Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 12. November 1993
Aktenzeichen: 6 U 38/93

(OLG Köln: Urteil v. 12.11.1993, Az.: 6 U 38/93)

1. Im Rahmen der Prüfung eines möglichen Dringlichkeitsverlustes bei (wettbewerbswidriger) Ausbeutung fremder Leistung mittels übergewechselter Mitarbeiter kommt es - wenn Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung nachgeahmter Produkte verlangt wird - grundsätzlich nicht auf den Zeitpunkt der Einstellung der übergewechselten Mitarbeiter, sondern auf den der Kenntniserlangung von Vertrieb und Bewerbung der Nachahmungen an. 2. Als besonderer, die Unlauterkeit der Nachahmung begründender Umstand kann - neben der Verschaffung der notwendigen Kenntnisse durch unredliches Abwerben - Berücksichtigung finden, daß nahezu sämtliche Konstruktionspläne des Verletzten beim Verletzer gefunden wurden - und zwar bei den Unterlagen, die die übergewechselten Mitarbeiter als "private" mitgebracht hatten - und die Konstruktionsunterlagen für den neuen Arbeitgeber in einer Weise verwendet worden sind, daß schon kurze Zeit nach dem Wechsel der Mitarbeiter zum Verletzer die konkurrierenden Produkte auf den Markt gebracht werden konnten.

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 5. Januar 1993 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 618/92 - wird mit der Maßgabe zu rückgewiesen, daß Ziffer 3. a) des Unterlassungstenors wie folgt neu gefaßt wird: Spezialarmaturen der Baureihe ... - wie nachstehend wiedergegeben -: - Es folgt eine Seite Fotokopie - die als Regelventile für jeden betriebli- chen Einzelfall mit Dichtfunktion nach außen durch Faltenbalg - wie nachstehend wiederge-geben - ausgerüstet sind, anzubieten, zu be-werben oder in Verkehr zu bringen: - Es folgt eine Seite Fotokopie - Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das

Landgericht hat durch das angefochtene Urteil seine einstweilige

Verfügung vom 9. November 1992 zu Recht im wesentlichen bestätigt,

da die An- tragstellerin sowohl den Verfügungsgrund als auch einen

Verfügungsanspruch aus § 1 UWG unter dem Ge- sichtspunkt der

Ausbeutung fremder Leistungen für ein summarisches Verfahren

hinreichend glaubhaft gemacht hat.

1. Das Landgericht hat zu Recht die Dringlichkeit bejaht, denn

die gemäß § 25 UWG bestehende Dring- lichkeitsvermutung ist nicht

durch ein Untätig- bleiben der Antragstellerin widerlegt. Entgegen

der Auffassung der Antragsgegnerin kommt es nicht darauf an, ob die

Antragstellerin ur- sprünglich ein "Beschäftigungsverbot" für ihre

früheren Mitarbeiter, die heute bei der Antrags- gegnerin

beschäftigt sind, erreichen wollte; denn in dem Verfügungsantrag,

über den vorliegend zu entscheiden ist, geht es lediglich um die

Unterlassung des Vertriebs und/oder der Bewer- bung von

Spezialarmaturen und Spezialventilen der Baureihen ..., ... und

... Deshalb kommt es im Rahmen der Prüfung eines möglichen

Dringlich- keitsverlustes auch nicht auf den Zeitpunkt an, zu dem

die Antragsgegnerin die ehemaligen Mitarbeiter der Antragstellerin

eingestellt hat, sondern auf den Zeitpunkt, in dem die

Antragstellerin erstmals Kenntnis davon erlangt hat, daß die

Antragsgegne- rin die streitgegenständlichen Spezialarmaturen und

-ventile hergestellt, beworben oder vertrieben hat.

Von der Tatsache, daß diese Produkte von der Antragsgegnerin

hergestellt und vertrieben werden, hat die Antragstellerin erstmals

auf der vom 5. bis 10. Oktober 1992 in D. durchgeführten Messe "I."

aufgrund der dort ausgelegten Prospekte (Anlage 25 zur

Antragsschrift, Blatt 295 ff d.A.) Kenntnis erlangt. Der Zeitraum

von ca. 4 Wochen zwischen der Kenntniserlangung und der Einreichung

des Verfügungsantrags bei Gericht am 3. Novem- ber 1992 erscheint

angesichts des komplexen und schwierigen Sachverhalts nicht als ein

unange- messen langes Hinauszögern, durch das die Dring- lichkeit

beseitigt werden kann. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß die

Antragstellerin erst am 7. Oktober 1992 Einsicht in die

staatsanwalt- schaftlichen Ermittlungsakten erhielt und somit erst

zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von dem Gutach- ten des Patentanwalts

F. Kenntnis erlangen konnte.

Allein die Tatsache, daß die Antragstellerin spä- testens am 29.

Juni 1992, dem Zeitpunkt, an dem sie die Strafanzeige gegen ihren

ehemaligen Mit- arbeiter D. erstattete, davon wußte, daß die An-

tragsgegnerin seit Mai ein technisches Büro in E. unterhielt, in

dem einige ihrer ehemaligen Mitar- beiter beschäftigt waren, und

daß der Antragsgeg- nerin umfangreiche technische Zeichnungen aus

dem Hause der Antragstellerin zur Verfügung gestellt worden waren,

ist nicht dringlichkeitsschädlich. Insoweit wird ergänzend auf die

Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (dort Seite 24) Be-

zug genommen.

Hinsichtlich Ziffer 3. lit. a) des Tenors der angefochtenen

Entscheidung ist die Dringlichkeit auch deshalb nicht entfallen,

weil die Antragsgeg- nerin behauptet und durch eidesstattliche

Versi- cherung ihres Geschäftsführers Dr. D. sowie durch Vorlage

von Prospekten glaubhaft gemacht hat, daß das angegriffene Ventil

der Baureihe ..., des im Urteilstenor auf Seite 3 dieses Urteils

oben links abgebildet ist, von ihr schon seit ca. 15 Jahren

angeboten werde, da sich dieser Vortrag nur auf Ventile bezieht,

die nicht mit einem Faltenbalg ausgestattet sind, während sich die

Verurteilung in Ziffer 3. lit. a) nur auf die Ventile mit

Dichtfunktion nach außen durch Faltenbalg bezieht.

Soweit die Antragsgegnerin weiterhin vorträgt, dieses Ventil sei

auf Kundenwunsch mit "Dichtfunk- tion nach außen" durch Faltenbalg

schon früher ausgestattet worden, ist dies nicht geeignet, die

Vermutung des § 25 UWG zu widerlegen.

Ein Dringlichkeitsverlust könnte allenfalls dann eingetreten

sein, wenn die Antragsgegnerin das streitgegenständliche Produkt

schon früher mit dem im vorliegenden Verfahren angegriffenen

Faltenbalg ausgerüstet hätte und dies der Antragstellerin be- kannt

gewesen wäre oder hätte bekannt sein müssen. Wie aber in dem

Berufungstermin unstreitig gewor- den ist, hat die Antragsgegnerin

einen derartigen Faltenbalg nicht verwandt.

Demnach bleibt es hinsichtlich aller angegriffe- nen Produkte

bei der Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG.

2. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Un-

terlassungsanspruch hinsichtlich aller angegriffe- nen

Spezialventile und -armaturen aus § 1 UWG un- ter dem Gesichtspunkt

der Ausbeutung fremder Lei- stung zu.

Die Antragstellerin hat für ein einstweiliges Ver-

fügungsverfahren in hinreichender Weise glaubhaft gemacht, daß es

sich bei den angegriffenen Pro- dukten um Nachahmungen der von ihr

konstruierten und hergestellten Spezialventile und -armaturen

handelt.

a) Bezüglich der mit Klageantrag zu 1. angegriffe- nen

Mindestmengenrückschlagventile der Baureihe ... hat die

Antragstellerin durch die Vorlage des Gutachtens Dr. Ing. St. vom

9. September 1993 einschließlich der Zusammenfassung vom 14.

Septem- ber 1993, durch die eidesstattliche Versicherung ihres

Geschäftsführers O. sowie durch die ergän- zenden Erläuterungen in

der mündlichen Verhandlung vom 17. September 1993 hinreichend

glaubhaft ge- macht, daß es sich um eine Nachahmung der von ihr

hergestellten und vertriebenen Ventile des Typs S. handelt.

Zwar hat die Antragsgegnerin durch Vorlage des Gu- tachtens von

Prof. Dr. Ing. H. glaubhaft gemacht, daß einige ins Auge fallende

Óbereinstimmungen wie MRV-Gehäuse, Bypass-Stutzen, Rückschlagkegel

und Bypass-Drossel mit anschließendem Ringraum tech- nisch bedingte

Konstruktionsmerkmale sind, die von allen Herstellern bei den

einschlägigen Produkten seit Jahrzehnten angewandt werden.

Weiterhin ist durch dieses Gutachten glaubhaft gemacht, daß eine

Vielzahl von konstruktiven Merkmalen in ihrer Ausprägung bei den

beiden streitgegenständlichen Ventilen verschieden sind. Insoweit

wird auf Anla- ge AG 27 ergänzend Bezug genommen.

Es ist jedoch für eine Nachahmung im Sinne des § 1 UWG nicht

erforderlich, daß das Vorbild in allen Einzelheiten nachgebildet

ist; es reicht vielmehr aus, daß die nachahmende Leistung von der

eines anderen abgeleitet ist. Hierbei genügt die Nachahmung

wesentlicher Elemente, auch wenn andere Teile abweichend gestaltet

sind (BGH GRUR 1963, 152, 155 - "Rotaprint"; Baumbach/Hefermehl,

UWG, 17. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 446).

Wie sich aus den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom

17.09.1993 ergeben hat, ist die Ausgestaltung der Vorkegel ein

entscheidendes kon- struktives Merkmal in den zu vergleichenden

Venti- len. Gerade hierzu hat Dr. Ing. St. in seinem Gut- achten

festgestellt, daß die Formgebung des Vorke- gels bei den Ventilen

... der Antragsgegnerin und S. der Antragstellerin völlig

identisch ausgebil- det ist. Beide Ventilkegel sind auf der

Unterseite mit einer zylindrischen Stufe ausgebildet, die in einen

Konus übergeht (Regelkante). Daß gerade die- se Ausgestaltung und

diese Formgebung ausschlagge- bend für die störungsfreie Funktion

und Stabilität des streitgegenständlichen Ventils sind und bis-

lang nur bei den Ventilen der Antragstellerin zu finden waren, hat

die Antragstellerin durch Vorla- ge des Gutachtens Dr. Ing. St.

glaubhaft gemacht. Insoweit wird ergänzend auf Anlage 2 zum

Schrift- satz vom 10.09.1993 (Blatt 862 ff d.A.) Bezug ge-

nommen.

Vor dem Hintergrund der Erläuterungen in der mündlichen

Verhandlung reicht auch die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz

vom 16.09.1993 vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. Ing. H. nicht

aus, diese Darlegungen aus dem Gutachten Dr. Ing. St. zu

erschüttern. Prof. H. hält zwar die Einschätzungen im Gutachten von

Dr. Ing. St. für sachlich falsch; er nimmt jedoch nicht zu den

einzelnen Ausführungen dieses Gutachtens Stellung.

Aufgrund des Gutachtens Dr. Ing. St. und der technischen

Erläuterungen beider Parteien in der mündlichen Verhandlung vom

17.09.1993 sieht der Senat es als hinreichend glaubhaft gemacht an,

daß das angegriffene Ventil der Baureihe ... in maß- geblichen

Teilen identisch mit dem von der Antrag- stellerin hergestellten

Ventil S. ist, so daß die von der Antragsgegnerin aufgezeigten

Abweichungen nicht ins Gewicht fallen.

Die Antragstellerin hat auch hinreichend glaubhaft gemacht, daß

diese identische Ausgestaltung des Vorkegels in dem Spezialventil

auf einer Nachah- mung beruht. Hierfür spricht, daß die Antragsgeg-

nerin bis zum Frühjahr 1992 - nach ihrem eigenen Vortrag - ein

vergleichbares Ventil nicht herge- stellt hat, sondern erst zu

einem Zeitpunkt mit der Konstruktion eines derartigen Ventiles

begon- nen hat, als mehrere Konstrukteure der Antragstel- lerin zur

Antragsgegnerin übergewechselt waren und die Konstruktionspläne für

das Ventil Typ S. der Antragstellerin sich in den Räumen ihres

Konstruk- tionsbüros befanden. Hinzu kommt, daß es der

Antragsgegnerin dann in wenigen Monaten gelungen ist, das

streitgegen- ständliche Produkt fertigzustellen und anzubieten.

Dies rechtfertigt die Schlußfolgerung, daß der Antragsgegnerin dies

nur deshalb gelungen ist, weil die zu ihr übergewechselten

Mitarbeiter der Antragstellerin nicht nur über die entsprechenden

Fertigkeiten verfügten derartige Ventile zu kon- struieren, sondern

auch auf die Konstruktionspläne der Antragstellerin Zugriff

genommen und diese ausgewertet haben.

Diese Tatsachen und Indizien reichen in ihrer Ge- samtheit im

Rahmen eines einstweiligen Verfügungs- verfahrens für die Annahme

einer Nachahmung aus.

b) Die Antragstellerin hat auch hinreichend glaub- haft gemacht,

daß die mit dem Klageantrag zu 2. angegriffenen

Mindestmengenregelventile bzw. Hoch- druckreduzierventile der

Baureihe ... mit einem Druckabbau über eine

Lochbuchsen-Kombination eine Nachahmung ihres Ventils ...

darstellen.

Aufgrund der technischen Erläuterungen der Partei- en in der

mündlichen Verhandlung vom 17.09.1993 ist davon auszugehen, daß es

bei dieser Art von Ventilen maßgeblich auf die "Innengarnitur"

ankommt. Dies ergibt sich übereinstimmend auch aus den Gutachten

Prof. Dr. Ing. H. vom 10.09.1993 und der Stellungnahme von Prof.

Dr. Ing. D. zu diesem Gutachten vom 15.09.1993. Zwar hat die

Antragsgegnerin durch Vorlage des Gutachtens von Prof. D. glaubhaft

gemacht, daß die beiden Ventile verschiedenartig gestaltet sind,

und diese verschiedenartige Gestaltung auf eine Eigenleistung der

Antragsgegnerin zurückzuführen ist; auffällig ist aber, daß auch

nach diesem Gutachten Óbereinstimmungen beider Ventile bei der

Regeleinheit und deren Fixierung im Gehäuse beste- hen (Anlage AS

28 Seite 8); weitere Ausführungen zur "Innengarnitur" werden nicht

gemacht.

Dagegen zeigt das von der Antragstellerin zur Glaubhaftmachung

vorgelegte Gutachten von Prof. H. auf, daß die Abmessung der

Lochbuchsen und der Lochkegel in beiden Ventilen starke

Óbereinstim- mungen aufweisen und bei beiden Ventilen dieselben

Maße und dieselben Konturen vorzufinden sind. In- soweit wird

ergänzend auf Anlage 1 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom

10.09.1993 (Blatt 839 ff d.A.) Bezug genommen. Da gerade diese

Innengarnitur mit seiner Abstim- mung der Abmessungen und Konturen

von Lochbuchse und Lochzylinder für die Haltbarkeit und Geräusch-

armut von entscheidender Bedeutung ist, ist mit dem Gutachten Prof.

H. für das einstweilige Verfü- gungsverfahren hinreichend glaubhaft

gemacht, daß in den wesentlichen Teilen der Ventile - der

Innengarnitur - fast Identität besteht, so daß es auf Unterschiede

in der übrigen Gestaltung der Ventile nicht ankommt.

An diesem Ergebnis ändert auch die Stellung- nahme von Prof. D.

vom 15.09.1993 (Anlage 43, Blatt 1082 f.) nichts. Zwar folgert der

Gutachter aus 11 ungleichen Abmessungen in den Ventilen, daß nicht

kopiert sondern berechnet wurde; er schränkt diese Aussage aber

insoweit ein, als er klarstellt, daß nur vermaßte Einzelzeichnungen

eine sichere Grundlage für die Beurteilung geben könnten. Ein Grund

für die Óbereinstimmungen der Innengarnitur kann nach Auffassung

des Senats auch nicht darin bestehen, daß es sich - worauf Prof. D.

in seinem Gutachten hinweist - um Ven- tilausführungen handelt, die

auf die Bedürfnisse desselben Auftraggebers zugeschnitten seien und

auf dessen Vorgaben beruhen. Hierzu wird in dem Gutachten Prof. H.

ausgeführt, daß zur Entwicklung derartiger Innengarnituren

langwierige experimen- telle Untersuchungen erforderlich seien, für

die ein besonderes strömungstechnisches knowhow not- wendig sei.

Da die Antragsgegnerin nicht vorgetragen hat, daß ein gemeinsamer

Auftraggeber der Parteien hin- sichtlich der in Rede stehenden

Ventile derartige strömungstechnische Vorgaben gemacht hat, kann

nicht davon ausgegangen werden, daß diese nur schwer zu

entwickelnde Ausgestaltung der Innengar- nitur auf gemeinsamen

Vorgaben beruht.

Dafür, daß die somit glaubhaft gemachten Óberein- stimmungen der

beiden Ventile auch auf einer Nach- ahmung durch die

Antragsgegnerin beruhen, sprechen - wie bereits zu a) ausgeführt -

die Tatsachen, daß sich die Konstruktionspläne der Antragstelle-

rin in den Büroräumen der Antragsgegnerin befan- den, die

ehemaligen Mitarbeiter der Antragstelle- rin bei der

Antragsgegnerin beschäftigt waren und zusätzlich der Umstand, daß

das Ventil der Antrag- stellerin zuvor unter Mitwirkung von

Beschäftigten der Antragsgegnerin erarbeitet worden war.

c) Die Antragstellerin hat weiterhin hinreichend glaubhaft

gemacht, daß die mit dem Klageantrag zu 3. lit. b) angegriffenen

Spezialarmaturen der Baureihe ... Nachahmungen ihrer Ventile

Typ... sind.

Auch bei diesen Armaturen kommt es maßgeblich auf die

"Innengarnituren" an, wie sich aus dem Gutachten Prof. H., der

Stellungnahme von Prof. D. zu diesen Gutachten und aus den

Erläuterungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom

17.09.1993 ergeben hat.

Das Gutachten von Prof. D. vom 20.04.1993 (An- lage AS 28) hat

zwar bei den Armaturen der bei- den Parteien entsprechende

Abweichungen festge- stellt, wie sie ebenfalls bei dem Ventil ...

im Vergleich zu dem Ventil ... aufgezeigt worden sind.

Hinsichtlich der Regeleinheit stellt jedoch auch Prof. D.

Óbereinstimmungen fest; nach seinem Gutachten ist lediglich der

Regelkolben, der bei der Armatur ... mit der Ventilspindel

verschraubt ist, bei der Armatur ... mit der Ventilspindel aus

einem Teil gefertigt. Da sich dieses Gutachten im übrigen aber

nicht mit der "Innengarnitur" der beiden zu vergleichenden

Armaturen auseinan- dersetzt, ist es nicht geeignet, die durch das

Gu- tachten Prof. H. von der Antragstellerin glaubhaft gemachten

Óbereinstimmungen in den wesentlichen Teilen der Innengarnitur zu

entkräften.

Zwar birgt auch das Gutachten Prof. H. Ungenauig- keiten in

sich, da in den diesem zugrundeliegenden Konstruktionszeichnungen

die Innengarnituren nicht bemaßt waren; gleichwohl hat der

Gutachter an- schaulich dargelegt, daß er anhand anderer Abmes-

sungen in den Zeichnungen die Maße der Innengar- nituren ermitteln

konnte. Nach dieser Berechnung stellen sich die Abmessungen, die

die strömungs- technische Güte der Ventile beeinflussen, als

weitgehend identisch dar. Der einzige Unterschied besteht nach

diesem Gutachten darin, daß die eine Innengarnitur 3-stufig, die

andere 2-stufig ausge- führt ist. Durch die technischen

Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 17.09.1993 hat die

Antragstellerin jedoch darlegen können, daß für die 2-stufige

Ausführung dasselbe strömungstechni- sche knowhow erforderlich ist

wie für die 3-stu- fige Ausführung; d.h. derjenige, der eine der

Aus- führungen kennt, kann die andere davon ableiten. Diese

Darlegungen sind auch durch die Ausführungen im Gutachten Prof. H.

(dort Seite 16 = Blatt 853 d.A.) glaubhaft gemacht.

Die hinreichende Wahrscheinlichkeit, daß diese Óbereinstimmungen

in der wesentlichen Ausgestal- tung der Innengarnituren auf einer

Nachahmung durch die Antragsgegnerin beruhen, ist unter Zif- fer 1.

lit. a) und b) des Urteils dargelegt; hie- rauf wird Bezug

genommen.

d) Hinsichtlich der Spezialarmaturen der Baureihe ..., die als

Regelventil für jeden betriebli- chen Einsatzfall mit Dichtfunktion

nach außen durch Faltenbalg ausgerüstet sind (Klageantrag zu 3.

lit. a), hat die Antragstellerin nicht glaub- haft machen können,

daß die Antragsgegnerin diese Armatur mit einem Faltenbalg, der den

von der An- tragstellerin für diese Armaturen verwendeten Fal-

tenbälgen nachgeahmt ist, bereits ausgerüstet und in den Verkehr

gebracht hat. Sie beruft sich le- diglich darauf, daß die

Antragsgegnerin für diese Armaturen werblich angeboten hat: "Bei

besonderen Anforderungen an die "Dichtfunktion nach außen" können

die Ventile selbstverständlich mit Falten- balg ausgerüstet

werden".

Die Antragstellerin hat jedoch hinreichend glaub- haft gemacht,

daß die von ihr verwendeten Falten- bälge - wie im Urteilstenor zu

Ziffer 3. lit. a) wiedergegeben - nicht bloße zugekaufte Standard-

Bauteile sind, sondern speziell auf das Ventil ausgerichtete

Faltenbälge. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dipl.-Ing. B.

und Dr. Ing. St. vom 14.09.1993 (Blatt 972 ff d.A.). Hiernach

weisen die von der Antragstellerin verwendeten Faltenbälge

auffallend große Wellenzahlen auf, die zu einer erhöhten

Lebensdauer führen. Darüber hinaus sind sie in ihrem Durchmesser

dem Spindel- querschnitt angepaßt mit der Folge, daß bei einer

Spindelbewegung im Innenraum des Faltenbalgs kein nennenswerter

Druckanstieg entsteht. Dadurch wird zugleich eine hohe

Zuverlässigkeit der Spindelab- dichtung erzielt. Nach diesem

Gutachten sind diese konstruktiven Besonderheiten nur bei den

Produkten der Antragstellerin bekannt.

Diese durch das Gutachten glaubhaft gemachten konstruktiven

Ausgestaltungen der Faltenbälge sind von der Antragsgegnerin bisher

nicht verwendet worden. Dies ergibt sich schon aus ihrem eigenen

Vortrag, wonach Faltenbälge, die auch von ihr ein- gesetzt werden,

Standard-Zukaufteile sind.

Gleichwohl besteht eine Begehungsgefahr für eine Nachahmung

durch die Antragsgegnerin, da die An- tragstellerin Anhaltspunkte

hinreichend glaubhaft gemacht hat, die darauf schließen lassen, daß

die Antragsgegnerin künftig die streitgegenständlichen Ventile mit

Faltenbälgen ausrüstet, wie sie die die Antragstellerin für die von

ihr hergestellten Ventile konstruiert hat. Dies ergibt sich aus

fol- gendem: Durch Vorlage der staatsanwaltschaftlichen Verneh-

mungsprotokolle hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, daß sich

Konstruktionszeichnungen für die streitgegenständlichen Faltenbälge

in den Räumen der Antragsgegnerin Mitte 1992 befanden. Nachdem die

für die Konstruktionen maßgeblichen Mitarbeiter der Antragstellerin

zur Antragsgegne- rin übergewechselt waren, verfügte die

Antragsgeg- nerin auch über hinreichende Kenntnisse, die Kon-

struktionszeichnungen der Antragstellerin auszu- werten und die

Spezial-Faltenbälge nachzuahmen.

Die Antragsgegnerin hat - wie unter Ziffer 1. lit. a) bis c)

dargelegt - auf der Grundlage von Konstruktionszeichnungen der

Antragstellerin schon andere Ventile und Armaturen nachgeahmt.

Schließlich hat die Antragsgegnerin in der im Ur- teilstenor unter

Ziffer 3. lit. a) wiedergegebenen Darstellung werblich angekündigt,

daß sie die dort abgebildeten und beschriebenen Ventile auf Wunsch

auch mit Faltenbalg ausstatten werde, obwohl sie bisher derartige

Ventile unstreitig nicht mit Fal- tenbalg ausgestattet hat.

Aufgrund dieser Indizien hält der Senat die ge- fahrdrohenden

Umstände im Rahmen eines einstweili- gen Verfügungsverfahren für

hinreichend glaubhaft gemacht. Hat nämlich die Antragsgegnerin

schon be- stimmte Verletzungshandlungen begangen und liegen alle

Voraussetzungen vor, die ihr ähnliche Ver- letzungshandlungen

ermöglichen, liegt die Gefahr nahe, daß sie auch die neue

Verletzungshandlung begehen wird (vgl. Teplitzky, Wettbewerbliche

An- sprüche, 6. Aufl., Kapitel 10 Rdnr. 16).

3. Schließlich hat die Antragstellerin auch hinrei- chend

glaubhaft gemacht, daß sich die Antragsgeg- nerin die zur

Nachahmung aller streitgegenständli- chen Armaturen und Ventile

nötigen Kenntnisse auf unredliche Weise gegenüber der

Antragstellerin als Erstherstellerin verschafft hat.

Die besonderen, die Unlauterkeit begründenden Umstände können -

entgegen der Auffassung der Antragstellerin - jedoch nicht darin

gesehen wer- den, daß die Antragsgegnerin sich die notwendigen

Kenntnisse durch Abwerben der Mitarbeiter der An- tragstellerin

verschafft hat. Durch eidesstattliche Versicherungen aller neun von

der Antragstellerin zur Antragsgegnerin ge- wechselten Mitarbeiter

sowie durch eidesstattli- che Versicherung ihres Geschäftsführers

Dr. D. hat die Antragsgegnerin glaubhaft gemacht, daß sämtliche

Mitarbeiter aus eigenem Antrieb, je- denfalls aber ohne Anlock-

oder Abwerbeversuche durch die Geschäftsführer der Antragsgegnerin

bei der Antragstellerin gekündigt haben und zu ihr gewechselt sind.

Auch wenn es Kontakte zwischen den Angestellten, die bereits zur

Antragsgegnerin gewechselt waren, und denen gegeben hat, die noch

bei der Antragstellerin beschäftigt waren - wie aus der

eidesstattlichen Versicherung des Zeugen K. hervorgeht -, sind

keine hinreichenden Anhalts- punkte ersichtlich, daß dies mit

Wissen und Wollen der Antragsgegnerin oder gar auf deren Veranlas-

sung hin geschehen ist.

Ein besonderer, die Unlauterkeit begründender Um- stand ergibt

sich jedoch aus der Auswertung eines Großteils der

Konstruktionsunterlagen der Antrag- stellerin durch die

Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin hat durch Vorlage der staat-

anwaltschaftlichen Vernehmungsprotokolle glaub- haft gemacht, daß

sich zahlreiche fotokopier- te Konstruktionsunterlagen und

Konstruktionszeich- nungen aus ihrem Betrieb im Konstruktionsbüro

der Antragsgegnerin in E. befanden. Ob es sich hier- bei - wie die

Zeugen in der staatsanwaltschaft- lichen Vernehmung ausgesagt haben

- teilweise um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt, kann

dahinstehen, denn es reicht bereits aus, daß es sich um Unterlagen

handelt, die nicht offenkundig und dem Nachahmer somit nicht ohne

weiteres zu- gänglich waren (Baumbach/Hefermehl UWG, 17. Aufl., § 1

UWG Rdnr. 477). Wie bereits oben - unter Zif- fer 1. lit. a) bis d)

- dargelegt, ergibt sich aus den Gutachten Prof. H. und Dr. Ing.

St. , daß die Armaturen und Ventile der Antragstellerin beson- dere

Konstruktionsmerkmale aufweisen, die zu ei- ner

Funktionsverbesserung und längeren Lebensdauer führen, und daß

diese Konstruktionsmerkmale weder Allgemeingut waren noch von

Konkurrenten bisher verwendet worden sind. Diese Besonderheiten

sind aus den Konstruktionsunterlagen ersichtlich und können anhand

dieser Unterlagen nachgeahmt werden.

Aus dem Umfang der von der Staatsanwaltschaft im

Konstruktionsbüro der Antragsgegnerin sicherge- stellten

Konstruktionsunterlagen der Antragstelle- rin und aus dem Umstand,

daß diese Unterlagen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wechsel von

Mitar- beitern der Antragstellerin zur Antragsgegnerin in das Büro

der Antragsgegnerin gelangt waren, erge- ben sich schon

Anhaltspunkte, daß diese Unterlagen und Zeichnungen auf unredliche

Weise in die Räume der Antragsgegnerin gelangt sind.

Soweit die Antragsgegnerin vorgetragen und durch Vorlage von

eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter glaubhaft gemacht

hat, daß aufgrund einer Zusammenarbeit der Mitarbeiter beider

Parteien zur Erstellung eines Angebots für das KKW Biblis

umfangreiche Konstruktionsunterlagen in das Büro der

Antragsgegnerin verschafft worden seien, bezieht sich dies nur auf

einen Teil der beschlagnahmten Unterlagen, zumindest nicht auf

diejenigen, die die mit Anträgen zu Ziffer 1. und Ziffer 3. lit. a)

angegriffenen Armaturen be- treffen. Soweit die Antragsgegnerin

weiterhin vor- getragen und durch Vorlage von eidesstattlichen

Versicherungen glaubhaft gemacht hat, daß es sich bei den anderen

Unterlagen um "private Unterlagen" ihrer Mitarbeiter handelt, kann

dahinstehen, ob dieser Vortrag geeignet ist, den redlichen Besitz

der Mitarbeiter an diesen Konstruktionsunterlagen glaubhaft zu

machen.

Unabhängig davon, welcher Mitarbeiter bei der An- tragstellerin

diese Konstruktionspläne erarbeitet hat, und unabhängig davon, ob

einzelne Mitarbeiter diese Pläne zu ihren "privaten Unterlagen"

während ihrer Tätigkeit bei der Antragstellerin nehmen durften, ist

jedenfalls deren Auswertung für ein Konkurrenzunternehmen unlauter,

da hierdurch der Antragsgegnerin Kenntnisse verschafft worden sind,

ohne die diese die Leistungen der Antragstellerin nicht hätte

nachmachen und für sich ausnutzen können (vgl. Baumbach/Hefermehl,

UWG, 17. Aufl., § 1 UWG Rdnr. 477). Durch diese Wertung wird nicht

der Umstand, daß die neuen Mitarbeiter bei der Antragsgegnerin ihre

auch bei der Antragstellerin erworbenen Kenntnisse einbringen, als

verwerflich angesehen; der beson- dere, die Unlauterkeit

begründende Umstand ergibt sich vielmehr aus dem Zusammenkommen

folgender glaubhaft gemachter Faktoren: Bei der Antrags- gegnerin

wurden nahezu sämtliche Konstruktionsun- terlagen der

Antragstellerin gefunden; diese Kon- struktionspläne befanden sich

bei den Unterlagen der Mitarbeiter, die früher bei der

Antragstelle- rin an der Konstruktion ähnlicher Produkte gear-

beitet hatten; diese Konstruktionspläne dienten als Vorlage zur

Erarbeitung von Ventilen und Ar- maturen, die denen der

Antragstellerin nachgeahmt sind. Daß die Mitarbeiter der

Antragsgegnerin auf diese im Hause der Antragstellerin entwickelten

Unterlagen zurückgegriffen haben, ergibt sich - wie oben dargelegt

- aus den den Gutachten von Prof. H. und Dr. Ing. St. und aus dem

Umstand, daß sie nachgeahmten Armaturen und Ventile in wenigen

Monaten nach Anstellung der neuen - früher bei der Antragstellerin

beschäftigten - Mitarbeiter bei der Antragsgegnerin hergestellt und

von dieser an- geboten werden konnten.

Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, sie selbst habe keine

Kenntnis von dem Vorhandensein derar- tiger Konstruktionsunterlagen

in ihren Büroräumen gehabt, da es sich um Privatunterlagen der

Mitar- beiter gehandelt habe, zu denen sie keinen Zugang hätte, hat

sie durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen ihrer

Mitarbeiter nur glaubhaft ma- chen können, daß sie zunächst keine

Kenntnisse vom Inhalt dieser Unterlagen hatte. Dies ist jedoch

unerheblich.

Der Antragsgegnerin war bekannt, daß in ihrem Kon-

struktionsbüro kurze Zeit nach dem Einstellen der früheren

Mitarbeiter der Antragstellerin mehrere neue Ventile und Armaturen

entwickelt worden sind.

Spätestens seit Zustellung der Antragsschriften und der

Beschlußverfügung des Landgerichts kannte die Antragsgegnerin auch

alle oben dargelegten ob- jektiven Umstände, die den Vorwurf der

unlauteren Nachahmung begründen.

Damit sind die Voraussetzungen für ein Unterlas- sungsbegehren

der Antragstellerin gemäß § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der

Ausbeutung fremder Leistung hinsichtlich aller angegriffenen

Produkte hinreichend glaubhaft gemacht. Es kann danach dahinstehen,

ob die Antragsgegnerin nicht schon gemäß § 13 Abs. 4 UWG für die

glaub- haftgemachten Verstöße ihrer Mitarbeiter haftet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Soweit die Antragstellerin im Berufungsrechtszug den Antrag zu

Ziffer 3. lit. a) neu gefaßt hat, liegt hierin keine teilweise

Klagerücknahme oder Klageänderung, sondern lediglich eine bessere

An- passung an die von ihr behauptete konkrete Verlet-

zungsform.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO rechts- kräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 12.11.1993
Az: 6 U 38/93


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3eebd4e58cdb/OLG-Koeln_Urteil_vom_12-November-1993_Az_6-U-38-93




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