Hessischer Verwaltungsgerichtshof:
Beschluss vom 11. Oktober 1988
Aktenzeichen: 5 TI 2088/85

(Hessischer VGH: Beschluss v. 11.10.1988, Az.: 5 TI 2088/85)

Tatbestand

I. Die Erinnerungsgegner haben, nachdem der Berichterstatter des Senats im Beschwerdeverfahren V TH 34/81 (betreffend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs) einen Erörterungstermin durchgeführt hatte und danach jenes Beschwerdeverfahren und auch das Klageverfahren I/2 E 774/81 durch einen außergerichtlichen Vergleich erledigt und entsprechende Kostenbeschlüsse ergangen waren, sowohl für das Aussetzungsverfahren (I/2 H 851/81) als auch für das Klageverfahren jeweils neben der Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO auch eine Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO in Höhe von 321,00 DM zur Ausgleichung angemeldet. Der Urkundsbeamte hat diese Erörterungsgebühr auch für das Klageverfahren im Kostenfestsetzungsbeschluß vom 28. Mai 1985 berücksichtigt; das mit der Erinnerung angerufene Verwaltungsgericht hat dies mit dem angefochtenen Beschluß vom 2. September 1985 gebilligt, weil im Erörterungstermin nicht nur die Frage der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Heranziehungsbescheide, sondern auch die Rechtmäßigkeit der Bescheide selbst erörtert worden sei. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Erinnerungsführerin, der die Erinnerungsgegner entgegentreten.

Gründe

II. Die nach den §§ 165, 146 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Für die Bevollmächtigten der Erinnerungsgegner ist im Verfahren I/2 E 774/81 keine Erörterungsgebühr entstanden, die die Erinnerungsführerin den Erinnerungsgegnern auf Grund des Kostenbeschlusses vom 26. November 1984 zu ersetzen hätte.

Mit Recht sind allerdings die Erinnerungsgegner, der Urkundsbeamte und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, daß über die Entstehung und Erstattungsfähigkeit der Erörterungsgebühr für die Erörterung des Klageverfahrens in diesem Klageverfahren und nicht etwa im Verfahren I/2 H 851/81 zu entscheiden ist. Der Senat weicht insoweit von der vom Landesarbeitsgericht Berlin im Beschluß vom 22. Februar 1984 - 2 Ta 10/84 (Kost) - AnwBl 1984, 317 - vertretenen Ansicht ab. Dort hat das Landesarbeitsgericht die Festsetzung der Erörterungsgebühr für die Erörterung des beim Amtsgericht anhängigen Räumungsprozesses im Rahmen eines Arbeitsgerichtstermines durch das Arbeitsgericht gebilligt; dem hätte hier die Festsetzung der Erörterungsgebühr für die Erörterung des Klageverfahrens im Verfahren I/2 H 851/81 entsprochen. Aber eine Erörterungsgebühr muß, wenn sie überhaupt erstattungsfähig sein sollte, in demjenigen Verfahren angesetzt werden, für dessen Erörterung sie entstanden sein soll. Denn nur so ist die in § 31 Abs. 2 BRAGO vorgeschriebene Anrechnung der Erörterungsgebühr auf eine etwa noch entstehende Verhandlungsgebühr gewährleistet. Eine Erörterungsgebühr entsteht nicht nur und nicht notwendig in Fallkonstellationen, wie sie hier oder bei dem vom Landesarbeitsgericht Berlin behandelten Fall vorgelegen haben, also im nahen zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung beider Verfahren. Sie ist und bleibt vielmehr auch dann entstanden, wenn der "miterörterte" Streit nicht dank der Erörterung alsbald beendet wird, sondern weitergeht und erst viel später als derjenige Rechtsstreit, in dem der Erörterungstermin angesetzt war, endet. Wenn dann die Erörterungsgebühr schon in diesem zuerst beendeten Streit festgesetzt sein könnte, wäre die vorgeschriebene Anrechnung nach § 31 Abs. 2 BRAGO durch Unkenntnis der Kostenbeamten und mangelnde Erinnerung der Prozeßbeteiligten gefährdet und es können außerdem Auseinandersetzungen darüber entstehen, welche vor langer Zeit bei einem anderen Gericht erfolgte Erörterung die gleiche Sache betroffen hat. Die Bestimmungen über die Erörterungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 BRAGO) sind nicht so zu verstehen, daß durch Erörterung einer bestimmten Streitigkeit in beliebig vielen Verfahren vor beliebig vielen Gerichten mehrere Erörterungsgebühren entstehen können und daß ausnahmsweise in dem einen Verfahren, in welchem über diese Streitigkeit auch förmlich verhandelt werden kann, die Verrechnung der Verhandlungsgebühr mit der in diesem Verfahren entstandenen Erörterungsgebühr erfolgen muß. § 31 Abs. 2 BRAGO bringt vielmehr zum Ausdruck, daß die Erörterungsgebühr nur der Ersatz für die bei regelmäßigem Verfahrensablauf zu erwartende, aber infolge bestimmter Konstellationen des Einzelfalls nicht entstehende e i n e Verhandlungsgebühr sein soll.

Daraus ergibt sich aber auch, daß eine Erörterungsgebühr für das Verfahren I/2 E 774/81 durch die Erörterung im Beschwerdeverfahren V TH 34/81 nicht entstanden ist. Die Erörterungsgebühr kann nur durch eine Erörterung entstehen, an deren Stelle oder nach der auch eine zur Verhandlungsgebühr führende mündliche Verhandlung denkbar ist. Es muß sich also um eine Erörterung vor dem Gericht handeln, bei welchem die erörterte Sache anhängig ist; ebenso Gerold/Schmidt/von Eicken/Mardert, BRAGO, 9. Aufl., Rdnr. 149 zu § 31; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 6. Aufl., Rdnr. 85 zu § 31. Das Verfahren I/2 E 774/81 war aber, als die Erörterung im Verfahren 5 TH 34/81 durchgeführt wurde, noch nicht beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof, sondern beim Verwaltungsgericht anhängig.

Im übrigen wäre die Entstehung einer Erörterungsgebühr für die Erörterung des Streitstoffs der Sache I/2 E 774/81 in dem für das Beschwerdeverfahren V TH 34/81 angesetzten Erörterungstermin auch in der Sache nicht gerechtfertigt, weil der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner dabei keine zusätzliche Leistung erbracht hat. Die Erörterung aller für die Rechtmäßigkeit der Heranziehungsbescheide erheblichen Umstände war vielmehr von vornherein notwendiger Teil auch der Erörterung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; denn der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage war auf das Vorbringen gestützt, daß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Heranziehungsbescheides bestünden. Daß diese Erörterung des gemeinsamen Streitstoffs beider Verfahren dann zur Erledigung auch des Klageverfahrens durch einen Vergleich geführt hat, ist Grundlage für die nicht umstrittene Zubilligung einer Vergleichsgebühr. Der Entstehung einer Vergleichsgebühr muß aber nicht - wie das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluß geglaubt zu haben scheint - die Entstehung einer Verhandlungs- oder einer Erörterungsgebühr vorausgegangen sein.

Nach alledem war auf Erinnerung und Beschwerde der Erinnerungsführerin der den Erinnerungsgegnern zu erstattende Betrag um sechs Zehntel einer Erörterungsgebühr von 321,00 DM nebst 14 % Umsatzsteuer, das heißt um 219,56 DM, auf 532,37 DM zu verringern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da für das Beschwerdeverfahren nach Nr. 1271 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz keine Gerichtsgebühr erhoben wird.






Hessischer VGH:
Beschluss v. 11.10.1988
Az: 5 TI 2088/85


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