Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. September 2007
Aktenzeichen: 8 W (pat) 20/07
(BPatG: Beschluss v. 11.09.2007, Az.: 8 W (pat) 20/07)
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle 1.43 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Juli 2004 aufgehoben und die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
2. Die Beschwerdegebühr ist von Amts wegen zurückzuzahlen.
Gründe
I.
Die Patentanmeldung 10 2004 023 784.0 mit der Bezeichnung "Chemische Wäsche von Dioxinen aus gasförmigen und/oder flüssigen Phasen mit Ozon" ist am 19. Februar 2004 angemeldet und am 2. März 2006 offengelegt worden.
Die Prüfungsstelle 1.43 des Patentamts hat die Patentanmeldung mit Beschluss vom 2. Juli 2004 gemäß § 42 Abs. 3 des Patentgesetzes aus den Gründen der Bescheide vom 16. Januar 2004 und 10. März 2004 zurückgewiesen, weil innerhalb der gesetzten Frist keine formal korrekten Unterlagen eingereicht worden seien.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Anmelders.
Der Anmelder beantragt sinngemäß, den angefochten Beschluss aufzuheben, der Patentanmeldung die zuletzt mit der Eingabe vom 19. Juli 2004 eingereichten Unterlagen zugrunde zu legen und wegen Befangenheit einen anderen Prüfer zuzuweisen.
Der Anmelder vertritt in der Beschwerdebegründung die Auffassung, dass das Patentamt die erforderlichen Unterlagen zu der Patentanmeldung zwar in Teilen, aber am Ende vollständig bekommen habe, da er mit Schreiben vom 16. Februar 2004 eine Beschreibung und nach Aufforderung des Patentamts mit dem Bescheid vom 10. März 2004 mit Schreiben vom 27. April 2004 ebenfalls Patentansprüche eingereicht habe und daraufhin "keinen Einspruch der Prüfungsstelle" erhalten habe, wie er zudem in der Eingabe vom 17. November 2004 auf S. 2 ausgeführt hat.
Es gelten demnach die nebengeordneten Ansprüche 1 bis 6 vom 27. April 2004 (eingegangen am 29. April 2004), die jeweils eine "Waschlösung zur Beseitigung von Dioxinverunreinigungen" betreffen sowie die am 19. Februar 2004 eingegangene Beschreibung, Blatt 1 bis 3.
Diese Unterlagen hat der Anmelder mit der Beschwerdebegründung vom 19. Juli 2004 nochmals in dreifacher Ausfertigung eingereicht.
Wegen der geltenden Ansprüche und Beschreibung sowie der Einzelheiten im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Prüfungsstelle 1.43 hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Bundespatentgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde ist insoweit begründet, als der angefochtene Beschluss aufgehoben wird.
Der Senat entscheidet jedoch nicht in der Sache selbst, sondern verweist die Patentanmeldung gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG an das Patentamt zurück, weil das Patentamt noch nicht in die Sachprüfung eingetreten war.
1. Der Anmelder hatte mit der Eingabe vom 16. Februar 2004, eingegangen am 19. Februar 2004, eine neue Beschreibung, Blatt 1 bis 3, zu einer früheren Patentanmeldung 103 39 632.2 eingereicht, jedoch ohne die für eine Patentanmeldung erforderlichen Patentansprüche.
Mit dem Formal-Bescheid vom 10. März 2004 war dem Anmelder mitgeteilt worden, dass er mit den am 19. Februar 2004 eingegangenen Unterlagen den Rahmen der ursprünglich offenbarten Lehre verlassen habe, da der neue Schwerpunkt auf die Zusammensetzung der Waschlösung gerichtet sei. Gemäß § 38 PatG könnten aus einer über den ursprünglichen Wortlaut hinausgehenden technischen Lehre keine Rechte hergeleitet werden. Falls er noch Interesse an einem Prüfungs- und Erteilungsverfahren habe, müsse er 1. akzeptieren, dass sich der Anmeldetag auf den 19. Februar 2004 verschiebt, 2. formale Erfordernisse erfüllen, bspw. drei gleichlautende Exemplare einreichen und Patentansprüche formulieren, aus denen der Fachmann eindeutig entnehmen kann, was unter Schutz gestellt werden soll.
3. Eine mögliche Formulierung hierfür wäre: "Waschlösung zur Beseitigung von Dioxinverunreinigungen, dadurch gekennzeichnet, dass...".
In diesem Bescheid war dem Anmelder eine Frist von 2 Monaten gegeben worden, um den Aufforderungen nachzukommen.
Auf diese Aufforderung hin hat der Anmelder am 27. April 2004 ein Schreiben eingereicht, das am 29. April 2004 beim Patentamt eingegangen ist, also innerhalb der im Formal-Bescheid gestellten Frist von zwei Monaten. In diesem Schreiben hat sich der Anmelder zu allen drei Punkten des Formal-Bescheids geäußert. Er hatsich bezüglich des ersten Punktes mit dem Konzept der Verschiebung des Anmeldetages auf den 19. Februar 2004 aufgrund der geänderten Unterlagen voll einverstanden erklärt, zum zweiten Punkt neue Patentansprüche 1 bis 6 eingereicht undentsprechend dem dritten Punkt den Formulierungsvorschlag aufgegriffen und die Patentansprüche auf eine "Waschlösung zur Beseitigung von Dioxinverunreinigungen" bezogen.
Auf diese Eingabe hin hat das Patentamt den ursprünglichen Anmeldetag vom 28. August 2003 der Anmeldung 103 39 632.2 verschoben, indem dieses Aktenzeichen gelöscht und eine neue Akte mit dem nun geltenden Aktenzeichen 10 2004 023 784.0 und dem Anmeldetag 19. Februar 2004 angelegt wurde (vgl. Datums-Stempel 4. Juni 2004 der Geschäftsstelle). Dass dieser Anmeldung vom Patentamt die am 19. Februar 2004 eingegangene Beschreibung Blatt 1 bis 3 sowie die am 29. April 2004 eingegangenen Ansprüche zugrunde gelegt waren, geht insbesondere aus der Offenlegungsverfügung vom 10. Mai 2004 hervor, in der diese Unterlagen für den Druck der Offenlegungsschrift festgelegt wurden und mit denen die Offenlegungsschrift am 2. März 2006 veröffentlicht wurde.
Am 2. Juli 2004 hat die Prüfungsstelle 1.43 die Anmeldung zurückgewiesen. Dagegen hat sich der Anmelder mit der am 27. Juli 2007 eingegangenen Eingabe beschwert.
Mit der Beschwerdebegründung vom 19. Juli 2004, eingegangen am 27. Juli 2004, sowie mit einer weiteren Eingabe im Beschwerdeverfahren vom 12. November 2004, eingegangen am 27. November 2004, hat der Anmelder die oben genannten drei Blatt Beschreibung, eingegangen am 19. Februar 2004, und Ansprüche 1 bis 6, eingegangen am 29. April 2004, erneut in dreifacher Ausfertigung für das Patenterteilungs-Verfahren eingereicht und damit bekundet, dass er diese Unterlagen der Patenterteilung zugrunde legt. Prüfungsantrag hat der Anmelder dazu noch nicht gestellt.
2. Nach Auffassung des Senats hat der Anmelder die gerügten Mängel innerhalb der gesetzten Frist beseitigt.
a. Der Anmelder hat am 16. Februar 2004, eingegangen am 19. Februar 2004, drei Blatt Beschreibung und am 27. April 2004, eingegangen am 29. April 2004 zu der Patentanmeldung die Ansprüche 1 bis 6 eingereicht. Mit der Beschwerdebegründung vom 19. Juli 2004, eingegangen am 27. Juli 2004, und der Eingabe vom 12. November 2004, eingegangen am 27. November 2004, hat der Patentanmelder mit dieser Beschreibung und diesen Ansprüchen wörtlich übereinstimmende weitere Unterlagen in dreifacher Ausfertigung für das Erteilungsverfahren eingereicht.
Diese Unterlagen enthalten Patentansprüche und eine Beschreibung. Damit sind die Formalerfordernisse gemäß Patentverordnung §§ 6, 9 und 10 erfüllt (vgl. PatV in der Fassung vom 1. September 2003).
Da diese Unterlagen auch keine bildlichen Darstellungen enthalten, wie es im Bescheid vom 16. Januar 2004 zur früheren Patentanmeldung 103 39 632.2 gerügt war, sind auch die Formalerfordernisse gemäß Patentverordnung § 5 erfüllt.
b. Die erst am 29. April 2004 nachgereichten Ansprüche 1 bis 6 mögen zwar in ihrem Inhalt über den am Anmeldetag, dem 19. Februar 2004 offenbarten Inhalt der Beschreibungsseiten 1 bis 3 hinausgehen, doch von der Beanstandung dieses Mangels, - dem Erfordernis nach § 38 PatG, dass eine Erweiterung durch eine Änderung des Gegenstands einer Anmeldung unzulässig ist, weil dadurch dieser über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht -, kann gemäß § 42, Abs. 1, Satz 2 PatG bis zum Beginn des Prüfungsverfahrens (§ 44 PatG) abgesehen werden. Die Prüfungsrichtlinien des Deutschen Patent- und Markenamts vom 31. März 2004 sehen eine diesbezügliche Offensichtlichkeitsprüfung vor, vgl. insbesondere die Kapitel 2.2., 2.3., 2.4. und 2.5..
c. Dem Antrag auf Zuweisung eines anderen Prüfers bei Fortführung des Verfahrens am Patentamt wegen "Befangenheit" des bisherigen Prüfers, der seine Patentanmeldung zurückgewiesen hat, kann nicht entsprochen werden. Mit der Aufhebung des Beschlusses wird die Patentanmeldung an das Patentamt zurückverwiesen. Wenn zu der Patentanmeldung seitens des Anmelders Prüfungsantrag gestellt werden sollte, wird die Patentanmeldung der dann für das Sachgebiet zuständigen Prüfungsstelle vorgelegt werden.
d. Auch ist keine Frist zur Mängelbeseitigung versäumt worden, denn der Anmelder hat mit seiner Eingabe vom 27. April 2004, die am 29. April 2004 beim Patentamt eingegangen ist, fristgerecht innerhalb der im Bescheid gestellten Frist von zwei Monaten auf den Bescheid geantwortet, sich zu allen drei Punkten des Bescheids geäußert und Patentansprüche eingereicht.
Damit lagen zu diesem Zeitpunkt den oben genannten Formerfordernissen entsprechende Unterlagen vor.
Diese Eingabe blieb von Seiten des Patentamts unbeantwortet, so dass der Anmelder davon ausgehen konnte, dass das Patentamt mit diesen eingereichten Unterlagen einverstanden war.
Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Patentanmeldung an das Patentamt zurückzuverweisen.
3. Die Beschwerdegebühr ist von Amts wegen zurückzuzahlen. Die mit der Eingabe vom 29. April 2004 eingereichten Ansprüche 1 bis 6 sind, jedenfalls nach Lage der Akten, vom Patentamt nicht beanstandet worden, so dass der Anmelder davon ausgehen konnte, dass die im Bescheid des Patentamts vom 10. März 2004 gestellten Forderungen nunmehr erfüllt waren. Mit der Eingabe war gegenüber dem sich auf den Bescheid vom 10. März 2004 beziehenden Zurückweisungs-Beschluss demzufolge eine neue Sachlage entstanden. Wenn die Prüfungsstelle auch diese Ansprüche als nicht den formalen Erfordernissen entsprechend angesehen hätte, so hätte sie den Anmelder darauf hinweisen müssen, bspw. im Rahmen eines Prüfungsbescheids, um ihm die Möglichkeit zur Korrektur zu geben. Dies ist nach Lage der Akten nicht erfolgt; stattdessen hat die Prüfungsstelle die Anmeldung mit Beschluss vom 2. Juli 2004 gemäß § 42 Abs. 3 des Patentgesetzes aus den Gründen des Bescheids vom 10. März 2004 zurückgewiesen.
Die Zurückweisung der Anmeldung ist somit auf Umstände gegründet, die dem Anmelder nicht mitgeteilt worden waren. Dadurch ist das rechtliche Gehör verletzt worden, und aus billigem Ermessen ist die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen (vgl. § 80 Abs. 3 des Patentgesetzes), auch wenn die Rückzahlung nicht ausdrücklich beantragt worden ist.
Bei dieser Sachlage brauchte der Frage, ob der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle vom 2. Juli 2004 wegen der geltenden Unterschrift nicht wirksam geworden sein könnte, nicht nachgegangen zu werden.
Dehne Dr. Huber Pagenberg Dr. Prasch Hu
BPatG:
Beschluss v. 11.09.2007
Az: 8 W (pat) 20/07
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