Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. September 2011
Aktenzeichen: 21 W (pat) 52/06
(BPatG: Beschluss v. 13.09.2011, Az.: 21 W (pat) 52/06)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle 44 des Deutschen Patentund Markenamts vom 29. Mai 2006 aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patentund Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Anmelderin) hat die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Messeinrichtung für einstellbares Hydrocephalusventil" am 28. Februar 2005 als Zusatzanmeldung zur Hauptanmeldung 10 2004 015 500.3 vom 27. März 2004 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht. Der Erteilungsantrag enthält unter Punkt 11 "Anlagen" unter Nr. 7 "Zeichnungen" keine Angaben, die Anmeldeunterlagen enthalten jedoch 11 Blatt Zeichnungen mit den Figuren 1 bis 12, 14 und 17 sowie auf der Seite, die die Figur 14 zeigt, eine weitere, nicht nummerierte Figur sowie auf der Seite, die die Figur 17 zeigt, eine Detailansicht sowie eine Gehäuseansicht, die ebenfalls keine Nummerierung tragen. In der Beschreibung wird auf die Figuren 1 bis 17 Bezug genommen.
Mit Verfügung vom 29. Juni 2005 ist die Anmelderin zunächst aufgefordert worden, insgesamt druckfähige Zeichnungen einzureichen. Mit Bescheid vom 11. Januar 2006 folgte eine weitere Aufforderung, die noch fehlende Figur 13 innerhalb eines Monats in einer druckfähigen Version einzureichen. Mit Verfügung vom 15. März 2006 wurde der Anmelderin hierzu noch ein weiterer Monat Frist eingeräumt.
Da die angeforderte Zeichnung nicht eingegangen ist, hat die Prüfungsstelle 44 die Anmeldung mit Beschluss vom 29. Mai 2006 aus den Gründen des Bescheids vom 11. Januar 2006 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie geltend macht, dass die von der Prüfungsstelle als fehlend beanstandete Figur 13 bereits als Figur 15 eingereicht worden sei.
Der Senat hat der Anmelderin mit Verfügung vom 5. August 2010 mitgeteilt, dass es sich bei der von ihr als Figur 15 eingereichten Figur tatsächlich um diese Figur 13 handle, dass aber nicht nur in den Druck-, sondern vielmehr bereits in den ursprünglichen Unterlagen die Figur 15 fehlte.
Mit Schriftsatz vom 27. September 2010 hat die Anmelderin mitgeteilt, dass die Figur 15 nicht weiter verfolgt werde. Daraufhin ist die Anmelderin mit Ladungszusatz vom 17. Juni 2011 darauf hingewiesen worden, dass die Beschreibung entsprechend angepasst werden müsse und die Nummerierung der Zeichnungen nicht mehr stimme. Die Anmelderin hat daraufhin mit Schriftsätzen vom 11. Juli 2011 und vom 1. September 2011 eine korrigierte Beschreibung und Figuren mit der zutreffenden Nummerierung vorgelegt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat Erfolg, da der Beschluss zum Einen an einem Formfehler leidet, zum Anderen der gerügte Mangel nicht vorlag und die Anmelderin im Übrigen im Beschwerdeverfahren die vorhandenen formellen Mängel der Anmeldung beseitigt hat.
1. Der Beschluss der Prüfungsstelle ist formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, da er nicht unterschrieben ist, sondern lediglich ein Namenskürzel trägt, wie dies im Übrigen unverständlicher Weise auf dem Formblatt P 2705.2 des Deutschen Patentund Markenamts so vorgesehen ist. Die schriftliche Ausfertigung eines Beschlusses setzt implizit eine Unterschrift unter dessen Urschrift voraus, also eine eigenhändige Namensunterschrift des zuständigen Entscheidungsträgers. Daran fehlt es hier. Ein Handzeichen, die bewusste und gewollte Namensabkürzung, eine Paraphe, erfüllt die Anforderung an eine Unterschrift nicht (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 315 Rn. 1 unter Hinweis auf BGH vom 21. Oktober 1998 -IV ZB 15/98 -; für den vorbereitenden Schriftsatz Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 130 Rn. 11 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Ein nicht unterzeichneter Beschluss ist als Entwurf zu werten und unwirksam (vgl. Schulte, PatG, 8. Aufl. 2008, § 47 Rn. 9; st. Rspr., vgl. BPatGE 12, 177; 16, 7; 21, 176 41, 44; BPatG BlfPMZ 1990, 34; vgl. auch BGHZ 137, 49, 58 für einen Konkurseröffnungsbeschluss, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Die Beschwerde ist damit entgegen einiger Entscheidungen des Gerichts (vgl. BPatGE 41, 44 -Formmangel; BPatG Beschluss vom 1. März 2011 Az. 24 W (pat) 506/11 - Goldeneye PERMANENT SYSTEM, Unterschriftsmangel III) jedoch nicht gegenstandslos, obwohl sie sich gegen einen unwirksamen (nichtigen) Beschluss des Deutschen Patentamtund Markenamts richtet. Denn wegen der Zustellung einer Ausfertigung ist der Anschein eines Zurückweisungsbeschlusses eingetretenen, was auch dazu führt, dass die formelle Beschwer der Anmelderin anzuerkennen ist. Dieser Rechtsschein ist durch eine ausdrückliche Aufhebung zu beseitigen (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW-RR 2004, 1507 ff.).
Der Scheinbeschluss ist daher bereits aufgrund dieses formellen Mangels aufzuheben, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob die Nichteinhaltung der PatV-Vorschriften aus verfassungsrechtlichen Gründen überhaupt zu einer Zurückweisung der Anmeldung führen darf (vgl. BPatG vom 17. März 2010, 7 W (pat) 33/04).
2. Darüber hinaus lag der von der Prüfungsstelle 44 gerügte Mangel objektiv nicht vor. Allerdings wies die Anmeldung einen anderen Mangel auf, der von der Prüfungsstelle übersehen worden ist.
2.1. Die Anmelderin hat die Anmeldeunterlagen per Telefax eingereicht, u. a. 11 Blatt Zeichnungen. Die Seiten 10/16 (Fig. 1), 11/16 (Fig. 2), 12/16 (Fig. 3), 13/16 (Fig. 4), 14/16 (Fig. 5), 15/16 (Fig. 6 und 7), 16/16 (Fig. 8 und 9) und 9/16 (Fig. 10 bis 12) lassen die entsprechenden Figuren ohne Weiteres erkennen. Die Seite 8/16 enthält die Fig. 14 und eine nicht nummerierte Figur. Seite 7/16 enthält die Fig. 16. Seite 6/16 enthält die Fig. 17, die dreiteilig ist.
Die Bezugszeichen, auf die sich die Beschreibung zu Figur 13 bezieht, lassen erkennen, dass die Anmelderin zu Recht vorbringt, dass es sich bei der von ihr als Figur 15 eingereichten Figur tatsächlich um Figur 13 handelt, also um die nicht nummerierte Fig. aus der Seite 8/16 der ursprünglichen Unterlagen.
2.2. Demgegenüber fehlte die Figur 15 vollkommen, nicht nur in den Druckunterlagen, sondern vielmehr bereits in den ursprünglichen Unterlagen: Laut Beschreibung zeigen die Figuren 15 und 16 eine Vorrichtung zum Messen der Ventilstellung, wobei Figur 15 eine perspektivische Darstellung sein soll, bei der ein scheibenartiger Körper zu sehen sein soll, der aus einem mit Wasser gefüllten Gehäuse gebildet wird, und in dem ein Schwimmkörper schwimmt (vgl. Seite 26/29). Eine derartige Darstellung befindet sich nicht in den Anmeldeunterlagen, sie wurde von der Anmelderin im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 27. September 2010 vorgelegt.
Nachdem die Anmelderin im selben Schriftsatz erklärt hat, dass diese Figur nicht weiterverfolgt werden soll, hat sie sinngemäß die Erklärung abgegeben, dass die Bezugnahme auf die Zeichnung als nicht erfolgt gelten solle, mithin im Ergebnis ein Fall des § 35 Abs. 2 S. 3, 2. Alternative PatG vorliegt.
2.3. Diese Fiktion betrifft nach Auffassung des Senats nicht die gesamte Zeichnung, d. h. alle Figuren, sondern nur die Figur 15.
Nach der Rechtsprechung des 10. Senats (vgl. BPatG vom 2. April 2007, 10 W (pat) 9/06, m. w. N. aus der Kommentarliteratur) wird das Vervollständigen wie ein Nachreichen behandelt. Durch Nachreichen einer einzelnen bisher fehlenden Figur verschiebt sich der Anmeldetag für die gesamte Anmeldung. Daraus und aus der Formulierung im Gesetz, wonach "jede Bezugnahme auf die Zeichnungen als nicht erfolgt" gilt, könnte zu dem Schluss führen, dass die Fiktion alle, also auch die bereits vorhandenen Figuren betrifft. In dieser Richtung könnte auch die Kommentierung bei Schulte a. a. O., § 35, Rn. 42 und 43 zu verstehen sein, da dort nicht zwischen fehlenden und eingereichten Zeichnungen unterschieden wird. Nach Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 35 Rn. 12 tritt bei Abgabe der Negativerklärung nach Abs. 1 Satz 2, bei verfristeter Nachreichung oder Untätigbleiben, eine Verschiebung des Anmeldetags nicht ein; es bleibt der ursprüngliche Anmeldetag mit den ursprünglich eingereichten Unterlagen ohne Berücksichtigung (nur) der fehlenden Zeichnungen erhalten.
Der letztgenannten Lösungsmöglichkeit ist der Vorzug zu geben, da er einerseits dem Offenbarungsgehalt der eingereichten Unterlagen entspricht und insbesondere keine unzulässige Erweiterung enthält, und andererseits kein Grund ersichtlich ist, warum ein Anmelder wegen einer unvollständigen Zeichnung ein Nachteil in Form des Wegfalls des Offenbarungsinhalts, der aus der Beschreibung in Verbindung mit den übrigen Figuren folgt, entstehen sollte.
3. Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2011 hat die Anmelderin der ursprünglichen Anmeldung genauer angepasste Figuren 5, 6 und 10 bis 14 eingereicht, an die sich nunmehr die Figuren 15 und 16 anschließen, sowie eine überarbeitete Beschreibung, in deren Text die ursprüngliche Bezugnahme auf die fehlende Figur 15 entfernt und die neue Nummerierung der Figuren berücksichtigt ist. Damit liegen mit der neuen Beschreibung und den Figuren 1 bis 4, eingegangen beim Deutschen Patentund Markenamt am 2. März 2005, den Figuren 5 und 6, eingegangen bei Gericht am 11. und 12. Juli 2011, den Figuren 7 bis 9, eingegangen bei Gericht am 1. September 2011, und den Figuren 10 bis 16, eingegangen bei Gericht am 11. und 12. Juli 2011, ordnungsgemäße Unterlagen vor.
Das Verfahren ist an das Deutsche Patentund Markenamt zurückzuverweisen, da dort noch nicht in der Sache entschieden worden ist (§ 79 Abs. 3 Nr. 1 PatG).
Dr. Winterfeldt Baumgärtner Dr. Morawek Veit Pü
BPatG:
Beschluss v. 13.09.2011
Az: 21 W (pat) 52/06
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