Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. November 2009
Aktenzeichen: 27 W (pat) 92/09
(BPatG: Beschluss v. 02.11.2009, Az.: 27 W (pat) 92/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Widersprechende hat gegen die Eintragung der am 5. August 2005 angemeldeten, für Taschen, soweit in Klasse 18 enthalten; T-Shirt, Pullover, Hosen, Jacken, Hemden, Damenkleider, Röcke, Schals, Handschuhe (Bekleidung), Schuhe (Halbschuhe), Mäntel, Gürtelgeschützten Marke Nr. 305 46 038 Widerspruch eingelegt aus ihrer am 28. Februar 2005 angemeldeten und seit 30. November 2005 für Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungeneingetragenen Gemeinschafts-Bildmarke 2 596 609 Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Erstbeschluss vom 11. Dezember 2006 und Erinnerungsbeschluss vom 10. September 2008 den Widerspruch mangels hinreichender Zeichenähnlichkeit zurückgewiesen. Durch die unterschiedliche grafische Ausgestaltung, besonders aber durch die unterschiedlichen Wortbestandteile unterschieden sich beide Marken so weit, dass trotz der teilweisen Warenidentität angesichts der geringen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als Zahl, die sich in der Größenordnung von Konfektionsgrößen bewege, eine Verwechslungsgefahr nicht zu befürchten sei. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe nicht, weil der übereinstimmende Bestandteil "SEVENTY" zum einen in der jüngeren Marke sich als Teil eines durch den Zahlbegriff 77 geprägten Gesamtbegriffs darstelle und zum anderen schon wegen der Eignung als Größenangabe nicht als Stammbestandteil einer möglichen Markenserie in Betracht komme.
Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält ihre Marke für durchschnittlich kennzeichnungskräftig. Die Marken seien auch hinreichend ähnlich, da der Wortbestandteil der Widerspruchsmarke in der jüngeren Marke vollständig, und zwar am besonders beachteten Wortanfang, enthalten sei und "Seven" verdoppelt auftrete.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 11. Dezember 2006 und vom 10. September 2008 aufzuheben und die Löschung der Marke 305 46 038 anzuordnen.
Die Markeninhaberin schließt sich im Wesentlichen der Argumentation der Markenstelle an und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Diese Komponenten stehen miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH, MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] -Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 -Lions).
Bei den vorliegenden Marken ist der Grad der Markenähnlichkeit zu gering, um trotz hochgradiger Warenähnlichkeit selbst bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Für die Annahme verminderter Kennzeichnungskraft bestehen allerdings Anhaltspunkte, weil die Widerspruchsmarke einen warenbeschreibenden Sinngehalt, Größenangabe im Modebereich, aufweist. Selbst bei einer maximal zugrunde zu legenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist hier aber eine Verwechslungsgefahr zu verneinen, weil der Grad an Zeichenähnlichkeit zu gering ist. In ihrem Gesamteindruck, von dem die Beurteilung der Markenähnlichkeit vorrangig abhängt (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390, Tz. 23 -Sabèl/Puma; BGH GRUR 2000, 233 f. -Rausch/Elfi Rauch), unterscheiden sich beide Marken infolge der in der Widerspruchsmarke nicht enthaltenen Ziffernfolge in der jüngeren Marke "77", die die Wortbestandteile "SEVENTY" und "SEVEN" erläutert und zu einem Gesamtbegriff zusammenfügt, so deutlich voneinander, dass das Publikum keine Mühe hat, beide Zeichen voneinander abzugrenzen. Grafisch ebenso wie klanglich und begrifflich können die Unterschiede nicht hinter der Gemeinsamkeit, dem Wortbestandteil "SEVENTY", zurücktreten. Entgegen der Ansicht der Widersprechenden dominiert oder prägt der beiden Marken gemeinsame Wortbestandteil den durch die jüngere Marke hervorgerufenen Gesamteindruck nicht. Das angesprochene Publikum, angesichts der beanspruchten Waren die inländische Gesamtbevölkerung, hat nämlich aufgrund der Bedeutung und der Gestaltung der jüngeren Marke, die unübersehbar das englischsprachige Zahlwort "SEVENTY SEVEN", also "siebenundsiebzig", darstellt, keinen Anlass, diese auf den Bestandteil "SEVENTY" zu verkürzen oder in "Seventy" den kennzeichnenden Teil zu sehen.
Eine Markenähnlichkeit ergibt sich vorliegend auch nicht in Form des gedanklichen Inverbindungbringens i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz MarkenG, der nur zu bejahen ist, wenn der Verbraucher zwar die hinter den Zeichen stehenden Unternehmen auseinanderhält, aber unzutreffend den Eindruck gewinnt, diese seien wirtschaftlich miteinander verbunden. Die zusätzlichen Bestandteile der jüngeren Marke, nämlich "77 SEVEN", stellen kein zu "SEVENTY" hinzugefügtes Unternehmenskennzeichen der Inhaberin der angegriffenen Marke dar. Auch sonst kann der übereinstimmende Bestandteil "SEVENTY" nicht als besonderer Herkunftshinweis auf die Widersprechende angesehen werden. Das Publikum entnimmt dem übereinstimmenden Element keinen Hinweis auf den Inhaber der älteren Marke, weil "Seventy" kein Stamm mehrerer Zeichen der Widersprechenden ist. Weder hat die Widersprechende bereits eine Zeichenserie mit dem Bestandteil "SEVENTY" gebildet noch kann angenommen werden, dass das Publikum diesen Bestandteil, der im Bekleidungsbereich auch eine Größenangabe darstellen kann, als geeignet für die Bildung einer Zeichenserie ansieht (vgl. BGH GRUR 1999, 587, 589 -Cefallone).
Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, bleibt es dabei, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Dr. Albrecht Kruppa Dr. van Raden Ju/Fa
BPatG:
Beschluss v. 02.11.2009
Az: 27 W (pat) 92/09
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