Bundesgerichtshof:
Urteil vom 10. Oktober 2012
Aktenzeichen: 2 StR 591/11

(BGH: Urteil v. 10.10.2012, Az.: 2 StR 591/11)

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 30. November 2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer festgestellt wird.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses in sieben Fällen, Untreue in drei Fällen und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten führt lediglich zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung; im Übrigen hat sie keinen Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte nach vorangegangener Beschäftigung bei der B. bis 2008 als lei-1 tender Angestellter bei der D. T. AG (im folgenden DT AG genannt) tätig. Dort war er im Tatzeitraum von 2004 bis 2006 im Bereich der Konzernsicherheit als Leiter der Unterabteilung "K. " tätig. Aufgrund seiner Position konnte er eigenverantwortlich finanzielle Verpflichtungen eingehen; ihm oblag die Verwaltung mehrerer Kostenstellen und er war für die ordnungsgemäße Verwendung des ihm zugewiesenen Budgets verantwortlich.

1. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt vor dem 18. Februar 2004 gab der in Geldnot befindliche Angeklagte gegenüber der Finanzbuchhaltung der DT AG wahrheitswidrig an, für verdeckte Ermittlungen der Konzernsicherheit einen Vorschuss von 25.000 € zu benötigen. Ihm wurde dieser Betrag mit dem Überweisungszweck "Maßnahme der Konzernsicherheit" auf sein Gehaltskonto überwiesen, das zu diesem Zeitpunkt ein Soll von 4.592,37 € auswies. Spätestens nach Eingang des Geldes entschloss sich der Angeklagte, das nach dem Kontoausgleich verbliebene Guthaben von 20.407,63 € für eigene Zwecke zu verwenden (Fall B. I).

Das Landgericht hat insoweit eine Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB angenommen und einen Schaden in Höhe von 20.407,63 € zugrunde gelegt.

2. Nachdem sich seine finanzielle Situation nicht verbessert hatte, beantragte der Angeklagte im Mai 2005 bei der Finanzbuchhaltung der DT AG einen weiteren Vorschuss von 150.000 € und täuschte hierzu einen Ermittlungsbedarf im Bereich von Telefonkartenmanipulationen vor. Er stellte gegenüber dem Unternehmen den Rückkauf aufladbarer und damit manipulierbarer Telefonkarten als wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme zur Schadensbegrenzung dar und gab wahrheitswidrig vor, diese Summe zuzüglich des bereits gewährten Vorschusses von 25.000 € für den Rückkauf von etwa 140.000 Telefonkarten zu benötigen. Auch den Betrag von 150.000 € ließ er sich auf sein Gehaltskonto über-3 weisen und verwendete den Betrag in der Folgezeit für eigene Zwecke (Fall B. II).

Das Landgericht hat diese Tat als Betrug im besonders schweren Fall gemäß § 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB gewertet.

3. Am 20. Januar 2005 erschien in der Zeitschrift "Capital" ein Artikel mit Details der vertraulichen Mittelfristplanung der D. T. AG, die bis dahin nur dem Unternehmensvorstand und den Aufsichtsratsmitgliedern bekannt war. Bei dem daraufhin einberufenen Treffen der Konzernspitze, an der der Angeklagte als Vertreter des erkrankten Leiters der Abteilung Konzernsicherheit teilnahm, erteilte der damalige Vorstandsvorsitzende R. der Konzernsicherheit den Auftrag, den Urheber der Indiskretionen zu identifizieren und geeignete Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung neuerlicher Indiskretionen zu ergreifen, ohne insoweit konkrete Maßnahmen zu benennen. Dies nahm der Angeklagte zum Anlass, sich über eine Mitarbeiterin im Vorstandsbüro die Mobilfunknummern der Aufsichtsratsmitglieder zu beschaffen. Zudem beauftragte er die N. GmbH, vertreten durch den gesondert verfolgten Geschäftsführer K. , mit einer Auswertung der Pressemeldungen und die T. GmbH mit der Durchführung entsprechender Ermittlungen. Letztere ermittelte als vermeintliche Quelle der Indiskretionen eine Person mit den Initialen "WW" und eine dieser zuzuordnende Mobilfunknummer. Im Juni 2005 stellte der Angeklagte der Konzernspitze die von der Fa. N. erstellte Presseauswertung vor und erklärte, es bestehe der Verdacht, dass es sich bei dem Informationsgeber um das Aufsichtsratsmitglied W. handele. Als ihm seitens des Vorstandes signalisiert wurde, dass für einen derartigen Verdacht "gerichtsverwertbare Beweise" erforderlich seien, beauftragte er u.a. die Fa. N. , unter dem Projektnamen "R. " eine Identifizierung des Informanten über den Abgleich von noch zu beschaffenden Telefonverbindungsdaten zu versuchen, 6 obgleich ihm die Strafbarkeit dieses Vorgehens bekannt war. Zu diesem Zweck veranlasste er mit der wahrheitswidrigen Behauptung, der Vorstandsvorsitzende R. habe einen entsprechenden Auftrag erteilt, unter Mithilfe des auf absolute Vertraulichkeit eingeschworenen Unternehmensangehörigen G. über mehrere Monate die Erhebung der Mobilfunk-Verbindungsdaten der Aufsichtsratsmitglieder T. und W. sowie der Journalisten K. und P. . Die Überwachung umfasste zunächst alle ein- und ausgehenden Anrufe der betreffenden Anschlüsse. Systembedingt wurden darüber hinaus auch die Nummern der Anrufer, soweit es sich um Teilnehmer aus dem Netz der T- handelte, "auf Überwachung gelegt". Dies hatte zur Folge, dass ab diesem Zeitpunkt alle ein- und abgehenden Verbindungen dieser Anschlüsse ebenfalls erfasst und gespeichert wurden. Der Angeklagte ließ sich die Verbindungsdaten in der Regel auf Datenträgern übergeben und leitete diese zur Auswertung an den Geschäftsführer K. der Fa. N. weiter bzw. ließ sie in einer kennwortgeschützten, der Fa. N. zugänglichen "dropzone" im Internet speichern. K. speicherte die Verbindungsdaten anschließend in den Computersystemen der N. GmbH und veranlasste die anschließende Auswertung, welche der erhobenen Verbindungen als "verdächtig" einzustufen seien (UA S. 29).

Parallel dazu wandte sich der Angeklagte zur Erfassung der Verbindungsdaten aus dem Festnetz der zu überwachenden Personen an den Unternehmensangehörigen C. . Er veranlasste diesen in gleicher Weise unter Vorspiegelung einer entsprechenden Auftragserteilung durch den Vorstandsvorsitzenden R. zur Erhebung und Weiterleitung von Verbindungsdaten an ihn selbst oder die Fa. N. direkt.

Nachdem im September 2005 ein telefonischer Kontakt zwischen W. und K. nachgewiesen und W. als der (vermeintliche) 8 Informant identifiziert worden war, beendete der Angeklagte die Auswertung und Erhebung von Verbindungsdaten durch den Zeugen G. (Fall B. III). Die Überwachung der Festnetz-Verbindungsdaten durch den Zeugen C. hielt der Angeklagte aufrecht. Um in Fällen zukünftiger Indiskretionen gegenüber der Presse zeitnah den Informanten identifizieren zu können, ließ er die N. GmbH weiterhin die Presseberichterstattung auswerten, um den Kreis derjenigen Journalisten zu bestimmen, die regelmäßig über Betriebsinterna der DT AG berichteten. Anschließend sollte die N. GmbH durch die Auswertung der noch zu erhebenden Telefon-Verbindungsdaten dieser Journalisten ermitteln, zu welchen Angehörigen der DT AG diese Kontakte pflegten.

Spätestens Anfang des Jahres 2006 beauftragte der Angeklagte die Fa. N. mit entsprechenden Arbeiten, die unter dem Projektnamen "C. " geführt wurden. Zusätzlich zu den bereits im Rahmen des Projekts "R. " überwachten Journalisten K. und P. ließ der Angeklagte die Festnetz- bzw. Mobilfunk-Verbindungsdaten von drei weiteren Journalisten über mehrere Monate erheben und in der Internet-"dropzone" abspeichern, wo sie von Mitarbeitern der Fa. N. zur Auswertung abgeholt wurden. Im Juni 2006 beendete der Angeklagte die Erhebung und Auswertung der Verbindungsdaten (Fall B. V).

Das Landgericht hat diese Taten als Verletzung des Fernmeldegeheimnisses in sieben Fällen gemäß § 206 Abs. 1 StGB gewertet.

4. Am 19. Oktober 2005 stellte der Geschäftsführer K. der Fa. N. der DT AG für das Projekt "R. " einen Betrag in Höhe von 334.394,88 € in Rechnung, wobei - jeweils pauschal und ohne weitere Angaben - ein Betrag von 279.898 € zzgl. MwSt. als Honorar und der Restbetrag von 8.373,45 € zzgl. MwSt. als Reise- und Nebenkosten aufgeführt wurde. In 10 Kenntnis der Strafbarkeit der erfolgten Erhebung von Verbindungsdaten und deren verbotswidriger Auswertung bestätigte der Angeklagte, dem als Leiter der Abteilung K. ein eigenständiger Verfügungsrahmen in entsprechender Höhe für Ermittlungen eingeräumt war, trotz der ihm bekannten (Teil)Nichtigkeit des Zahlungsanspruchs der Fa. N. die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Rechnung, so dass diese seitens der DT AG in voller Höhe beglichen wurde (Fall B. IV).

Am 23. November 2006 stellte die Fa. N. der DT AG für ihre Tätigkeit im Rahmen des Projekts "C. " ein Pauschalhonorar in Höhe von 358.440 € in Rechnung. Der Angeklagte entwarf daraufhin ein Memorandum, mit dem er den Zahlungsbetrag als "richtig berechnet, angemessen und fällig" bestätigte, so dass auch diese Rechnung von der DT AG in voller Höhe beglichen wurde (Fall B. VI).

Das Landgericht hat insoweit eine Untreue in zwei Fällen angenommen und ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass sich der Großteil der Rechnungssumme jeweils auf die Auswertung der Presseartikel bezog und sich der auf die Auswertung der Verbindungsdaten entfallende Zahlungsanspruch jeweils auf einen Betrag noch unter 50.000 € belief.

II.

Die von dem Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen haben aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg. Auch die Sachrüge bleibt zum Schuld- und Strafausspruch erfolglos:

1. Soweit das Landgericht im Fall B. I einen Untreueschaden in Höhe von lediglich 20.407,63 € angenommen hat, statt die volle Schadenssumme 13 von 25.000 € zugrunde zu legen, beschwert dies den Angeklagten nicht. Im Fall B. II hat das Landgericht den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen Betruges verurteilt und einen besonders schweren Fall angenommen (§ 263 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB). Auch die Verurteilung in den Fällen B. III und V wegen Verletzung des Fernmeldegeheimnisses in sieben Fällen (§ 206 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 und 3 StGB) lässt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. Dass die Strafkammer insoweit keine Verurteilung wegen eines tateinheitlich begangenen Delikts nach § 44 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erwogen hat, beschwert den Angeklagten nicht.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht in den Fällen B. IV und VI jeweils eine Untreue angenommen (§ 266 Abs. 1 StGB). Auf Veranlassung des Angeklagten nämlich hat die DT AG die Rechnungen der Fa. N. - teilweise rechtsgrundlos - in voller Höhe beglichen und dadurch einen entsprechenden Schaden erlitten.

a) Zutreffend hat das Landgericht eine Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB angenommen. Als Verwalter mehrerer Kostenstellen war er befugt, eigenverantwortlich Verträge für die DT AG abzuschließen und Zahlungen zu deren Lasten anzuweisen.

b) Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht gemäß § 134 BGB die Teilnichtigkeit der zwischen der DT AG und der N. GmbH geschlossenen Verträge hinsichtlich der Auswertung der Verbindungsdaten mit der Folge angenommen, dass ein vertraglicher Vergütungsanspruch für diese Tätigkeit nicht bestand.

aa) Gemäß § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nichtig, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Ergibt sich aus dem Verbotsgesetz keine Rechtsfolge, ist eine normbezogene 17 Abwägung vorzunehmen, ob es mit dem Sinn und Zweck des Verbots vereinbar oder unvereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen. Richtet sich das Verbot gegen beide Vertragsparteien, ist in der Regel anzunehmen, dass das Rechtsgeschäft nichtig sein soll (st. Rspr., BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 - X ZR 34/98, BGHZ 143, 283, 286 f.).

bb) Hier hatte der von den Parteien geschlossene Vertrag unter anderem die Auswertung der von der DT AG übermittelten Verbindungsdaten zum Gegenstand, somit die Begehung einer mit Strafe bedrohten rechtswidrigen Tat.

Die von dem Angeklagten veranlasste Überlassung der Verbindungsdaten an die Fa. N. stellte eine Straftat gemäß § 206 Abs. 1 StGB dar und verstieß zudem gegen das Verbot des § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz (TKG), anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Maß hinaus Kenntnis von den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen.

Die von der Fa. N. vorgenommene Speicherung der Verbindungsdaten stellte eine Straftat gemäß § 44 Abs. 1 BDSG i.V.m. § 43 Abs. 2 Nr. 1 BDSG dar. Danach ist u.a. das unbefugte Verarbeiten von personenbezogenen Daten gegen Entgelt strafbewehrt. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 BDSG unterfällt dem Verarbeiten auch das Speichern von Daten, d.h. das Erfassen, Aufnehmen und Aufbewahren der Daten auf einem Datenträger zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung (§ 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 BDSG). Indem die N. GmbH die ihr übermittelten Verbindungsdaten ihrerseits zum Zwecke der Auswertung in ihren Computersystemen speicherte, hat sie unbefugt Daten verarbeitet. Die Speicherung der Daten als notwendige Vorarbeit zu ihrer Auswertung erfolgte auch entgeltlich. Die anschließende Auswertung der Verbindungsdaten verstieß gegen das unter Erlaubnisvorbehalt stehende Verbot des 21 § 4 Abs. 1 BDSG. Danach ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Die Auswertung der Verbindungsdaten stellt eine Verwendung personenbezogener Daten und damit eine Nutzung dar (§ 3 Abs. 5 BDSG), die ohne Kenntnis der Betroffenen erfolgte und von keiner Rechtsvorschrift erlaubt oder angeordnet wird.

Da die Verträge nach alledem für beide Teile gesetzeswidrig waren und ihre Durchführung strafbewehrt war, hat die Strafkammer zutreffend deren Nichtigkeit angenommen, soweit sie über die - erlaubte - Auswertung der Presseartikel hinaus die Auswertung der Verbindungsdaten zum Gegenstand hatten.

c) Es bestanden - anders als die Revision meint - auch keine bereicherungsrechtlichen Zahlungsansprüche der N. GmbH gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., § 818 Abs. 2 BGB.

aa) Infolge der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts könnte zwar die N. GmbH grundsätzlich die Herausgabe des seitens der DT AG zu Unrecht Erlangten - Auswertung der Verbindungsdaten - verlangen. Da insoweit eine Herausgabe der Sache nach nicht möglich ist, wäre der Anspruch auf Ersatz des Wertes der geleisteten Dienste gerichtet. Die Kondiktion ist jedoch gemäß § 817 Satz 2 BGB gesperrt. Danach ist die Rückforderung u.a. ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot verstößt und dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, es sei denn, dass die Leistung in der Eingehung einer Verbindlichkeit bestand. § 817 Satz 2 BGB verkörpert den Grundsatz, dass bei der Rückabwicklung Rechtsschutz nicht in Anspruch nehmen kann, wer sich selbst durch ge-24 setzes- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 - IV ZR 35/96, NJW 1997, 2381, 2383).

bb) Hier war zum einen die Auswertung der Verbindungsdaten durch die N. GmbH als Leistende gesetzeswidrig. Die Fa. N. , vertreten durch ihren Geschäftsführer K. , als Leistende war sich auch - wie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe zu entnehmen ist - der Verbotswidrigkeit entweder bewusst (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1968 - VII ZR 9/66, BGHZ 50, 90, 92) oder hat sich der Rechtswidrigkeit ihres Handelns zumindest leichtfertig verschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 - VIII ZR 19/91, NJW 1992, 310, 311; BGH, Urteil vom 23. Februar 2005 - VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490, 1491). Dem gesondert verfolgten K. war bekannt, dass für die Erhebung der Verbindungsdaten in dem konkreten Fall keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage bestand und insbesondere eine richterliche Anordnung gemäß § 100g StPO nicht vorlag. Aus der Art des Auftrags - Identifizierung eines Presseinformanten - ergab sich zwangsläufig, dass die betroffenen Personen selbst keine Kenntnis von der Maßnahme hatten und daher nicht eingewilligt haben konnten. Dass die Verantwortlichen der N. GmbH dies billigend in Kauf nahmen, belegt auch die Art der Rechnungsstellung, die keinen Hinweis auf die erbrachten - teilweise verbotenen - Leistungen beinhaltete, sondern lediglich Pauschalbeträge auswies. Schließlich mahnte der deswegen gesondert verfolgte K. im Jahr 2008 die Zahlung von angeblich noch offenstehenden Forderungen der N. GmbH gegenüber der DT AG u.a. für das Projekt "C. " an verbunden mit der Drohung, die Beträge "politisch" realisieren zu wollen und sich andernfalls "medienwirksam zu wehren". Dies belegt, dass er um die fehlende gerichtliche Durchsetzbarkeit der Forderungen wegen deren Nichtigkeit wusste.

cc) Zum anderen verstieß auch die DT AG durch die Entgegennahme der von dem Angeklagten in Auftrag gegebenen Datenauswertung gegen § 88 Abs. 3 TKG, da es ihr als Dienstanbieter untersagt ist, sich auf diese Weise über das für die Erbringung der Telekommunikationsdienste erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den Umständen der Telekommunikation zu verschaffen.

dd) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hindert hier die Anwendung von § 817 Satz 2 BGB nicht (hierzu näher Lorenz in Staudinger BGB Neubearbeitung 2007 § 817 Rn. 11 ff.). Anders als in Fällen eines wirtschaftlichen oder sozialen Gefälles (etwa bei der Schwarzarbeit; vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1990 - VII ZR 336/89, BGHZ 111, 308, 313) bedarf die N. GmbH keines erhöhten Schutzes, der die Nichtanwendung von § 817 Satz 2 BGB unter Billigkeitsgesichtspunkten verlangen würde. Vielmehr verdienen beide Parteien im Hinblick auf das verbotswidrige Geschäft und ihr kriminelles Handeln nicht den Schutz der Rechtsordnung.

d) Der Angeklagte hat die ihm gegenüber der DT AG obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt, indem er im Rahmen der ihm von der Treugeberin übertragenen Geschäftsbesorgung Zahlungen in Höhe von 334.394,88 € und 358.440 € auf die beiden Rechnungen vom 19. Oktober 2005 und 23. November 2006 angewiesen hat und hierdurch jeweils in Höhe von unter 50.000 € Leistungen der Fa. N. vergütete, die in der Begehung von Straftaten bestanden (vgl. dazu auch Fischer in Lüderssen/Kempf/Volk, Die Finanzkrise, das Wirtschaftsstrafrecht und die Moral, 2011, S. 190, 193; Kindhäuser in NK 3. Aufl., § 266 Rn. 81; Brand JR 2011, 394, 402). Die Forderungen, deren Bezahlung durch die Treugeberin der Angeklagte durch die Bestätigung als sachlich und rechnerisch richtig unmittelbar veranlasste, hatten in Höhe von jeweils "unter 50.000 €" keinen rechtlich anerkannten wirtschaftlichen Wert, weil 28 sie insoweit auf gemäß § 134 BGB nichtige Verträge gestützt waren und auch bereicherungsrechtliche Ansprüche der Rechnungsstellerin nicht bestanden. Die Bezahlung der beiden Rechnungen, soweit diese die Vergütung für die Begehung von Straftaten einforderten, bewirkte einen Vermögensnachteil für die Treugeberin, der nicht durch einen gleichwertigen Vorteil - Erlöschen wirksamer Forderungen - kompensiert wurde.

Die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht liegt demnach in der Begleichung einer nichtigen Forderung, in einer rechtsgrundlosen Zahlung. Anknüpfungspunkt für das strafbare Verhalten ist damit nicht die vor den Zahlungsvorgängen liegende Auftragserteilung an die N. GmbH, die zu einer missbräuchlichen Mitteilung der Telefonverbindungsdaten durch den Angeklagten und damit zu einem (strafbaren) Verstoß gegen die nicht vermögensschützende Norm des § 206 StGB geführt hat. Dieser von der treuwidrigen Pflichtverletzung abzugrenzende Verstoß ist lediglich Auslöser der Untreuestrafbarkeit, indem er zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages und damit zur Rechtsgrundlosigkeit darauf erbrachter Leistungen führt. Auf den vermögensschützenden Charakter eines "Primärverstoßes" (BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. April 2011 - 1 StR 94/10, BGHSt 56, 203, 211; BGH, Beschluss vom 5. September 2012 - 1 StR 297/12 als Rückläufer zu BGHSt 56, 203) kommt es nicht an.

Auch der 1. Strafsenat ist trotz seines Ausgangspunktes, dass der Verstoß gegen eine nicht vermögensschützende Norm als solche nicht zu einer treuwidrigen Pflichtverletzung führen kann, davon ausgegangen, dass gleichwohl eine Strafbarkeit wegen Untreue in Betracht kommt, wenn sich - ohne Rückgriff auf den Verstoß gegen die nicht vermögensschützende Norm - die Verletzung von Pflichten feststellen lässt, die das Vermögen des Treugebers 31 schützen sollen (BGH, aaO, BGHSt 55, 288, 303 ff.; BGH, aaO, BGHSt 56, 203, 210). Damit steht es in Einklang, wenn der Senat ungeachtet eines Verstoßes gegen die nicht vermögensschützende Norm des § 206 StGB allein mit Blick auf die rechtsgrundlos geleisteten Zahlungen ohne Gegenleistung zu einer Strafbarkeit wegen Untreue gelangt.

e) Soweit das Landgericht jeweils eine Schadenhöhe von jedenfalls unter 50.000 € angenommen hat, begegnet dies im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken. Zwar ist in der Regel der Schaden konkret festzustellen und ggf. unter Beauftragung eines Sachverständigen zur wirtschaftlichen Schadensfeststellung zu beziffern (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, NJW 2010, 3209, 3220). Sofern genaue Feststellungen nicht möglich sind, sind Mindestfeststellungen zu treffen, um den eingetretenen wirtschaftlichen Schaden unter Beachtung des Zweifelsatzes zu schätzen. Das Landgericht, das den Schaden aufgrund der nicht näher aufgeschlüsselten Rechnungslegung nicht näher beziffern konnte, ist zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass die Presseauswertungen den ganz überwiegenden Teil der Forderungen von 334.394,88 € und 358.440 € betrafen und das Honorar für die Auswertung der Verbindungsdaten noch unter 50.000 € lag. Erkennbar wollte die Strafkammer damit zugunsten des Angeklagten nicht in den Anwendungsbereich des Regelbeispiels gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB gelangen, wonach ein Vermögensverlust großen Ausmaßes regelmäßig ab einem Betrag von etwa 50.000 € gegeben ist (BGH, Urteil vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 274/03, BGHSt 48, 360, 361). Das Landgericht wollte damit nicht zum Ausdruck bringen, dass diese Wertgrenze wesentlich unterschritten sein könnte. Angesichts der Feststellungen zu Dauer und Umfang sowie Auswertung der Verbindungsdaten ist dagegen nichts zu erinnern.

3. Die Strafzumessung ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts frei von Rechtsfehlern. Jedoch war festzustellen, dass eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vorliegt. Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 10. März 2011 ist es zu einer Verletzung des Gebots zügiger Verfahrenserledigung (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK) gekommen. Bis zur Weiterleitung der Akten an die Staatsanwaltschaft Bonn mit Verfügung vom 28. Oktober 2011 ist das Verfahren ohne sachlichen Grund nicht hinreichend gefördert worden. Insbesondere rechtfertigt weder die zwischenzeitlich erfolgte Bearbeitung des Kostenfestsetzungsantrags des Verteidigers O. noch das Erfordernis der Anfertigung einer Doppelakte zur Durchführung des abgetrennten Verfahrens gegen den früheren Mitangeklagten K. den zeitlichen Umfang der Verzögerung. Durch das Versäumnis ist eine der Justiz anzulastende, unangemessene Verfahrensverzögerung von jedenfalls sechs Monaten eingetreten. Diesen Umstand hat der Senat von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da die Verfahrensverzögerung nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingetreten ist und der Angeklagte diese Gesetzesverletzung nicht form- und fristgerecht rügen konnte (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 3. November 2011 - 2 StR 302/11, NJW 2012, 1463, 1464). Über die Kompensation kann der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 a Satz 2 StPO selbst entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 3 StR 376/07, NStZ-RR 2008, 208, 209). Angesichts des begrenzten Umfangs der Verzögerung und des Umstandes, dass sich der Angeklagte nicht in Untersuchungshaft befand, erweist 34 sich die Feststellung der rechtstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hier als ausreichend (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2009 - 3 StR 128/09, NStZ-RR 2009, 248).

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BGH:
Urteil v. 10.10.2012
Az: 2 StR 591/11


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