Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. August 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 105/04
(BPatG: Beschluss v. 03.08.2006, Az.: 25 W (pat) 105/04)
Tenor
1) Auf die Beschwerde der Inhaber der angegriffenen Marke werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 vom 20. März 2002 und vom 19. Mai 2004 aufgehoben, soweit die Löschung der Marke 39950027 angeordnet worden ist.
2) Der Widerspruch aus der Marke 39965656 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die am 18. August 1999 angemeldete Marke 399 50 027 e.Senceist am 4. Juli 2000 für die Dienstleistungen
"Bereitstellen von Informationen im Internet; Dienstleistungen eines Online-Anbieters, nämlich Sammeln, Bereitstellen und Übermitteln von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern; Produktion und Zusammenstellung von Fernsehprogrammen; Schnitt von bereits gedrehten Clips oder Kurzfilmen für Dritte; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Aktualisierung und Pflege von Computer-Software; Computer-Beratungsdienste; technische Beratung; Vermietung der Zugriffszeit zu Datenbanken"
in das Markenregister eingetragen worden. Die Eintragung wurde am 3. August 2000 veröffentlicht.
Die Inhaberin der am 28. Juli 1999 angemeldeten und am 23. Februar 2000 für die Dienstleistungen
"CD-ROM Produktionen; Herausgabe und Veröffentlichung von Daten (auch über das Internet); Internet Produktionen, nämlich Bereitstellen und Liefern von Daten; Konzeption, Gestaltung und Bereitstellung von Web-Sides und Homepages"
eingetragenen Marke 399 65 656 e.sense.ehat dagegen Widerspruch erhoben.
Im Beschwerdeverfahren ist die Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestritten worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 20. März 2002 und vom 19. Mai 2004, wovon letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs gelöscht.
Da Benutzungsfragen keine Rolle spielten, sei von der Registerlage auszugehen. Es müsse deshalb von Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinn ausgegangen werden. Der Abstand der streitbefangenen Dienstleistungen könne nicht als besonders hoch eingestuft werden, da sich beide Streitparteien auf dem Multimediasektor bewegten. Ausgehend von durchschnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarke sei von einem mittleren Prüfungsmaßstab auszugehen. Die Zeichen stimmten in der Buchstabenfolge "e.sens(c)e" klanglich identisch überein. Klanglich unterschieden sich die Wörter nur durch das an die Widerspruchsmarke zusätzlich angehängte, vom vorausgehenden Wortkörper durch einen Punkt getrennte "e". Dieser Zusatz übe auf das Gesamtklangbild wegen seiner Stellung am Zeichenende nur einen geringen Einfluss aus, so dass die Gefahr markenrechtlicher Verwechslungen klanglicher Art hierdurch nicht ausgeschlossen werden könne. Die Erinnerungsprüferin wies ergänzend darauf hin, dass die phonetische Wiedergabe auch auf dem Internetsektor eine nicht unerhebliche Rolle spiele. Es bestehe außerdem die Gefahr schriftbildlicher Verwechslungen, da es auf dem Internetsektor nicht auf Klein- und Großschreibung ankomme. In jedem Fall stünden sich die Vergleichsmarken so nahe, dass Verwechslungen auch bei einander ferner stehender Dienstleistungen nicht auszuschließen seien.
Die Inhaber der angegriffenen Marke haben dagegen Beschwerde eingelegt und beantragen (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des DPMA vom 20. März 2002 und vom 19. Mai 2004 aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.
Die Marken unterschieden sich sowohl auf der schriftbildlichen als auch der phonetischen Ebene. Beide Marken enthielten unterschiedliche schriftbildliche Gestaltungskonzepte, wobei die Beschwerdeführerin durch die Integrierung des Großbuchstabens "S" in das Wort eine unterscheidungskräftige Verfremdung vornehme. Darüber hinaus unterscheide sich der Wortbestandteil "sence" von "sense". Die Marke der Beschwerdegegnerin werde dadurch geprägt, dass der im allgemeinen Sprachgebrauch verwendete Begriff "sense" durch die beiden Punkte und die beiden Buchstaben "e" quasi eingeklammert werde. Der Umstand, dass fast 50 % des Wortbestandes der beiden zu vergleichenden Zeichen voneinander abwichen, sei für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von erheblicher Bedeutung. Bei der schriftbildlichen Ähnlichkeit sei nicht nur die Buchstabenfolge, sondern auch die Buchstabengestaltung zu berücksichtigen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass bei Bezeichnungen, die über eine geringe Unterscheidungskraft verfügten, auch einfachere Unterschiede in der schriftbildlichen Gestaltung für einen hinreichenden Abstand sorgten. Es liege eine originäre Kennzeichnungsschwäche der Bezeichnung "e.sense.e" vor. Diese ergebe sich aus der Nähe zu dem Begriff "sense" (englische Bezeichnung für "Sinn") und aus der Existenz benutzter Drittzeichen. Auf der Ebene der phonetischen Ähnlichkeit sei darauf hinzuweisen, dass die Marke der Beschwerdegegnerin einen Doppelvokal enthalte, welcher phonetisch zu einer besonderen Betonung der Endsilben führe. Es seien nur die nahe liegenden Aussprachevarianten zu berücksichtigen. Es bestehe auch keine Dienstleistungsähnlichkeit. Die Vielzahl abstrakt denkbarer Einsatzmöglichkeiten des Internets führe nicht automatisch zu einer fortlaufenden Erweiterung des Schutzbereichs von Anmeldungen betreffend internetbezogener Dienstleistungen. Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Verwendet werde nicht die Widerspruchsmarke, sondern die Bezeichnungen "e.sens.e" bzw. "e.sens.e medien & konzepte". Es handelt sich dabei nicht um eine rechtserhaltende Benutzung der eingetragenen Marke, da durch die abgewandelte Form der kennzeichnende Charakter geändert werde. Außerdem fehlten Unterlagen zum Umfang der Benutzung.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das Unternehmen der Beschwerdeführerin sei nicht so bekannt, dass jedermann wisse, dass man dieses Unternehmen mit einem großen "S" und mit "c" schreibe. Für einige Kunden werde erst die Anschrift die richtige Unterscheidung ermöglichen, nicht aber die unterschiedliche Schreibweise der Bestandteile "Sence" und "sense". Der Bestandteil "sense" sei nur mit dem vorangehenden Buchstaben "e" geschützt, wobei die Bezeichnung "e.sense.e" keinen Sinngehalt aufweise. Noch weniger könne ein phonetischer Unterschied festgestellt werden. Hinsichtlich der Dienstleistungsähnlichkeit stelle die Beschwerdeführerin lediglich auf ihre Fernsehproduktionen ab, lasse aber völlig unberücksichtigt, dass sie im Übrigen dieselben Tätigkeiten ausführe. Hinsichtlich der Frage der Benutzung der Widerspruchsmarke macht die Widersprechende geltend, dass sie in den vergangenen Jahren mit der Marke "e.sens.e" auf dem Markt aktiv gewesen sei. Für sie sei auch die Marke 30035803 "e.sens.e medien & konzepte" eingetragen. Außerdem weist die Beschwerdegegnerin auf ihre Domain und Webseite hin, welche "esense.de" laute. Die Bezeichnung "esense" sei eine rechtserhaltende Benutzungsform der Widerspruchsmarke "e.sense.e".
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten, einschließlich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 3. August 2006 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaber der angegriffenen Marke hat in der Sache Erfolg, da die Widersprechende eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht hat.
Im Beschwerdeverfahren haben die Inhaber der angegriffenen Marke mit Schriftsatz vom 2. Juni 2006 die nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG zulässige Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben. Die Widersprechende hätte deshalb glaubhaft machen müssen, dass sie ihre Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Beschwerdeentscheidung benutzt hat, wobei zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr für sie nur die eingetragenen Waren/Dienstleistungen berücksichtigt werden könnten, für die eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht wurde (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).
Da die Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht wurde, kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen ähnlich und die Zeichen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG verwechselbar sind.
Für eine Benutzung der Widerspruchsmarke, so wie sie eingetragen ist, wurden keinerlei Unterlagen eingereicht.
Entgegen der Ansicht der Widersprechenden handelt es sich bei der Verwendung der Bezeichnung "e.sens.e" bzw. "e.sens.e medien & konzepte" nicht um eine Benutzung der eingetragenen Widerspruchsmarke "e.sense.e". Nach § 26 Abs. 3 MarkenG gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke auch die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit der eingetragenen Marke gleichsetzt, d. h. in der benutzten Form noch dieselbe Marke sieht (vgl. BGH, GRUR 2003, 1047 - Kellog's/Kelly's).
Entgegen der Auffassung der Widersprechenden verändert sich bei der Bezeichnung "e.sens.e" bzw. "e.sens.e medien & konzepte" der kennzeichnende Charakter. Abgesehen davon, dass der Bestandteil "sense" der Widerspruchsmarke einen eigenständigen Sinngehalt hat (das englische Wort für "Sinn" oder das deutsche Wort "Sense") und dadurch der Unterschied zwischen "sens" und "sense" durch den Begriffsgehalt von "sense" dazu führt, dass der Verkehr die Wörter nicht gleichsetzt, kommt hinzu, dass die Widerspruchsmarke am Wortende zwei Buchstaben "e" enthält, die graphisch durch einen Punkt getrennt sind, so dass der Verkehr, der die Unterschiede zwischen der eingetragenen Form und der benutzten Form wahrnimmt, ohne weiteres erkennt, dass es unterschiedliche Wörter sind, und daher die benutzte und die eingetragene Form nicht gleichsetzt.
Unerheblich ist vorliegend, dass die Widersprechende auch die Marke 30035803 "e.sens.e medien & konzepte" eingetragen hat. Nach § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG schließt zwar die Eintragung der benutzten Form nicht aus, dass deren Benutzung auch eine rechtserhaltende Benutzung einer anderen Marke sein kann. Voraussetzung ist aber auch dann, dass durch die Abweichung der kennzeichnende Charakter nicht verändert ist. Dies ist hier jedoch der Fall.
Darüber hinaus hat die Widersprechende auch keine Unterlagen eingereicht, aus denen sich der Umfang der Benutzung des Zeichens "e.sens.e" bzw. "e.sens.e medien & konzepte" für die eingetragenen Dienstleistungen entnehmen ließe.
Die Beschwerde der Inhaber der angegriffenen Marke hat daher Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG, sondern es bleibt bei der Regelung, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt (MarkenG § 71 Abs. 1 Satz 2).
Maßgebliche Rechtsgrundlage für die Kostenentscheidung hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ist MarkenG § 71 Abs. 1 Satz 1, wonach das Bundespatentgericht die Kosten des Verfahrens einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegen kann, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das Gesetz geht, was auch durch MarkenG § 71 Abs. 1 Satz 2 deutlich wird, im Grundsatz davon aus, dass im markenrechtlichen Verfahren, einschließlich des Beschwerdeverfahrens, jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt und dass es für eine Abweichung hiervon stets besonderer Umstände bedarf (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 71 Rdn. 11; vgl. zum - inhaltlich übereinstimmenden - früheren Recht BGH BlPMZ 1973, 23 "Lewapur"). Solche Umstände sind insbesondere dann gegeben, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Derartige besondere Umstände liegen hier jedoch nicht vor. Dem Kostenantrag der Widersprechenden konnte somit nicht entsprochen werden.
BPatG:
Beschluss v. 03.08.2006
Az: 25 W (pat) 105/04
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