die Einleitungsbehörde hinreichend hat erkennen lassen. Da keine Vorschrift besteht, die die ausdrückliche Bezeichnung der Einleitungsbehörde in der Einleitungsverfügung fordert, ist diese Verfügung nämlich unter Berücksichtigung der Rechtsgedanken der §§ 133, 157 und 164 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie des Empfängerhorizonts des Beamten auszulegen. Vor dem Hintergrund des am 26. Januar 2004 mit dem Leiter des das Personalwesen umfassenden Fachbereichs des Beschwerdeführers zu 3 geführten Gesprächs konnte aber für den Beamten nach den Umständen nicht zweifelhaft sein, dass der Oberkreisdirektor die wenig später ergangene Einleitungsverfügung im Namen des Beschwerdeführers zu 2 unterschrieben hatte. Deswegen erübrigt es sich hier zu entscheiden, ob eine Einleitungsverfügung, die unter dem Briefkopf des Hauptverwaltungsbeamten ergeht und den Kreisausschuss als Einleitungsbehörde in ihrem Text nicht nennt, auch unter anderen, weniger eindeutigen Begleitumständen den Anforderungen an die Erkennbarkeit der Einleitungsbehörde genügen würde. Zwar ist dergleichen - ohne nähere Problematisierung - wohl für den dem vorliegenden ähnlichen Fall angenommen worden, dass ein Samtgemeindedirektor eine Einleitungsverfügung für den Samtgemeindeausschuss unterzeichnet hatte. Gegen eine Übertragung dieser - in Bezug auf die Erkennbarkeit der Einleitungsbehörde ohnehin nicht zweifelsfreien - Rechtsprechung des Niedersächsischen Disziplinarhofs (Urt. v. 17. 2. 1994 - 2 NDH L 3373/92 -, S. 10 und S. 20 f. UA) dürfte allerdings unter anderem sprechen, dass ein Landrat oder Oberkreisdirektor im Gegensatz zu den Hauptverwaltungsbeamten der Gemeinden auch selbst Einleitungsbehörde im Sinne der Niedersächsischen Disziplinarordnung sein kann (§ 127 Abs. 1 Nr. 1 NDO bzw. Art. 11 Nr. 15 KVerfRefG i. V. m. § 127 Abs. 1 Nr. 1 NDO). Seine daher - sogar spezifisch disziplinarrechtliche - Doppelstellung könnte deshalb - je nach den Umständen des Einzelfalles - durchaus Bedenken hinsichtlich der Erkennbarkeit der das Verfahren einleitenden Behörde rechtfertigen, die denen entsprechen, die der 2. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 13. Mai 2005 - 3 ZD 1/05 - (insoweit veröffentlicht in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Verwaltungsgerichtsbarkeit) erhoben hat. Es dürfte sich folglich zumindest empfehlen, dass in Einleitungsverfügungen, die der Hauptverwaltungsbeamte einer Gemeinde oder eines Landkreises zu unterschreiben hat, die einschlägige Einleitungsbehörde ausdrücklich bezeichnet wird.

Ob die Zustellung der Einleitungsverfügung an den Beamten gemäß den §§ 23 Abs. 1 NDO, 1 Abs. 1 Nds. VwZG a. F., 2 Abs. 2 Satz 1 und 5 Abs. 1 VwVZG a. F. erfolgt ist, oder - was möglicherweise nicht unbedenklich wäre - entsprechend § 5 Abs. 2 VwZG a. F. vorgenommen wurde, kann im Hinblick auf die Regelungen der §§ 23 Abs. 1 NDO, 1 Abs. 1 Nds. VwZG a. F., 9 VwZG a. F. dahinstehen. Denn ein sich hiernach etwa ergebender Zustellungsmangel wäre als geheilt anzusehen, nachdem der Beamte die Verfügung nachweislich am 4. Februar 2004 erhalten hat.

Dem Umstand, dass im vorliegenden Falle Rechtsmittel von Vertretern ohne Vertretungsmacht und solchen Rechtsmittelführern eingelegt worden sind, die an dem vor dem Verwaltungsgericht fortzusetzenden förmlichen Disziplinarverfahren nicht (unmittelbar) beteiligt sind und daher ebenfalls aus dem weiteren Prozess ausscheiden, ist durch eine vorab vorzunehmende, partielle, aber einheitliche Verteilung von Rechtsmittelkosten und notwendigen Auslagen des Beamten nach Bruchteilen (vgl. Janzen, in: Claussen/Janzen, BDO, Handkommentar, 8. Aufl. 1995, Rn. 4 zu § 114) Rechnung zu tragen. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Rechtsmittelkosten und notwendigen Auslagen des Beamten im Beschwerdeverfahren der Endentscheidung vorbehalten (vgl. Janzen, a. a. O., Rn. 7 zu § 114).

Soweit der Beschwerdeführer zu 3 hiernach als Dienstherr mit Rechtsmittelkosten und dem Beamten im Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen belastet wird, beruht das auf einer entsprechenden Anwendung des § 114 Abs. 2 NDO bzw. des § 115 Abs. 4 NDO i. V. m. 114 Abs. 2 NDO. Den ohne Vertretungsmacht im Namen des Vertreters der Einleitungsbehörde das Beschwerdeverfahren betreibenden Rechtsanwälten wird ein Teil der Rechtsmittelkosten und notwendigen Auslagen des Beamten entsprechend den §§ 25 Satz 1 NDO, 473 Abs. 1 StPO auferlegt (vgl. NDH, Beschl. v. 17. Juni 1992 - 2 NDH L 1859/92, Seite 5 des Abdrucks; OLG Celle, Beschl. v. 2. 4. 1997 - 1 Ss 350/96 -, Nds. Rpfl. 1998, 31, zitiert nach Juris, Rn. 13 des Langtextes).

Dieser Beschluss wird mit seiner Zustellung rechtskräftig (§ 90 NDO).






Niedersächsisches OVG:
Beschluss v. 19.11.2007
Az: 20 ZD 8/06


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