Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 30. April 1999
Aktenzeichen: 6 U 21/99
(OLG Köln: Urteil v. 30.04.1999, Az.: 6 U 21/99)
Dringlichkeit UWG § 25 1. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit ist anzunehmen, wenn der Antragsteller nach eindeutiger und unmißverständlicher schriftlicher Verweigerung der Abgabe einer Unterwerfungserklärung seitens des Antragsgegners und nach Verstreichen der im Abmahnschreiben hierzu gesetzten Frist mehr als einen Monat zuwartet, ehe er die in der Abmahnung als "unverzüglich erfolgend" angekündigten gerichtlichen Schritte einleitet. 2. "Neue" Dringlichkeit folgt nicht bereits aus einer "Intensivierung" oder einer veränderten Ausführung eines früher begangenen Verstoßes (hier: Katalogauslage statt ursprünglicher Katalogversendung), wenn der konkrete Unlauterkeitsvorwurf in beiden Fällen seinem Charakteristischen nach der nämliche ist. ÓÓÓÓÓ6 U 21/99ÓÓÓÓ 12 O 159/98 LG Bonn Anlage zum Verkündungsprotokoll vom 30.4.1999 verkündet am 30.4.1999 Berghaus, JS´in z.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle OBERLANDESGERICHT KÀLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL In dem Einstweiligen Verfügungsverfahren pp. hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 19.3.1999 unter Mitwirkung seiner Mitglieder Dr. Schwippert, Schütze und von Hellfeld f ü r R e c h t e r k a n n t: 1.) Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 10.12.1998 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn - 12 O 159/98 - wird zurückgewiesen. 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist weiterhin
der Erfolg zu versagen, weil es auch unter Berücksichtigung des
ergänzenden Vorbringens der Antragstellerin an der erforderlichen
Dringlichkeit fehlt. Diese wird zwar gem. § 25 UWG vermutet, die
Dringlichkeit ist aber durch das eigene Verhalten der
Antragstellerin widerlegt und diese hat auch nicht Umstände
dargelegt und glaubhaft gemacht, aus denen sich ergibt, daß der
Antrag trotz der Widerlegung der Vermutung (noch) dringlich
sei.
Die Vermutung der Dringlichkeit ist aus den von dem Senat
bereits in der mündlichen Verhandlung dargelegten Gründen,
deretwegen gem. § 543 Abs.1 ZPO auf S.2 der Niederschrift der
Sitzung Bezug genommen wird, widerlegt. Diese Gründe werden durch
die Einwände der Antragstellerin nicht entkräftet. Insbesondere
kann nicht allein deswegen, weil die nunmehr gerügte
Verletzungsform eine Intensivierung des ersten angenommenen
Verstoßes darstelle, bei der Beurteilung der Dringlichkeit das
Verhalten der Antragstellerin nach Kenntnisnahme von der Versendung
von Prospekten auf Anfrage außer Betracht bleiben.
Die Antragstellerin rügt die Bewerbung der noch zu erstellenden
Wohnungen mit der Begründung, es werde durch die in den sog.
"Berlin-Zimmern" der Bundesministerien in Bonn ausgelegten
Prospekte "Wohnen in Mitte" in gemäß § 1 UWG unlauterer Weise der
Eindruck erweckt, die Wohnungen könnten unproblematisch erworben
werden. Tatsächlich könne demgegenüber in dem sogar nicht
unwahrscheinlichen Falle des Erfolges ihrer Klage im
Restitutionsverfahren gegen den Bescheid des Landesamtes zur
Regelung offener Vermögensfragen (LAROV) vom 1.7.1998 schon ein
Eigentumserwerb durch die I.-GmbH nicht erfolgen und daher der
Verkauf der Wohnungen ebenfalls nicht stattfinden. Der Sache nach
mit demselben Vorwurf hat sie auch die als Anlage K 8 bei den Akten
befindliche Abmahnung vom 17.9.1998, die die Versendung u.a.
desselben Verkaufsprospektes an den Interessenten Baron R. v. H.
zum Gegenstand gehabt hat, begründet.
Es ging und geht der Antragstellerin damit - was diese auch
nicht in Abrede stellt - in beiden Fällen um denselben Vorwurf der
Werbung mit dem angeblich wettbewerbswidrigen Prospekt. Denn für
die wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit des Geschehens ist es
ersichtlich ohne Bedeutung, ob der Prospekt mit dem angeblich
wettbewerbswidrigen Inhalt auf deren Nachfrage an Interessenten
verschickt wird oder an geeigneter Stelle für Interessenten zur
Mitnahme ausliegt. Aus diesem Grunde ist das gesamte Verhalten der
Antragstellerin ab der Kenntnisnahme von der Versendung des
Prospektes, die aus den schon von dem Landgericht dargelegten
Gründen bereits am 1.9.1998 erfolgt ist, bei der Beurteilung der
Dringlichkeit zu berücksichtigen. Ohne Erfolg wendet die
Antragstellerin hiergegen ein, durch das Auslegen des Prospektes in
den erwähnten "Berlin-Zimmern" liege ein Verstoß vor, der
wesentlich schwererwiegend als der vorherige sei. Es mag allerdings
sein, daß in bestimmten eng begrenzten Einzelfällen durch einen
neuen Verstoß gleicher Art auch eine neue Dringlichkeit entsteht,
weil der Verletzer den früheren Verstoß mit so viel weitergehender
Intensität wiederholt, daß die Hinnahme seines vorherigen,
ebenfalls wettbewerbswidrigen Verhaltens nicht den Schluß zuläßt,
dem Antragsteller sei es auch mit der Verfolgung des neuerlichen
Verstoßes nicht in dem für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung
erforderlichen Ausmaß eilig. Ein solcher Fall liegt hier indes
nicht vor. Es macht nämlich entgegen der Darstellung der
Antragstellerin keinen nennenswerten Unterschied, ob der Prospekt
an einzelne Interessenten verschickt wird oder in dem begrenzten
Raum der "Berlin-Zimmer" zur Mitnahme ausliegt. So kann zunächst
deswegen nicht etwa allein auf die eine einzelne Óbersendung des
Prospektes gerade an den schon erwähnten Interessenten Baron R. v.
H. abgestellt weren, weil der Unterlassungsanspruch die zukünftige
Wiederholung einer derartigen Óbersenzung an weitere Interessenten
zum Gegenstand hat. Óberdies ist nicht ersichtlich, inwiefern durch
die Auslage des Prospektes in den BerlinZimmern ernsthafte
Interessenten in größerer Zahl erreicht werden könnten, als durch
die zunächst in Berlin praktizierte gezielte Óbersendung, zumal
diese auf Anfrage erfolgt ist und damit nur Interessenten erreicht
hat.
Legt man aus den vorstehenden Gründen das Gesamtverhalten der
Antragstellerin nach der ersten Kenntnisnahme von der Bewerbung der
Wohnungen durch den Prospekt "Wohnen in Mitte" zugrunde, so ist die
sich aus § 25 UWG ergebende Vermutung der Dringlichkeit widerlegt.
Es hätte der Antragstellerin nämlich oblegen, bereits gegen den
ersten Verstoß mit allen Mitteln vorzugehen, die der vorläufige
Rechtsschutz ihr hierfür zur Verfügung stellte. Sie hätte aus
diesem Grunde zur Vermeidung des Dringlichkeitsverlustes den einmal
gestellten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht
zurücknehmen dürfen, sondern aufrechterhalten und im Falle des
Unterliegens in erster Instanz das Rechtsmittel der Beschwerde in
Anspruch nehmen müssen, wie sie dies im übrigen in dem weiteren,
u.a. das Veräußerungsverbot betreffenden Verfahren 31 O 569/98 LG
Berlin (= 16 W 9594/98 KG) getan hat. Entgegen der Auffassung der
Antragstellerin steht diesem von dem Senat bereits in der
mündlichen Verhandlung dargelegten Gesichtspunkt nicht der Umstand
entgegen, daß im vorliegenden Verfahren der Verstoß durch Auslage
des Prospektes in den Berlin-Zimmern gerügt wird, und die
Antragstellerin gegen diesen Verstoß vor den Berliner Gerichten
nicht hätte vorgehen können. Denn dem vorliegenden Verfahren fehlt
aus den dargelegten Gründen die Dringlichkeit eben deswegen, weil
die Antragstellerin den ersten Verstoß durch Versendung des
Prospektes vor den örtlich zuständigen Gerichten nicht hinreichend
intensiv verfolgt hat. Soweit die Antragsgegnerin sich auf die
Senatsentscheidung im Verfahren 6 U 191/96 beruft, folgt aus dieser
nichts anderes. In jenem Verfahren war nicht über das Entstehen
einer neuen Dringlichkeit, sondern darüber zu befinden, ob die
dortige Antragstellerin verpflichtet war, eine in ihren Besitz
gelangte Diskette auf Dateien mit wettbewerbswidrigem Inhalt zu
untersuchen.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist schließlich die
Dringlichkeit auch nicht ohne Rücksicht auf die Vermutung des § 25
UWG und ihre Widerlegung hinreichend dargelegt und glaubhaft
gemacht. Dem stehen vielmehr dieselben Gesichtspunkte entgegen, die
aus den vorstehenden Gründen die Vermutung der Dringlichkeit
widerlegen.
Fehlt dem Antrag mithin die Dringlichkeit, so kann weder die
einstweilige Verfügung in der nunmehr beantragten Fassung erlassen,
noch hinsichtlich ihres übrigen Teiles die Erledigung der
Hauptsache festgestellt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 100.000 DM.
Dr. Schwippert Schütze von Hellfeld
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Urteil v. 30.04.1999
Az: 6 U 21/99
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