Kammergericht:
Beschluss vom 3. Juni 2016
Aktenzeichen: 22 W 20/16

(KG: Beschluss v. 03.06.2016, Az.: 22 W 20/16)

Wird die Bestellung und die Abberufung von GmbH-Geschäftsführern zum Handelsregister angemeldet, prüft das Registergericht auch, ob der Beschluss ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Handelt es sich nicht um eine Vollversammlung ist auch zu prüfen, ob die nicht erschienen Gesellschafter ordnungsgemäß eingeladen wurden.

Tenor

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27. Januar 2016 wird aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, die angemeldeten Eintragungsgegenstände einzutragen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1) ist seit dem 12. Mai 2015 in das Handelsregister B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die Beteiligte zu 2) und ein Herr... T... .

Mit einer elektronischen und notariell beglaubigten Erklärung vom 25. Januar 2016 hat die Beteiligte zu 2) zur Eintragung die Abberufung des weiteren Gesellschafters als Geschäftsführer, ihre Bestellung zur Geschäftsführerin mit Einzelvertretungsbefugnis und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB und die Erteilung von Einzelprokura und Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB an Herrn ... H... angemeldet. Mit der Anmeldung hat sie ein Protokoll einer Gesellschafterversammlung vom 22. Januar 2016 vorgelegt. Mit Schreiben vom 27. Januar 2016 hat das Amtsgericht mitgeteilt, dass es für die Eintragung der Anmeldegegenstände noch des Nachweises bedarf, dass der nach dem eingereichten Protokoll in der Versammlung vom 22. Januar 2016 nicht anwesende Mitgesellschafter ordnungsgemäß geladen worden ist und dass es einer Genehmigung der Beschlüsse bedarf, weil diese nach § 8 Ziff. 3 des Gesellschaftsvertrages einstimmig zu fassen seien. Vorsorglich hat es weiter darauf hingewiesen, dass die durch den als Versammlungsleiter handelnden Rechtsanwalt I. getroffenen Beschlussfeststellungen nicht bindend seien, weil diese Befugnis ihm nur dann zugekommen wäre, wenn ihm diese von beiden Gesellschaftern zugewiesen worden wäre. Zur Erledigung hat das Amtsgericht eine Frist von sechs Wochen gesetzt. Die Zwischenverfügung ist dem Notar am 2. Februar 2016 zugestellt worden.

Gegen diese Zwischenverfügung hat die Beteiligte zu 2) mit einem elektronischen Schreiben vom 2. Februar 2016 €in ihrer Funktion als Geschäftsführerin€ und als €Einreicherin der beanstandeten Eintragungen€ Beschwerde eingelegt. Dabei hat sie auf eine dem Amtsgericht bereits zugeleitete Einladung zur Gesellschafterversammlung vom 22. Januar 2016, einen Fax-Versendungsbericht und das Protokoll einer weiteren Gesellschafterversammlung vom 29. Januar 2016 Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 8. Februar 2016 unter Vorlage an das Kammergericht nicht abgeholfen und ausgeführt, die Einladung vom 14. Januar 2016 konnte nach dem Gesellschaftsvertrag zwar grundsätzlich durch Herrn H... erfolgen, der zu diesem Zeitpunkt noch als Prokurist eingetragen war. Mit einer Anmeldung vom gleichen Tag sei aber durch den als Geschäftsführer eingetragenen Mitgesellschafter der Widerruf der Prokura angemeldet worden, so dass nicht klar sei, ob Herr H... noch die Ladungsbefugnis hatte. Jedenfalls sei aber das gesellschaftsvertraglich vorgesehene Einstimmigkeitserfordernis nicht gewahrt. Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) führe dies nicht lediglich zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, ein solcher sei gerade nicht gefasst.

II.

1. Das von der Beteiligten zu 2) eingelegte Rechtsmittel ist nach § 58 Abs. 2 FamFG in Verbindung mit § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerdeschrift ist innerhalb der Frist nach § 63 Abs. 1 FamFG eingegangen. Es liegt auch eine ausreichende Beschwer vor. Die Beteiligte zu 2) hat die Beschwerde nicht nur im Namen der Beteiligten zu 1) eingelegt, sondern auch, was wegen der wegen der mit Zwangsmitteln durchsetzbaren Verpflichtung zur Anmeldung zulässig ist ( vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11. Juli 2001 - 2 Wx 13/01 -, juris, NJW.RR 2001, 1417;Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10. November 1999 - 3Z BR 253/99 -, juris, FGPrax 2000, 40), in eigenem Namen. Die Beschwerdeschrift konnte auch nach § 14 Abs. 2 Satz 1 FamFG in Verbindung mit § 1 der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr mit der Justiz im Land Berlin vom 27. Dezember 2006 und Nr. 1 der Anlage zu dieser Verordnung elektronisch eingereicht werden.

2. Die Beschwerde hat auch Erfolg. Die vom Amtsgericht in der Zwischenverfügung vom 2. Februar 2016 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 8. Februar 2016 aufgeführten Eintragungshindernisse bestehen nicht.

a) Der Senat kann über die Beschwerde ohne eine Beteiligung des Mitgesellschafters entscheiden. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor. Ein Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wird durch die Eintragungen in Bezug auf die Gesellschaft nicht in seinen Rechten beeinträchtigt (vgl. Schmidt-Kessel/Müther, § 8 HGB Rn. 190). Entsprechendes gilt, wenn es um die Eintragung der Abberufung eines Geschäftsführers geht, für diesen.

b) Nach den von der Beteiligten zu 2) im Rahmen des Abhilfeverfahrens eingereichten Unterlagen ist davon auszugehen, dass die am 22. Januar 2016 gefassten Beschlüsse nicht wegen eines Ladungsmangels nichtig sind. Wie die Beteiligte auch gegenüber dem Senat zu Recht geltend macht, ist bei der Beteiligten zu 1) im Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit vorgesehen, dass die Ladung zu einer Gesellschafterversammlung durch einen Prokuristen erfolgt (vgl. § 8 Ziff. 1). Eine solche Regelung ist in entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 2 Satz 3 AktG als zulässig anzusehen. Die Ladung zur Versammlung vom 22. Januar 2016 ist auch durch den damals noch eingetragenen Prokuristen ... H... erfolgt. Dem steht nicht entgegen, dass am gleichen Tag durch den Geschäftsführer T... eine notariell beglaubigte Erklärung gefertigt worden ist, mit der das Erlöschen der Prokura angemeldet werden sollte. Die Prokura ist zwar nach § 52 Abs. 1 HGB jederzeit frei widerruflich. Der Widerruf wird als empfangsbedürftige Willenserklärung aber erst mit dem Zugang der Erklärung gegenüber dem Prokuristen oder gegenüber der Allgemeinheit wirksam (vgl. Ebenroth/Boujong/Weber, HGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 8; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl., § 168 Rn. 5). Ein Zugang gegenüber dem Prokuristen vor der Absendung der Ladung zur Gesellschafterversammlung ist nicht erfolgt, wie sich auch aus dessen Erklärung vom 10. März 2016 ergibt. Der Zugang der Widerrufserklärung gegenüber der Allgemeinheit kann erst mit der Bekanntmachung der Eintragung des Erlöschens der Prokura angenommen werden (vgl. Ebenroth/Boujong/Weber, HGB, 3. Aufl., § 52 Rn. 7; BeckOK/Meyer, HGB, Stand: 1. Februar 2016, § 48 Rn. 28). Diese ist aber erst am 20. Januar 2016 erfolgt.

Es ist auch von einer ausreichenden Absendung der formgerechten Einladung auszugehen. Der von der Beteiligten in Bezug genommene Faxsendebericht weist aus, dass die Ladung am 14. Januar 2016 an den Mitgesellschafter T... versandt worden ist. Damit ist auch die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Ladungsfrist von einer Woche (§ 8 Ziff. 2) für außerordentliche Gesellschafterversammlungen gewahrt. Dass der Faxsendebericht allein eine ordnungsgemäße Absendung beweist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12 -, juris, Rn. 11, NJW 2013, 2514), so dass unklar ist, ob der Mitgesellschafter T... die Ladung tatsächlich erhalten und zur Kenntnis genommen hat, ist im Rahmen des Eintragungsverfahrens unerheblich. Denn hier greift der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG erst dann ein, wenn das Vorbringen der Parteien oder der Sachverhalt hierzu Veranlassung geben (vgl. Schmidt-Kessel/Müther, Handelsregisterrecht, 2010, § 8 HGB Rn. 92f.). Dies ist hier nicht der Fall.

c) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist auch von einer Beschlussfassung über die Bestellung der Beteiligten zu 2) zur Geschäftsführerin und einer Abberufung des Geschäftsführers T... auszugehen. Wie der Begriff der Einstimmigkeit im Sinne der gesellschaftsvertraglichen Regelung zu verstehen ist, ist bei Zweifeln durch Auslegung zu klären. Der Gesellschaftsvertrag bzw. die Satzung einer Kapitalgesellschaft sind dabei nach objektiven Kriterien auszulegen, weil sie sich an eine Vielzahl von Adressaten wenden (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1993, II ZR 155/92, BGHZ 123, 347 = NJW 1994, 51; Urteil vom 26. November 2007, II ZR 227/06, NJR-RR 2008, 309 = WM 2008, 540; Senat, Beschluss vom 12. Februar 2016, 22 W 93/15, S. 4 der BA). Insoweit hat das Amtsgericht zu Recht erwogen, ob der Begriff der Einstimmigkeit dahin zu verstehen ist, dass jeweils alle Gesellschafter zustimmen müssen oder nur die anwesenden Gesellschafter (vgl. dazu Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, 20. Aufl., § 53 Rn. 63). Dabei gilt allerdings nicht der Grundsatz, dass die jeweils strengstmögliche Auslegung zu wählen ist. Gegen die Annahme, es müssten immer alle Gesellschafter zustimmen, sprechen nicht nur die von der Beteiligten zu 2) vorgebrachten Gründe, dass dann eine Beschlussfassung ohne weiteres durch einen Gesellschafter blockiert werden könnte, sondern auch die Fassung des Gesellschaftsvertrages. Denn nach § 8 Ziff. 4 muss es auch Gesellschafterversammlungen geben, bei der nicht alle Gesellschafter anwesend sind, denn nur die anwesenden Gesellschafter haben nach der Vorschrift die Niederschrift über die Versammlung zu unterschreiben. Dann aber ist davon auszugehen, dass mit Einstimmigkeit die Stimmen der in der Gesellschafterversammlung anwesenden Gesellschafter gemeint ist. Die Regelung in § 8 Ziff. 3 Satz 2, nach der jedem Anteil eine Stimme zukommt, widerspricht dem nicht.

d) Auf die weitere Frage, ob dem bestimmten Versammlungsleiter eine Beschlussfeststellungskompetenz zukommt (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2015, 22 W 74/15, GmbHR 2016, 58 = FGPrax 2016, 17), kommt es damit ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob eine Beschlussfassung ohne Erreichen des in der Satzung vorgesehenen Quorums überhaupt wirksam ist oder lediglich zur Anfechtbarkeit führt.

e) Die Sache ist an das Amtsgericht zurückzugeben. Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass die Anmeldung nach Auffassung des Senats zu vollziehen ist, weil die notwendigen Voraussetzungen vorliegen.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtskosten fallen nicht an, eine Kostenerstattung kommt nicht in Betracht.






KG:
Beschluss v. 03.06.2016
Az: 22 W 20/16


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