Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. November 2002
Aktenzeichen: 11 W (pat) 32/01

(BPatG: Beschluss v. 11.11.2002, Az.: 11 W (pat) 32/01)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B25J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 03. April 2001 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 199 56 176.1-15 ist mit der Bezeichnung "Greif- oder Betätigungsarm" am 22. November 1999 beim Deutschen Patentamt eingegangen. Die Prüfungsstelle für Klasse B25J des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Beschluss vom 03. April 2001 gemäß Patentgesetz § 48 mit Hinweis auf den Prüfungsbescheid vom 20. Juni 2000 zurückgewiesen aus den dort dargelegten Gründen mangelnder Patentfähigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der DE 40 00 348 A1 und der Ansprüche 2 bis 13 unter Bezugnahme auf die DE 37 31 704 A1 und die DE 196 49 491 A1.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Der geltende, in der mündlichen Verhandlung überreichte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

1. Greif- oder Betätigungsarm mit mindestens zwei Gliedern, die jeweils mittels eines elektromotorischen Antriebs relativ zueinander und/oder zu einer Basis beweglich, insbesondere dreh- und/oder verschwenkbar sind, wobei die Antriebe zur Durchführung definierter Bewegungen der Glieder getrennt steuerbar sind und wobei weiter jeweils eine Sensoranordnung zur Ermittlung der Relativstellung zweier benachbarter Glieder vorgesehen ist, wobei die Antriebe als Antriebseinheiten (14, 15, 16, 17, 18, 19) ausgebildet sind, die jeweils mindestens einen Elektromotor (21, 25), die zur Betätigung des Elektromotors (21, 25) notwendige Motorsteuerung, gegebenenfalls ein Getriebe (20, 24) und die Sensoranordnung (22, 26) aufweisen, und dass die Antriebe sämtlicher Glieder (7, 8, 9, 11, 12, 13) seriell nach Art einer Busanordnung derart hintereinander geschaltet sind, dass die zur Betätigung der Antriebe notwendige Energie und die Steuersignale über die Busanordnung übertragbar sind und die Übertragung der zur Betätigung der Antriebe notwendige (richtig: notwendigen) Energie und der Steuersignale von einem Glied zum jeweils benachbarten Glied berührungslos, insbesondere induktiv, erfolgt.

An diesen Anspruch 1 schließen sich die ebenfalls in der mündlichen Verhandlung überreichten, rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 an. Zum neuen Patentbegehren wurden außerdem elf Blatt Beschreibung übergeben.

Zum neuen Anspruch 1 führt die Anmelderin unter anderem aus, dass die erfinderische Bedeutung gegenüber dem aus der DE 40 00 348 A1 Bekannten in der berührungslosen Energie- und Signalübertragung von jeweils einem zum jeweils benachbarten Glied des beanspruchten Greif- bzw Betätigungsarms liege. Damit würden Montagevorteile, weniger Wartungsaufwand, ein kleinerer, leichterer und kompakterer Aufbau sowie besonders die Möglichkeit höherer Beschleunigungen erreicht. Infolge der steiferen, biegungs- und schwingungsärmeren Ausführung sei eine präzisere Arbeitsweise erzielbar. Die DE 40 00 348 A1 und auch der übrige Stand der Technik lege eine berührungslose Übertragung nicht nahe. Zwar sei es aus anderen Fachgebieten bekannt, Energie und Steuersignale berührungslos zu übertragen, wobei der Einsatz von Induktionsspulen die bekannteste Art sei und es gebe zahllose weitere Möglichkeiten im Stand der Technik, zB auch kapazitive, um Energie und Signale zu übertragen, doch für Greif- und Betätigungsarme habe eine solch berührungslose Übertragung nicht nahegelegen.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B25J des Deutschen Patent- und Markenamts vom 03. April 2001 aufzuheben und das Patent zu erteilen mit den Ansprüchen 1 bis 7 vom 11. November 2002, 11 Seiten Beschreibung vom 11. November 2002 und den Zeichnungen Fig 1 bis 5 vom 23. November 1999:

hilfsweisedie Sache wegen wesentlicher neuer Tatsachen an die Prüfungsstelle zurückzuverweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das geltende Patentbegehren ist zulässig.

Der Anspruch 1 leitet sich in zulässiger Weise aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4 her. Er ist damit zulässig. Auch die Merkmale der rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7 sind ursprungsoffenbart durch die Ansprüche 2 und 9 bis 13.

2. Der gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist gegenüber dem bisher aufgezeigten Stand der Technik neu und durch diesen nicht nahegelegt.

Der Anmeldungsgegenstand betrifft einen Greif- oder Betätigungsarm, wie er in wesentlichen Merkmalen aus der DE 40 00 348 A1 bekannt ist, insbesondere hinsichtlich mehrerer Glieder, die jeweils elektromotorisch zueinander steuerbar beweglich sind, wobei die Antriebe als Antriebseinheiten aus Elektromotor, Motorsteuerung und Sensoranordnung nach Art einer Busanordnung hintereinander geschaltet und hinsichtlich Energie und Steuersignalen versorgt werden.

Die Energie- und Signalversorgung erfolgt dort mittels Leitungen. Demgegenüber wird anmeldungsgemäß eine berührungslose Übertragung zwischen den Gliedern des Arms beansprucht, was durch die DE 40 00 348 A1 nicht nahegelegt ist.

Aus der DE 37 31 704 A1 geht zum Zwecke der Eichung eines Sensors an einer Industrieroboterhand zwar eine optische Messung der Lage eines Eichgegenstandes hervor, dies kann jedoch nicht Vorbild und Anregung für eine berührungslose Signal- und Energieübertragung zwischen Armgliedern eines Greif- oder Betätigungsarms liefern. Dies gilt auch für die noch weiter abliegende DE 196 49 491 A1, aus der eine Drehvorrichtung bekannt ist, bei der ein flexibler Leitungsstrang in Form eines Spiralkörpers zur Übertragung von insbesondere fluidischem Betriebsmedium dient.

Weil somit aus heutiger Sicht eine Patenterteilung nicht gänzlich ausgeschlossen ist, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.

In der Sache selbst konnte jedoch nicht abschließend entschieden werden, weil durch den neuen Patentanspruch 1 eine wesentliche Änderung des Patentbegehrens eingetreten ist, womit insoweit neue Tatsachen eingeführt wurden, die für die Entscheidung wesentlich sind und als solche einer erneuten Sachprüfung bedürfen; vergl Schulte PatG, 5. Auflage, § 79, Abs 3 Nr 3 iVm Rdn 13.

Berührungslose Übertragungen, insbesondere für Signale, aber auch für Energie, beispielsweise induktiv, sind vielfach bekannt, was die Anmelderin ausdrücklich zugesteht. Hierfür liegt derzeit aber kein einschlägiger Stand der Technik vor, insbesondere keine Anwendungen aus den Bereichen, in denen der maßgebliche Durchschnittsfachmann - ein FH-Ingenieur des Maschinenbaus auf dem Gebiet der Roboterarmentwicklung, der für die Armsteuerung einen Steuerungsfachmann zuzieht, der einschlägige Kenntnisse in der Ansteuerung von Antrieben mit Energie und Signalen hat - nach Lösungen für die anmeldungsgemäße Aufgabenstellung, den Verkabelungsaufwand und die Beweglichkeit der Glieder bei geringer Baugröße zu minimieren, sucht.

Die Beurteilung erfinderischer Tätigkeit ist vorliegend aber davon abhängig, ob einschlägiger Stand der Technik die berührungslose Signal- und Energieübertragung für Greif- oder Betätigungsarme nahe legt oder nicht.

Die Berührungslosigkeit der Energie- und Signalübertragung zwischen den Armgliedern als tragendes Merkmal des Anmeldungsgegenstandes war im patentamtlichen Prüfungsverfahren noch nicht ohne weiteres erkennbar. Durch die Aufnahme dieses Merkmals in den neuen Anspruch 1 haben sich wesentliche neue Tatsachen ergeben, die die Fortsetzung der Prüfung einschließlich Recherche erfordern. Hierzu ist die Sache - dem Hilfsantrag der Anmelderin folgend - zur abschließenden Prüfung an die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts zurückzuverweisen.

Dellinger Dr. Henkel Sekretaruk Schmitz Bb






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Az: 11 W (pat) 32/01


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