Landgericht München I:
Urteil vom 16. Januar 2008
Aktenzeichen: 1HK O 8475/07, 1HK O 8475/07

(LG München I: Urteil v. 16.01.2008, Az.: 1HK O 8475/07, 1HK O 8475/07)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Auf die Widerklage hin werden die Klägerinnen verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Verbrauchern Waschmaschinen mit einer Energieeffizienzklasse entgegen den Vorschriften von §§ 3, 5 EnVKV anzubieten, wie geschehen in den Internetauftritten der Klägerinnen gemäß Anlagen B4 und B5

<screenshots der angegriffenen Webauftritte; sind nachfolgend eingefügt>.III. Auf die Widerklage hin werden die Klägerinnen ferner verurteilt, an den Beklagten jeweils € 1.196,43 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 08.05.2007 zu bezahlen.

IV. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

V. Von den Kosten des Verfahrens und den außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt die Klägerin zu 1) 41 %, die Klägerin zu 2) 39 %; die restlichen 20 % trägt der Beklagte. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) trägt diese 68 % und der Beklagte 32 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) trägt diese selbst.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber im Versandhandel mit Elektrogeräten. Sie streiten um die Berechtigung zweier durch den Beklagten gegen die Klägerinnen ausgesprochenen Abmahnungen und einer in der Folge durch die Klägerin zu 1) gegen den Beklagten ausgesprochenen Abmahnung.

Die Klägerinnen bewarben in den von ihnen unterhaltenen Onlineshops am 30.04.2007 jeweils Waschmaschinen des Typs AEG Electrolux LAVAMAT 86820, indem sie im Angebotstext und Title-Tag der jeweiligen Webseiten (vgl. Anlagen B4 und B5) jeweils €A Plus*€ als Energieeffizienzklasse angaben. Eine Erklärung des Sternchenzusatzes auf diesen Seiten fehlt jeweils.

Der Beklagte mahnte die beiden konzernrechtlich verbundenen Klägerinnen daher mit gleichlautenden Schreiben vom 30.04.2007 ab (Anlage LSG 1) und legte den Schreiben, in denen der gerügte Verstoß im einzelnen dargestellt wird, jeweils eine vorgefertigte Unterlassungserklärung bei, in deren Ziffer 1 eine Verpflichtung,

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Waschmaschinen mit einer Energieeffizienzklasse entgegen den Vorschriften von §§ 3, 5 EnVKV i.V.m. Richtlinie 95/12/EG anzubieten,

formuliert und eine Übernahme der Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 30.000,- € gefordert wurde (Anlage LSG 2). Die Klägerinnen erfuhren erst durch diese Abmahnschreiben von der Existenz des Beklagten.

Die Klägerinnen gaben weder die vorformulierte noch eine andere Unterlassungserklärung ab, sondern erhoben unter dem Datum 07.05.2007 die vorliegende negative Feststellungsklage (Anträge I und II, Bl. 2/3 d.A.).

Mit Schreiben vom 14.05.2007 (Anlage LSG 4) wandte sich der Mitarbeiter der bei der Klägerin zu 1) angesiedelten konzernübergreifenden Rechtsabteilung für gewerblichen Rechtsschutz, Herr J., mit €kollegialen Grüßen€ an die Klägervertreter und formulierte dabei:

Wir hatten besprochen, dass ich Ihnen einige Unterlagen von der Website des Gegners ( www.xxxxxxxx.de ) zur Verfügung stelle, die meiner Ansicht nach abmahnwürdig sind. Sollten Sie mit meiner Bewertung übereinstimmen, bitte ich Sie, eine einheitliche Abmahnung zu verfassen.

Es folgen sodann Hinweise auf verschiedene vom Beklagten in seinen AGB und im Rahmen weiterer Erläuterungen verwendeten Klauseln, z.B. unter den Stichworten €Retour/Hilfe€ und €Lieferkosten€.

Unter dem Datum 30.05.2007 mahnten die Klägervertreter den Beklagten im Auftrag der Klägerin zu 1) wegen der in seinem Webauftritt angegebenen Modalitäten der Warenrücksendung und der in seinen AGB verwendeten Klauseln betreffend Schriftform, Untersuchungs- und Mängelrügeobliegenheit, Nachbesserungsvorrang und Verjährung ab. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage LSG 6 verwiesen. Zugleich forderten sie die Abgabe einer Unterlassungs-Verpflichtungserklärung gemäß dem dem Schreiben beigefügten Formular LSG 7.

Der Beklagte gab daraufhin innerhalb der gesetzten Frist am 6.6.2007 eine in Teilen abgewandelte Unterlassungs-Verpflichtungserklärung ab (zum genauen Wortlaut vgl. Anlage LSG 8), die von der Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 11.06.2007 (LSG 9) angenommen wurde. Das begleitende Antwortschreiben der Beklagtenvertreter vom 06.06.2007, auf das in den Schreiben vom 11.06. und 03.07.2007 (LSG 9 und 10) Bezug genommen wird, wurde dem Gericht nicht vorgelegt. Der Beklagte weigerte sich, die mit dem Abmahnschreiben verbundene Forderung der Klägerin zu 1) auf Zahlung von 1.379,80 € (1,3-Gebühr aus 50.000,- € zzgl. 20,- € Pauschale, vgl. Ziffer II der geforderten Verpflichtungserklärung LSG 7 bzw. Bl. 37 d.A. = Schriftsatz vom 14.08.2007, Seite 11) zu erfüllen.

Die Klägerin zu 1) erweiterte daraufhin mit Schriftsatz vom 14.08.2007 die Klage um den Zahlungsantrag III (Bl. 27/28 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 26.09.2007 erhob der Beklagte Widerklage. Deren Ziffer I. (Unterlassungsanspruch) betrifft den Gegenstand der ursprünglichen Abmahnschreiben des Beklagten und damit des negativen Feststellungsanspruchs (Ziffer I) der Klage; in Ziffer II. und III. werden die Kosten dieser Abmahnungen vom 30.04.2007 beansprucht (je 1,5-Gebühr aus 30.000,- € zzgl. 20,- € Pauschale, zzgl. MwSt, vgl. Anlagen B7 und B8); ferner enthält die Widerklage in Ziffer IV. eine negative Feststellungsklage betreffend einzelne (über die vom Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung hinausgehende) Punkte aus dem Folgeabmahnschreiben der Klägerinnen vom 30.05.2007.

Die Klägerinnen behaupten, die Angabe €A Plus*€ bei der Energieeffizienzklasse sei in ihren Angeboten jeweils wie folgt erläutert worden:

€* A Plus: Energieverbrauch 10 % sparsamer als bei Energieeffizienzklasse A€

Eine solche Zusatzangabe sei im Sinne des gesetzgeberischen Ziels der Energieeinsparung und damit des Umweltschutzes sinnvoll und damit zulässig. Fachleute hätten bereits im Jahr 2001 dem Bundeswirtschaftsministerium eine weitere Untergliederung der Energieeffizienzklassen gefordert, die bei Kühl- und Gefriergeräten dann auf europäischer Ebene auch umgesetzt wurde.

Die Klägerinnen vertreten die Ansicht, dass es auf die konkret gewählte Formulierung €A Plus€ aber im Ergebnis nicht ankomme, sondern allein auf die angegriffene Formulierung aus der dem Abmahnschreiben beigefügten Unterlassungserklärung. Die Abmahnungen des Beklagten vom 30.04.2007 seien angesichts der dort gewählten Formulierung

es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Waschmaschinen mit einer Energieeffizienzklasse entgegen den Vorschriften von §§ 3, 5 EnVKV i.V.m. Richtlinie 95/12/EG anzubieten,

bereits unzulässig, da zu unbestimmt; gleiches gelte für den in gleicher Weise zu weitgehend formulierten Widerklageanspruch I.

Der Kostenersatzanspruch des Beklagten sei falsch berechnet, da dessen Vertreter im Rahmen eines einheitlichen Auftrags tätig geworden seien, so dass für die beiden Abmahnschreiben vom 30.04.2007 allenfalls auch nur eine einheitliche Gebühr aus einem ggfs. zu addierenden Streitwert hätte angesetzt werden dürfen; es habe sich insoweit nämlich nur um eine einzige Angelegenheit gehandelt. Es hätte insoweit auch nur eine 1,3-Gebühr angesetzt werden dürfen.

Der Kostenersatzanspruch betreffend die eigene Folgeabmahnung vom 30.05.2007 sei begründet, da die vom Beklagten verwendeten Klauseln gegen € auch den Wettbewerb schützende € Vorschriften des BGB verstießen und damit unlauter i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG gewesen seien. Hinsichtlich der Argumentation im Einzelnen wird auf S. 2-4 und 7 ff. des Schriftsatzes vom 14.08.2007 (Bl. 28 ff. d.A.) verwiesen.

Die Klägerinnen beantragen:

I. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegenüber den Klägerinnen kein Anspruch des Inhalts zusteht, dass die Klägerinnen es zu unterlassen haben

€€ im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Waschmaschinen mit einer Energieeffizienzklasse entgegen den Vorschriften von §§ 3, 5 EnVKV i. V. m. Richtlinie 95/12/EG anzubieten.

II. Es wird festgestellt, dass dem Beklagten gegenüber den Klägerinnen zu 1) und 2) kein Anspruch des Inhalts zusteht, von jeder der Klägerinnen jeweils € 1.376,83 Abmahnkostenerstattung zu fordern.

III. Der Beklagte wird verurteilt, für die Klägerin zu 1) an deren Rechts- und Patentanwälte der Kanzlei Lorenz, Seidler, Gossel € 1.379,80 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt:

Klageabweisung

Der Beklagte beantragt ferner im Wege der Widerklage:

I. Den Klägerinnen wird verboten, bei Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00 für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an einem gesetzlichen Vertreter der Klägerinnen zu vollziehen ist, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, Verbrauchern Waschmaschinen mit einer Energieeffizienzklasse entgegen den Vorschriften der §§ 3, 5 EnVKV anzubieten, wie geschehen in den Internetauftritten der Klägerinnen gemäß Anlagen B4 und B5.

II. Die Klägerin zu 1) wird verurteilt, an den Beklagten € 1.376,83 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 30.04.2007 zu zahlen.

III. Die Klägerin zu 2) wird verurteilt, an den Beklagten € 1.376,83 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 30.04.2007 zu zahlen.

IV. Es wird festgestellt, dass der Klägerin zu 1) gegenüber dem Beklagten kein Anspruch des Inhalts zusteht, dass der Beklagte es zu unterlassen hat,

1. im geschäftlichen Verkehr mit dem letzten Verbraucher beim Fernabsatz von Produkten aus den Bereichen €Audio€, €Beamer€, Camcorder€, €Car Hifi + Navi€, €Computer€, €Digitalkameras€, €DVD + Video€, €Fernseher€, €Haushalt€, €Kabel€, €MP3 + Mediaplayer€, €Raumklima€, €Sat Technik€, €Speicherkarten€, €Telecom€ und €Fachmagazine€ im Rahmen und/oder im Zusammenhang mit der Belehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht die folgenden Klauseln zu verwenden und/oder Verbrauchern gegenüber insoweit auf diese Klauseln zu berufen:

- €Bitte senden Sie keine Waren unfrei an uns zurück. Sie erhalten entweder eine Freeway Marke, oder wir erstatten das dem Verbraucher entstandene Porto nach Erhalt der Rücksendung.€

- €Die Rückgabe kann auch [auf] verschiedenen Wegen erfolgen:

- im Normalfall meldet sich der Kunde bei uns per Telefon oder E-Mail und erhält von uns eine Freeway-Paketmarke, mit der er die Ware kostenlos an uns zurück schicken kann.

Die Freeway-Marke wird Ihnen per Brief zugesandt.

- deutlich schneller funktioniert die Rückgabe, wenn der Kunde die Ware auf eigene Kosten zu uns schickt, und wird [wir] die Kosten dafür erstatten. Dafür entfällt für Sie die Wartezeit auf die Freeway-Paketmarke und die Ware ist schneller wieder hier

2. im geschäftlichen Verkehr mit dem letzten Verbraucher beim Angebot von Produkten aus den Rubriken €Audio€, €Beamer€, Camcorder€, €Car Hifi + Navi€, €Computer€, €Digitalkameras€, €DVD + Video€, €Fernseher€, €Haushalt€, €Kabel€, €MP3 + Mediaplayer€, €Raumklima€, €Sat Technik€, €Speicherkarten€, €Telecom€ und €Fachmagazine€ die nachfolgenden Klauseln zu verwenden und/oder uns Verbrauchern gegenüber insoweit auf diese Klauseln zu berufen:

- €Bei allen während der gesetzlichen Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab Lieferung aufgetretenen Mängeln haben Sie das Recht auf Nacherfüllung (Mängelbeseitigung oder Neulieferung) und € bei Vorliegen gesetzlichen Voraussetzungen € die gesetzlichen Rechte auf Minderung oder Rücktritt sowie daneben auf Schadenersatz. Sie müssen uns insgesamt zwei Nachbesserungsversuche einräumen. Ist die von Ihnen gewünschte Art der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich, beschränkt sich ihr Anspruch auf die andere Art der Nacherfüllung.€

3. €Für Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz und in Fällen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit bleibt es bei der gesetzlichen Verjährung.€

Die Klägerinnen beantragen insoweit:

Abweisung der Widerklage

Der Zusatz €wie geschehen€€ im Widerklageantrag I. wurde vom Beklagten erst auf Hinweis der Kammer im Termin angefügt, ebenso wurde die Zinsforderung auf 5 %-punkte über dem Basiszinssatz reduziert.

Der Beklagte behauptet, die mit den Rechnungen B7 und B8 geforderten Gebühren habe er an seine Prozessbevollmächtigten bezahlt.

Er behauptet weiter, die Beteiligungsverhältnisse der Klägerinnen, sowie die Tatsache, dass diese eine gemeinsame Rechtsabteilung betrieben, sei ihrem Vertreter erst durch die Reaktion auf seine am 30.04.2007 ausgesprochenen Abmahnungen bekannt geworden. Die Verstöße seien auf verschiedenen Online-Shops begangen worden, so dass nach Ansicht des Beklagten auch gebührenrechtliche verschiedene Angelegenheiten vorlägen.

Zum Zahlungsanspruch der Klägerin zu 1) vertritt der Beklagte die Ansicht, dieser bestehe bereits deswegen nicht, weil die Abmahnung vom 30.05.2007 allein aus Gebührenerzielungsinteresse erfolgt sei und damit rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG sei. Im Übrigen seien die abgemahnten Verstöße auch nicht erheblich i.S.v. § 3 UWG gewesen.

Inhaltlich sei die Abmahnung zu weit gegangen, weswegen ein Anspruch auf Feststellung des Nichtbestehens der zu unrecht erfolgten Abmahnungspunkte bestehe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Seite 6 ff. des Schriftsatzes vom 26.09.2007 (Bl. 52 ff. d.A.) verwiesen.

Der Beklagte vertritt ferner die Auffassung, der Widerklageantrag I. habe so weit formuliert werden dürfen, da die Angabe von Energieeffizienzklassen außerhalb der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Bezeichnungen A bis G stets irreführend und daher unlauter sei, so dass die gewählte Formulierung keine potentiell rechtmäßigen Verhaltensweisen mit einschließe. Da der Schutzbereich eines Unterlassungstenors auch kerngleiche Verstöße einschließe, sei gegen diese Formulierung, die auch vom LG Dresden bereits in gleicher Form verwendet worden sei (Beschluss vom 14.05.2007, Anlage B6), nichts einzuwenden.

Die Klägerinnen bezogen insoweit den Standpunkt, sie könnten die Klage in Ziffer I. im Hinblick auf die erst im Termin aufgenommene Ergänzung €wie geschehen€€ nicht für erledigt erklären, da ein weitergehendes negatives Feststellungsinteresse bezüglich der ursprünglichen Formulierung des Widerklageanspruchs bestehe.

Die von der Klägerin in der Abmahnung vom 30.05.2007 gerügten Verstöße seien auch durchwegs erheblich i.S.v. § 3 UWG gewesen, daher sei die dementsprechende Freistellungsforderung auch begründet.

Für den Widerklageantrag IV. fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da die Klägerin die (zwar eingeschränkt abgegebene) Unterlassungserklärung des Beklagten angenommen habe. Damit habe die Angelegenheit ihren Abschluss gefunden.

Hinsichtlich des weiteren Tatsachenvortrags der Parteien haben diese gemäß § 137 Abs. 3 ZPO auf die vorbereitend gewechselten Schriftsätze, der Beklagte auch auf den ihm nachgelassenen Schriftsatz vom 30.10.2007 Bezug genommen. Die nicht nachgelassen Schriftsätze der Klägerinnen wurden nur hinsichtlich der darin enthaltenen rechtlichen Ausführungen berücksichtigt.

Gründe

Die Klage ist zum Teil bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet, die zulässige Widerklage nur teilweise begründet.

I.

Die Klage war abzuweisen, da sie in Ziffer II. bereits unzulässig und in Ziffer I. und III. unbegründet ist.

1. Für die negative Feststellungsklage in Ziffer II. fehlt es im Hinblick darauf, dass der Beklagte mit Widerklageschriftsatz vom 26.09.2007 (dort Ziffern II. und III.) zum identischen Streitgegenstand die gegenläufige Zahlungsklage erhoben hat, am Feststellungsinteresse. Die Erledigterklärung unterblieb insoweit wohl auch nur versehentlich.

2. Ein Feststellungsinteresse lässt sich dagegen im Hinblick auf die negative Feststellungsklage in Ziffer I. mit der Argumentation begründen, dass der Widerklageantrag Ziffer I. in der mündlichen Verhandlung in leicht modifizierter Form gestellt wurde und damit nicht ganz deckungsgleich mit dem Wortlaut der Klage in Ziffer I. ist.

Insoweit ist die Klage allerdings unbegründet, da der Beklagte sich im Hinblick auf das ihm von Seiten der Klägerinnen geschuldete Unterlassungsgebot (siehe nachfolgend a.) keines Anspruchs berühmt, der weiter geht, als der Schutzbereich dieses Gebots reicht (siehe anschließend b.).

60a. Die Werbung mit einer nicht existierenden Energieeffizienzklasse ist irreführend und damit unlauter i.S.v. §§ 5, 3 UWG.

61i. Für Waschmaschinen hat der europäische Gesetzgeber in Anhang III der Richtlinie 95/12/EG Energieeffizienzklassen von A bis G vorgesehen. Feinere Abstufungen des Energieverbrauchs innerhalb bzw. unterhalb der Klasse A, wie sie etwa für Kühl- und Gefriergeräte vorgesehen sind, existieren nicht.

62ii. Die Verwendung von gesetzlich nicht vorgesehenen Bezeichnungen ist irreführend, da sie beim Verkehr die falsche Vorstellung weckt, die von den Klägerinnen angebotenen Waschmaschinen würden vergleichbaren Maschinen eines Wettbewerbers, der sich an die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben hält, hinsichtlich Wirtschaftlichkeit (Stromkosten) und Umweltverträglichkeit (Ressourcenverschwendung, CO 2 -Belastung) vorzuziehen sein.

iii. Dass der gewählten Phantasiebezeichnung € wie von den Klägerinnen behauptet € eine klarstellende Erläuterung beigefügt war, haben diese nicht (durch Vorlage entsprechender screenshots o.ä.) belegt. Eine Erläuterung, die schon nicht auf der Ausgangsseite, auf der die selbst erfundene Bezeichnung A Plus verwendet worden war, erfolgte, sondern auf einer erst über anzuklickende links erreichbaren weiteren Unterseite, wäre ohnehin nicht geeignet, den hervorgerufenen irreführenden Eindruck zu beseitigen. Auf diesen Ausgangsseiten (Anlagen wie im Tenor wiedergegeben) finden sich solche Klarstellungen nicht.

iv. Die Verwendung von quasi-amtlichen Phantasiebezeichnungen wäre selbst mit einer wie behauptet beigefügten Erläuterung bedenklich, da einerseits der behauptete Erläuterungszusatz schon in sich nicht stimmig ist, andererseits Wettbewerber gezwungen wären, entweder ihrerseits entsprechend fragliche Bezeichnungen einzusetzen (und sich damit selbst der Gefahr aussetzten, ggü. anderen Marktteilnehmern unlauter zu handeln) oder ggü. dem Verkehr einen Wettbewerbsnachteil hinzunehmen.

Der behauptete Erläuterungszusatz €Energieverbrauch 10 % sparsamer als bei Energieeffizienzklasse A€ ist deswegen unrichtig, da Waschmaschinen der Energieeffizienzklasse A nur im Ausnahmefall einen Stromverbrauch haben, der exakt dem Grenzwert für die Klasse A entspricht. Regelmäßig liegt ihr Stromverbrauch in einem Bereich, der mehr oder weniger stark unter diesem Grenzwert liegt. Eine Angabe, die von einer Vielzahl von Verbrauchern so verstanden wird, dass die streitgegenständlichen Maschinen einen Energieverbrauch haben, der 10 % sparsamer als bei Maschinen der Energieeffizienzklasse A liegt, ist daher unzutreffend, egal ob der Leser gedanklich einen Bezug zu allen, zu den meisten oder zu dem Durchschnitt der Maschinen dieser Klasse herstellt. Anders wäre es nur, wenn € was nach eigenem Vortrag der Klägerinnen gerade nicht der Fall sein soll € alle oder nahezu alle Maschinen der Klasse sich gerade knapp über dem erforderlichen Grenzwert bewegen würden.

Die eigenständige Einführung einer solchen Klassifizierung ist auch nicht durch das Interesse an einer weiteren Förderung besonders energieeffizienter Geräte zu rechtfertigen, wenn die Klassifizierung sich € wie vorliegend € einen pseudoamtlichen Anstrich verleiht. Gerade kleinere Wettbewerber würden gezwungen, entweder selbst diese fragwürdigen Bezeichnungen zu verwenden oder zu riskieren, dass der Verkehr die von ihnen unter der korrekten Angabe der Klasse A angebotenen, technisch gleich- oder sogar höherwertigen Geräte als minderwertig ansieht.

Da der Wettbewerbsverstoß auch durchaus erheblich i.S.v. § 3 UWG ist und zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht, hat der Beklagte gegen die Klägerinnen einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG, solange diese die durch den Verstoß indizierte Wiederholungsgefahr nicht beseitigt haben.

b. Der Beklagte hat sich keiner Ansprüche berühmt, die über die Reichweite dieses Unterlassungsanspruchs hinausreichen.

i. Die von ihm gegenüber den Klägerinnen ausgesprochene Abmahnung vom 30.04.2007 bezog sich auf die im Abmahnschreiben erkennbar wiedergegebene konkrete Verletzung durch Verwendung der Phantasieklasse €A Plus€ für Waschmaschinen.

ii. Diese Verletzung ist auch Gegenstand der Verurteilung aufgrund des im Termin gestellten Widerklageantrags I.

iii. Der Umfang des Unterlassungstitels ist nicht auf identische Verletzungen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf künftige kerngleiche Verstöße. Umfasst sind daher auch etwaige andere an die gesetzlich vorgegebenen Klassen angelehnte Kennzeichnungen wie Energieeffizienzklasse €A+€, €A++€, €A Super€, €A*€, €AA€, €AAA€, €Aa€, €B+€, €Ba€, €B Plus€, €A-B€ oder ähnlich.

iv. Zu keinem Zeitpunkt hat sich der Beklagte einer Reichweite des angestrebten Titels berühmt, die nicht innerhalb dieses durch Verstoß und Kernbereich definierten Schutzbereichs gelegen hätte. Eine solche Berühmung liegt auch nicht allein in der Formulierung des Unterlassungsbegehrens, die der Beklagte in der vorgefertigten Unterlassungserklärung oder in der ursprünglichen Fassung des Widerklageantrags vorgenommen hatte. Denn aus dieser Formulierung als solcher geht nicht hervor, dass der Beklagte ein Unterlassen gefordert hatte oder gar nach Antragstellung in der Hauptverhandlung noch weiter fordern würde, das über die beanstandete Verwendung derartiger nichtamtlicher Energieeffizienzklassen hinausgehen würde. Derartige Forderungen finden sich an keiner Stelle des schriftsätzlichen Vorbringens des Beklagten und es erscheint nicht nachvollziehbar, woher die Klägerinnen ihre € zur Begründung des Feststellungsinteresses angeführte € Sorge beziehen, der Beklagte könnte derartige Forderungen (noch) stellen.

v. Dass der Bezug zur angegriffenen Verletzung sinnvollerweise schon im Tenor selbst enthalten sein sollte, damit aus diesem alleine heraus der Schutzbereich bestimmbar ist, ist zwar zutreffend. Der Beklagte hat daher auch auf gerichtliche Anregung eine entsprechende Ergänzung seines Antrags vorgenommen. Für den tatsächlichen Umfang des ausgesprochenen Verbotes ergaben sich hierdurch aber keine Unterschiede, da dieser andernfalls unter Zuhilfenahme der weiteren Angaben aus den Gründen des Urteils hätte ermittelt werden müssen. In gleicher Weise konnte der Umfang des geforderten Verbotes auch aus dem Gesamtkontext der Abmahnung entnommen werden, in der der Verstoß genau geschildert war. Wenn die Klägerinnen hinsichtlich der Bestimmbarkeit der geforderten Unterlassungserklärung Bedenken hatten, so hätte es ihnen selbst oblegen, durch die Abgabe einer in ihren Augen ausreichend bestimmten Unterlassungserklärung die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

vi. Eine zu abstrakt vorformulierte Unterlassungserklärung bietet dagegen nur dann Anlass, das Nichtbestehen eines Anspruchs festzustellen, wenn konkrete Anwendungsfälle vorstellbar sind, die unter die abstrakte Formulierung subsumierbar sind, aber nicht mehr im Schutzbereich des aufgrund des konkreten Verstoßes geschuldeten Unterlassungsanspruchs liegen, und erkennbar ist, dass sich der Verletzte € jedenfalls potentiell € auch solcher Ansprüche berühmen wollte. Gleiches gilt von einem in den vorbereitenden Schriftsätzen zu abstrakt formulierten Klageanspruch.

Damit bleibt im Ergebnis angesichts der Tatsache, dass auch im ursprünglichen Widerklageantrag ein klarer Bezug zur Werbung mit nicht existierenden Energieeffizienzklassen hergestellt wurde, kein Anwendungsbereich für die von den Klägerinnen in Klageantrag I. noch geforderte Feststellung.

3. Unbegründet ist schließlich auch der zulässige Klageantrag III, da die Gegenabmahnung erkennbar ganz vorwiegend aufgrund eines Interesses der Klägerin zu 1), einen eigenen Kostenersatzanspruch gegen den Beklagten zu generieren, ausgesprochen wurde, und damit bei einer Gesamtwürdigung gemäß § 8 Abs. 4 UWG als rechtsmissbräuchlich einzustufen ist; damit entfällt auch der Kostenersatzanspruch für diese Abmahnung, Köhler in Hefermehl u.a., UWG, 26. Aufl., 2008, Rdnr. 4.5 zu § 8.

Die Kammer ist aufgrund der im Tatbestand geschilderten Abläufe der festen Überzeugung, dass die Klägerin zu 1) bei ihrer Abmahnung allenfalls sehr nebensächlich von einem Interesse geleitet wurde, einen Wettbewerber zu lauterem Verhalten im Wettbewerb zu veranlassen. Hierfür sprechen die folgenden Umstände:

a. Der Beklagte war den Klägerinnen bis zum Zeitpunkt seiner eigenen Abmahnung vom 30.04.2007 unstreitig als Wettbewerber nicht bekannt. Die unabhängige Sorge, Marktanteile aufgrund seines unlauteren Verhaltens an ihn zu verlieren, kann damit nicht Antriebsfeder für das Handeln gewesen sein.

79b. Die Gegenabmahnung stellt sich vielmehr als klassische €Retourkutsche€ in Reaktion auf die vorangegangene Abmahnung des Beklagten dar, was nach der Rechtsprechung der Handelskammern des Landgerichts München I stets ein gewichtiges Indiz für rechtsmissbräuchliches Handeln i.S.v. § 8 Abs. 4 UWF bildet (vgl. Beschluss vom 11.06.2007, Az. 17HK O 5135/07, in vollem Umfang bestätigt vom OLG München durch Beschluss vom 13.09.2007, Az. 6 W 2296/07; Urteil vom 28.11.2007, Az. 1HK O 5136/07). Es ist davon auszugehen, dass es wesentlicher Antrieb für das Handeln der Klägerin zu 1) war, einen Kostenerstattungsanspruch zu kreieren, der in den nachfolgenden Verhandlungen mit dem Beklagten als Druckmittel oder zur Aufrechnung eingesetzt werden kann. Die Tatsache, dass der Sachkomplex dann in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt wurde und damit Munition auch für die Vergleichsgespräche bilden konnte, bestätigt diese Annahme.

c. Ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Annahme spricht, dass die Schaffung eines Kostenerstattungsanspruchs eine wichtige Triebfeder des eigenen Handelns der Klägerin zu 1) war, ist die Tatsache, dass diese die Abmahnung, obwohl sich der maßgebliche Jurist der Abteilung €Gewerblicher Rechtsschutz Konzern€ bereits mit dem Sachverhalt befasst hatte, durch ihre mit der Vorabmahnung befassten rechtlichen Vertreter fertigen ließ. Die Kammer verkennt nicht, dass € auch bei Bestehen einer eigenen Rechtsabteilung € der Verletzte einer wettbewerblichen Handlung nicht gehalten ist, gegen den Verletzer generell aus Kostengründen selbst vorzugehen. Wenn aber eine externe Kanzlei eingeschaltet wird, obwohl die eigene Fachabteilung den Sachverhalt bereits aufgearbeitet hat, kann auch dies ein Indiz dafür darstellen, dass die Schaffung von Kosten ein nicht unwesentlicher Antriebsfaktor war. Im Rahmen der bei § 8 Abs. 4 UWG vorzunehmenden Gesamtabwägung ist zu berücksichtigen, ob das eingesetzte Mittel verhältnismäßig, insbesondere erforderlich war. Insoweit ist € auch wenn daraus allein noch keine allgemeine Pflicht, auf externen Rechtsrat zu verzichten, abgeleitet werden kann € jedenfalls festzustellen, dass vorliegend gegenüber einer sofort dem Anwalt übertragenen Abmahnung als milderes Mittel die Möglichkeit eines direkten Anschreiben von Seiten der bereits befassten klägerischen Rechtsabteilung zur Verfügung gestanden hätte.

d. Die in die eigene Gegenabmahnung aufgenommenen Vorwürfe sind zwar nicht unerheblich i.S.v. § 3 UWG, liegen aber klar im unteren Bereich der denkbaren wettbewerblichen Beeinträchtigungen. Bei realistischer Betrachtung wird keine der AGB-Klauseln, zu deren Abänderung der Beklagte sich in der von der Klägerin zu 1) als ausreichend akzeptierten Erklärung vom 6.6.2007 verpflichtete (vgl. Anlage LSG 8) im Zeitpunkt ihrer Gültigkeit eine spürbare Wettbewerbsverzerrung verursacht haben, dergestalt dass Kunden in nennenswertem Umfang zu Unrecht auf ihnen eigentlich zustehende Rechte verzichteten. Eine wesentliche Wettbewerbsverzerrung wäre durch diese Klauseln daher auch für die Zukunft kaum zu befürchten gewesen.

82e. Das Rechtsinstitut des Rechtsmissbrauchs, in seiner speziellen Ausgestaltung in § 8 Abs. 4 UWG, darf nicht dazu führen, dass derjenige, dem unlauteres Verhalten vorgeworfen wird, gleichartiges Verhalten seines Konkurrenten hinnehmen müsste. Der Gesetzgeber hat jedoch mit der Aufnahme des Regelbeispiels, €wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen€ entschieden, dass die Geltendmachung von Ansprüchen dann zurückstehen muss, wenn sie nur als Mittel zum Zweck eingesetzt wird. Dies ist dann der Fall, wenn nicht die Erzwingung lauteren Verhaltens, sondern die Generierung eines Kostenersatzanspruchs im Vordergrund steht, der dann als Verteidigungsmittel gegen die eigene Inanspruchnahme dienen soll. Zur Abgrenzung, wann die legitime Verfolgung wettbewerblicher Interessen und wann nur die unbillige Erzielung eines Kostenersatzanspruchs als Kampfmittel im Vordergrund steht, ist nach Auffassung der Kammer auf das bisherige Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien und die Art der konkret gegenseitig gerügten Verstöße abzustellen:

83i. Stehen die Parteien in einem direkten Wettbewerb, in dem sie das gegenseitige Verhalten regelmäßig beobachten und neue Wettbewerbsverletzungen zeitnah gegenseitig rügen, stellt dies ein Indiz dafür da, dass eine Abmahnung, auch wenn ihr eine Abmahnung des Konkurrenten vorausgegangen war, vorrangig im Interesse der Durchsetzung eines fairen Wettbewerbs ausgesprochen wurde.

84ii. Sofern dies nicht der Fall ist, kann ein Indiz für die vorrangige Verfolgung legitimer wettbewerblicher Interessen daraus gezogen werden, dass die Gegenabmahnung ein gleichartiges und gleichgewichtiges Verhalten wie die Abmahnung zum Gegenstand hat. Zwar greift der Einwand der €uncleen hands€ gegen die Abmahnung selbst nicht durch; dafür liegt es bei einer Gegenabmahnung betreffend solche gleichartigen Verstöße nahe, dass es dabei auch vornehmlich um deren Beseitigung und nicht allein um die Erlangung des Kampfmittels Kostenersatzanspruch geht.

85iii. Liegen beide oben genannten Indizien nicht vor, spricht € jedenfalls solange die Gegenabmahnung nicht besonders grobe andersartige Verstöße betrifft € alles dafür, dass die dort gerügten Verstöße lediglich als Vehikel zur Generierung eines Kostenersatzanspruchs benutzt wurden, der als Kampfmittel gegen die eigenen Inanspruchnahme in Stellung gebracht werden kann. In diesem Fall greift die gesetzgeberische Grundentscheidung durch, die ihren Ausdruck im Regelbeispiel des § 8 Abs. 4 UWG gefunden hat.

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin zu 1) mit ihrer Gegenabmahnung gegen einen sie offenbar abstrakt nicht interessierenden, ihr bislang sogar gänzlich unbekannten Mitbewerber vorgegangen und rügt dabei Verstöße, die keinen Bezug zu dem ihr selbst vorgeworfenen Verhalten haben. Die von ihr als verletzt gerügten Regeln dienen zudem vorrangig dem Verbraucherschutz und haben nur als Reflex hieraus auch wettbewerberschützenden Charakter. Eine wesentliche Wettbewerbsverzerrung geht von ihrer Verletzung nicht aus. Vor diesem Hintergrund steht das Gebührenerzielungs-/Kostenbelastungsinteresse der Klägerin klar im Vordergrund. Die Herstellung lauterer Wettbewerbsverhältnisse bildet allenfalls ein Nebenmotiv. Wie der Gesetzgeber durch die Formulierung €wenn sie vorwiegend dazu dient€ in § 8 Abs. 4 UWG klar gestellt hat, räumen derartige (stets begründbare) Nebenmotive den Mißbrauchseinwand nicht aus.

f. Bei Abwägung all dieser Umstände, ist im Ergebnis € auch angesichts des eher geringen Angriffsfaktors des Beklagten im Vergleich zur Stellung der Klägerinnen € die Geltendmachung der klägerischen Ansprüche im Schreiben vom 30.05.2007 als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen.

II.

Die zulässige Widerklage ist nur in ihren Ziffern I. € III. teils voll (Ziffer I.), teils überwiegend (Ziffer. II. und III.) begründet, in Ziffer IV. dagegen unbegründet.

1. Die Widerklage ist in ihrer Ziffer I. zulässig und begründet.

Wie oben unter I.1 im Einzelnen ausgeführt, steht dem Beklagten der insoweit verfolgte Unterlassungsanspruch zu, da die Werbung der Klägerinnen mit einer nicht existierenden €Energieeffizienzklasse A Plus€ irreführend und damit unlauter war.

2. Die Widerklage ist in ihren Ziffern II. und III. zulässig, aber nur teilweise begründet; sie war daher insoweit zum Teil abzuweisen.

Der Beklagte kann Ersatz der Kosten der Abmahnungen verlangen, dies allerdings nur in Höhe von jeweils einer 1,3-Gebühr aus 30.000,- €.

a. Die Kostenerstattungspflicht ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.

b. Die Fertigung beider Abmahnungen stellen jeweils eine Angelegenheit i.S.v. § 15 Abs. 1 und 2 RVG dar.

Zur Abgrenzung, ob gebührenrechtlich vom Vorliegen einer oder zweier Angelegenheiten auszugehen ist, kommt es nicht allein auf den Umstand an, dass der Auftrag zur Verfolgung beider Klägerinnen dem Beklagtenvertreter unbestritten am selben Tag erteilt worden war und die beiden Abmahnschreiben weitgehend wortgleich sind.

Zwar stellt dies ein Indiz für das Vorliegen einer einheitlichen Angelegenheit dar, die angenommen werden könnte, wenn der Konnex zwischen den beiden separaten Internetauftritten der Klägerinnen und deren konzernrechtliche Verflechtung dem Beklagten entweder bekannt gewesen oder für ihn bei aufmerksamer Betrachtung jedenfalls nahegelegen hätte.

Denn neben einem einheitlichen Auftrag (der hier den beiden Schreiben vom 30.04.2007 vermutlich vorausging und der möglicherweise auch noch das Vorgehen gegen einen dritten Wettbewerber umfasste, vgl. die parallel gelagerte einstweilige Verfügung des LG Dresden vom 14.05.07, Az. 41 O 1313/07, Anlage B6) ist auch das Vorliegen eines einheitlichen Lebensvorgangs zu fordern (siehe Hartmann, Kostengesetze, 34. Auflage, 2004, Rdnr. 14 zu § 15 RVG). Hierfür genügt die zeitgleich getroffene Entscheidung, gegen verschiedene Wettbewerber vorzugehen, die jeweils ähnliche Wettbewerbsverstöße begangen haben, nicht, wenn zwischen den einzelnen Verstößen kein weitergehender Konnex besteht.

Letzteres könnte zwar der Fall sein, wenn mehrere Webauftritte erkennbar miteinander in einer Weise verknüpft sind, dass ein und dasselbe Angebot automatisch auf den Seiten mehrerer Anbieter eingestellt wird (wie dies bei content-magagement-Sytemen der Fall ist, die z.B. manche Strukturvertriebe einsetzen, die ihren €Vertriebspartnern€ eigene Webseiten zur Verfügung stellen, die aber zentral €befüllt€ werden).

Im vorliegenden Fall weist für einen Außenstehenden aber nur die Verwendung desselben Fotos und eines weitgehend übereinstimmenden Werbetextes für eine derartige zentrale Steuerung der Inhalte auf den beiden Webseiten der Klägerinnen hin. Die Gestaltung der Seiten insgesamt, die räumliche Aufteilung des Textes und teilweise auch die Textverteilung, sowie Unterschiede bei Zusatz-Features (z.B. Ratenzahlungsrechner) sprechen aber gegen eine auf den ersten Blick nahe liegende zentrale Steuerung über ein content-magagement-Sytem o.ä.. Da auch nicht dargetan ist, dass der Beklagte die Zusammenarbeit der Klägerinnen bei ihren Angebotsplattformen und die zwischen ihnen bestehende konzernrechtliche Verknüpfung aus anderer Quelle positiv kannte, kann trotz einheitlichen Auftrags zum Vorgehen gegen die vermeintlich selbständigen Verletzer nicht von einer einheitlichen Angelegenheit ausgegangen werden. Diese müsste im übrigen sonst sämtliche Aufträge vom 30.04.07 betreffend parallele Fallgestaltungen, also womöglich auch das Vorgehen gegen den dritten Wettbewerber beim LG Dresden (s.o.) umfassen.

c. Der fehlende Nachweis der Zahlung führt nicht dazu, dass der Beklagte auf einen Freistellungsanspruch zu verweisen wäre, da € wie zwischenzeitlich höchstrichterlich entschieden ist € in Fällen, wie dem vorliegenden, in denen der Schuldner die Leistung endgültig verweigert hat, ein direkter Zahlungsanspruch angenommen werden kann, vgl. BGH NJW 2004, 1868, 1869.

d. Die Widerklage war in Ziffer II. und III. aber teilweise abzuweisen, da für die Tätigkeit des Beklagtenvertreters mangels weitergehender Erläuterungen jeweils nur eine 1,3-Gebühr aus dem (im Ergebnis nicht zu beanstandenden) Streitwert von 30.000,- angesetzt werden kann, so dass die Widerklage insoweit nur je in Höhe von € 1.196,43 begründet ist.

Eine höhere Geschäftsgebühr als 1,3 kann nach Vergütungsverzeichnis Nr. 2400 zu § 2 Abs. 2 RVG nur gefordert werden, €wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war€. Insoweit fehlt es an entsprechender Darlegung seitens des Beklagten, der umgekehrt genau diesen Umstand bei der Gegenabmahnung durch die Klägerin zu 1) rügt (vgl. Schriftsatz vom 26.09.07, Seite 8 unten = Bl. 54 d.A.). Daher bleibt es mangels weitergehender Begründung lediglich bei der Möglichkeit, die Mittelgebühr von 1,3 anzusetzen, die dem Ausspruch im Tenor zugrunde liegt.

3. Die Widerklage war in Bezug auf ihre Ziffer IV. als unbegründet abzuweisen.

Auf die beantragte negative Feststellung hinsichtlich einzelner Punkte, in denen das Gegenabmahnschreiben der Klägerin zu 1) vom 30.05.07 (LSG 6) über die vom Beklagten schließlich abgegebene Unterlassungserklärung (LSG 8) hinausgeht, besteht kein Anspruch, da die Klägerin sich dieser Rechte nicht explizit berühmt hat.

Insoweit ist der Argumentation der Klagepartei beizupflichten, dass der Gegenstand des Gegenabmahnschreibens insgesamt durch die Annahme der Unterlassungserklärung des Beklagten vom 06.06.2007 im klägerischen Schreiben vom 11.06.2007 (Anlage LSG 8) beigelegt wurde. Auch wenn die Klägerin es sich offenbar nicht nehmen lassen kann, in bestimmten Punkten nochmals ihre Rechtsauffassung zu vertreten, kann aus dem Schreiben vom 11.06.2007 nicht geschlossen werden, dass sie den Beklagten über die von ihm abgegebene und von ihr angenommene Erklärung hinaus weiter in Anspruch nehmen will. Denn das Schreiben enthält weder weitere Forderungen noch Fristsetzungen oder ähnliche Anhaltspunkte, aus denen der Schluss hätte gezogen werden können, dass die Klägerin zu 1) neben dem mit dem Beklagten durch die explizite Annahme seiner Unterlassungserklärung geschlossenen Unterlassungsvertrag weitere noch offene Ansprüche geltend machen will.

Auf die Tatsache, dass einige der in den Feststellungsantrag aufgenommenen Punkte so aus dem Gesamtzusammenhang der Abmahnung vom 30.05.2007 gerissen wurden, dass eine derartige Rechtsberühmung schon diesem Schreiben nicht zu entnehmen war, kommt es daher im Ergebnis nicht mehr an.

III. Nebenentscheidungen:

Zinsen: §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB.

Nach §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 187 BGB können Zinsen erst ab dem 8.5.2007 gefordert werden.

Kostenentscheidung: §§ 92, 100 ZPO.

Streitwert: §§ 3, 5 ZPO, 3, 38 ff. GKG.

Beschluss:

Der Streitwert des Verfahrens wird auf € 79.133,46 festgesetzt. Hiervon entfallen auf den Klageantrag I und den parallel gelagerten Widerklageantrag I € 60.000,-, auf den Klageantrag II und die parallel gelagerten Widerklageanträge II und III € 2.753,66. Auf den Klageantrag III entfallen € 1,379,80 und auf den Widerklageantrag IV € 15.000,-.






LG München I:
Urteil v. 16.01.2008
Az: 1HK O 8475/07, 1HK O 8475/07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3de6ebf1b2d6/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_16-Januar-2008_Az_1HK-O-8475-07-1HK-O-8475-07




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