Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Februar 2009
Aktenzeichen: 25 W (pat) 32/07
(BPatG: Beschluss v. 12.02.2009, Az.: 25 W (pat) 32/07)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des DPMA vom 30. Januar 2007 teilweise aufgehoben, nämlich soweit die Löschung der angegriffenen Marke hinsichtlich der Waren
"Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; Vitamin-Präparate; medizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel; nichtmedizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten; chirurgische und ärztliche Instrumente, medizinische und veterinärmedizinische Messinstrumente und Apparate, nämlich Messinstrumente und Apparate für bioenergetische Messund Diagnosemethoden, soweit in Klasse 10 enthalten; Messinstrumente und Apparate zur Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen, soweit in Klasse 10 enthalten"
angeordnet worden ist. Der Widerspruch aus der Marke 397 15 628 wird insoweit zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 12. Mai 2003 angemeldete Wortmarke RenuVitalisist am 27. Oktober 2003 unter der Nummer 303 24 168 in das Markenregister unter anderem für die Waren
"Pharmazeutische und medizinische Erzeugnisse; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; Vitamin-Präparate; medizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel; nichtmedizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten; chirurgische und ärztliche Instrumente, medizinische und veterinärmedizinische Messinstrumente und Apparate, nämlich Messinstrumente und Apparate für bioenergetische Messund Diagnosemethoden, soweit in Klasse 10 enthalten; Messinstrumente und Apparate zur Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen, soweit in Klasse 10 enthalten"
eingetragen worden.
Dagegen hat die Inhaberin der seit 9. April 1997 für die Waren
"Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten"
eingetragenen Marke 397 15 628 RENU MULTI-PLUS Widerspruch eingelegt.
Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke ist nicht mehr bestritten.
Mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentund Markenamts vom 30. Januar 2007 wurde durch eine Prüferin des höheren Dienstes die teilweise Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 397 15 628 angeordnet, nämlich hinsichtlich der oben aufgeführten Waren.
Es sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen. Auch wenn die Marke eine gewisse Bekanntheit genösse, so reiche dies noch nicht für die Annahme einer gesteigerten Kennzeichnungskraft. Die gegenüberstehenden Marken hielten den erforderlichen Markenabstand nicht ein. Sie stimmten in dem Anfangsbestandteil "RENU" überein. Eine unmittelbar klangliche oder schriftbildliche Verwechslungsgefahr sei zwar aufgrund der weiteren Bestandteile "Vitalis" und "MULTI-PLUS" nicht offensichtlich. Jedoch komme eine Verwechslungsgefahr in Betracht, wenn der übereinstimmende Bestandteil in dem Gesamtzeichen eine die Marke als Ganzes prägende Stellung einnehme. Als prägend könne ein Bestandteil im Allgemeinen dann erachtet werden, wenn der Verkehr den weiteren Markenbestandteilen daneben keinen besonderen Hinweis auf die Betriebsstätte der mit dem Gesamtzeichen versehenen Waren entnehme. Die weiteren Bestandteile der Widerspruchsmarke hätten einen glatt beschreibenden Charakter, weshalb allein der Bestandteil "RENU" die Widerspruchsmarke zu prägen in der Lage sei. In der angegriffenen Marke sei ebenfalls der Bestandteil "RENU" prägend, weil der weitere Bestandteil "Vitalis" als der Abwandlung von "vital" eher kennzeichnungsschwach, wenn nicht gar schutzunfähig sei. Somit müsse eine unmittelbare Verwechslungsgefahr im Bereich der Warenähnlichkeit vorliegend bejaht werden. Die Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten würden zwar nicht innerhalb oder am Körper eingesetzt. Da sie aber gewissen Anforderungen hinsichtlich Hygiene und physiologischem pH-Wert genügen müssten, seien sie mit pharmazeutischen Erzeugnissen gleichzusetzen. Hersteller von Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten wie z. B. Bausch und Lomb stellten neben diesen auch Vitalstoffe, z. B. Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme her und seien an der Entwicklung von (Laser-)geräten beteiligt, so dass diese Waren als im Ähnlichkeitsbereich liegend anzusehen seien.
Hiergegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt und beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Der angefochtene Beschluss nehme in ungerechtfertigter Weise eine zergliedernde Betrachtung der Marken vor und komme bei der Bestimmung des Beitrags der einzelnen Bestandteile zur Kennzeichnungskraft der Zeichen jeweils zu einem falschen Ergebnis. Den einzelnen Bestandteilen "Vitalis" und "MULTI-PLUS" könne für sich genommen keine bestimmte Bedeutung zugeordnet werden. Die optisch separierte Anordnung der Bestandteile von "Renu Multi-Plus" schaffe einen unübersehbaren schriftbildlichen Abstand zu dem einteiligen Ausdruck "Renuvitalis". Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben, weil die Widerspruchsmarke aus drei Wörtern mit einer Vokalfolge "euuiu", die jüngere Marke dagegen aus einem Wort mit der Vokalfolge "euiai" bestehe. Die Grundsätze der Prägetheorie gölten nur bei mehrteiligen, nicht bei einteilig zusammengeschriebenen Markenwörtern. Die angegriffene Marke werde daher nicht durch den Bestandteil "Renu" geprägt. Dem Bestandteil "Renu" komme in beiden Marken keine prägende Stellung zu, da die betreffende Buchstabenfolge häufig als phonetische Wiedergabe des englischen Ausdrucks "Renew" verwendet werde, was im Deutschen als "Erneuern" oder "Wiederherstellen" verstanden werden könne. Die weiteren Bestandteile der Zeichen dürften in der Betrachtung des Gesamteindrucks nicht unterschlagen werden. Die unterschiedliche Buchstabenzahl und Wortzahl erzeuge ein klar unterschiedliches Gesamtklangbild. Eine begriffliche Ähnlichkeit liege ebenfalls nicht vor, da der Bedeutungsgehalt der Marken nicht eindeutig bestimmbar sei. Zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr seien vorliegend zudem geringere Anforderungen zu stellen, da höchstens eine entfernte Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Waren bestehe. Die Widerspruchsmarke beanspruche lediglich Schutz für "Kontaktlinsenaufbewahrungsund Kontaktlinsenreinigungsflüssigkeiten". Daraus könne nicht der Anspruch hergeleitet werden, den Bestandteil "RENU" für den gesamten pharmazeutischen und medizinischen Bereich monopolisieren zu lassen. Die Tatsache, dass Kontaktlinsen für das menschliche Auge bestimmt seien, mache die Aufbewahrungsund Reinigungsmittel für Kontaktlinsen noch nicht zu einem pharmazeutischen oder medizinischen Erzeugnis. Die Waren unterschieden sich signifikant im Verwendungszweck und der Verwendungsweise. Dass beide Waren in Apotheken oder Drogerien angeboten würden, könne eine relevante Ähnlichkeit nicht begründen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Verwechslungsgefahr liege vor. Zu Recht habe die Markenstelle in beiden Marken eine prägende Stellung des Bestandteils "RENU" angenommen. "RENU" überrage die weiteren Bestandteile in der Kennzeichnungskraft überaus deutlich. Außerdem komme der Widerspruchsmarke und dem Bestandteil "RENU" der Widerspruchsmarke infolge umfangreicher Benutzung und infolge hoher Bekanntheit der "RENU-Produkte" eine sehr hohe Kennzeichnungskraft zu. Es werde bestritten, dass "RENU" als phonetische Wiedergabe von "renew" verwendet werde. Hinsichtlich der Waren "pharmazeutische und medizinische Erzeugnisse" bestehe Warenidentität, zumindest aber Warenähnlichkeit im verwechslungsrelevanten Bereich. Hinsichtlich der Waren "Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; Vitamin-Präparate" bestehe ein hoher Ähnlichkeitsgrad. Es gebe Nahrungsergänzungsmittel, die gezielt für Kontaktlinsenträger bestimmt seien. Hinsichtlich der Waren der Klasse 10 sei ebenfalls eine Ähnlichkeit gegeben. Insbesondere gebe es augenspezifische Instrumente wie auch Linsen, die dauerhaft eingepflanzt würden. Hilfsweise sei jedenfalls eine Verwechslungsgefahr durch gedankliches in Verbindung bringen gegeben. "RENU" werde wiederholt als Stammbestandteil verwendet.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 20. November 2008 Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Umfang der im Tenor genannten Waren Erfolg, ist jedoch hinsichtlich der Waren "pharmazeutische und medizinische Erzeugnisse" unbegründet, da insoweit eine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bemisst sich nach dem Grad der Ähnlichkeit der Waren und der Ähnlichkeit der Marken sowie dem Grad der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke.
Die sich gegenüberstehenden Waren "pharmazeutische und medizinische Erzeugnisse" auf Seiten der angegriffenen Marke und "Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten" auf Seiten der Widerspruchsmarke sind ähnlich.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebsoder Erbringungsart, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung, ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich ergänzende Produkte (zur Definition der Ähnlichkeit von Waren/Dienstleistungen vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 44). Insbesondere kommt es darauf an, ob der Verkehr (bei gleicher Kennzeichnung) erwartet, dass die beiderseitigen Waren unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben werden, welches für ihre Qualität verantwortlich ist.
"Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten" weisen einen hinreichend engen Bezug zu "pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen" auf, um bei identischer Kennzeichnung beim Verkehr die Erwartung aufkommen zu lassen, dass die beiderseitigen Waren unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben werden, welches für ihre Qualität verantwortlich ist. So müssen Kontaktlinsen besonders sorgfältig gereinigt und gepflegt werden, um Reizungen und Irritationen des Auges zu vermeiden. Insbesondere dürfen sie nicht mit Krankheitskeimen belastet sein, die eine Entzündung zur Folge haben könnten. Die Waren der Widerspruchsmarke dienen daher u. a. auch der Desinfizierung. Desinfizierende Wirkungen können ebenso "pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen" zukommen und ein wesentliches Merkmal dieser Waren sein. Die Waren können in der Zusammensetzung bzw. der desinfizierenden Wirkung des jeweiligen Produkts eine erhebliche Übereinstimmung aufweisen, so dass eine Ähnlichkeit der Waren gegeben ist, wenn auch die "pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen" einen unmittelbaren Kontakt mit dem Körper haben können, Kontaktlinsenpflegemitteln dagegen nicht unmittelbar am Auge eingesetzt werden.
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist zumindest durchschnittlich. Der Bestandteil "RENU" ist nicht so eng an das englische Wort "renew" (= auffrischen, auswechseln, "to renew sth" = "etwas erneuern") angelehnt, dass der Verkehr darin keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen würde. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass die inländischen Verkehrskreise in "RENU" einen englischen Begriff sehen und das Wort in etwa wie "renew" aussprechen könnten. Bei der vorliegend maßgeblichen deutschen Aussprache von "RENU" wird der Verkehr keinerlei beschreibenden Anklang an eine Sachangabe erkennen. Im Schriftbild erinnert "RENU" erst recht nicht an einen beschreibenden Begriff. Von Hause aus ist der Bestandteil "RENU" der Widerspruchsmarke noch von durchschnittlicher Kennzeichnungskraft, da die Annahme einer Abwandlung einer beschreibenden Angabe für den Verkehr nicht naheliegt. Hinzu kommt, dass die Widersprechende eine umfangreiche Benutzung der Widerspruchsmarke geltend macht. Sie hatte hierzu vor der Markenstelle eine eidesstattliche Versicherung vom 2. Mai 2005 eingereicht und glaubhaft gemacht, dass sie mit Desinfektionslösungen für weiche Kontaktlinsen bei Augenoptikern in Deutschland in den Jahren 2000-2004 einen jährlichen Umsatz von ca. ... Euro für mit "ReNu" (Multi Purpose Solution, Multi-Plus) gekennzeichneten Waren gemacht hat. Der prozentuale Anteil am Gesamtmarkt für Desinfektionslösungen für weiche Kontaktlinsen bei Augenoptikern in Deutschland hat nach dieser eidesstattlichen Versicherung bei "ReNu Multi-Plus" in diesen Jahren bei 8,2 % bis 12,8 % gelegen, und zusätzlich der prozentuale Anteil von "ReNu Multi Purpose Solution" in diesen Jahren bei 8,2 % bis 1,5 %. Wenn auch insoweit eine über den Bereich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft hinausgehende Kennzeichnungsstärke noch nicht hinreichend dargetan ist, zumal insoweit die Vergleichszahlen für die anderen Mitbewerber sowie aktualisierte Angaben fehlen, so kann jedenfalls von mindestens durchschnittlicher Kennzeichnungskraft ausgegangen werden.
Es besteht insoweit auch eine Verwechslungsgefahr, da der den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägende Bestandteil "RENU" in der angegriffenen Marke jedenfalls eine selbständig kennzeichnende Stellung innehat und der Verkehr daher die Marken gedanklich miteinander in Verbindung bringen kann.
Der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke "RENU MULTI-PLUS" wird von dem Bestandteil "RENU" geprägt. Dieser Bestandteil ist -wie bereits ausgeführt -nicht so eng an das englische Wort "renew" (= auffrischen, auswechseln, "to renew sth" = "etwas erneuern") angelehnt, dass der Verkehr darin nicht einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen würde. Der weitere Bestandteil "MULTI-PLUS" ist dagegen als Hinweis auf ein mehrfaches Plus, also darauf, dass die Ware mehrere Vorteile gegenüber anderen aufweist, als werblicher Sachhinweis nicht schutzfähig, so dass der Verkehr in der Widerspruchsmarke in dem zudem an erster Stelle stehenden Bestandteil "RENU" die eigentliche Kennzeichnung sieht.
Bei der angegriffenen Marke kann dahingestellt bleiben, ob der Bestandteil "Renu" den Gesamteindruck prägt, denn jedenfalls hat dieser Bestandteil insoweit eine selbständig kennzeichnende Stellung. Die Binnengroßschreibung gliedert die zusammengeschriebene Bezeichnung in zwei Teile, nämlich "Renu" und "Vitalis". Durch die Anlehnung des Bestandteils "Vitalis" an die beschreibenden Begriffe "vital" und "vitalisierend" liegt es nahe, dass der Verkehr die Binnengroßschreibung nicht als graphische Besonderheit eines einheitlichen Wortes "Renuvitalis" ansieht, sondern eine deutliche Zäsur zwischen "Renu" und "Vitalis" macht, so dass er die angegriffene Marke als Kombination einer Hauptkennzeichnung "Renu" mit einer Spezialkennzeichnung bzw. beschreibendem Zusatz "Vitalis" (lat. = Leben gebend) versteht und deshalb die angegriffene Marke, soweit sie für "pharmazeutische und medizinische Erzeugnisse" eingesetzt wird, mit der Widerspruchsmarke gedanklich in Verbindung bringt. Anders als in der Entscheidung des EuGH "THOMSON LIFE" (GRUR 2005,1042) enthält im vorliegenden Fall die angegriffene Marke zwar nicht die vollständige Widerspruchsmarke als selbstständig kennzeichnendes Element, sondern lediglich denjenigen Bestandteil, der den Gesamteindruck der Widerspruchsmarke prägt ("RENU"). Doch auch in einem solchen Fall besteht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, da der Bestandteil "RENU" in der Widerspruchsmarke den eigentlich kennzeichnenden Bestandteil darstellt, den die Inhaberin der angegriffenen Marke usurpiert hat. Die Beschwerdeführerin hat damit den vom Verkehr als eigentliche Kennzeichnung verstandenen Bestandteil "RENU" der Widerspruchsmarke in ihre eigene Marke als selbständig kennzeichnendes Element übernommen, so dass die Gefahr besteht, dass der Verkehr die angegriffene Marke gedanklich mit der Widerspruchsmarke in Verbindung bringt. Nach der Malteserkreuz-Entscheidung des BGH (GRUR 2006, 859) kann auch dann eine Verwechslungsgefahr bestehen, wenn der aus der Widerspruchsmarke übernommene Bestandteil, der in der jüngeren Marke eine selbständige Stellung behalten hat, mit der Widerspruchsmarke nicht identisch ist, sondern nur verwechselbar.
2. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat dagegen Erfolg, soweit die Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke hinsichtlich der Waren "Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; Vitamin-Präparate; medizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel; nichtmedizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten; chirurgische und ärztliche Instrumente, medizinische und veterinärmedizinische Messinstrumente und Apparate, nämlich Messinstrumente und Apparate für bioenergetische Messund Diagnosemethoden, soweit in Klasse 10 enthalten; Messinstrumente und Apparate zur Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen, soweit in Klasse 10 enthalten" angeordnet hat. Insoweit ist der Widerspruch aus der Marke 397 15 628 zurückzuweisen.
Diese Waren sind den Waren der Widerspruchsmarke nicht ähnlich.
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit sind auch hinsichtlich dieser Waren alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den sich gegenüberstehenden Waren kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebsoder Erbringungsart, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung, ihre wirtschaftliche Bedeutung und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich ergänzende Produkte (zur Definition der Ähnlichkeit von Waren/Dienstleistungen vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 44). Insbesondere kommt es darauf an, ob der Verkehr (bei gleicher Kennzeichnung) erwartet, dass die Waren unter der Kontrolle desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben werden, welches für ihre Qualität verantwortlich ist.
Die Waren "Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Nahrungsergänzungsmittel für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; Vitamin-Präparate; medizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel; nichtmedizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten" unterscheiden sich von "Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten" sowohl in der stofflichen Zusammensetzung als auch in der Art der Anwendung und im Bestimmungszweck. Während diese Waren der angegriffenen Marke Ernährungszwecken im weitesten Sinne dienen, stellen "Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten" besondere Reinigungsmittel dar, die der Pflege von Kontaktlinsen dienen. Eine Ähnlichkeit der Waren wird entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht dadurch begründet, dass Kontaktlinsenträger häufig Beeinträchtigungen wie z. B. trockene Augen haben. Auch wenn solche Beeinträchtigungen mit Nahrungsergänzungsmitteln gemildert werden können, wird der Verkehr deshalb nicht annehmen, dass "Nahrungsergänzungsmittel" oder "Vitamin-Präparate" und "Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten" bei gleicher Kennzeichnung unter der Verantwortung ein und desselben Unternehmens hergestellt werden. Der einzige Berührungspunkt dieser Waren, dass sie von Kontaktlinsenträgern benötigt werden können, genügt nicht, um beim Verkehr die Vorstellung einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft oder die Vorstellung, dass die Waren unter der Kontrolle ein und desselben Betriebs hergestellt werden, aufkommen zu lassen. Erst recht gilt dies hinsichtlich der Waren "diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für nichtmedizinische Zwecke, soweit in Klasse 5 enthalten; medizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel; nichtmedizinische Schlankheitsund Abmagerungsmittel, soweit in Klasse 5 enthalten". Eine Ähnlichkeit kann auch nicht dadurch begründet werden, wenn lediglich große Hersteller von "Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten" auch Vitalstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und Enzyme herstellen, denn die konkrete Produktpalette großer Unternehmen oder Konzerne sind kein Maßstab für die Vorstellung des Verkehrs über die regelmäßige Herkunft der Waren aus dem gleichen Betrieb.
Auch hinsichtlich der Waren "chirurgische und ärztliche Instrumente, medizinische und veterinärmedizinische Messinstrumente und Apparate, nämlich Messinstrumente und Apparate für bioenergetische Messund Diagnosemethoden, soweit in Klasse 10 enthalten; Messinstrumente und Apparate zur Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen, soweit in Klasse 10 enthalten" besteht keine Ähnlichkeit zu "Kontaktlinsenaufbewahrungsund -reinigungsflüssigkeiten". Zwar gibt es spezielle Geräte und Apparate, die der Behandlung von Augenkrankheiten dienen, jedoch hat der Verkehr keinen Anlass, trotz der stofflichen Verschiedenheit und des unterschiedlichen Verwendungszwecks allein aus dem Umstand, dass die Waren im weitesten Sinne der Verbesserung der Sehkraft dienen können, anzunehmen, die Waren stünden unter der Kontrolle desselben Unternehmens.
Mangels Warenähnlichkeit hat die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke daher insoweit Erfolg.
3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
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BPatG:
Beschluss v. 12.02.2009
Az: 25 W (pat) 32/07
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