Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 5. März 2010
Aktenzeichen: 5 Ta 39/10

(LAG Baden-Württemberg: Beschluss v. 05.03.2010, Az.: 5 Ta 39/10)

1. Die Bewertung eines Antrags auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung von Arbeitskräften u.a. ist der Bestimmung des § 23 Abs. 2 und 3 RVG zu entnehmen (Hilfswert 4.000 EUR - Maximalwert 500.000 EUR). 2. Eine analoge Anwendung von § 42 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG kommt nicht in Betracht.

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mannheim vom 25. November 2008 - 3 BV 3/08 - unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Rechtsanwälte L. und Kollegen wird auf EUR 37.800,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats (im Folgenden Beschwerdeführer) richtet sich gegen die Festsetzung des Werts des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit die das Arbeitsgericht im Zusammenhang mit Zustimmungsersetzungsverfahren für insgesamt 54 Arbeitnehmer der zu 3 beteiligten Arbeitgeberin vorgenommen hat.

Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Informationstechnologie und unterhält zahlreiche Standorte in Deutschland. Der Betriebsrat ist der nach dem einschlägigen Zuordnungstarifvertrag unter anderem für den Betrieb M. gebildete Betriebsrat. Mit Schriftsatz vom 19. Februar 2008 hat die Arbeitgeberin ein Beschlussverfahren eingeleitet mit den Anträgen die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung von namentlich benannten 54 Arbeitnehmern von M. nach D. zum 1. März 2008 zu ersetzen und festzustellen, dass die vorläufige Versetzung der 54 Arbeitnehmer von M. nach Darmstadt zum 1. März 2008 aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Das Verfahren endete in erster Instanz durch Beschluss vom 25. September 2008 mit dem die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen wurden.

Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2008 beantragten die Beschwerdeführer Wertfestsetzung. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 25. November 2008 den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit auf EUR 19.900,00 festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die am 11. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht eingegangene Beschwerde mit der die Beschwerdeführer die Festsetzung eines Werts in Höhe von EUR 110.000,00 erstreben. Nach Rücklauf der Akte vom Landesarbeitsgericht - nach Durchführung des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache - hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 23. Februar 2010 der Beschwerde nicht abgeholfen und zu dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.II.

Die gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Anträge der Arbeitgeberin sind mit insgesamt EUR 37.600,00 zu bewerten. Die Anträge der Arbeitgeberin gerichtet auf der Sitzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Versetzung der namentlich benannten 54 Arbeitnehmer sind mit EUR 25.200,00 zu bewerten. Die 54 Anträge auf Feststellung der Dringlichkeit der Versetzung sind mit insgesamt EUR 12.600,00 zu bewerten. Die Werte sind nach § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen woraus sich der Gesamtgegenstandswert in Höhe von EUR 37.800,00 ergibt.

1. Zu bewerten sind im Entscheidungsfall zunächst 54 Anträge auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung von 54 namentlich benannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern von M. nach D. zum 1. März 2008.

a) Für die Bewertung derartiger Streitigkeiten gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg 4. Oktober 2001 - 3 Ta 100/01; 10. Dezember 2004 - 3 Ta 196/04), dass der Maßstab für die Bewertung der Bestimmung des § 23 Abs. 2 und 3 RVG (früher § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO) zu entnehmen ist. Hiernach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. In Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung und bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit EUR 4.000,00, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über EUR 500.000,00, anzunehmen. Abweichungen von diesem Wert in der einen oder in der anderen Richtung setzen Tatsachen voraus, die ihn als erkennbar unangemessen erscheinen lassen. Hierbei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für den Wert der Leistung des Rechtsanwalts bestimmend sind. Demnach ist in erster Linie auf tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten in der Sache abzustellen, sodann ist das Interesse des Auftraggebers zu berücksichtigen und sonstige im Einzelfall wertbildende Umstände sind ins Auge zu fassen. Eine analoge Anwendung des § 42 Abs. 4 Satz 1 (und Satz 2) GKG (jetzt § 42 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG n. F.) hat die früher für das Streitwertbeschwerderecht zuständige Kammer 3 mehrfach verworfen. Auch eine Heranziehung zur Ermessenskonkretisierung hat sie insoweit abgelehnt. Damit hat sich die Beschwerdekammer gegen anderslautende Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten gewandt, die - mit unterschiedlichen Ausprägungen - die Vorschrift des § 42 Abs. 4 GKG in Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 BetrVG und § 99 BetrVG zur Ermessenkonkretisierung heranziehen wollen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte hat die Beschwerdekammer 3 in ihrem Beschluss vom 10. Dezember 2004 (- 3 Ta 196/04 - zitiert nach juris) zur Wertfestsetzung in einem Verfahren nach § 103 BetrVG zusammengefasst. Die dortigen Erwägungen können auch auf das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 BetrVG übertragen werden. Zu Recht hat die Beschwerdekammer 3 bereits in der genannten Entscheidung auch darauf hingewiesen, dass der in § 23 Abs. 3 RVG genannte Wert bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen einen Regelwert darstellt, der nur signifikanten Umständen eine Abweichung nach unten oder oben gebietet.

b) Der Wert für die Anträge der Arbeitgeberin, die auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung der namentlich genannten 54 Arbeitnehmer gerichtet sind, ist auf insgesamt EUR 25.200,00 festzusetzen. In Anwendung vorstehend genannter Grundsätze sind nach Auffassung der Beschwerdekammer wertbestimmte Faktoren erkennbar die eine Abweichung vom Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG gerechtfertigt erscheinen lassen.

aa) Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung des Arbeitnehmers K. B. von M. nach D. ist mit dem Regelwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in Höhe von EUR 4.000,00 zu bewerten. Die sich insoweit stellenden rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten sind nicht derart herausgehoben oder gemindert, dass eine Abweichung vom Regelwert in diesem Fall angezeigt wäre. Hiervon gehen zutreffend sowohl das Arbeitsgericht als auch die Beschwerde letztlich übereinstimmend aus.

bb) Die weiteren 53 Anträge gerichtet auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung der weiteren namentlich genannten 53 Arbeitnehmer sind ebenfalls jeweils zu bewerten. Dem Arbeitsgericht ist insoweit beizutreten, als dass hier ein Abschlag vom Ausgangswert gerechtfertigt ist, da die Sachverhalte letztlich parallel gelagert sind. Die sich im Verfahren stellenden Fragen können einheitlich ohne Einzelbetrachtung eines jeden Arbeitnehmers beantwortet werden. Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang der Aufwand der Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats nicht ohne jede Bedeutung. Das Arbeitsgericht hat dem Betriebsrat aufgegeben, zur Versetzung eines jeden zu versetzenden Arbeitnehmers detailliert Stellung zu nehmen und hierzu vorzutragen. Zwar hat das Arbeitsgericht diesen Vortrag für seine Entscheidung in der Hauptsache in dieser detaillierten Form letztlich - wohl entgegen der eigenen Annahme nach dem Gütetermin - nicht benötigt. Gleichwohl stellt ein über 330 Seiten umfassender Schriftsatz, auch wenn er möglicherweise mit Wiederholungen arbeitet, ein nicht zu vernachlässigenden Aufwand dar. Vor dem Hintergrund der Gleichlagerung der Fälle ist ein Abschlag vom Regelwert gerechtfertigt, so dass für jeden Antrag hinsichtlich eines jeden Arbeitnehmers lediglich noch 10 % des Regelwerts anzusetzen sind und mithin EUR 400,00. Da es sich um 53 weitere Arbeitnehmer handelt ergibt sich insoweit ein Wert von EUR 21.200,00.

cc) Die Werte von EUR 4.000,00 und die weiteren 53 Einzelwerte von jeweils EUR 400,00 sind gemäß § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen woraus sich der Wert in Höhe von EUR 25.200,00 für den Antrag zu 1 ergibt.

2. Weiter zu bewerten ist der Antrag zu 2 dem die Arbeitgeberin festgestellt wissen will, dass die vorläufige Versetzung der genannten 54 Arbeitnehmer mit Wirkung ab 1. März 2008 von M. nach D. aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war. Dabei handelt es sich um eigenständige Streitgegenstände, die deshalb auch eigenständig zu bewerten sind. In Übereinstimmung mit anderen Landesarbeitsgerichten (vgl. etwa LAG Schleswig Holstein 14. August 2007 - 1 Ta 111/07 - NZA-RR 2007, 659; LAG Köln 19. Januar 2005 - 4 Ta 2/05 - zitiert nach juris) ist der Antrag nach § 100 Abs. 2 BetrVG hinsichtlich des Arbeitnehmers B. eigenständig mit dem halben Ausgangswert und damit mit EUR 2.000,00 zu bewerten. Die weiteren 53 Anträge gerichtet auf die Feststellung der Dringlichkeit der Versetzung der weiteren 53 Arbeitnehmer sind jeweils mit 10 % dieses Werts und damit EUR 200,00 zu bewerten, woraus sich ein Wert von EUR 10.600,00 ergibt. Diese Werte in Höhe von EUR 2.000,00 und EUR 10.600,00 sind gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen, woraus sich für den Antrag zu 2 ein Gegenstandswert in Höhe von EUR 12.600,00 ergibt.

3. Die Werte für die Anträge zu 1 und 2 sind wiederum nach § 22 Abs. 1 RVG insgesamt zusammenzurechnen, woraus sich ein Gesamtwert in Höhe von EUR 37.800,00 ergibt.III.

Die Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG wird auf die Hälfte reduziert. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).






LAG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 05.03.2010
Az: 5 Ta 39/10


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