Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. August 2007
Aktenzeichen: 8 W (pat) 344/04

(BPatG: Beschluss v. 02.08.2007, Az.: 8 W (pat) 344/04)

Tenor

Das Patent 101 29 339 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 6 vom 4. Februar 2005, eingeg. am 7. Februar 2005, Beschreibung Absatz [0001] bis [0020], vier Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 4, jeweils wie Patentschrift.

Gründe

I Das Patent 101 29 339 mit der Bezeichnung "Spritzgießmaschine" wurde am 19. Juni 2001 unter Inanspruchnahme einer Priorität in Österreich (1075/00 vom 21. Juni 2000) beim Patentamt angemeldet, und mit Beschluss vom 6. Oktober 2003 wurde auf die Anmeldung ein Patent erteilt, dessen Veröffentlichung am 18. März 2004 erfolgte.

Gegen das Patent hat die Firma D..., A... Straße in S...

am 16. Juni 2004 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf die Widerrufsgründe des § 21 (1). 1 PatG in Verbindung mit §§ 1, 3 und 4 gestützt, da der erteilte Patentgegenstand nicht neu sei bzw. nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und deshalb nicht patentfähig sei. Zur Begründung ihres Vorbringens hat sie folgenden Stand der Technik genannt:

1. DE 196 43 366 C2 (D1), 2. DE 17 04 064 A (D2), 3. WO 00/23242 A1 (D3), 4. DE 198 00 820 A1 (D4), 5. JP 60115419 (D5), 6. JP 62251117 (D6), 7. JP 08281751 (D7), 8. JP 62248615 (D8), 9. JP 5278086 (D9), 10. DE 689 12 514 T2 (D10).

Die Patentinhaberin ist dem entgegen getreten. Sie vertritt die Ansicht, dass die mit Eingabe vom 4. Februar 2005, eingegangen am 7. Februar 2005, eingereichten Patentansprüche neu seien und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten, da der Stand der Technik keinen Hinweis auf eine Spritzgießmaschine mit einem Kurbeltrieb, der drei Kurbelstangen aufweise, gebe.

Die Patentinhaberin hat in ihrer Einspruchserwiderung vom 4. Februar 2005 sinngemäß den Antrag gestellt, 1. das Patent 101 29 339 auf Grundlage der beigefügten neuen Patentansprüche 1 bis 6, im Übrigen mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten, 2. hilfsweise eine mündliche Verhandlung für den Fall, dass nicht antragsgemäß entschieden werden kann, anzuberaumen.

Mit Eingabe vom 18. Februar 2005 (eingegangen am 21. Februar 2005) hat die Einsprechende daraufhin beantragt,

- das Streitpatent auf Grundlage der von der Patentinhaberin mit Schreiben vom 4. Februar 2005 eingereichten Patentansprüche aufrechtzuerhalten und,

- sollte diesem Antrag nicht stattgegeben werden können und eine Aufrechterhaltung des Streitpatents in einem Umfang in Erwägung gezogen werden, der über den durch die neuen Patentansprüche abgesteckten Schutzbereich hinausgeht, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Im Verfahren vor der Erteilung des Patents ist zum Stand der Technik noch die 11. JP 08-2 81 751 A.

genannt worden.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung (vgl. BlPMZ 2005, 3 und 2006, 225) durch den zuständigen Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden. Mit der Einlegung des Einspruchs vom 16. Juni 2004 und damit innerhalb des nach § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG geltenden Zeitraums (nach dem 1. Januar 2002 bis vor dem 1. Juli 2006) beim Deutschen Patent- und Markenamt ist in Verbindung mit den Sätzen 3 und 4 PatG a. a. O. die besondere Zuständigkeit des technischen Beschwerdesenats zur Entscheidung über den Einspruch nach § 59 PatG begründet worden. Diese für das vorliegende Verfahren begründete Zuständigkeit ist nach den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere des gemäß § 99 Abs. 1 PatG in analoger Anwendung des § 261 Abs. 3 ZPO heranzuziehenden Grundsatzes der perpetuatio fori, durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und Patentkostengesetzes vom 21. Juni 2006 nach Überzeugung des Senats nicht entfallen (vgl. auch BGH, Beschl. v. 17. April 2007 - X ZB 9/06 - Informationsübermittlungsverfahren I und BGH, Beschl. v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II).

2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig.

Der Einspruch ist jedoch nur insoweit begründet, als er zur Aufrechterhaltung des Patents im beschränkten Umfang führt.

3. Nach dem nunmehr geltenden Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patents eine Spritzgießmaschine mit zwei Formaufspannplatten, von denen eine ortsfest und die andere bewegbar angeordnet ist und mit einem Schließmechanismus für die bewegbare Formaufspannplatte, wobei der Schließmechanismus von einem Kurbeltrieb gebildet wird, der mit einer Formhöhenverstelleinrichtung in Verbindung steht, dadurch gekennzeichnet, dass drei miteinander drehbar verbundene Kurbelstangen (7, 19, 20) vorgesehen sind, wovon eine an der Formhöhenverstelleinrichtung (14), eine an einer Formaufspannplatte (1, 2) und eine an einer Kurbel (6) des Kurbeltriebes (5) angelenkt ist.

Hinsichtlich der auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Akte verwiesen.

Aufgabe der Erfindung ist es (Absatz [0002]) der Streitpatentschrift, einen verbesserten Schließmechanismus für eine derartige Zweiplattenmaschine zu schaffen.

4. Die im Patentanspruch 1 vorgenommenen Änderungen sind zulässig. Der geltende Patentanspruch 1 basiert auf dem wie ursprünglich eingereicht erteilten Patentanspruch 1 unter Hinzunahme der Merkmale des, wie ursprünglich eingereicht, erteilten Patentanspruchs 5. Die geltenden Patentansprüche 2 bis 6 entsprechen den ebenfalls, wie ursprünglich eingereicht, erteilten Patentansprüchen 2 und 3 sowie 6 bis 8 unter entsprechender Änderung ihrer Rückbeziehungen.

5. Die aufgrund ihrer Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Spritzgießmaschine mit zwei Formaufspannplatten nach Patentanspruch 1 ist gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik unstrittig neu.

So zeigt keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften einen Schließmechanismus, der aus drei miteinander drehbar verbundenen Kurbelstangen besteht, wovon eine an der Formhöhenverstelleinrichtung (14), eine an einer Formaufspannplatte und eine an einer Kurbel des Kurbeltriebes angelenkt ist.

6. Die Spritzgießmaschine mit zwei Formaufspannplatten nach dem geltenden Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Spritzgießmaschine nach dem Streitpatent wird der Schließmechanismus für die beiden Formaufspannplatten von einem Kurbeltrieb gebildet, der drei miteinander drehbar verbundene Kurbelstangen aufweist, wovon eine an der Formhöhenverstelleinrichtung, eine an einer Formaufspannplatte und eine an einer Kurbel des Kurbeltriebes angelenkt ist.

Für diese Maßnahmen vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann, einem Dipl.-Ing (FH) der Fachrichtung Kunststofftechnologie mit vertieften Kenntnissen auf dem Fachgebiet des Spritzgießens keine Anregungen.

In der DE 196 43 366 C2 (D1) ist eine Spritzgießmaschine beschrieben, die zwei Formaufspannplatten aufweist, von denen eine ortsfest und die andere bewegbar angeordnet ist. Die bewegbare Formaufspannplatte ist mit einem Schließmechanismus, der aus einem Kurbeltrieb (53) (s. Fig. 3 mit Beschreibung) gebildet ist, verbunden. Ferner ist eine Formhöhenverstelleinrichtung (42) vorgesehen, mit der die Werkzeughöhe einstellbar ist und die mit dem Kurbeltrieb über drehbar miteinander verbunden Kurbelstangen in Verbindung steht. Der Kurbeltrieb weist jedoch nur zwei Kurbelstangen auf, wovon die eine an der Formhöhenverstelleinrichtung und die andere an einer Kurbel des Kurbeltriebes angelenkt ist. Einen Hinweis oder Anregungen für den Fachmann, eine zusätzliche dritte Kurbelstange, die an einer Formaufspannplatte angelenkt sein soll, kann dieser Druckschrift nicht entnommen werden, denn es gibt keinen Anlass von der bewährten Funktionsweise des Schließmechanismus abzugehen.

Aber auch die in der DE 1 704 064 A (D2) beschriebene Spritzgießmaschine kann nicht zur Lehre des Patentgegenstandes führen. In dieser Druckschrift werden zwar drei Kurbelstangen beschrieben, jedoch ist die eine Kurbelstange (5), die auf dem Zapfen (7) gelagert ist, dazu vorgesehen, die beiden weiteren Kurbelstangen (6a, 6b) so zu bewegen, dass die beiden bewegbaren Formaufspannplatten beim Öffnen und Schließen stets eine gegensinnige Bewegung ausführen. Durch diese Maßnahme soll eine spiegelbildliche Nebeneinanderanordnung von zwei Maschineneinheiten möglich sein, so dass gleichzeitig zwei Formen befüllt, abgekühlt und zwei Formteile entnommen werden können. Die drei Kurbelstangen haben somit eine vom Patentgegenstand abweichende Funktion, denn der Patentgegenstand weist nur eine einzige Form mit einer festen und einer bewegbaren Formaufspannplatte auf. Die Funktionsweise der Spritzgießmaschine nach der DE 1 704 064 A unterscheidet sich grundlegend von der patentgemäßen Spritzgießmaschine, so dass der Fachmann aus dieser weiter abliegenden Maschine keine Anregungen entnimmt.

Bei der Spritzgießmaschine nach der WO 00/23242 A1 (D3) mit zwei Formaufspannplatten, von denen eine ortsfest und die andere bewegbar angeordnet ist, wird der Schließmechanismus für die bewegbare Formaufspannplatte von einem Kurbeltrieb gebildet, der mit einer Formhöhenverstelleinrichtung (12) in Verbindung steht. Ferner sind drei miteinander drehbar verbundene Kurbelstangen vorgesehen, wobei eine an der Formhöhenverstelleinrichtung und eine an einer Kurbel des Kurbeltriebes angelenkt ist. Die dritte Kurbelstange ist bei dieser Spritzgießmaschine jedoch nicht an einer Formaufspannplatte, sondern am Maschinenbett und somit an einer vom Streitpatent abweichenden Stelle, nämlich außerhalb des Formraums, angelenkt. Auch diese Druckschrift gibt keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung und veranlasst den Fachmann nicht zu irgendwelchen Änderungen des Schließmechanismus, denn die bekannte Lösung ist in sich schlüssig und funktionsfähig.

Die Spritzgießmaschinen nach der DE 198 00 820 A1 (D4), nach der JP 62251117 (D6) und der JP 5278086 (D9) weisen jeweils eine fest angeordnete und eine bewegbare Formaufspannplatte auf. Der Schließmechanismus wird dort nicht über einen Kurbeltrieb gebildet, der mit einer Formhöhenverstelleinrichtung in Verbindung steht. Auch sind dort keine drei miteinander drehbar verbundene Kurbelstangen vorgesehen, so dass auch diese Druckschriften wegen ihres vom Patentgegenstand abweichenden Antrieb für den Schließmechanismus aufweisen, den Fachmann nicht zu der patentgemäßen Lösung führen.

Die Schließmechanismen für die Formaufspannplatten nach der JP 60115419 (D5), JP 08281751 (D7), der JP 62248615 (D8) und der DE 689 12 514 T2 (D10) weisen zwar einen Kurbeltrieb auf, jedoch ist für die Übertragung der Bewegung einer der beiden Formaufspannplatten nur eine Kurbelstange, die mit einer Kurbel des Kurbeltriebes verbunden ist, vorgesehen. Auch die in diesen Druckschriften beschriebenen Spritzgießmaschinen geben dem Fachmann keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre.

Der Fachmann entnimmt dem aufgezeigten Stand der Technik somit keinen Hinweis auf die patentgemäße Lehre. Denn es ist davon auszugehen, dass der Fachmann immer den einfachst möglichen Aufbau wählen wird. Er wird daher nicht ohne Grund von den im Stand der Technik einschlägig beschriebenen Spritzgießmaschinen mit einer oder zwei Kurbelstangen ausgehend, einen Kurbeltrieb mit drei miteinander verbundenen Kurbelstangen vorsehen, wovon eine an der Formhöhenverstelleinrichtung, eine an einer Formaufspannplatte und eine an einer Kurbel des Kurbeltriebes angelenkt ist, um dadurch den Schließmechanismus zu verbessern. Denn er wird immer die Zahl der beweglichen Teile und damit den Wartungsaufwand gering halten.

Im Stand der Technik ist dieser übergeordnete Gedanke nirgends angesprochen, so dass der Fachmann auch in der Zusammenschau des aufgezeigten Standes der Technik nicht zur patentgemäßen Lehre gelangen kann.

Die weitere sich im Verfahren befindliche Druckschrift ist von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffen worden. Sie liegt auch weiter ab und kann daher weder für sich noch in Verbindung mit den weiteren Druckschriften die Patentfähigkeit des Patentgegenstandes in Frage stellen, wie der Senat überprüft hat.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher in seiner beschränkten Fassung bestandsfähig.

Mit diesem sind auch die auf diesen rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 bestandsfähig.

Da im Sinne beider Beteiligter entschieden wurde, erübrigte sich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Dehne Dr. Huber Pagenberg Kuhn Hu






BPatG:
Beschluss v. 02.08.2007
Az: 8 W (pat) 344/04


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