Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 19. Juli 2002
Aktenzeichen: 20 W 55/02
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 19.07.2002, Az.: 20 W 55/02)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der
2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve vom 2. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 7.000,-- EUR.
Gründe
I.
Das Rechtsmittel ist gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG i.V.m. § 567 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft. Ein Fall des § 281 ZPO liegt - wovon das Landgericht allerdings ausgegangen zu sein scheint - nicht vor, weshalb auch die Regelung des § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach Entscheidungen eines Zivilgerichts, das seine örtliche oder sachliche Zuständigkeit verneint und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, unanfechtbar sind, nicht einschlägig ist. Nach der durch das Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2809) bewirkten Neufassung der §§ 17 ff GVG, 48 ArbGG ist das Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten und Arbeitsgerichten nämlich nicht mehr, wie zuvor, ein solches der sachlichen Zuständigkeit, sondern der Zulässigkeit des Rechtswegs (vgl. BGH, NJW 1998, 909; BAG, NJW 1996, 2948 f.; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., Vor §§ 17- 17b GVG Rdnr. 10 m.w.N.). Das Verfahren betreffend die Feststellung der Unzulässigkeit des Rechtsweges und die Verweisung zwischen den ordentlichen Gerichten und den Arbeitsgerichten und umgekehrt richtet sich somit allein nach den §§ 17 ff GVG, welche auch im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren (§§ 916 ff ZPO) Anwendung finden (vgl. BGH, MDR 2001, 951; NJW 1999, 3785; Zöller/Gummer, a.a.O., Vor §§ 17 - 17b GVG Rdnr. 10 m.w.N.). Dass damit statthafte Rechtsmittel ist auch im Übrigen (§§ 567 ff ZPO) zulässig.
II.
In der Sache hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin jedoch keinen Erfolg. Für den von der Antragstellerin gegen den Anspruchsgegner im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens verfolgten Unterlassungsanspruch ist nicht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, sondern der zu den Arbeitsgerichten gegeben, weshalb das Landgericht das Verfahren zu Recht an das zuständige Arbeitsgericht verwiesen hat.
Ob für den erhobenen Anspruch die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben ist, bestimmt sich unter Zugrundelegung des Sachvortrags der Antragstellerin nach dem Zuständigkeitskatalog des § 2 ArbGG. Dass die Antragstellerin den von ihr geltend gemachten Unterlassungsanspruch auf wettbewerbsrechtliche Anspruchsgrundlagen stützt, steht dem nicht entgegen. Denn auch in Wettbewerbssachen geht gemäß § 2 ArbGG die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen derjenigen der ordentlichen Gerichte vor. Ob eine Arbeitssache vorliegt, richtet sich dabei nach der enumerativen Aufzählung in § 2 ArbGG (vgl. Pastor/Ahrens/Bähr, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kap. 22 Rdnr. 54).
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG, auf den das Landgericht zutreffend abgestellt hat, sind die Arbeitsgerichte u.a. ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus unerlaubten Handlungen, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. Da Verstöße gegen das UWG unerlaubte Handlungen (insbesondere §§ 1, 14 UWG) darstellen, ist deshalb bei diesbezüglichen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei Bestehen eines Zusammenhanges mit dem Arbeitsverhältnis der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (vgl. Köhler/Pieper, UWG, 2. Aufl., § 27a Rdnr. 5; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 27a Rdnr. 3; Gloy/Spätgens, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 62 Rdnr. 5; Fischer, DB 1998, 1182 ff).
Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG erfüllt.
Es liegt eine Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Sinne dieser Vorschrift vor. Denn die Antragstellerin wirft dem Antragsgegner vor, dass er vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei ihr gegenüber zwei Mitarbeitern von ihr anschwärzende und geschäftsschädigende Behauptungen über sie aufgestellt habe, und zwar mit dem Ziel, diese Arbeitnehmer von ihr abzuwerben. Dass das Arbeitsverhältnis mittlerweile beendet ist und der Antragsgegner nunmehr mit der Gründung eines Konkurrenzunternehmens befasst sein soll, ist unerheblich. Entscheidend und ausreichend ist, dass die in Rede stehenden, als unlauter beanstandeten Handlungen nach dem Vortrag der Antragstellerin von dem Antragsgegner noch während des Arbeitsverhältnisses begangen worden sein sollen. § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG betrifft Streitigkeiten, die einem Arbeitsverhältnis entspringen, dass zwischen den Parteien besteht, bestanden hat oder begründet werden sollte (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 2 Rdnr. 53). Damit sind auch Streitigkeiten aus einem - wie hier - mittlerweile beendeten Arbeitsverhältnis erfasst (vgl. OLG Schleswig, OLGR 1998, 383, 384; Fischer, DB 1998, 1182, 1184 m.w.N.).
Die beanstandeten Handlungen stehen auch in einer konkreten, spezifischen Beziehung zu dem nunmehr beendeten Arbeitsverhältnis der Parteien. § 2 Abs. 1 Nr. 3 d ArbGG verlangt nur, dass die unerlaubten Handlungen in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen müssen. Dieser Zusammenhang ist nicht weiter oder näher qualifiziert (vgl. Fischer, DB 1998, 1182, 1184). Es wird weder von einem engen noch von einem prägenden Zusammenhang gesprochen. Anders als in § 2 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG wird auch kein unmittelbarer Zusammenhang und keine bestimmte inhaltliche Ausrichtung verlangt. Erforderlich ist nur, dass die unerlaubte Handlung zu dem Arbeitsverhältnis in einer "inneren Beziehung" steht, so dass sie "in der besonderen Eigenart des Arbeitsverhältnisses und dem ihm eigentümlichen Reibungs- und Berührungspunkten wurzelt" (BGH vom 7.2.1958, AP Nr. 48 zu § 2 ArbGG 1953; OLG Schleswig, OLGR 1998, 383, 384; Germelmann/Matthes/Prütting, a.a.O., § 2 Rdnr. 75).
Einen derartigen Zusammenhang zwischen einer unerlaubten Handlung in Gestalt eines Wettbewerbsverstoßes und einem Arbeitsverhältnis hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer unveröffentlichten Entscheidung vom 25. Oktober 1997 (I ZR 60/73; die Entscheidung wird von Asendorf in GRUR 1990, 229, 231 referiert) angenommen, der folgender Sachverhalt zu Grunde lag: Ein Mitarbeiter des klagenden Unternehmens, der nach Ausscheiden bei der Klägerin bei einem neben ihm verklagten Unternehmen beschäftigt worden war, sollte noch während seiner Tätigkeit für die Klägerin einen ihrer Kunden veranlasst haben, den der Klägerin erteilten Auftrag zu kündigen und statt dessen einen entsprechenden Auftrag an den zukünftigen Arbeitgeber des ungetreuen Mitarbeiters zu erteilen. Das Landgericht hatte den ungetreuen Mitarbeiter u.a. zur Unterlassung entsprechender Handlungen verurteilt. Das Berufungsgericht hatte die Zuständigkeitsrüge des früheren Arbeitnehmers der Klägerin für begründet erachtet und - entsprechend der damaligen Gesetzeslage - die Klage insoweit als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision hatte keinen Erfolg. Der BGH sah in dem während des Arbeitsverhältnisses begangenen Wettbewerbsverstoß eine unerlaubte Handlung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis (damals § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG), die in die Zuständigkeit der Arbeitsgericht fällt.
Dem ist zu entnehmen, dass bei einem zeitlichen Zusammentreffen von Wettbewerbsverstoß und rechtlichem Bestand des Arbeitsverhältnisses keine zu hohen Anforderungen an den erforderlichen Zusammenhang zwischen unerlaubter Handlung und Arbeitsverhältnis gestellt werden dürfen. Insbesondere sind die Arbeitsgerichte unter dieser Voraussetzung auch in Fällen unlauterer Abwerbung zuständig, soweit sich der erhobene Anspruch gegen Arbeitnehmer oder ehemalige Arbeitnehmer richtet (vgl. auch Gloy/Spätgens, a.a.O., § 62 Rdnr. 5; Fischer, DB 1998, 1182, 1186).
Hiervon ausgehend ist im Streitfall ein Zusammenhang zwischen der geltend gemachten unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis gegeben. Denn die Antragstellerin hat vorgetragen, dass der ehemals bei ihr beschäftigte Antragsgegner, der nach ihren Angaben beabsichtigt, ein eigenes Unternehmen zu gründen, sich noch vor Wirksamwerden der von ihm ausgesprochenen Kündigung und damit noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses an zwei ihrer Mitarbeiter gewandt habe, um sie als Fachkräfte anzuheuern und von ihr abzuwerben. So habe sich der Antragsgegner an ihren Mitarbeiter L. gewandt, ihm berichtet, dass er seine Stellung gekündigt habe und sich selbstständig machen werde, und ihm nahe gelegt, seinerseits sein Arbeitsverhältnis zu kündigen, wobei er - der Antragsgegner - bekundet habe, dass er davon ausgehe, dass die Antragstellerin "bis Weihnachten dieses Jahres pleite sein werde". Ferner habe der Antragsgegner sich auch an ihren Mitarbeiter H. gewandt und diesem nahe gelegt, er solle doch lieber bei ihm, dem Antragsgegner anfangen, und nicht weiter ihr arbeiten, wobei der Antragsgegner geäußert habe, dass er dafür gesorgt habe, dass sie pleite machen werde. Die Antragstellerin macht damit geltend, dass der Antragsgegner während des bestehenden Arbeitsverhältnisses gegenüber anderen Arbeitnehmern von ihr ruf- und geschäftsschädigende Äußerungen gemacht bzw. anschwärzende Behauptungen aufgestellt habe, und zwar mit dem Ziel, die betreffenden Arbeitnehmer von ihr abzuwerben und für sein eigenes neu gegründete Unternehmen anzuwerben. Unter Zugrundelegung des Vortrages der Antragstellerin ist damit eine konkrete, spezifische Beziehung zwischen der beanstandeten Handlung und dem Arbeitsverhältnis gegeben.
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ändert der Umstand, dass der erhobene Unterlassungsanspruch der Abwehr künftiger Verstöße dient und die Parteien sich nach dem Vortrag der Antragstellerin nunmehr als Wettbewerber gegenüberstehen, nichts an der damit begründeten Zuständigkeit der Arbeitsgerichte. Entscheidend ist, dass der von der Antragstellerin behauptete Wettbewerbsverstoß, aus dem die Antragstellerin die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Besorgnis künftiger wettbewerbswidriger Handlungen herleitet, während des bestehenden Arbeitsverhältnisses begangen worden ist und eine konkrete, spezifische Beziehung zu diesem aufweist. Allein hierauf kommt es an.
Der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann schließlich auch nicht entgegengehalten werden, dass den Arbeitsgerichten häufig eine ausreichende wettbewerbsrechtliche Erfahrung fehle. Denn die gesetzliche Regelung, nach der Arbeitsgerichte auch über wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu entscheiden haben, wenn - wie hier - zwischen der unerlaubten Handlung und dem Arbeitsverhältnis ein Zusammenhang besteht, ist hinzunehmen (vgl. Köhler/Pieper, a.a.O., § 27a Rdnr. 5; Fischer, DB 1998, 1182, 1185).
Von einer Anhörung des Antragsgegners hat der Senat auch in zweiter Instanz mit Rücksicht auf die Eilbedürftigkeit der Sache und den grundsätzlich einseitigen Charakter des Beschlussverfahrens abgesehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kosten einer erfolglosen Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss sind hiernach dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (vgl. BGH, NJW 1993, 2541, 2542; OLG Frankfurt, OLGR 1994, 119, 120).
Für die Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 und 5 GVG besteht kein Anlass.
Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren bemisst der Senat mit 1/3 des von der Antragstellerin angegebenen Hauptsachewertes. Er folgt insoweit der Rechtsprechung des BGH (NJW 1998, 909, 910), nach der der Beschwerdewert bei Rechtswegverweisungen nach einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu bemessen ist. Auf den vollen Hauptsachewert (so: OLG Köln, OLGR 1993, 140, 141; LAG Köln, MDR 1993, 915; Schneider, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdnr. 3846a) ist nicht abzustellen. Denn nach der Neugestaltung des Verweisungsverfahrens kann die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht mehr zur Klageabweisung führen. Vielmehr hat die Verweisung von Amts wegen zu erfolgen, wobei ein Antrag des Klägers oder Antragstellers nicht mehr erforderlich ist. Es ist deshalb sachlich nicht gerechtfertigt, das Interesse des Rechtsmittelführers im Beschwerdeverfahren, den Rechtsstreit in dem seiner Meinung nach eröffneten Gerichtszweig zu entscheiden, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleich zu bewerten. Das Rechtsweginteresse ist vielmehr deutlich niedriger anzusetzen, wobei aus Gründen der Praktikabilität die Orientierung an einem Bruchteil des Hauptsachewertes - und nicht am Kosteninteresse (so aber OLG Karlsruhe, MDR 1994, 415) - zu erfolgen hat. Hierbei hält der erkennende Senat 1/3 des Wertes der Hauptsache für angemessen (so auch OLG München, OLGR 1993, 87; OLG Frankfurt, OLGR 1994, 119, 120).
VROLG B. S. F. ist infolge Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert.
S.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 19.07.2002
Az: 20 W 55/02
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