Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2004
Aktenzeichen: 30 W (pat) 65/03
(BPatG: Beschluss v. 21.06.2004, Az.: 30 W (pat) 65/03)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Januar 2002 aufgehoben.
Gründe
I.
Die Bezeichnung ChipVisionsoll für die Waren und Dienstleistungen
"wissenschaftliche, elektronische und Meß-Geräte, Programme für die Datenverarbeitung; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Druckereierzeugnisse, insbes Programmhandbücher; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung durch Beschluß vom 8. Januar 2001 gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, die angemeldete Begriffskombination bedeute "Chipzukunftsbild" und weise nur beschreibend als Inhalts- oder Bestimmungsangabe auf Zukunftsbilder in der Chipentwicklung hin, zumal es sich im Bereich der Chipentwicklung um eine revolutionäre Technik handele, die der Verwirklichung von Visionen nachfolge oder diese übertreffe.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie stützt diese darauf, daß es die Kombination "ChipVision" in der deutschen Sprache nicht gebe und sie auch in der englischen Sprache nicht auffindbar sei. Der Wortneubildung fehle es an der unmittelbaren Beschreibung, da der Begriff auch in der Bedeutung "Chipzukunftsbild" so vage sei, daß sich ein bestimmter Sinngehalt dem angesprochenen Verkehr nicht erschließe. Es bestehe kein Freihaltebedürfnis, die angemeldete Marke sei keine im üblichen Sprachgebrauch der betroffenen Verbraucherkreise für die Bezeichnung der angemeldeten Waren und Dienstleistungen verwendete Wortverbindung.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Der angemeldeten Bezeichnung "ChipVision" stehen keine Eintragungshindernisse im Sinne von § 8 Absatz 2 Nr 2 und Nr 1 MarkeG entgegen.
Nach § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge und der Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Das trifft hier nicht zu.
Das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Absatz 2 Nr 2 MarkenG läßt sich nicht ausreichend sicher feststellen. Die angemeldete Bezeichnung weist eine nicht restlos auszuräumende Mehrdeutigkeit auf, die sie als beschreibende Sachangabe ungeeignet erscheinen läßt.
Neben dem Bestandteil "Chip" - einem in der Technik bzw Computersprache allgemein bekannten Begriff - beinhaltet die angemeldete Marke noch das Substantiv "Vision". Dieses steht für "übernatürliche Erscheinung als religiöse Erfahrung: Inneres Gesicht, Erscheinung vor dem geistigen Auge, Traumbild; optische Halluzination; in jemandes Vorstellung, besonders von der Zukunft entworfenes Bild (Duden, Das große Fremdwörterbuch, 2. Aufl), im Englischen zusätzlich für "Sehkraft, Sehfeld" (Duden, Oxford, Großwörterbuch Englisch, 1990).
Damit läßt sich die zwar sprachüblich gebildete, aber im Wörterbuch nicht nachweisbare Kombination "ChipVision" wörtlich übersetzen mit "Chipansicht, Chipdarstellung" ebenso wie "Chipzukunftsbild".
Auf der vorgenannten Grundlage und auch in der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung im Sinne von "Chipzukunftsbild" bleibt die Bedeutung des Gesamtbegriffs jedoch weitgehend im Unklaren.
So ist bei der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung denkbar die in die Zukunft gerichtete Vorstellung von umfassenden oder bislang unbekanten Einsatzmöglichkeiten von Chips, ebenso wie Neuerungen, etwa in bezug auf Material oder Herstellungsverfahren, Arbeitsgeschwindigkeit oder Energieverbrauch der Chips. Dabei ist aber der Inhalt und die Reichweite dieser in die Zukunft gerichteten Vorstellung stets abhängig vom persönlichen Vorstellungsvermögen des Einzelnen und seiner konkreten Bedarfssituation und damit nicht objektiv faßbar.
Der schon wegen der zahlreichen verschiedenen Bedeutungen des Ausdrucks "Vision" mehrdeutige Begriff "ChipVision" bleibt daher auch in der - von der Markenstelle als im Vordergrund stehend angenommenen - Bedeutung "Zukunftsbild eines Chips" vage und interpretationsbedürftig und kann in bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine unmittelbar und ohne weiteres verständliche, warenbezogene Aussage geben. Der Begriff mag zwar begriffliche und thematische Anklänge enthalten im Sinne der von der Markenstelle angenommenen "revolutionären Chiptechnik", die der Verwirklichung von Visionen nachfolgt oder diese übertrifft, vermag aber keinen unmittelbaren beschreibenden Bezug herzustellen. Die Annahme der Markenstelle, die angemeldete Bezeichnung gebe nur an, daß die Waren und Dienstleistungen revolutinäre Chips der Zukunft bereits jetzt nutzen oder damit arbeiten bzw zum Gegenstand hätten, würde von der gebotenen unmittelbaren Begriffsbestimmung wegführen und den angemeldeten Begriff durch einen gedanklichen Zwischenschritt einer unzulässigen analysierenden Auslegung zuführen.
Ebensowenig kann das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Absatz 2 Nr 1 MarkenG festgestellt werden.
Dr. Buchetmann Schramm Hartlieb Hu
BPatG:
Beschluss v. 21.06.2004
Az: 30 W (pat) 65/03
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