Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 3. April 2013
Aktenzeichen: 3 W 18/13

(OLG Hamburg: Beschluss v. 03.04.2013, Az.: 3 W 18/13)

Tenor

Auf die Streitwertbeschwerde der Antragsgegner wird die landgerichtliche Streitwertfestsetzung aus dem Beschluss vom 12. Dezember 2012, Az. 327 O 658/12, abgeändert:

Der Streitwert wird auf insgesamt € 7.500,00 herabgesetzt.

Davon entfallen € 5.000,00 auf den gegen die Antragsgegnerin zu 1) geltend gemachten Unterlassungsanspruch und € 2.500,00 auf den gegen den Antragsgegner zu 2) geltend gemachten Unterlassungsanspruch.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.

Gründe

1. Die Streitwertbeschwerde der Antragsgegner ist zulässig.

Sie ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG statthaft. Unschädlich ist, dass die Antragsgegner nicht anwaltlich vertreten sind, denn im Hinblick auf die Streitwertbeschwerde besteht kein Anwaltszwang (Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Auflage, 2009, § 68 Rn. 14; Hartmann, Kostengesetze, 42. Auflage, 2012, § 68 GKG, Rn.12).

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Das Landgericht hat das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an zukünftiger Unterlassung der streitgegenständlichen unzureichenden Preisangaben mit insgesamt € 10.000,00 bewertet. Dies erscheint dem Senat als zu hoch.

Zwar hat der Senat in der Sache 3 W 58/12 - worauf der Antragstellervertreter zutreffend hinweist - im Falle einer Verletzung der Pflicht zur Grundpreisangabe (§ 2 PAngV) noch einen Streitwert in Höhe von € 10.000,00 unbeanstandet gelassen. Zwischenzeitlich ist der Senat jedoch mit verschiedenen weiteren Rechtssachen befasst worden, die fehlende oder unzureichende Grundpreisangaben im Internethandel der vorliegenden Art zum Gegenstand hatten. Bei Berücksichtigung der dabei gewonnenen Erkenntnisse sowie der Umstände des vorliegenden Falles erweisen sich die wettbewerbsrechtlich relevanten Beeinträchtigungen, welche sich aus der unzureichenden oder fehlenden Grundpreisangabe ergeben können, als weniger gewichtig als ursprünglich angenommen.

Der Senat hält daher vorliegend einen reduzierten Streitwert für angemessen.

a) Abweichend von seiner bisherigen Handhabung setzt der Senat dabei im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgten Entscheidungen des BGH in GRUR-RR 2008, 460 ff. sowie GRUR 2012, 541 ff. - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren, für jeden der beiden Antragsgegner einen gesonderten Streitwert fest. Werden mehrere Personen inhaltsgleich auf Unterlassung in Anspruch genommen, so handelt es sich gleichwohl rechtlich um mehrere selbständige Ansprüche. Das gilt auch dann, wenn eine juristische Person und ihr gesetzlicher Vertreter in Anspruch genommen werden (BGH GRUR-RR 2008, 460, 461; KG Berlin, MD 2011, 147 f.; OLG München, Beschluss vom 18.06.2001, Rn. 4 - zitiert nach juris).

Daher sind die Streitwerte für jeden Antragsgegner gesondert zu bemessen. Der Streitwert ist dann in Höhe des addierten Gesamtbetrages festzusetzen. Im Falle der parallelen Inanspruchnahme einer juristischen Person und ihres gesetzlichen Vertreters werden die jeweiligen Beiträge häufig unterschiedlich zu gewichten sein, insbesondere indem für den Anspruch gegen den gesetzlichen Vertreter ein zwar zu addierender, aber geringerer Wert festgesetzt wird als für den Anspruch gegen die juristische Person (KG Berlin, MD 2011, 147 f.; jurisPK-UWG/Hess, UWG, 2. Auflage, 2009, § 12 Rn. 232 unter Verweis auf KG Berlin, Beschluss vom 2. Dezember 2005, Az. 5 W 49/05).

Der Abschlag hinsichtlich des auf den gesetzlichen Vertreter entfallenden Streitwerts ergibt sich aus dem Umstand, dass mit den Unterlassungsbegehren in erster Linie das Interesse verfolgt wird, das unzulässige Handeln der juristischen Person, sei es durch den gesetzlichen Vertreter, sei es durch andere Mitarbeiter zu unterbinden.

Dies steht im Einklang damit, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Fall, dass sowohl eine juristische Person als auch ihr Organ aus einem Vollstreckungstitel zur Unterlassung verpflichtet sind und das Organ im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit für die juristische Person dem Verbot zuwider handelt, nur gegen die juristische Person ein Ordnungsgeld nach § 890 ZPO festzusetzen ist (vgl. BGH GRUR 2012, 541, 542 - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren). Dadurch wird eine gesonderte Inanspruchnahme des Organs neben der juristischen Person im Erkenntnisverfahren jedoch nicht überflüssig. Diese erlangt vielmehr ihre Bedeutung, wenn das Handeln des Organs der juristischen Person nicht nach § 31 BGB zurechenbar ist, weil es sich aus Sicht eines Außenstehenden soweit vom organschaftlichen Aufgabenbereich entfernt, dass der allgemeine Rahmen der ihm übertragenen Obliegenheiten überschritten erscheint. Das kommt etwa in Betracht, wenn das Organ für einen neben der juristischen Person bestehenden eigenen Geschäftsbetrieb oder eine andere juristische Person die schuldhafte Zuwiderhandlung begangen hat (vgl. BGH GRUR 2012, 541, 542 - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren m.w.N.)

Die gesonderte Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegenüber dem gesetzlichen Vertreter dient damit in erster Linie dazu, Rechtsverletzungen des gesetzlichen Vertreters zu erfassen, die unabhängig von der juristischen Person erfolgen (BGH GRUR-RR 2008, 460, 461 Rn. 11). Insoweit erscheint die Gefahr zukünftiger Rechtsverstöße jedoch - soweit nicht konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für eine andere Sichtweise sprechen - deutlich geringer als hinsichtlich der bereits in der Vergangenheit im Rahmen der Geschäftstätigkeit der juristischen Person erfolgten Verstöße.

Dies rechtfertigt einen deutlichen Abschlag hinsichtlich des Streitwertes, der auf den Unterlassungsanspruch gegen den gesetzlichen Vertreter entfällt. Diesen Abschlag bemisst der Senat hier mit 50%.

b) Im Hinblick auf den geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch ist in der Regel das wirtschaftliche Interesse des Anspruchstellers für die Bemessung des Streitwerts maßgeblich (BGH GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung). Der Umfang dieses Interesses hängt von der Gefährlichkeit der zu verbietenden Handlung ("Angriffsfaktor") ab, welche anhand des drohenden Schadens (Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden) zu bestimmen ist und von den weiteren Umständen abhängt.

Zu berücksichtigen sind insbesondere die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer und beim Verletzten, d.h. Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft und Marktstellung der Unternehmen unter Berücksichtigung ihrer künftigen Entwicklung. Weiter ist abzustellen auf die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht sowie Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher zukünftiger Verletzungshandlungen. Diese Umstände werden durch die Schädlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung indiziert, die auch von den Umsätzen und Werbeaufwendungen des Verletzers abhängt (vgl BGH GRUR 1998, 958 - Verbandsinteresse). Darüber hinaus ist auch die Intensität der Wiederholungsgefahr zu berücksichtigen, welche sich nach dem Verschuldensgrad (BGH GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung) bei der Verletzungshandlung und dem nachfolgenden Verhalten bemisst.

In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Wettbewerber nicht mehr oder minder betroffen ist, als jeder andere Marktteilnehmer, ist das wirtschaftliche Interesse des Anspruchstellers nicht in erster Linie nach der durch die konkrete Handlung hervorgerufenen Umsatzgefährdung, sondern vielmehr im Hinblick auf die dadurch verursachte latente Beeinträchtigung der Marktposition rechtstreuer Mitbewerber zu bestimmen. Die aus der konkret beanstandeten Handlung resultierende Gefährdung des Umsatzes bleibt jedoch für die Grundfrage von Belang, von welcher Marktpräsenz der im konkreten Fall streitenden Unternehmen auszugehen ist (Senat, Beschluss v. 10.11.2009, Az. 3 W 45/09; Beschluss v. 7.11.2007, Az. 3 W 196/07; Beschluss v. 11.2.2008, Az. 3 W 16/08). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es für die Bewertung eines Anspruchs vermögensrechtlicher Art € ein solcher ist der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch € einen erheblichen Unterschied macht, ob sich zwei große Wettbewerber streiten oder ob ein Marktteilnehmer gegen einen kleineren Unternehmer auf einem Markt vorgeht, auf dem sich noch viele andere Mitbewerber betätigen (Senat a.a.O.).

Die anzulegenden Maßstäbe hat das Landgericht zutreffend aufgeführt, ist jedoch in der Gesamtabwägung zu dem Schluss gekommen, dass der mit €10.000,00 festgesetzte Streitwert, insbesondere im Hinblick auf die Bedeutung von § 2 Abs. 1 PAngV für eine informierte Verbraucherentscheidung, angemessen sei. Dem vermag der Senat nicht vollen Umfangs zu folgen.

Im vorliegenden Fall ist der von der Antragstellerin vorgetragene Umfang ihres Apothekenbetriebs recht erheblich. Allerdings ist nicht erkennbar, in welchem Umfang Umsätze mit den hier streitgegenständlichen Produkten, nämlich Sexualhygieneprodukten, erzielt werden. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei den Antragsgegnern insoweit um marktstarke Konkurrenten handeln könnte, bestehen nicht. Der stationäre Apothekenbetrieb der Antragstellerin und der Internetvertrieb der Antragsgegner stehen zwar in einem Wettbewerbsverhältnis gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Der Wettbewerb der Parteien stellt sich jedoch nicht als besonders eng oder intensiv dar, denn die streitgegenständlichen Sexualhygieneprodukte liegen im Randbereich des Apothekensortiments der Antragstellerin und die Parteien bedienen sich unterschiedlicher Vertriebswege.

Zudem haben die Antragsgegner unbestritten vorgetragen, dass die jeweiligen Grundpreisangaben in ihrem eigenen Internetshop zutreffend angegeben waren. Die unzureichende Grundpreisangabe bei der Plattform www.p.de ist maßgeblich auf die Struktur des dortigen Angebots zurückzuführen. Da sich die Antragsgegner dieser Plattform zum Absatz ihrer Produkte bedient haben, haften sie zwar grundsätzlich auch für die dortigen unzureichenden Preisangaben, die Wiederholungsgefahr hinsichtlich des monierten Verhaltens der Antragsgegner stellt sich jedoch als recht gering dar.

Die vorgenannten Umstände führen dazu, dass der vom Landgericht festgesetzte Streitwert von insgesamt € 10.000,00 als leicht überhöht anzusehen ist.

Eine Herabsetzung des Streitwerts auf insgesamt € 7.500,00 erscheint jedoch - auch bei Berücksichtigung des Streitwertgefüges vergleichbarer Wettbewerbsverstöße - angemessen. Davon entfallen € 5.000,00 auf den gegen die Antragsgegnerin zu 1) geltend gemachten Unterlassungsanspruch und € 2.500,00 auf den gegen den Antragsgegner zu 2) geltend gemachten Unterlassungsanspruch.






OLG Hamburg:
Beschluss v. 03.04.2013
Az: 3 W 18/13


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