Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2009
Aktenzeichen: 26 W (pat) 81/08
(BPatG: Beschluss v. 15.10.2009, Az.: 26 W (pat) 81/08)
Tenor
Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamts vom 21. Mai 2007 und vom 18. Juli 2008 aufgehoben und der Widerspruch zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die für die Waren
"Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere), insbesondere Spirituosen"
eingetragene Wort-/Bildmarke 303 45 565.9 ist Widerspruch eingelegt worden aus der für die Waren
"Spirituosen, insbesondere einen Branntwein aus Getreide"
registrierten prioritätsälteren Wortmarke 886 221 Meckstädter.
Die Markenstelle für Klasse 33 des Deutschen Patentund Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Löschung der jüngeren Marke angeordnet.
Nach Auffassung des Deutschen Patentund Markenamts besteht jedenfalls in klanglicher Hinsicht Verwechslungsgefahr zwischen den verfahrensgegenständlichen Marken. Den angesichts bestehender Identität der sich gegenüberstehenden Waren bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu wahrenden deutlichen Zeichenabstand halte die angegriffene Marke nicht ein. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde durch deren Wortbestandteil "Mackenstedter" geprägt. Demgegenüber trete die Gattungsbezeichnung "Norddeutscher Vodka" zurück. Somit stünden sich beim Zeichenvergleich "Mackenstedter" und "Meckstädter" gegenüber. Hiernach enthielten die Vergleichsmarken in klanglicher Hinsicht ausgeprägte Übereinstimmungen in ihrem Aufbau sowie in der Reihung von Vokalen und Konsonanten. Die Abweichungen seien demgegenüber gering und führten nicht zum Ausschluss einer klanglichen Verwechslungsgefahr. So seien die Unterschiede zwischen dem "ä" und dem "e" am Ende der Wortkombinationen ("st (e) (ä) dter") nicht hörbar. Die Vokale "e" und "a" am Wortanfang der Vergleichszeichen seien phonetisch ähnlich und würden aufgrund des nachfolgenden scharf anklingenden Sprenglauts "ck" insbesondere bei ungünstigen Übermittlungsbedingungen, wie sie Bestellungen in Gaststätten oft zugrunde lägen, nicht wahrgenommen. Ein hörbarer Unterschied ergebe sich letztlich nur aus der zusätzlichen Silbe in der Wortmitte des Markenbestandteils "Mackenstedter" der angegriffenen Marke. Da die Buchstaben "en" allerdings nicht betont würden und zudem an unauffälliger Stelle in der Wortmitte des mehrsilbigen Wortes "Mackenstedter" platziert seien, lieferten sie für sich genommen dem Verkehr keinen ausreichenden Hinweis, die Vergleichszeichen mit hinreichender Sicherheit voneinander abzugrenzen.
Hiergegen richtet sich die Markeninhaberin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Ansicht nach ist die Widerspruchsmarke in der Vergangenheit nicht rechtserhaltend benutzt worden. Die auf den "Meckstädter"-Flaschenetiketten angebrachten diversen Bildund Wortelemente enthielten solch erhebliche Abweichungen von der Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form, dass sie deren kennzeichnenden Charakter veränderten. Die Widersprechende habe zudem nicht glaubhaft gemacht, dass die Nutzung der Widerspruchsmarke durch die Hersteller bzw. Lieferanten der mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Waren mit ihrer vorherigen Einwilligung erfolgt sei.
Es bestehe auch keine Verwechslungsgefahr. Der Bestandteil "Mackenstedter" präge die angegriffene Marke nicht. Da die Markeninhaberin über eine Reihe von Marken unter Einbeziehung des Unternehmensbestandteils "Mackenstedter" verfüge, sei der Verbraucher an weitere produktidentifizierende Bezeichnungsmerkmale zur Kennzeichnung von "Mackenstedter"-Produkten gewöhnt. Dem Zusatz "Norddeutscher Vodka" messe der Verkehr zudem -insbesondere beim "Kauf auf Sicht" und bei mündlichen Bestellungen -eine eigene kennzeichnende Wirkung bei. Dementsprechend sei beim Zeichenvergleich die angegriffene Marke "Mackenstedter Norddeutscher Vodka" in ihrer Gesamtheit der Widerspruchsmarke "Meckstädter" gegenüberzustellen, so dass eine unmittelbare Verwechslungsgefahr sowohl in klanglicher als auch in visueller Hinsicht von vorneherein ausscheide. Ungeachtet dessen sei aufgrund der bestehenden Unterschiede in Silbenfolge, Silbenanzahl, Sprechrhythmus und Gesamtlänge auch keine klangliche Ähnlichkeit zwischen der Widerspruchsmarke "Meckstädter" und dem Bestandteil der angegriffenen Marke "Mackenstedter" gegeben. Da erfahrungsgemäß Wortanfänge stärker beachtet würden als die übrigen Wortbestandteile, fielen die Unterschiede in den Anfangssilben "Macken-" bzw. "Meck-" deutlich stärker ins Gewicht als die Gemeinsamkeiten in den Endsilben "-stedter" bzw. "-städter". Auch bestehe zwischen dem halb geschlossenen Vokal "e" in "Meck" und dem offenen Vokal "a" in "Mack" ein deutlich hörbarer Unterschied, der sich auf den klanglichen Gesamteindruck in prägnanter Weise auswirke. Schließlich bewirke die Silbe "en" in "Mackenstedter", die in "Meckstädter" keine Entsprechung finde, dass durch das Einfügen eines weiteren Vokals in Verbindung mit einem weich ausgesprochenen Konsonanten die Aussprache des Wortes "Mackenstedter" insgesamt flüssiger und harmonischer klinge als das Vergleichswort "Meckstädter", in dem auf den scharf gesprochenen Sprenglaut "ck" mit "-städt" unmittelbar eine weitere hart gesprochene Silbe folge. Zudem führe die Verwendung des Zischlautes "st" im unmittelbaren Anschluss an den Sprenglaut "ck" zu einer deutlich wahrnehmbaren Sprechpause und damit zu einem im Vergleich zur angegriffenen Marke völlig unterschiedlichen Klangbild.
Die Markeninhaberin beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle vom 21. Mai 2007 und vom 18. Juli 2008 aufzuheben.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffenen Beschlüsse der Markenstelle. Ihrer Ansicht nach sind die Ausführungen der Markeninhaberin nicht geeignet, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke in Frage zu stellen. Die Produktangaben und grafischen Elemente auf dem "Meckstädter"-Etikett führten nicht zur Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke. Der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung des Herrn B... vom 28. November 2008 sei ferner zu entnehmen, dass der Vertrieb der mit der Widerspruchsmarke gekennzeichneten Waren mit vorheriger Einwilligung der Widersprechenden durch die Vertriebsgesellschaften der Unternehmensgruppe A... erfolge. Die Feststellungen der Markenstelle zur klanglichen Verwechslungsgefahr seien nicht zu beanstanden. Es bestehe eine signifikante Ähnlichkeit der Vergleichszeichen in phonetischer Hinsicht.
Zum weiteren Vorbringen wird auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II Die Beschwerde der Markeninhaberin ist begründet, da zwischen den Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht. Dies führt zur Aufhebung der angegriffenen Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts und zur Zurückweisung des Widerspruchs.
Die Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Warenund Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2005, 513, 514 -MEY/Ella May; GRUR 2007, 235, 237 -Goldhase).
Die Waren "Spirituosen" der Widerspruchsmarke fallen unter den Oberbegriff "Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)" der angegriffenen Marke, so dass von einer Identität der Vergleichswaren auszugehen ist.
Für die Widerspruchsmarke die eine geografische Angabe enthält, kann allenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft unterstellt werden. Anhaltspunkte für eine Erweiterung des Schutzbereichs der Widerspruchsmarke aufgrund gesteigerter Kennzeichnungskraft hat die Widersprechende nicht dargetan; solche sind auch nicht ersichtlich. Den bei dieser Sachlage in Ansehung der eingangs zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung an den Ausschluss einer Verwechslungsgefahr zu fordernden deutlichen Zeichenabstand hält die angegriffene Marke entgegen der Auffassung der Markenstelle allerdings ein.
Abgesehen davon, dass die für sich genommen -da glatt beschreibend -schutzunfähigen Wortbestandteile "Norddeutscher Vodka" der angegriffenen Wort-/Bildmarke der Markeninhaberin als den Gesamteindruck der Marke mitbestimmend in die Kollisionsprüfung mit einzubeziehen und nicht ohne Weiteres zu vernachlässigen sind (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl. 2009, § 9 Rn. 141 m. w. N.), unterscheiden sich die Vergleichszeichen auch ohne Berücksichtigung des Bestandteils "Norddeutscher Vodka" der jüngeren Marke in klanglicher Hinsicht in beachtlicher Weise. Zum einen enthält "Meckstädter" am Wortanfang einen hell klingenden Vordergaumenvokal ("e"), wohingegen der Wortbestandteil "Mackenstedter" der angegriffenen Marke an zweiter Stelle den tiefer klingenden, im Vergleich zum "e" dunkleren Hintergaumenvokal "a" aufweist (vgl. Ströbele/ Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 192). Da es sich bei den Markenbestandteilen "-städter" bzw. "-stedter" jeweils am Wortende um häufig verwendete, dem Verkehr gemeinhin bekannte beschreibende Herkunftsangaben handelt, die verbraucht sind und klanglich am Ende nicht markant in Erscheinung treten, wird der Verbraucher noch stärker als sonst dem Wortanfang größere Beachtung schenken (vgl. Ströbele/ Hacker a. a. O. § 9 Rn. 194 m. w. N.). Die angegriffene Marke setzt sich zudem aus vier Silben zusammen, während die Widerspruchsmarke nur drei Silben enthält; die in der angegriffenen Marke aufscheinenden Buchstaben "en" finden in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung. Zwar sind grundsätzlich wenig auffällige Abweichungen im Wortinneren -zumal bei längeren Markenwörtern -für sich genommen nicht geeignet, Markenverwechslungen zu verhindern (vgl. BGH GRUR 2004, 783, 785 -NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX; BGH GRUR 2003, 1047, 1049 -Kellog`s/Kelly`s). Eine andere Beurteilung ist allerdings angezeigt, wenn die bestehenden Unterschiede in der Vokalfolge, der Einfügung eines weiteren Selbstlauts und eines zusätzlichen Konsonanten sowie der Anzahl der Silben in ihrem klanglichen Gesamteindruck vom Verkehr als kollisionsausschließend wahrgenommen werden. Dies ist im Streitfall aus den vorstehenden Gründen zu bejahen, zumal durch die Einfügung der Buchstaben "en" in der Wortmitte dem Markenbestandteil "Mackenstedter" insgesamt ein weiches und harmonisches Klangbild vermittelt wird, wohingegen "Meckstädter" kurz und vergleichsweise scharf ausgesprochen wird, (da dem Sprenglaut "ck" die hart gesprochene Silbe "-städter" folgt). Das hieraus resultierende unterschiedliche Klanggefüge der sich gegenüberstehenden Zeichen bleibt dem Verkehr nicht verborgen und führt -vor allem in Verbindung mit den erkennbar unterschiedlichen Selbstlauten am Wortanfang -zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht.
Es besteht auch keine Verwechslungsgefahr in visueller Hinsicht. Unabhängig von den bestehenden Unterschieden des Wortbestandteils der angegriffenen Marke "Mackenstedter" im Verhältnis zur Widerspruchsmarke "Meckstädter" führt auch das Bildelement der angegriffenen Marke zum Ausschluss einer Kollisionsgefahr.
Anders als bei der klanglichen Verwechslungsgefahr kann das Vorhandensein einer schriftbildlichen Verwechslungsgefahr grundsätzlich nicht auf den Erfahrungssatz gestützt werden, dass der Verkehr beim Zusammentreffen von Wortund Bildbestandteilen dem Wort eine prägende Bedeutung beimesse, weil nicht davon auszugehen ist, dass sich der Verkehr bei der rein visuellen Wahrnehmung einer Wort-/Bildmarke ausschließlich an dem Wortbestandteil orientiert, ohne den Bildbestandteil in sein Erinnerungsbild aufzunehmen (vgl. BGH GRUR 2008, 903, 904 -SIERRA ANTIGUO; BGH GRUR 2006, 859, 862 -Malteserkreuz; BGH GRUR 2005, 419, 423 -Räucherkate). Anderes gilt lediglich, wenn es sich bei den Bildbestandteilen um völlig bedeutungslose Zutaten bzw. Verzierungen handelt (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 9 Rn. 335 m. w. N.). Dies ist hier nicht der Fall. Der Verkehr wird insbesondere der stilisierten Abbildung eines Pferdekopfes in Wappenform sowie der von links unten nach rechts oben gehaltenen Buchstabenanordnung des Wortbestandteils "Mackenstedter" (teils in altdeutscher Schrift gehalten) durchaus Aufmerksamkeit schenken.
Anhaltspunkte für eine begriffliche Verwechslungsgefahr hat die Widersprechende nicht dargetan und sind auch nicht ersichtlich.
Die zwischen den Parteien strittige Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verwiesen. Gründe, hiervon abzuweichen, bestehen im Streitfall nicht.
Dr. Fuchs-Wissemann Richter Reker hat Urlaub Lehnerund kann daher nicht unterschreiben.
Dr. Fuchs-Wissemann Ko
BPatG:
Beschluss v. 15.10.2009
Az: 26 W (pat) 81/08
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