Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. August 2004
Aktenzeichen: 9 W (pat) 56/02
(BPatG: Beschluss v. 26.08.2004, Az.: 9 W (pat) 56/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. Mai 2002 aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen erteilt:
- Patentansprüche 1 bis 5 und - Beschreibung Seiten 1, 2, 4, jeweils per Fax eingegangen am 3. Juli 2002,
- Beschreibung Seite 3, eingegangen am 26. Juli 2004,
- Figuren 1 bis 3, eingegangen am 7. Dezember 1996.
Anmeldetag ist der 7. Dezember 1996. Die Innere Priorität der Voranmeldung DE 195 46 742.6 vom 14. Dezember 1995 ist in Anspruch genommen.
Die Bezeichnung lautet: "Beleuchtungseinrichtung für den Innenraum eines Fahrzeugs".
Gründe
I.
Die Patentanmeldung ist beim Deutschen Patent- und Markenamt am 7. Dezember 1996 mit der Bezeichnung
"Beleuchtungseinrichtung für den Innenraum eines Fahrzeugs"
eingegangen. Mit Beschluss vom 23. Mai 2002 hat die Prüfungsstelle für Klasse B 60 J des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie hinsichtlich der die Beleuchtungseinrichtung betreffenden Ansprüche 1 bis 5 auf die EP 0 265 404 B1 und die DE 38 38 117 A1 sowie hinsichtlich der lediglich die Spiegelabdeckung betreffenden Ansprüche 6 und 7 auf die DE 42 26 251 A1 hingewiesen und dazu ausgeführt, in Kenntnis der beiden erstgenannten Druckschriften habe der Gegenstand des Anspruchs 1 für einen Durchschnittsfachmann nahegelegen, und der Gegenstand des Anspruchs 6 sei gegenüber dem aus der letztgenannten Druckschrift Bekannten nicht neu.
Gegen den Zurückweisungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie verteidigt ihr Patentbegehren unter Abtrennung des Gegenstands nach den Ansprüchen 6 und 7 (Teilung nach § 39 PatG) und meint, das nunmehr nur noch auf eine Beleuchtungseinrichtung für den Innenraum eines Fahrzeugs gerichtete Patentbegehren sei gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik patentfähig.
Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den im Beschlusstenor angegebenen Unterlagen zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"1. Beleuchtungseinrichtung für den Innenraum eines Fahrzeugs mit einer einen Spiegel und eine klappbare Spiegelabdeckung aufweisenden Fahrzeug-Sonnenblende, wobei die Spiegelabdeckung im Bereich der oberen Spiegelbegrenzung schwenkbar gelagert und mit einem Mikroschalter für eine Lichtquelle derart gekoppelt ist, dass die Lichtquelle in der Schließstellung der Spiegelabdeckung aus- und in deren Öffnungsstellung eingeschaltet ist, und wobei die Spiegelabdeckung in ihrer Öffnungsstellung mit dem Spiegel im Wesentlichen einen rechten Winkel bildet, dadurch gekennzeichnet, dass die Lichtquelle (5) in einem Fahrzeughimmel (4) angeordnet ist und die Spiegelabdeckung (3) in ihrer Öffnungsstellung bei im Wesentlichen vertikal und quer zur Fahrzeuglängsrichtung positioniertem Spiegel (2) in den Strahlenkegel (6) der Lichtquelle (5) ragt."
An den Patentanspruch 1 schließen sich die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 an.
In der Beschreibung hat die Anmelderin noch folgende Entgegenhaltungen genannt:
- EP 0 270 508 B1
- EP 0 261 989 B1
- EP 0 317 284 B1
- EP 0 406 519 A1.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg.
1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 5 sind zulässig.
Der geltende Patentanspruch 1 ist inhaltsgleich zu dem ursprünglichen Anspruch 1, die abhängigen Ansprüche 2 bis 5 stimmen mit den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 5 überein.
2. Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Beleuchtungseinrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist unbestritten neu, denn keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zeigt eine Beleuchtungseinrichtung mit sämtlichen beanspruchten Merkmalen. Zu ihrer Gestaltung war am Anmeldetag eine erfinderische Tätigkeit erforderlich.
Bei der folgenden Bewertung des Standes der Technik legt der Senat als Durchschnittsfachmann einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik zugrunde, der bei einem Fahrzeugausrüster/-zulieferer mit der Konstruktion von Sonnenblenden befasst ist und über einige Jahre Berufserfahrung verfügt.
Aus der in der Beschreibungseinleitung in Bezug genommenen EP 0 270 508 B1 ist eine Fahrzeug-Sonnenblende bekannt, die einen Spiegel 6 mit einer Abdekkung 7 enthält. Die Abdeckung 7 ist im Bereich der in der Gebrauchsstellung der Sonnenblende oben liegenden Spiegelbegrenzung schwenkbar gelagert (vgl. Figur 2) und mit Kontaktelementen 15,16 für eine Lichtquelle 8 gekoppelt (vgl. Spalte 3, Zeilen 42 bis 50). In ihrer Öffnungsstellung bildet die Abdeckung 7 in etwa einen rechten Winkel mit der Spiegelfläche (vgl. Figur 2). Die Lichtquelle 8 ist in der Abdeckung 7 an deren in Schließstellung dem Spiegel 6 zugekehrten Seite so angeordnet, daß in der Öffnungsstellung der Abdeckung 7 je nach deren Öffnungswinkel das Gesicht einer in den Spiegel 6 blickenden Person mehr oder weniger vollständig ausgeleuchtet wird. Dabei wird allerdings durch transparente Abdekkung 14,20 der Lichtkörper 13 diffuses Licht erzeugt und eine direkte Anstrahlung der Person vermieden. Das Entgegenstrahlen von Licht aus der Spiegelfläche heraus zur Person hin ist jedoch nicht gänzlich vermieden.
An einer aus der EP 0 265 404 B1 bekannten, dem Zurückweisungsbeschluß der Prüfungsstelle als gattungsbildender Stand der Technik zugrundegelegten Sonnenblende ist ebenfalls ein Spiegel 1 mit einer im Bereich von dessen oberer Begrenzung schwenkbar angelenkten Abdeckung 8 angeordnet (vgl. Figuren 2, 3). Hier wird eine Beleuchtungseinrichtung (4,5,6) durch einen Schalter beim Bewegen der Abdeckung 8 ein- bzw. ausgeschaltet (vgl. Spalte 2, Zeilen 13 bis 16). In ihrer Öffnungsstellung schließt die Abdeckung 8 mit dem Spiegel 1 einen im wesentlichen rechten Winkel ein (vgl. Figur 3). Die Beleuchtungseinrichtung (4,5,6) besteht aus jeweils einer im Bereich jeder der beiden Seitenkanten des Spiegels 1 angebrachten Lichtquelle, deren durch Spiegelung indirektes Licht von der Spiegelfläche weg der in den Spiegel 1 blickenden Person im wesentlichen entgegengerichtet ist.
Wenn der Durchschnittsfachmann sich aufgrund des bei diesem Stand der Technik nach der EP 0 270 508 B1 und der EP 0 265 404 B1 mehr oder weniger stark auftretenden Problems der Blendung durch die Beleuchtungseinheit im einschlägigen Fachgebiet nach einer Beleuchtungseinrichtung umsieht, bei der aufgabengemäß die in den Spiegel blickende Person nicht geblendet wird, wird er auf die Sonnenblende nach der DE 38 38 117 A1 stoßen. Diese weist nämlich ausdrücklich eine Anordnung ihrer zusammenwirkenden Komponenten auf, die die Blendgefahr ausschließt oder wenigstens mindert (Spalte 2, Zeilen 12 bis 23).
Die Sonnenblende enthält an ihrer in Gebrauchsstellung dem Fahrzeug-Innenraum zugewandten Seite einen nicht abgedeckten Spiegel 2. Sie ist schwenkbar an einem ihre Schwenkachsen 4,8 lagernden Bauteil 5,11,10 angelenkt, welches die Sonnenblende 1 entlang ihrer in Gebrauchsstellung oben liegenden Kante überspannt und am Fahrzeughimmel befestigt ist. Das Bauteil 5,11,10 weist ein Gehäuse 12 auf, welches eine Beleuchtungseinheit 17,13 enthält. Bei heruntergeklappter Sonnenblende 1 und dem Fahrzeug-Innenraum zugewandter Spiegelfläche liegt die Beleuchtungseinheit 17,13 oberhalb des Spiegels 2 und zu dessen Oberfläche zum Fahrzeug-Innenraum hin geringfügig versetzt, so daß eine Einstrahlung von Licht auf die Spiegeloberfläche nicht gänzlich vermieden ist. Zur Vermeidung bzw. Minderung der Blendgefahr besteht aber zwischen der Beleuchtungseinheit 17,13 und dem Spiegel 2 ein verhältnismäßig großer Abstand (vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 23).
Wendet der Durchschnittsfachmann diese Lehre zur Verringerung der Blendwirkung auf die Beleuchtungseinrichtung der seiner Weiterbildung zugrundeliegenden Art folgerichtig an, so wird er zwischen Lichtquelle und Spiegel einen großen Abstand vorsehen und den Spiegel mit einer Abdeckung versehen. Er wird aber nicht Maßnahmen ergreifen, den Spiegel gegen die Beleuchtung aus der Lichtquelle abzuschirmen, denn die EP 0 270 508 B1 und die EP 0 265 404 B1 zeigen zwar eine Abdeckung des Spiegels, jedoch gibt diese in Öffnungsstellung die Spiegelfläche in Bezug auf das Licht der Lichtquelle gerade frei, und bei der Sonnenblende nach der DE 38 38 117 A1 fehlt eine Abdeckung des Spiegels gänzlich.
Auch das an sich allgemein bekannte Prinzip der Verwendung von Blenden zum Schutz gegen Einstrahlung von Licht kann den Fachmann nicht ohne erfinderische Tätigkeit zu der erfindungsgemäßen Beleuchtungseinrichtung führen, weil bei dieser zum einen mehr Komponenten als nur die Lichtquelle und das abzuschirmende Objekt funktionell zusammenwirken, nämlich Lichtquelle, Sonnenblende, Spiegel und Abdeckung, wobei diese Komponenten zur Erreichung des Erfolges in geeigneter Weise relativ zueinander positioniert sein müssen. Zum anderen ist eine derartige Blende üblicherweise zwischen Lichtquelle und der vor Blendung zu schützenden Person angeordnet. Im vorliegenden Falle ist in Abweichung davon die Person selbst eben doch angestrahlt, wobei das Gesicht der Person das Licht zum Spiegel hin reflektiert.
Es gibt darüber hinaus auch keine dieser zuvor genannten Schriften eine Anregung, die Lichtquelle im Fahrzeughimmel anzuordnen. Aus der DE 38 38 117 A1 kann lediglich entnommen werden, die Lichtquelle 17,13 außerhalb des Sonnenblendenkörpers 1 oberhalb des Spiegels 2 zu platzieren. Die Lichtquelle 17,13 nach dieser Druckschrift ist nämlich nicht unmittelbar im Fahrzeughimmel angebracht, sondern vielmehr in dem bügelförmigen Verbindungsteil 11, welches dann seinerseits erst am Fahrzeughimmel befestigt ist. Eine Zusammenschau der betrachteten Schriften - auch zusammen mit o.g. allgemeinen Prinzip - ergäbe immer eine aus Lichtquelle und Sonnenblende mit Spiegel und Abdeckung gebildete integrale Baueinheit, gemäß der Erfindung wird dagegen die separate Anordnung zweier eigenständiger Baugruppen möglich, nämlich der Lichtquelle und der Sonnenblende mit abgedeckbarem Spiegel. Dies schafft in vorteilhafter Weise die Verwendbarkeit von Innenraumbeleuchtungen und Sonnenblenden der beanspruchten Art als an sich separate Baueinheiten und somit die Möglichkeit der Verwendung handelsüblicher, serienmäßiger Komponenten.
Die außerdem von der Anmelderin in der Beschreibungseinleitung genannten Druckschriften EP 0 261 989 B1, EP 0 317 284 B1 und EP 0 406 519 A1 zeigen Sonnenblenden, die jeweils einen Spiegel mit Abdeckung aufweisen. Die Spiegel weisen im Bereich ihrer Seitenkanten Beleuchtungseinrichtungen auf, deren Licht auf jeden Fall auch zu einem Teil aus der Spiegelfläche herausstrahlt, so daß eine in den Spiegel blickende Person angestrahlt und damit gegebenenfalls geblendet wird. Der Fachmann wird diese Druckschriften zur Lösung seiner Aufgabe gar nicht erst nicht in Betracht ziehen, weil sie zur Vermeidung von Blendwirkung weniger Bezug haben, als die EP 0 270 508 B1 und die EP 0 265 404 B1.
Nach alledem bedurfte die Schaffung der mit Anspruch 1 beanspruchten Beleuchtungseinrichtung einer erfinderischen Tätigkeit.
Der geltende Patentanspruch 1 ist somit patentfähig.
Mit ihm sind es die Unteransprüche 2 bis 5, die zweckmäßige Weiterbildungen der Beleuchtungseinrichtung nach Patentanspruch 1 betreffen.
Petzold Dr. Fuchs-Wissemann Küstner Reinhardt Pü
BPatG:
Beschluss v. 26.08.2004
Az: 9 W (pat) 56/02
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