Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. November 2010
Aktenzeichen: 12 W (pat) 29/05

(BPatG: Beschluss v. 18.11.2010, Az.: 12 W (pat) 29/05)

Tenor

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 65 B des Deutschen Patentund Markenamts vom 9. Mai 2005 wird aufgehoben und das Patent 44 25 428 mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 5, Beschreibung Seiten 1 bis 6 und Zeichnungen (Figur 1 bis 5) gemäß den ursprünglichen Unterlagen unter Austausch der Seite 2 der Beschreibung durch die Seiten 2 und 2a, eingegangen am 30. Juni 2001.

Gründe

I Der Beschwerdeführer ist Anmelder der am 19. Juli 1994 unter Inanspruchnahme der Priorität der österreichischen Anmeldung AT 1435/93 vom 20. Juli 1993 beim Deutschen Patentund Markenamt eingegangenen Patentanmeldung mit der Bezeichnung:

"Wickelmaschine zum Umwickeln quaderförmiger Gutballen mit Hüllfolien od. dgl.".

Mit Beschluss vom 9. Mai 2005 hat die Prüfungsstelle für Klasse B65B des Deutschen Patentund Markenamts die Anmeldung zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 5. Juli 2005 eingelegte Beschwerde des Anmelders.

Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Wickelmaschine zum Umwickeln quaderförmiger Gutballen, insbesondere Futterballen, mit Hüllfolien od. dgl., bestehend aus einer Wälzeinrichtung zum Umwälzen der Ballen um eine im wesentlichen horizontale Wälzachse und einer Wickeleinrichtung zum Aufbringen der Hüllfolien mit einem relativ zur Wälzeinrichtung um eine Vertikalachse umlaufenden Folienabzug, wobei die Wälzeinrichtung ein antreibbares, über zwei horizontale, in etwa gleicher Höhe gelagerte Förderwalzen und zumindest eine unterhalb der Förderwalzen gelagerte horizontale Rückführwalze endlos geführtes Förderband aufweist, dessen Fördertrum zwischen den Förderwalzen einen an die Ballenabmessungen angepaßten Durchhang bildet, dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens eine (11) der Förderwalzen (10, 11) an einer am Grundgestell (8) der Wälzeinrichtung (2) angelenkten Pendelstütze (14) gelagert ist.

Hieran schließen sich die Ansprüche 2 bis 5 als unmittelbar oder mittelbar auf den Anspruch 1 rückbezogene Unteransprüche an.

Im Verfahren sind die folgenden Druckschriften:

D1) WO 92/20210 A1 D2) EP0543792A2 D3) WO 91/13540 A1 D4) DE9004354U1 Von der Prüfungsstelle für Klasse B65B des Deutschen Patentund Markenamts wurde der Zurückweisungsbeschluss sinngemäß damit begründet, dass die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aus der D1 bekannt seien, die des kennzeichnenden Teils aus der D2, und dass es nahegelegen habe, die vorteilhaften Merkmale zusammenzufassen.

Der nicht erschienene Beschwerdeführer hatte schriftsätzlich die Auffassung vertreten, die beanspruchte Wickelmaschine sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt und sinngemäß beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 65 B des Deutschen Patentund Markenamts aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der ursprünglichen Unterlagen mit Beschreibungsaustauschseiten 2, 2a, eingegangen am 30. Juni 2001, zu erteilen, hilfsweise auf Grundlage der am 1. August 2005 eingegangenen Ansprüche mit noch anzupassender Beschreibung.

Wegen des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag wird auf die DE 44 25 428 A1, wegen der Ansprüche 1 bis 4 nach Hilfsantrag sowie wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1) Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

2) Der Anspruch 1 nach Hauptantrag lässt sich wie folgt gliedern:

M1 Wickelmaschine zum Umwickeln quaderförmiger Gutballen, insbesondere Futterballen, mit Hüllfolien od. dgl., M2 bestehend aus einer Wälzeinrichtung zum Umwälzen der Ballen um eine imwesentlichen horizontale Wälzachse M3 und einer Wickeleinrichtung zum Aufbringen der Hüllfolien mit einem relativzur Wälzeinrichtung um eine Vertikalachse umlaufenden Folienabzug, M4 wobei die Wälzeinrichtung ein antreibbares Förderband aufweist, endlos geführt 3) Zuständiger Fachmann ist hier ein Maschinenbauingenieur (FH) mit Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Wickelmaschinen zum Umwickeln von Gutballen.

M5 über zwei horizontale, in etwa gleicher Höhe gelagerte Förderwalzen M6 und zumindest eine unterhalb der Förderwalzen gelagerte horizontale Rückführwalze M7 dessen Fördertrum [das des Förderbands] zwischen den Förderwalzeneinen an die Ballenabmessungen angepaßten Durchhang bildet, M8 dadurch gekennzeichnet, daß wenigstens eine (11) der Förderwalzen (10, 11) an einer am Grundgestell (8) der Wälzeinrichtung (2)

angelenkten Pendelstütze (14) gelagert ist.

4) Zum Verständnis des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist folgendes auszuführen:

Gegenstand des Anspruchs 1 ist eine Wickelmaschine, die nach Merkmal M1 so ausgebildet ist, dass sie zum Umwickeln quaderförmiger Gutballen geeignet ist, und die nach den Merkmalen M2 und M3 aus einer Wälzeinrichtung zum Umwälzen der Ballen um eine im Wesentlichen horizontale Wälzachse und einer Wickeleinrichtung zum Aufbringen der Hüllfolien besteht.

Die weitere Angabe des Merkmals M3, wonach die Wickeleinrichtung einen relativ zur Wälzeinrichtung um eine Vertikalachse umlaufenden Folienabzug aufweist, lässt aufgrund der Formulierung "relativ" offen, ob dabei die Wickeleinrichtung sich um die Wälzeinrichtung herum bewegt, wie für das einzige Ausführungsbeispiel der vorliegenden Anmeldung gezeigt, siehe Fig. 1, oder ob die Wickeleinrichtung stillsteht und die Wälzeinrichtung sich um eine vertikale Achse dreht.

Die weiteren Merkmale M4 bis M8 beschreiben die in M2 eingeführte Wälzeinrichtung. Diese weist nach Merkmal M4 ein antreibbares, endlos geführtes Förderband auf, das nach Merkmal M5 über zwei horizontale, in etwa gleicher Höhe gelagerte Förderwalzen geführt ist und dessen Fördertrum nach Merkmal M7 zwischen den Förderwalzen einen an die Ballenabmessungen angepassten Durchhang bildet. Nach Merkmal M6 weist die Wälzeinrichtung weiter zumindest eine unterhalb der Förderwalzen gelagerte horizontale Rückführwalze auf, die nach dem Verständnis des Fachmanns so angeordnet sein muss, dass sie ein Schleifen des durchhängenden oberen Trums des Förderbandes auf dem unteren verhindert.

Gemäß dem kennzeichnenden Teil, Merkmal M8, ist wenigstens eine der Förderwalzen (10, 11) an einer am Grundgestell (8) der Wälzeinrichtung (2) angelenkten Pendelstütze (14) gelagert. Der Bezeichnung "Pendelstütze" entnimmt der Fachmann, dass diese Stütze im Betrieb eine pendelnde Bewegung ausführen kann. Dabei ergibt sich für den Fachmann aus dem Zusammenhang, dass diese Bewegung um eine Achse erfolgt, die parallel zu der Drehachse der Förderwalze angeordnet ist.

Infolge des Gewichtes des auf dem Förderband liegenden Gutballens wirkt über das Förderband auf die das Förderband führende Förderwalze eine Kraft, die über die Hebellänge der Pendelstütze ein Drehmoment bewirkt, das die Pendelstütze mit ihrem die Förderwalze lagernden Ende nach innen, in Richtung zum Gutballen hin bewegt. Der Fachmann erkennt, dass deshalb funktionsnotwendig ein zweites Drehmoment erforderlich ist, das die Pendelstütze mit ihrem die Förderwalze lagernden Ende nach außen, vom Gutballen weg bewegt, da sonst der Gutballen zwischen den Förderwalzen eingeklemmt würde. Dieses zweite Drehmoment wird erfindungsgemäß über einen zweiten, mit der Pendelstütze verbundenen Hebelarm eingeleitet, an dem eine Rückführwalze gelagert ist, auf die ebenfalls über das Förderband eine Kraft wirkt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist jedoch auf diese erst im Anspruch 5 angegebene Lösung nicht beschränkt, für den Fachmann sind auch andere Lösungen denkbar, z. B. mit Federkraft.

5) Die Ansprüche 1 bis 5 nach Hauptantrag stimmen mit den ursprünglich angemeldeten Ansprüchen 1 bis 5 überein; sie sind daher zulässig.

6) Der ausführbar offenbarte und zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist neu gemäß § 3 PatG.

Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen offenbart eine Wickelmaschine mit einem Förderband, das über zwei horizontale, in etwa gleicher Höhe gelagerte Förderwalzen geführt ist, von denen wenigstens eine entsprechend dem Merkmal M8 an einer Pendelstütze gelagert ist.

7) Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit gemäß § 4 PatG.

Die D1 offenbart mehrere Ausführungsformen von Wickelmaschinen mit Förderbändern, von denen die dritte Ausführungsform den Merkmalen M1 bis M7 des Oberbegriffs des Anspruchs 1 nach Hauptantrag entspricht, siehe die Beschreibung, Seiten 24, 25, und die Figuren 30 bis 33. Die D1 offenbart jedoch nicht das Merkmal M8.

Die D2 offenbart eine Wickelmaschine entsprechend den Merkmalen M1 bis M3 des Anspruchs 1, mit einer Wälzeinrichtung mit vier Förderwalzen (2), die an schwenkbaren Armen (4) angelenkt sind, welche als Pendelstützen entsprechend dem Merkmal M8 des Anspruchs 1 bezeichnet werden können, siehe die Figuren 1 bis 3 und die Beschreibung, insb. Seite 3, Zeilen 15 bis 46. Die Wälzeinrichtung der Wickelmaschine nach D2 repräsentiert jedoch eine grundsätzlich andere Bauweise als die der dritten Ausführungsform nach D1. Im Fall der D2 erfolgt das Wälzen des quaderförmigen Gutballens ohne ein Förderband direkt mittels der vier angetriebenen Förderwalzen (2), die deshalb an schwenkbaren Armen (4) angelenkt sein müssen, um dem Gutballen während seiner Wälzbewegung folgen zu können, siehe insbesondere die Figur 3 der D2. Im Fall der dritten Ausführungsform nach D1 erfolgt dagegen das Wälzen des Gutballen mittels des durchhängenden angetriebenen Förderbands (12), vergleiche die Figur 32 der D1 mit der Figur 3 der D2. Der Fachmann hatte somit keinen Anlass, an der Wälzeinrichtung nach D1, Figur 32, Pendelstützen gemäß der D2 vorzusehen, da deren Funktion im Fall der D1 bereits durch das durchhängende Förderband (12) gegeben war.

Die D3 offenbart eine Wickelmaschine mit einer Wälzeinrichtung, die ein Förderband aufweist, entsprechend den Merkmalen M1 bis M5 des Anspruchs 1, und mit einer Führungswalze (31), die an einer federnd vorgespannt angelenkten Pendelstütze (32) gelagert ist, siehe insbesondere die Figur 1 und die Beschreibung, Seite 9, letzter Absatz. Die D3 gibt dem Fachmann jedoch keine Anregung, anstelle der Führungswalze (31) eine ein Förderband führende Förderwalze an einer Pendelstütze zu lagern.

Die D4 offenbart eine Wickelmaschine entsprechend den Merkmalen M1 bis M5 des Anspruchs 1, mit einem Förderband (7), das ohne nennenswerten Durchhang über zwei in etwa gleicher Höhe gelagerte Förderwalzen (6) geführt ist, einer in Laufrichtung dieses Förderbandes gesehen hinten angeordneten Rückhaltewalze (19) und einem in Laufrichtung vorn angeordneten Schrägförderer (12), der als zusätzliches Förderband (17) ausgebildet sein kann, das über zwei zusätzliche Förderwalzen (14, 15) geführt ist -die allerdings nicht entsprechend Merkmal M5 in etwa gleicher Höhe gelagert sind, sondern schräg übereinander, siehe in D4 die einzige Figur und die Beschreibung, Seiten 2 und 3.

Dieser Wickelmaschine nach D4 entsprechen insoweit die ersten zwei der in D1 offenbarten Ausführungsformen, siehe dort insbesondere in den Figuren 9 bis 13 das waagerechte, über zwei Förderwalzen (11, 11a) geführte Förderband (12), die Rückhaltewalze (18) und den Schrägförderer mit Förderwalzen (26, 27) und Förderbändern (50).

Die D4 offenbart weiter die Möglichkeit, den Schrägförderer (12) und/oder die Rückhaltewalze (19) an ihren unteren Enden begrenzt federnd anzulenken, also an Pendelstützen im Sinne des Merkmals M8 des Anspruchs 1, siehe in D4 die Beschreibung, Seite 2, fünfter Absatz, Seite 3, mittlerer Absatz und Anspruch 10. Dabei sollen der Schrägförderer und/oder die Rückhaltewalze durch Federn nach innen gegen den Ballen gedrückt werden; sie können also in umgekehrter Richtung vom Ballen nach außen gedrückt werden und nachgeben. Dass diese Maßnahme im Zusammenhang mit unterschiedlichen Ballenabmessungen stehen soll, versteht der Fachmann dahingehend, dass damit ein Verklemmen eines zu großen Ballens zwischen Schrägförderer und Rückhaltewalze vermieden werden soll.

Der Fachmann hätte die aus D4 bekannte begrenzt federnde Anlenkung auch bei den Schrägförderern und Rückhaltewalzen der Wickelmaschinen gemäß den ersten zwei Ausführungsformen der D1 vorsehen können; es war jedoch nicht naheliegend, diese federnde Anlenkung auf die Wickelmaschine gemäß der dritten Ausführungsform der D1 zu übertragen: Denn abgesehen davon, dass diese Wickelmaschine weder einen Schrägförderer noch eine Rückhaltewalze aufweist, bestand auch kein Anlass, bei der dritten Ausführungsform stattdessen eine begrenzt federnde Anlenkung einer der Förderwalzen (212, 213) in Betracht zu ziehen, da das auch nach Aussage der D1 bei den zwei ersten Ausführungsformen durchaus gegebene Problem eines möglichen Verklemmens zu großer Ballen bei der dritten Ausführungsform nicht auftreten kann, siehe D1, Seite 25, Zeilen 31 bis 36.

Auch eine Zusammenschau der D1 bis D4 konnte somit den Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag nicht nahelegen.

8) Die Unteransprüche 2 bis 5 nach Hauptantrag betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen der Wickelmaschine nach Anspruch 1 und sind daher ebenfalls gewährbar.

Dr. Ipfelkofer Bayer Dr. Baumgart Dr. H. Krüger Fa






BPatG:
Beschluss v. 18.11.2010
Az: 12 W (pat) 29/05


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