Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 7. Oktober 2003
Aktenzeichen: 11 U 53/99
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 07.10.2003, Az.: 11 U 53/99)
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14.05.1999 wird - soweit hierüber nicht bereits durch Teilanerkenntnisurteil vom 22. August 2000 entschieden ist - mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kläger Auskunft und Rechnungslegung (Antrag II. und III.) bezüglich der Druckschrift A 7/96 (Antrag I.3.) für die Zeit bis 28.4.2000 zu erteilen hat.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers hinsichtlich des Antrags zu I 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 76.693,78 €, hinsichtlich des Antrags zu I 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.225,83 €, hinsichtlich des Antrags zu IV gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.782,30 € und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,- €, abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der Kläger ist ein 1967 gegründeter, eingetragener Verein, dessen satzungsgemäßer Zweck u.a. die Unterstützung Alkoholkranker und die Bekämpfung des Alkoholmissbrauchs ist. Er bezeichnet sich als offizielle Vertretung und Dachorganisation der "..." (AA) in Deutschland. Dachorganisation für die weltweiten Aktivitäten der "..." ist AA-World-Services Inc.(AAWS), New York. Die weltweite AA-Organisation vertreibt auch Literatur, u.a. das erstmals 1939 in den USA erschienene Buch "A.A.", das in deutscher Sprache von dem Kläger unter dem Titel "Anonyme Alkoholiker" vertrieben wird. Kernstück ist ein in 11 Kapitel eingeteilter Text, der nach Behauptung des Klägers von dem Mitbegründer der AA, X Y, verfasst wurde und in dessen ersten Kapitel "X Geschichte" die Lebensgeschichte von X Y erzählt wird.
X Y hat die Erstausgabe von "A.A." 1939 unter seinem eigenen Namen beim Copyright-Office in Washington angemeldet, wo das Buch unter der Nummer 128036 registriert wurde (K 27, GA 337), und die ihm zustehenden Rechte an dem Bericht "A.A." sowie an seiner Copyright-Registrierung am 20.06.1940 an Works Publishing Inc. abgetreten (K 28, GA 339).1963 hat Wilson einen Verlagsvertrag mit AAWS als Rechtsnachfolgerin von Works Publishing geschlossen (K 29, GA 340).X Y verstarb 1971.
Die Parteien streiten um die Rechte an den Kapiteln 1 - 11 dieses Buches. Die von dem Kläger vertriebene deutsche Ausgabe enthält die 1973 entstandene Übersetzung eines Literaturteams (sog. Zweites Literaturteam).
AAWS ist auch Herausgeber der in den USA erscheinenden Druckwerke "€" und "€" (K 10 und K 11).
Der Beklagte ist langjähriger Anonymer Alkoholiker und Mitglied einer Selbsthilfegruppe "Big book study group (BBSG)". Er betreibt u.a. einen Verlag und verbreitet ein Buch mit dem Titel: "Das blaue Buch" (Anlage K 1). In diesem Buch sind die Kapitel 1 - 11 (Seiten 1 bis 192) des von dem Kläger vertriebenen Titels "Anonyme Alkoholiker" weitestgehend abgedruckt.
BBSG stellt her und vertreibt ebenfalls die Druckschrift "A 11/95". Auf den Seiten 2 - 33 dieser Druckschrift ist "X's Geschichte" in vier Spalten abgedruckt, deren erste eine englische Fassung und die Spalten zwei bis vier von verschiedenen Übersetzern erstellte deutsche Fassungen des Textes wiedergeben. In der von der BBSG herausgegebenen Druckschrift A 7/96 sind die Bildergeschichten "Too young" und "It happened to Alice" in deutscher Übersetzung mit den Titeln "Zu jung" und "Was mit Anja geschah" wiedergegeben (Anlagen K 2 und K 3). In seinem Katalog vom Mai 1997 (Anlage K 15) bot der Beklagte "Das blaue Buch" (K 1) an. Auf einem Treffen der ... in Bremen im Mai 1996 verteilte er an einem Stand der BBSG sowie im Mai 1997 auf einer Veranstaltung in Bad Herrenalb Exemplare dieses Buches. Er veröffentlichte auch die Druckschrift A 11/95 und übersandte dem Kläger im Juli 1996 ein Exemplar der Druckschrift A 7/96.
Der Kläger nimmt den Beklagten aus eigenem Recht, hilfsweise in Prozessstandschaft für AAWS auf Unterlassung des Vertriebs und Auskunftserteilung in Anspruch.
Der Kläger hat vorgetragen, X Y habe die ersten 11 Kapitel von "A.A." allein verfasst. Sämtliche Dokumente, die das Buch beträfen, wiesen ihn als alleinigen Urheber aus. AAWS habe ihm - dem Kläger - vor vielen Jahren das ausschließliche Recht zur Herstellung und Verbreitung des Buches eingeräumt. Er, der Kläger, habe den Text der Originalausgabe ins Deutsche übersetzen und von AAWS genehmigen lassen und dann im deutschsprachigen Raum verbreitet. Das Buch werde von ihm seit über 20 Jahren angeboten. Am 26.08.1996 sei dann eine schriftliche Lizenzvereinbarung zwischen AAWS und ihm, dem Kläger abgeschlossen worden (K 13, GA 170). Weiter hat der Kläger behauptet, die Mitglieder des zweiten Literaturteams hätten ihre Rechte an der Übersetzung auf ihn, den Kläger, übertragen.
AAWS habe ihm, dem Kläger, auch die ausschließliche Erlaubnis zur Herstellung und Verbreitung einer deutschen Auflage der Zeichengeschichten "Too young" und "It happened to Alice" eingeräumt. Die Autoren bzw. Illustratoren hätten ihre Rechte auf AAWS übertragen. Er, der Kläger, beabsichtige, die deutschen Ausgaben gemäß Anlage K 10, 11 zu veröffentlichen.
Der Kläger hat beantragt,
I.
Dem Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von DM 5,- bis DM 500.000,-, an dessen Stelle im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten,
1.
die Druckschrift gemäß Anlage K 1 mit dem Titel "Das Blaue Buch" zu verbreiten, sofern darin der Seiten 1 bis 192 abgedruckte Text enthalten ist;
2.
die Druckschrift gemäß Anlage K 2 mit dem Titel "A 11/95" herzustellen und/oder zu verbreiten, sofern auf den Seiten 2 bis 33 dieser Druckschrift Kapitel 1 mit der Überschrift "X's Geschichte" in 3 unterschiedlichen deutschen Fassungen wiedergegeben ist;
3.
die Druckschrift gemäß Anlage K 3 mit dem Titel "A 7/96" zu verbreiten, sofern darin die Bildergeschichten "Zu jung€" und "Was mit Anja geschah ..." wiedergegeben sind.
II.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über die Herkunft und den Vertriebsweg der von ihm verbreiteten Druckschriften gemäß Ziffer I 1 bis 3 des Klageantrags unter Angabe des Namens und der vollständigen Anschrift der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Vervielfältigungsstücke sowie der Menge der vom Beklagten bezogenen Druckschriften.
III.
Der Beklagte wird verurteilt, Auskunft zu erteilen über den Umfang der Verbreitung der Druckschriften gemäß Ziffer I 1 bis 3 des Klageantrags durch Vorlage einer Aufstellung, die nach Titel und Anzahl der pro Quartal verbreiteten Druckschriften gegliedert ist.
IV.
Der Beklagte wird verurteilt, sämtliche in seinem Besitz befindlichen Exemplare der Druckschriften gemäß Ziffer I 1 bis 3 des Klageantrags an einen vom Kläger zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass X Y Verfasser der ersten 11 Kapitel von "A.A." sei. Das Werk sei das Produkt eines Autorenteams. X Y habe keine Zeile des "Blauen Buches" geschrieben, sondern lediglich seine eigene Geschichte den Autoren des Werkes erzählt, die sie dann niedergeschrieben hätten.
Frau H. habe in den 30-er Jahren die Erlebnisse und Texte einer Gruppe anonymer Alkoholiker gesammelt und sie gemeinsam mit P. sowie unter Mithilfe von X Y niedergeschrieben. Dieser Text sei dann ca. 40 Mitgliedern der ... in Cleveland und Akron zur Durchsicht und Ergänzung zur Verfügung gestellt worden. Deren Texte und Ergänzungen seien ebenfalls in das Werk eingeflossen. Die redaktionelle Arbeit und das Verfassen der Texte habe Frau H. besorgt.
Der Kläger, so hat der Beklagte weiter ausgeführt, könne aus diesen Gründen keine Nutzungs- und Übersetzungsrechte von AAWS ableiten, da die Rechtekette Wilson - AAWS unvollständig sei. Im Übrigen regele, so hat der Beklagte gemeint, der Vertrag zwischen Wilson und AAWS vom 29.04.1963 allenfalls die Herstellung und Verbreitung englischsprachiger Vervielfältigungsexemplare in den USA, nicht hingegen Übersetzungsrechte.
Es widerspreche Sinn und Zweck der Gemeinschaft, Rechte an dem Buch zu monopolisieren.
In dem "Blauen Buch" werde Schritt für Schritt beschrieben, wie ein Alkoholsüchtiger in der Gemeinschaft mit anderen und durch Arbeit an sich selbst seine Sucht besiegen könne. Das wichtigste Hilfsmittel sei "Das blaue Buch". Dieses solle nach dem Willen der Mitglieder deshalb jedem, der von seiner Alkoholsucht freikommen wolle, zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt werden.
Weiter hat der Beklagte vorgetragen, "A.A." sei in den USA niemals urheberrechtlich geschützt gewesen, da die ersten 400 Vervielfältigungsstücke ohne Copyright -Vermerk verbreitet worden seien.
In der Druckschrift "A 11/95" sei die Übersetzung des zweiten Literaturteams, an welcher der Kläger Vertragsrechte innehaben wolle, nicht enthalten. Die Mitglieder des Literaturteams hätten, so der Beklagte, dem Kläger die Nutzungsrechte an der Übersetzung auch nicht übertragen.
Schließlich hat der Beklagte die Rechte-Inhaberschaft des Klägers an den Zeichengeschichten "Too young" und "It happened to Alice" bestritten.
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme (GA 412 f; 463 ff.)stattgegeben. Wegen der Begründung wird auf die erstinstanzliche Entscheidung von 14.05.1999 (GA 656 - 670) Bezug genommen.
Gegen das ihm am 26.05.1999 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 28.06.1999 - einem Montag - Berufung eingelegt und diese innerhalb der entsprechend verlängerten Frist am 30.08.1999 begründet.
Der Beklagte trägt vor:
Das Landgericht sei zu Unrecht von der Autorenschaft X Y's und einem fortbestehenden Urheberschutz an dem streitgegenständlichen Werk in Deutschland ausgegangen.
Er, der Beklagte, habe die klägerische Behauptung der alleinigen Urheberschaft X Y's substantiiert erschüttert und die Zeugin S. ausfindig gemacht. Das Landgericht habe den Beweisantritt verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert übergangen.
Dass X Y das Werk als sein eigenes beim Copyright-Office angemeldet habe, besage nichts über die tatsächliche Autorenschaft. Das Copyright-Office prüfe nicht die Urheberschaft eines Autors, sondern trage denjenigen ein, der anmelde. Wie großzügig man bei AAWS mit Copyright-Eintragungen umgehe, zeige der Umstand, dass der ehemalige Vorstandsvorsitzende der AAWS, W., als angeblicher Autor in das Copyright-Register von Mexiko eingetragen worden sei.
Auch der Umstand, dass kein Widerspruch gegen die Copyright-Registrierung eingelegt worden sei, belege in keiner Weise die Urheberschaft Y's. Das Werk sei in den USA und der ganzen Welt seit Jahrzehnten gemeinfrei, so dass sich die Frage nach der Urheberschaft - zumindest außerhalb Deutschlands - nicht mehr stelle. Dass X Y die Verwertungsrechte auf Works Publishing Inc. übertragen habe, sei urheberrechtlich ohne Belang, weil niemand mehr Rechte übertragen könne, als ihm selbst zustehen. Die vom Landgericht zugunsten des Klägers gewürdigten Indizien belegten deshalb in keiner Weise die Urheberschaft X Y's. Nach Benennung der Zeugin S. sei auch nicht mehr auf die Vermutungsregelung des § 10 UrhG abzustellen.
Aufgrund der Vorabveröffentlichung von 400 Exemplaren des Werkes ohne Copyright-Vermerk sei das Werk in den USA von Anfang an gemeinfrei und dementsprechend bei Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes von 1965 in Deutschland nicht geschützt gewesen. Jedenfalls seien die Rechteübertragungen X Y's mangels in den USA bestehender Schutzrechte ins Leere gelaufen.
Dem Kläger stünden, so hat der Beklagte zunächst gemeint, allenfalls Rechte an der in dem Buch "Anonyme Alkoholiker" enthaltenen Übersetzung des zweiten Literaturteams zu. Die urheberrechtliche Position des Klägers beschränke sich damit ausschließlich auf die Geltendmachung und Durchsetzung von Nutzungsrechten an der deutschsprachigen Übersetzung des Werkes in exakt derjenigen Form, in der sie in dem Buch "Anonyme Alkoholiker" im Verlag des Klägers erschienen sei. Die Übersetzung entspreche aber weder der in dem "Blauen Buch" enthaltenen, noch den in "A 11/95 abgedruckten Übersetzungen.
Die Übersetzungen in dem von ihm vertriebenen "Das blaue Buch" und dem vom Kläger vertriebenen Buch "Anonyme Alkoholiker" unterschieden sich deutlich, zumal ihnen unterschiedliche englischsprachige Quellentexte zugrunde lägen.
Der Kläger habe nicht beweisen können, dass ihm ausschließliche Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an der Übersetzung des zweiten Literaturteams übertragen worden seien.
Auskunfts- und Schadensersatzansprüche des Klägers bestünden jedenfalls nicht, weil ihm, dem Beklagten, schuldhaftes Handeln nicht vorzuwerfen sei. Er habe nämlich von dritter Seite die Auskunft erhalten, dass aufgrund des anzustellenden Schutzfristenvergleichs "A.A." auch in Deutschland nicht mehr geschützt sei.
Eine Anwendung des USA-Abkommens von 1892 auf Werke, die in den USA zu keinem Zeitpunkt urheberrechtlichen Schutz genossen, verbiete sich. Das 1939 in den USA erstveröffentlichte Werk sei spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1989 auch in Deutschland gemeinfrei geworden.
Hinsichtlich der Bildgeschichten "Too young€" und "It happened to Alice" hat der Beklagte Ansprüche des Klägers zunächst ebenfalls bestritten. Nachdem der Kläger eine ergänzende Lizenzvereinbarung mit AAWS Inc. vom 17. April 2000 vorgelegt hat, hat er den Unterlassungsantrag insoweit anerkannt.
Der Beklagte beantragt nunmehr,
das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, die Zeugin S.-W. sei durch zahlreiche andere Äußerungen und Beweismittel widerlegt. Die schriftliche Aussage der Zeugin stehe im Widerspruch zu den Schilderungen aller anderen Personen, die die Entstehung des Werkes miterlebt hätten und im Widerspruch zu ihren eigenen Angaben in einem früheren Buch. Er beruft sich ergänzend auf weitere Dokumente als Beleg für die Urheberschaft X Y's (K 76, K 77). Aus den vorgelegten Schriftstücken ergebe sich, so meint der Kläger, die alleinige Urheberschaft X Y's. Ergänzend weist er auf Bücher von R. (K 43) über "A.A." und der Witwe X Y', in welchem diese die Entstehung des streitgegenständlichen Werkes schildere(K 49), hin. Auch die Sekretärin X Y's, H., habe sich in einem maschinen-schriftlichen Brief an X Y 1955 zu der Entstehung des Buches "A.A." geäußert (K 57).
Alle bekannten schriftlichen Zeugnisse schilderten die Entstehungsgeschichte des Buches in der gleichen Weise. X Y habe danach den Text selbst verfasst, indem er ihn zuerst in handschriftlichen Aufzeichnungen und Notizen entwarf und dann beim Diktieren in eine Form gebracht habe, die später von ihm korrigiert und überarbeitet worden sei. Dass er dabei die Anregungen Dritter mitverarbeitet habe, berühre seine alleinige Urheberschaft nicht. Auf die von dem Kläger zur Akte gereichten Anlagen K 57, K 58, K 59 wird Bezug genommen.
Niemand habe seither die Autorenschaft X Y's bezweifelt. Für dessen Autorenschaft spreche die Anmeldung beim Copyright-Office, die mit der Gemeinschaft der AA geschlossenen Verlagsverträge und der Umstand, dass die Gemeinschaft an ihn das übliche Autorenhonorar gezahlt habe. Ergänzend bezieht sich der Kläger zum Beweis für die Urheberschaft Y's auf ein textvergleichendes Sachverständigengutachten.
Dem Urheberrechtsschutz des Werkes stehe nicht entgegen, dass vor Veröffentlichung des Buches einige Exemplare ohne Copyright-Vermerk verbreitet worden seien. Die Verbreitung sei unentgeltlich erfolgt, weshalb sie keinen Einfluss auf den urheberrechtlichen Schutz des Werks in den USA habe. Die Frage der Vorveröffentlichung in den Vereinigten Staaten ohne Copyright-Vermerk sei, so meint der Kläger, rechtlich aber auch unerheblich, weil sie keinen Einfluss auf die Schutzfähigkeit des Werkes nach deutschem Recht habe.
In jedem Falle genieße das streitgegenständliche Werk Schutz über § 137 f. Abs. 2 Satz 1 UrhG, weil es zum 1. Juli 1995 noch mindestens in drei Ländern der europäischen Union, nämlich Italien, Luxemburg und Portugal, Urheberrechtsschutz genossen habe. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 23.06.2003 (GA 1249 ff.) Bezug genommen.
Im Hinblick auf die umfassende Lizenzeinräumung durch AAWS sei, so meint der Kläger weiter, unerheblich, ob sich die von den Parteien verbreiteten Übersetzungen deutlich unterschieden. Ihm, dem Kläger, stünden aber Ansprüche auch wegen Verletzung seiner Rechte an der deutschen Übersetzung des zweiten Literaturteams zu. Die Rechte an der Übersetzung seien von den Übersetzern auf ihn, den Kläger, übertragen worden.
Seiner Klage, so meint der Kläger, müsse deshalb in vollem Umfang selbst dann stattgegeben werden, wenn der Beklagte nur die Rechte an der deutschen Übersetzung verletzt habe. Diese Ansprüche seien schon deshalb begründet, weil der Beklagte - wie er selbst eingeräumt habe - 28 % der deutschen Ausgabe des Klägers unverändert in sein Buch übernommen habe.
Die Texte stimmten ungeachtet dessen jedenfalls zu 77 % überein.
Die Anmeldung des Copyrights für das streitgegenständliche Buch in Mexiko habe keinen Einfluss auf den vorliegenden Prozess.
Der Senat hat am 22.08.2000 Teilanerkenntnisurteil erlassen und im Übrigen beschlossen, die Zeuginnen S. sowie (gegenbeweislich) die Zeugin B. im Wege der Auslandsrechtshilfe zu vernehmen (GA 932 - 934). Die Zeugin S. ist vor Durchführung der Beweisaufnahme verstorben.
Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
I. Der Kläger kann von dem Beklagten verlangen, die Verbreitung des Titels "Das blaue Buch" und der Ausgabe "A 11/95" zu unterlassen, sofern darin die Übersetzung der Kapitel 1 -11 des Werks "A.A." und die Erzählung "X's Geschichte" - wie in den Unterlassungsanträgen I. 1. und 2. wiedergegeben - enthalten sind (§ 97 Abs. 1 UrhG).
1.) Das streitgegenständliche Werk genießt in der Bundesrepublik Deutschland Urheberrechtsschutz.
a)Nach dem Übereinkommen zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Januar 1892 genießt das Werk eines amerikanischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland Urheberrechtsschutz nach inländischem Recht unabhängig davon, ob dieses Werk in den Vereinigten Staaten als dem Ursprungsland noch urheberrechtlich geschützt ist (BGHZ 70,268, 270 - Buster Keaton Filme; BGH GRUR 1978 302, 303 f. - Wolfsblut). Den Angehörigen der Vereinigten Staaten wird nach dem Abkommen vom 15.01.1892, das in seinem Fortbestand durch die Weltkriege unberührt geblieben ist (Deutsches Gesetz vom 18. Mai 1922, RGBl. II 129 und Proklamation des Präsidenten der USA vom 25.05.1992; Notenwechsel vom 06.02.1950 und 20.06.1950, Text: GRUR 1950, 414) Urheberrechtsschutz nach inländischem Recht gewährt, und zwar für alle Werke, die Inländern nach Inlandsrecht geschützt wären (Allfeld, Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst, 2. Auflage Anm. 1 zu Art. 1 des Übereinkommens).
Vor Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens (WUA) vom 6. September 1952 war in Deutschland anerkannt, dass für die Werke der amerikanischen Staatsangehörigen Inlandsschutz unabhängig von einem Vergleich der Schutzfristen in den Vereinigten Staaten und in Deutschland zu gewähren war. Es war daher auch unerheblich, ob ein Werk in den USA Copyright - Schutz genoss.
Das Welturheberrechtsabkommen (WUA), das für die Vereinigten Staaten und für die Bundesrepublik Deutschland in der Fassung von 1952 am 16. September 1955 in Kraft getreten ist, hat den Inlandsschutz unberührt gelassen.
Zwar haben, wenn die Bestimmungen eines zweiseitigen Abkommens von den Bestimmungen des Welturheberrechtsabkommens abweichen, letztere Bestimmungen nach Art. XIX Satz 2 WUA Vorrang. Eine solche Abweichung liegt vor. Nach dem Welturheberrechtsabkommen (Art. IV in Verbindung mit Art. II) bemisst sich die Schutzfrist nach Inlandsrecht, doch ist nach Art. IX 4 WUA kein Vertragsstaat verpflichtet, einem Werk einen längeren Schutz zu gewähren, als es für Werke dieser Art in dem Vertragsstaat, in dem das Werk erstmals veröffentlicht worden ist, festgelegt ist. Demgegenüber ist nach dem Übereinkommen vom 15.01.1892 für den Inlandsschutz ausschließlich die Schutzfristberechnung nach Inlandsrecht maßgeblich, ohne Rücksicht darauf, ob für das fragliche Werk in den Vereinigten Staaten noch Urheberrechtsschutz besteht.
Nach Art. XIX Satz 3 WUA bleiben die Rechte an einem Werk, die in einem Vertragsstaat vor Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens aufgrund bestehender Abkommen erworben worden sind, von dem nach Art. XIX Satz 2 WUA im Konfliktfall an sich bestehenden Vorrang des Welturheberrechtsabkommens indes unberührt. Aufgrund eines solchen Abkommens erworbene Rechte sind auch die aufgrund des Übereinkommens vom 15.01.1892 amerikanischen Urhebern an ihren Werken in Deutschland erwachsenen Urheberrechte. Die vor Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens vom 6. September 1952 (WUA) erworbene Rechtsposition ist von dem durch Artikel XIX Satz 2 WUA an sich angeordneten Vorrang des Welturheberrechtsabkommens gemäß dessen Artikel XIX Satz 3 unberührt geblieben. Der in Artikel IV Nr. 4 WUA, § 140 UrhG angeordnete Schutzfristenvergleich findet deshalb auf Werke keine Anwendung, die beim Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens aufgrund des Übereinkommens von 1892 im Inland urheberrechtlich geschützt waren. Die Schutzdauer im Inland richtet sich dabei nach inländischem Recht. Das bedeutet, dass das Recht in seinem bei Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens gesetzlich zugebilligten Bestand einschließlich der Schutzdauer erhalten blieb.
Unerheblich ist dafür, ob das streitgegenständliche Werk in den Vereinigten Staaten überhaupt jemals Urheberrechtsschutz genoss. Das in den USA erstmals 1939 - anonym - veröffentlichte Werk genoss bei Inkrafttreten des Welturheberrechtsabkommens deshalb eine Schutzfrist von 50 Jahren nach der Erstveröffentlichung (§ 31 LUG), die 1989 erloschen wäre.
b)Bei der Schutzfristverlängerung durch § 64 Abs. 1 UrhG, die nach § 129 Abs. 1 UrhG auch bereits bestehenden, noch geschützten Werken zugute kommen soll, ist dagegen ein Schutzfristenvergleich vorzunehmen (§ 140 UrhG). Das hat zur Folge, dass die Schutzfristverlängerung nach dem für die Schutzgewährung anzuwendenden Inlandsrechts den aufgrund des Welturheberrechtsabkommens bzw. aufgrund des bilateralen Übereinkommens von 1892 in Verbindung mit Art. XIX WUA geschützten Werken nur zugute kommt, soweit diese bei Inkrafttreten des Urheberrechtsgesetzes am 1. Januar 1966 noch nach Inlandsrecht geschützt waren und außerdem auch die Schutzfrist im Ursprungsland noch nicht abgelaufen war (BGH GRUR 1978 302, 304 - Wolfsblut).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Im Zeitpunkt der Schutzfristverlängerung gem. § 64 UrhG war das Werk - wie unter a) dargelegt - im Inland geschützt.
Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob das konkrete Werk in den Vereinigten Staaten noch urheberrechtlich geschützt war. Maßgeblich ist nur, ob für Werke der entsprechenden Gattung in den Vereinigten Staaten die Schutzfrist noch nicht abgelaufen war. Art. IV Abs. 4 WUA stellt beim Schutzfristenvergleich nicht auf die Schutzfrist für das konkrete Werk, sondern auf jene "für Werke dieser Art" ab. Wird beispielsweise ein Werk eines US-Amerikaners in den USA nicht geschützt, weil die dort notwendigen Förmlichkeiten nicht eingehalten wurden, kann über den Umweg des Schutzfristenvergleichs nicht auch der Schutz in den übrigen Vertragsstaaten versagt werden, denn die Schutzversagung in den USA bezieht sich auf den Einzelfall und nicht auf die gesamte Werkkategorie (Drexl, GRUR Int. 1990, 35, 41). Durch den Vergleich mit der im Ursprungsland geltenden Schutzdauer für Werke "dieser Art" wird einer Schutzversagung mit dem Argument vorgebeugt, das betreffende konkrete Werk sei im Ursprungsland zum Beispiel wegen Nichterfüllung der dort vorgesehenen Formalitäten nicht geschützt, so dass seine Schutzdauer null betrage (Schricker/Katzenberger, Urhebergesetz, 2. Auflage vor § 120 ff. Rn. 65, 133). Die Schutzdauer eines Werkes ist im Schutzland nur dann auf null zu reduzieren und der Schutz gänzlich zu versagen, wenn ein Werk seiner Art nach im Heimatstaat des Urhebers keinen Schutz genießt (Schricker/Katzenberger, a.a.O.; Drexl, a.a.O., Seite 41).
Danach hat der streitgegenständliche Titel an der Schutzfristenverlängerung gem. §§ 64 ff. UrhG einschließlich § 66 Abs. 2 UrhG teilgenommen. Nachdem X Y "auf andere Weise als Schöpfer des Werkes bekannt geworden ist" (§ 66 Abs. 2 Nr. 1 UrhG), berechnet sich die Dauer des Urheberrechts nach § 64 UrhG, so dass das Werk - wie bereits Prof. Dr. Katzenberger in seinem Gutachten vom 22.02.1999 überzeugend dargelegt hat - bis 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers Urheberrechtsschutz genießt.
2.) Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass X Y Autor des Textes "X's Geschichte" und der ersten 11 Kapitel des Buches "A.A." ist.
a)Der Senat folgt dem Landgericht hinsichtlich der Würdigung der vom Kläger für die Urheberschaft X Y' s angeführten Urkunden und Belege. Die vorgelegten Dokumente weisen X Y als Urheber der streitgegenständlichen Texte aus. Er meldete den Titel des Buches beim Copyright-Register in Washington an, wo das Buch einige Zeit später registriert wurde. Der Kläger hat durch die Vorlage der Abtretungsurkunde vom 26.06.1940 und des Vertrages vom 01.10.1942 auch schlüssig dargelegt, dass der Autor X Y die ihm zustehenden Rechte auf Works Publishing Inc. übertragen hat und AAWS Rechtsnachfolger von Works Publishing Inc. geworden ist. Zudem übertrug Wilson durch Vertrag vom 29.04.1963 seine Rechte ausdrücklich nochmals auf AAWS (GA 340 ff.).
Der Vortrag des Beklagten in der Berufungsinstanz führt zu keiner anderen Beurteilung.
aa) Allerdings hat das Landgericht den in das Wissen der Zeugin S. gestellten Vortrag des Beklagten zu Unrecht für widersprüchlich und unsubstantiiert gehalten. Der Beklagte hat einen möglichen abweichenden Geschehensverlauf aufgezeigt und in das Wissen der Zeugin gestellt. Dem Beweisantritt war deshalb nachzugehen.
Nachdem die Zeugin vor ihrer Einvernahme verstorben ist, kann ihre Aussage im Wege des Urkundsbeweises gewürdigt werden. Als Privaturkunde begründet die schriftliche Erklärung der Zeugin S.-W. den vollen Beweis dafür, dass die in ihr enthaltenen Erklärungen von der Ausstellerin abgegeben sind (§ 416 ZPO). Der Inhalt der schriftlichen Erklärung unterliegt der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO).
Die Erklärungen der Zeugin sind nicht geeignet, die schlüssige Indizienkette, die für die Urheberschaft X Y's spricht, zu erschüttern. Die Angaben der Zeugin, die eher vage und allgemein gehalten sind, erlauben keine zuverlässigen Schlüsse auf eine andere Autorenschaft. Auch nach der Behauptung des Klägers sind lediglich die Kapitel 1 - 11 des Buches "A.A." von X Y verfasst, während die übrigen Kapitel von anderen Autoren aus dem Kreis der ... stammen. Die Behauptung der Zeugin, das Schreiben des Buches sei eine gemeinsame Anstrengung der frühen Mitglieder der Gruppe, schließt deshalb die alleinige Autorenschaft einzelner Personen an einzelnen Kapiteln nicht notwendig aus. Dass die Zeugin S. nach über 60 Jahren in der Lage war, einzelne Kapitel bestimmten Autoren oder Autorengruppen zuzuordnen, erscheint eher zweifelhaft.
Allerdings hat die Zeugin ohne Einschränkung erklärt, X Y "sei in keiner Weise" Autor gewesen und habe auch nicht die ersten 11 Kapitel geschrieben. Erhebliche Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit dieser Angaben bestehen aber deshalb, weil sich die Zeugin insoweit nicht auf die Wiedergabe von Tatsachen beschränkt, sondern ihre Aussage deutlich subjektiv gefärbt und tendenziell gegen die Person X Y's gerichtet ist. Dabei entsteht der Eindruck, dass die Zeugin sich bemüht, die Bedeutung und den Einfluss seiner Person bei den ... herunterzuspielen und seine Person in Misskredit zu bringen. So führt sie aus: "Ich mache diese Bemerkungen um zu betonen, dass X Y's Rolle in der Entwicklung der AA Bewegung häufig überbewertet wurde, ja sogar bis zum Punkt des Personenkults verherrlicht wird. Dieser Personenkult vernebelt die wahren historischen Fakten und konnte zur absichtlichen Irreführung von Leuten herhalten, die sie an eine übersteigerte Sichtweise der Rolle X's bei der Gründung von AA glauben ließ ... Ich weiß, dass X Y in keiner Weise Autor von A.A. war, nur ein Promoter (Organisator, Verkaufsagent). Er selbst hat eingestanden, dass er mehr eine Art Vermittler als jemals ein Autor des Buches war. ... Ich glaube, da man das Copyright für die erste und zweite Ausgabe des Buches A.A. hat erlöschen lassen, egal ob aus Absicht, oder aus Unachtsamkeit, so sollte mit den geschriebenen Beiträgen X's für AA ebenso verfahren werden, damit sie Gemeingut sind ...". Er ... (B. Wilson) hat daher gesetzwidrig das Buch unter seinem eigenen Namen ... registrieren lassen ... X Y hat auch nicht die ersten elf Kapitel geschrieben. Was er schrieb, war eine langatmige Geschichte seines eigenen Lebens ... Dieses Schriftstück war so jämmerlich, dass es zur Benutzung im Buch nur in Frage kam, nachdem es J. vollständig neu geschrieben hatte..."... "Statt mit ihm zu streiten und X Y möglicherweise bloßzustellen, entschied sich mein Vater X für dessen hinterlistige Machenschaften nicht an den Pranger zu stellen €".
Schon diese Wortwahl weckt Zweifel daran, ob die Zeugin der Person X Y's unvoreingenommen gegenüber stand und inwieweit ihre Angaben die Ereignisse objektiv schildern oder auf einer subjektiv empfundenen Abneigung gegen X Y beruhen, die sich möglicherweise aus einer Konkurrenzsituation ihres Vaters mit X Y erklären könnte. Nicht auszuschließen erscheint dem Senat aber auch, dass ihr der Wortlaut der erkennbar auf den gesamten Prozessinhalt zugeschnittenen Aussage von dritter Seite nahe gelegt wurde.
Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die Aussage so erhebliche Bedenken, dass sie die Würdigung der sonstigen Beweismittel nicht in Frage zu stellen geeignet ist.
Bestärkt werden diese Zweifel noch, nachdem die Autorenschaft Y's in dem 1992 veröffentlichten Buch "Children of the Healer", das auf Interviews mit der Zeugin beruhen soll, völlig anders als in der schriftlichen Aussage der Zeugin dargestellt wird. Dort heißt es : "€ Es war zwar X Y, der die zwölf Schritte aufschrieb, aber sie sind letztlich die Formulierung des Programms, das er und Dr. B. zusammen mit A. S., Dr. B's Frau, ab 1935 entwickelt hatten."
...
Viele der persönlichen Geschichten wurden am Esszimmertisch in Dr. B's Haus aufgeschrieben. Sie wurden alle für das Buch gesammelt und X verfasste die Kapitel, die das Programm erläuterten. Zu diesem Zeitpunkt also formulierte er die zwölf Schritte, die erste Beschreibung dessen, was er und B. bis dahin getan hatten."
Die sich aus diesen widersprüchlichen Darstellungen ergebenden Zweifel lassen sich nicht durch die in das Wissen der Zeugin Br. gestellte Behauptung ausräumen, die Zeugin S. habe in dem 1992 erschienenen Buch keineswegs etwas anderes gesagt, als in ihrer späteren schriftlichen Aussage. Sie habe auf die Formulierung des Textes und den Inhalt des Buches keinen Einfluss gehabt und das Buch nicht autorisiert.
Zwar hat sich der Beklagte auf eine im Parallelverfahren (11 U 22/00) vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Zeugin Br. bezogen, in der diese erklärt, zwischen dem von ihr herausgebrachten Buch und der schriftlichen Aussage der Zeugin S. bestünden keinerlei Widersprüche, die Zeugin habe auch ihr gegenüber schon erklärt, dass X Y nicht der Verfasser des "Blauen Buches" sei. Bedenken gegen die Zuverlässigkeit der Zeugin bestünden aber auch dann, wenn sie an einem Buch mitwirkte, das angeblich eine von ihren Angaben völlig abweichende Darstellung enthält, ohne dass die Zeugin jemals dagegen vorgegangen ist.
Nach allem werden die für die Urheberschaft X Y's sprechenden Indizien durch die zweifelhaften Angaben und Meinungsäußerungen der Zeugin in keiner Weise als erschüttert an.
bb) Die weiteren gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts erhobenen Rügen des Beklagten greifen nicht durch.
Zwar beweist die Anmeldung des Werks durch X Y beim Copyright-Office dessen Autorenschaft nicht zwingend.
Indessen gibt es keine ernstlichen und greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die Anmeldung nicht den wirklichen Gegebenheiten entsprach. Die gegenteiligen Erwägungen des Beklagten sind bloße Spekulation.
Durchgreifende Zweifel ergeben sich nicht deshalb, weil im Copyright-Register von Mexiko ein ehemaliger Vorstandsvorsitzender von AAWS Inc. als Autor des streitgegenständlichen Buches eingetragen worden sein soll. Es handelt sich um einen zeitlich wie inhaltlich völlig anderen Vorgang, der keine verallgemeinernden Rückschlüsse auf die erste Copyright-Anmeldung im Jahr 1939 erlaubt.
Das Landgericht hat dagegen zu Recht den Umstand, dass gegen die Autorenschaft X Y's weder anlässlich der Copyright-Anmeldung noch später Widerspruch erhoben wurde, zugunsten des Klägers gewürdigt. Dem steht nicht entgegen, dass die Rechte an dem Werk heute in den meisten Ländern erloschen sein dürften. Anlässlich des Erscheinens und in der Folgezeit waren die Bewegung der ... und der Titel "A.A." stark beachtet und Gegenstand von vielen Berichten und Büchern, in denen auch die Autorenschaft Y's dargestellt wurde.
So hat der Kläger neben der Copyright - Anmeldung eine Reihe von Dokumenten vorgelegt, in denen die Entstehung des Werkes und die Urheberschaft Y's aus der Sicht Dritter weitgehend übereinstimmend beschrieben und bestätigt wird. In dem Buch der amerikanischen Journalistin R. über die Gruppe der ... wird berichtet, dass X Y alle elf Einleitungskapitel des streitgegenständlichen Werkes geschrieben habe. (GA 384 - 386). Die Ehefrau X Y's hat in ihren Lebenserinnerungen (GA 569 ff.)ebenfalls geschildert, wie X Y die einzelnen Kapitel des streitgegenständlichen Buches seiner Sekretärin H. diktierte. H. hat die Entstehung des Buches "A.A." in einem Brief vom 10.11.1955 an X Y ebenfalls in diesem Sinn beschrieben (GA 793). Eine übereinstimmende Darstellung enthält auch die Biografie über X Y von T. aus dem Jahr 1975.
Schließlich hat X Y mit eidesstattlicher Versicherung vom 14. April 1939 anlässlich des Antrags auf Eintragung des Werks beim Copyright-Office eidesstattlich versichert, dass er das Urheberrecht für sich in Anspruch nehme (GA 1126). Wegen weiterer Schriftstücken, die Wilson als Autor des Werkes ausweisen, wird Bezug genommen auf das Schreiben eines Herrn R. an Dr. C. vom 14.06.1939 (GA 1127) sowie von Dr. T. vom 4. Oktober 1945 (GA 78).
Es spricht viel dafür, dass sich vor diesem Hintergrund Zeitzeugen gemeldet hätten, um für eine Korrektur dieser weitverbreiteten Darstellung zu sorgen. Wenn es dagegen - soweit ersichtlich - solche "Gegendarstellungen" nicht gegeben hat, kommt dem ein nicht unerheblicher indizieller Beweiswert zu.
cc) Den weiteren Beweisantritten des Beklagten war nicht mehr nachzugehen. Soweit der Beklagte durch die Anlagen B 4 und B5 zum Schriftsatz vom 18.1.1999 unter Sachverständigenbeweis gestellt hat, dass das dortige Manuskript mit dem später veröffentlichten Text X Y's "nichts gemein" habe und die Texte von verschiedenen Autoren stammten, hat der Kläger die Herkunft der Anlagen B4 und B5 bestritten. Die Behauptung ist zudem pauschal und unsubstantiiert, weil sie keine Anknüpfungstatsachen enthält und damit auf einen Ausforschungsbeweis hinausliefe. Gleiches gilt für den Antrag auf Einholung eines graphologischen Gutachtens hinsichtlich Anlage B 7, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 10.12.2002 hingewiesen hat. Eine Vernehmung der Zeugen Kr. und Kl. war nicht geboten, weil der Beklagte nicht dargelegt hat, aus welchen Quellen die mittelbaren Zeugen ihr angebliches Wissen erlangt haben.
b) Nach allem steht zur Überzeugung des Senats fest, dass X Y Urheber der streitgegenständlichen Texte war.
3.) AAWS und der Kläger können sich auf eine lückenlose Rechtekette zu X Y berufen. Dieser hat seine Rechte am 20.06.1940 an Works Publishing Inc. abgetreten, deren Rechtsnachfolgerin AAWS geworden ist.
Zu Unrecht meint der Beklagte, der Abtretungsvertrag beschränke sich auf die in den Vereinigten Staaten entstandenen und bestehenden Urheberrechte. Zwar ergibt sich aus § 32 UrhG nicht ohne weiteres eine Vermutung dafür, dass ein Nutzungsrecht im Zweifel ohne räumliche, zeitliche oder inhaltliche Beschränkungen eingeräumt worden ist. Ist nicht ausdrücklich gesagt, ob ein Nutzungsrecht für die ganze Welt oder nur für ein bestimmtes Land eingeräumt wird, so kommt es auf den Zweck des Vertrages an. Bei pauschalen Vereinbarungen bestimmt der Zweck auch, ob die Rechteeinräumung inhaltlich, räumlich oder zeitlich beschränkt erfolgen sollte (BGH GRUR 1996, 121, 122 Pauschale Rechtseinräumung).Ob diese Grundsätze auch auf nach US - amerikanischem Recht zu beurteilende Rechteeinräumungen anzuwenden sind, kann hier letztlich dahin stehen, weil eine auf die USA beschränkte Rechteübertragung nicht beabsichtigt war und die Vereinbarung auch nicht gegen den deutschen ordre - public verstößt.
Zweck des Abtretungsvertrages von X Y an Works Publishing und AAWS Inc. war die Einräumung der weltweiten Urheberrechte des Autors an dem streitgegenständlichen Titel und die Verbreitung des Werkes in allen Ländern, in denen sich Selbsthilfegruppen der ... bildeten. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Organisation der ... weltweit durchsetzen würde, mögen im Zeitpunkt der ersten Veröffentlichung und der Rechteübertragung noch nicht bestanden haben. Ein räumlicher Rechtevorbehalt hätte im Hinblick auf das Ziel der Organisation aber keinen Sinn ergeben. Denn das Werk ist auch für außerhalb der USA lebende Alkoholiker gedacht. Besonders deutlich wird die beabsichtigte Übertragung der weltweiten Rechte aber aus der (deklaratorischen) Rechteübertragung im April 1963 an AAWS, Inc. Insoweit erfolgte die Übertragung nicht nur ohne Einschränkung an die zwischenzeitlich weltweit operierende Organisation, sonder enthält die Abtretungsvereinbarung eine Option von AAWS, Inc., wonach X Y alle künftigen Werke zunächst AAWS zur Ausübung der ausschließlichen weltweiten Veröffentlichungsrechte anzubieten hatte. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Einräumung von Nutzungsrechten an bereits bestehenden Werken in räumlicher Sicht dahinter zurückbleiben sollte. Nach allem besteht für den Senat kein Zweifel, dass es in der Absicht der Parteien lag, die weltweiten Urheberrechte bzw. Nutzungsrechte an dem Werk X Y's auf Work Publishings und nachfolgend AAWS, Inc., zu übertragen, soweit sie in den jeweiligen Staaten Urheberrechtsschutz ungeachtet eines bestehenden oder nicht bestehenden Rechtsschutzes in den USA genossen.
AAWS hat nunmehr das ausschließliche Recht zum Vertrieb einer deutschen Ausgabe des Werks an den Kläger übertragen.
Das ergibt sich jedenfalls aus der Ergänzungsvereinbarung vom 17. April 2000 zum Lizenzvertrag vom 26.08.1996 zwischen dem Kläger und AAWS Inc. (GA 835 - 838).
Der Kläger ist als Inhaber der ausschließlichen Rechte an der deutschen Ausgabe des Werkes auch berechtigt, im eigenen Namen rechtliche Schritte gegen jeden zu ergreifen, der unter Verletzung der Rechte der Vertragsparteien eine deutsche Ausgabe des Werkes veröffentlicht.
Für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch ist es unerheblich, ob die dem Kläger in der Lizenzvereinbarung vom 26.08.1996 eingeräumten Rechte hinter der Ergänzungsvereinbarung zurückblieben, insbesondere ob sie sich nur auf eine bestimmte Übersetzung bezogen.
3.) Gleiches gilt für die Broschüre A 11/95, solange dort jeweils der Text von X Y - gleichviel in welcher Übersetzung - abgedruckt ist. Dabei kann dahin stehen, ob die von dem Beklagten abgedruckten Übersetzungen etwaige Rechte des Klägers an der Übersetzung des Zweiten Literaturteams verletzen, weil dem Kläger für den deutschsprachigen Raum nunmehr das alleinige Recht zur Herausgabe des Werks von X Y zusteht. Die Schaffung einer Übersetzung stellt stets den Fall einer unfreien Benutzung des vorbestehenden Werkes als solchem dar und bedarf deshalb grundsätzlich der Zustimmung des Urhebers (Schricker/Loewenheim a.a.O. § 23 Rn. 8).Eine Zustimmung zur Verbreitung einer Übersetzung der Texte von Wilson wurde dem Beklagten aber nicht erteilt.
II. Der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung ist nur teilweise begründet.
1.)Ein - verschuldensunabhängiger - Auskunftsanspruch über die Herkunft und den Vertriebsweg der Druckschriften unter Angabe des Namens und der Anschrift der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Menge der vom Beklagten bezogenen Druckschriften steht dem Kläger als ausschließlichem Verwertungsberechtigtem aus eigenem Recht für die Zeit ab 18.4.2000 aufgrund der erweiterten Lizenzvereinbarung zu (§ 101 a UrhG).
2.)Entsprechendes gilt für den Rechnungslegungsanspruch. Der Anspruch auf Rechnungslegung folgt aus §§ 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG, 242, 259, 260 BGB. Der Verletzte kann von dem Verletzer zur Vorbereitung eines Gewinnherausgabeanspruchs Rechnungslegung verlangen, wenn er in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Anspruchs im Unklaren ist, während der Verletzer unschwer Auskunft über seine eigenen Verhältnisse geben kann. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Beklagte handelte insbesondere schuldhaft. Grundsätzlich muss, wer ein fremdes geistiges Gut nutzt, sich über daran bestehende Rechte und seine Legitimation Klarheit verschaffen und umfassend informieren. Bei bestehenden Streitfragen darf der Nutzer nicht ohne weiteres die ihm günstigere Meinung unterstellen, auch wenn namhafte Fachjuristen sie vertreten. Der Nutzer trägt das Risiko des Rechtsirrtums(Schricker/Wild a.a.O. § 97 Rn. 54). An den Hersteller werden strengere Anforderungen gestellt als an den Einzelhändler. Der Beklagte kann sich daher nicht damit entschuldigen, ihm sei vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Auskunft erteilt worden, wenn das Werk in den USA gemeinfrei sei, genieße es auch in der Bundesrepublik keinen Urheberrechtsschutz mehr. Im Hinblick auf die komplexe Rechtslage und die Rechtsprechung des BGH zum Schutzfristenvergleich durfte sich der Beklagte hier nicht mit einer einzigen Auskunft zufrieden geben, sondern musste in Rechnung stellen, dass auch andere Auffassungen vertreten werden.
3.) Unbegründet ist der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch jedoch, soweit er sich wegen der Druckschriften "Zu jung" und "Was geschah mit Alice€" auf den Zeitraum nach dem 27.4.2000 erstreckt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 23.6.2000 vorgetragen, dass hinsichtlich dieser Druckschriften seit 27.4.2000 keine Verbreitungshandlungen mehr durchgeführt worden sind. Damit ist der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch bezüglich der Titel, die Gegenstand des Teil - Anerkenntnisurteils vom 22.8. 2000 sind, schriftlich erteilt worden. Die weitergehende Klage konnte keinen Erfolg haben. Ob die Auskunft wahrheitsgemäß erfolgt, ist für die Erfüllung des Anspruchs unerheblich.
3.) Für den Zeitraum vor dem 18.4.2000 kann der Kläger Auskunft und Rechnungslegung im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. Die Wahrnehmung fremder Rechte im eigenen Namen ist zulässig, wenn der Rechteinhaber zustimmt und der Dritte ein eigenes berechtigtes Interesse an der Geltendmachung hat. Im Urheberrecht ist die gewillkürte Prozessstandschaft anerkannt für den einfachen Lizenznehmer, soweit die Rechtsverletzung die ihm eingeräumten Nutzungsbefugnisse berührt.
Die Ermächtigung zur Verfolgung der Rechtsverletzung ergibt sich für den Kläger aus der Vereinbarung vom 26.8.1996 in Verbindung mit der Ermächtigung vom 22.5.1998 (GA 832). Ob - was der Beklagte bestreitet - die Ermächtigung bereits im Mai 1998 zustande gekommen ist, kann dahin stehen, weil es für die Zulässigkeit der Prozessstandschaft ausreicht, wenn eine Ermächtigung des Rechtsinhabers spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. vor § 50 Rn. 47 a).
Ein eigenes berechtigtes Interesse des Klägers an der Geltendmachung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs besteht, weil der Kläger jedenfalls seit 1996 ein einfaches Nutzungsrecht an der deutschsprachigen Übersetzung des zweiten Literaturteams von AAWS übertragen erhalten hat und ihm durch die Verbreitung von das Urheberrecht von AAWS verletzenden Ausgaben ebenfalls ein Nachteil droht (für den einfachen Lizenznehmer einer Buchclubausgabe BGH GRUR 1959, 200 - Heiligenblut). Der Prozessstandschafter kann unter diesen Voraussetzungen auch Auskunft und Beseitigung verlangen Fromm/Nordemann, UrhG 9. Aufl. § 97 Rn. 14). Der Anspruch auf Herausgabe zum Zwecke der Vernichtung folgt aus § 98 Abs. 1 UrhG.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 ZPO. Der Beklagte trägt als unterliegende Partei die Kosten der erfolglosen Berufung in vollem Umfang.
Zwar war das Anerkenntnis des Beklagten ein sofortiges (§ 93 ZPO), da sich das Recht des Klägers zur Verbreitung der deutschen Übersetzungen an den Druckschriften "Zu jung€€" und "Was mit Anja geschah €" nicht bereits aus der Lizenzvereinbarung vom 26.8.1996, sondern erst aus der ergänzenden Vereinbarung vom 17.4.2000 ergab. Der von dem Anerkenntnis betroffene Teil des Rechtsstreits war jedoch geringfügig. Auch soweit die Klage wegen teilweiser Erledigung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs abzuweisen war, ist das Unterliegen des Klägers gering und hat keine besondere Kosten verursacht (§ 92 Abs. 2 ZPO).
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil der Senat anerkannte Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall angewandt hat.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 07.10.2003
Az: 11 U 53/99
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3e4a9ef62db8/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_7-Oktober-2003_Az_11-U-53-99