Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 25. März 2011
Aktenzeichen: 6 U 87/10
(OLG Köln: Urteil v. 25.03.2011, Az.: 6 U 87/10)
Tenor
I.) Die Berufungen der Antragstellerinnen und der Antragsgegnerin werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Hauptausspruch der landgerichtlichen Entscheidung wie folgt neu gefasst wird:
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,
1.) der Antragstellerin zu 1) Auskunft zu erteilen über den Namen, die Anschrift und die Email-Adresse der auf der Internetseite „sexuria.com“ unter dem Benutzernamen „neo596“ auftretenden Person, soweit sie über diese Daten verfügt;
2.) der Antragstellerin zu 2) Auskunft zu erteilen über die Namen, die Anschriften und die Email-Adressen der auf der Internetseite „sexuria.com“ unter den Benutzernamen „teufel“ und „sumo“ auftretenden Personen, soweit sie über diese Daten verfügt;
II.) Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen haben die Antragstellerinnen zu 1) und 2) zu je ¼ und die Antragsgegnerin zu ½ zu tragen.
Gründe
B e g r ü n d u n g
Die Antragstellerinnen nehmen die in der Schweiz ansässige Antragsgegnerin umfangreich auf Auskünfte mit der Begründung in Anspruch, sie seien Inhaberinnen der Nutzungsrechte an den beiden Pornofilmen „Meine geile Nachbarin“ und „Gina deckt auf 9“, die von Unbekannten unter den Pseudonymen "neo596", "Teufel" und "sumo" auf der Seite www.sexuria.com" in das Internet eingestellt worden seien, wo sich entsprechende Links auf die von der Antragsgegnerin betriebene Plattform "uploaded.to" befänden, über die die Filme zugänglich gemacht werden.
Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung nach mündlicher Verhandlung unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags gestützt auf § 101 UrhG teilweise erlassen und der Antragsgegnerin aufgegeben, den Antragstellerinnen Auskunft über die Namen und Anschriften der unter Pseudonymen auftretenden Nutzer sowie über deren E-Mail-Adresse zu erteilen.
Die Antragstellerinnen hätten mit Hinblick auf den angebrachten C-Vermerk ihre Aktivlegitimation bezüglich der Rechte an den als Laufbilder geschützten Filmen glaubhaft gemacht und die Antragsgegnerin sei aus § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG passivlegitimiert. Hinsichtlich beider Filme sei das gewerbliche Ausmaß zu bejahen, weil diese sich in der Erstveröffentlichungsphase befunden hätten, und die widerrechtliche Nutzung sei auch im Sinne des Artikels 101 Abs. 7 UrhG offensichtlich, weil die Filme über ihren Hash-Wert eindeutig identifiziert worden seien. Auf ein etwaiges Zeugnisverweigerungsrecht nach schweizerischem Recht könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen, weil das Recht der Schweiz nicht anwendbar sei. Die Antragsgegnerin schulde nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Bestimmung des § 101 UrhG allerdings nur die Angabe der Namen und Anschriften der Nutzer, wozu aber angesichts des modernen Kommunikationsverkehrs auch deren E-Mail-Anschrift gezählt werden müsse. Die darüber hinaus verlangten Auskünfte über insbesondere die Bankdaten könnten allenfalls nach § 101 a UrhG, nicht aber nach § 101 UrhG verlangt werden.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt, mit der sie jeweils ihr erstinstanzliches Ziel weiter verfolgen.
Die Antragsgegnerin trägt zur Begründung ihres Begehrens, den Verfügungsantrag vollständig zurückzuweisen, vor, es liege schon gar keine von ihr verantwortete Verletzungshandlung vor, weil die Nutzer unter den im Urteilstenor aufgeführten Pseudonymen nicht bei der von ihr betriebenen Plattform „Uploaded“, sondern (nur) auf der Webseite www.sexuria.com aufgetreten seien, die indes nicht von ihr betrieben werde. Zudem komme (auch) schweizerisches Datenschutzrecht zur Anwendung, das indes die Bekanntgabe der verfahrensgegenständlichen Daten untersage. Schließlich könne sich die Auskunftsverpflichtung gemäß § 101 UrhG entgegen der Auffassung der Kammer jedenfalls nicht auch auf die Email-Adresse beziehen.
Die Antragstellerinnen, die der Berufung der Antragsgegnerin entgegentreten, haben erstinstanzlich für den Fall der Nichtverfügbarkeit der Anschrift der anonymen Nutzer auch Auskunft über bestimmte Bankdaten und Telefonnummern verlangt und verfolgen dieses Begehren weiter. Sie meinen, § 101 UrhG sei so auszulegen, dass auch diese Auskünfte erfasst seien, weil der Gesetzeswortlaut die hier in Rede stehende Online-Piraterie nicht hinreichend berücksichtige. Ein Sharehoster kenne häufig die Namen und Adressen der Nutzer nicht, aber - jedenfalls bei Premium-Nutzern - immer die Zahlungsdaten. Erkennbar habe der Gesetzgeber Auskunftsansprüche hinsichtlich derjenigen Daten begründen wollen, die zur Bekämpfung der Online-Piraterie benötigt würden. Der von der Kammer gezogene Umkehrschluss aus § 101 a UrhG treffe nicht zu, weil die Zielrichtung beider Bestimmungen unterschiedlich sei. Im Übrigen sei der Anspruch sogar aus § 242 BGB gegeben, was sich aus früherer Rechtsprechung des BGH ergebe.
Beide Berufungen sind zulässig, haben in der Sache aber keinen Erfolg.
I.
Die Antragstellerinnen machen gegen die in der Schweiz ansässige schweizerische Antragsgegnerin Auskunftsansprüche geltend, die auf eine Verletzung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten gestützt sind. Zu Recht hat das Landgericht hierfür seine internationale Zuständigkeit aus Art. 5 Nr. 3 des Lugano-Abkommens hergeleitet. Die Verletzung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten stellt eine unerlaubte Handlung bzw. eine einer solchen unerlaubten Handlung gleichgestellte Handlung dar und der daraus entstandene Schaden ist zumindest auch in Deutschland eingetreten, weswegen Artikel 5 Nr. 3 des Lugano-Abkommens in seiner revidierten Fassung die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet.
II.
Die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs aus § 101 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3, Abs. 7 UrhG liegen vor.
1.
Ebenfalls zu Recht hat die Kammer ihrer Entscheidung deutsches Recht zu Grunde gelegt. Artikel 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB räumt der Antragstellerin für deliktische Ansprüche ein Wahlrecht dahin ein, dass das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Handlungserfolg eingetreten, hier also das in Anspruch genommene Recht der Antragstellerin verletzt worden ist (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 70. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz. 5). Der Einwand der Antragsgegnerin, maßgeblich sei insoweit Art. 8 der sogenannten „Rom II-VO“, dürfte fehlgehen, weil die Schweiz kein EU-Mitgliedstaat ist, ist aber jedenfalls unerheblich, weil auch Art. 8 S. 1 der Rom II-VO mit der Regelung, es sei das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht werde, zur Anwendung deutschen materiellen Rechts führt.
2.
Zwischen den Parteien ist - wie sich in der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigt hat - unstreitig, dass die Antragsgegnerin abweichend von der in der landgerichtlichen Entscheidung verwendeten Begrifflichkeit als sogenannte „Sharehosterin“ tätig ist: Die Antragsgegnerin stellt potentiellen Anbietern (bei Bedarf umfangreichen) virtuellen Speicherplatz auf ihrer Internetseite „uploaded.to“ zur Verfügung. Die Anbieter können auf diese Weise beliebige Inhalte auf jener Internetseite einstellen. Sie erhalten von der Antragsgegnerin einen Link, über den sie oder Dritte auf den - auf der erwähnten Web-Seite uploaded.to der Antragsgegnerin befindlichen - Inhalt zugreifen können. Diesen Link machen die unter Pseudonymen auftretenden Anbietern dadurch Dritten zugänglich, dass sie ihn auf der - nicht auch von der Antragsgegnerin betriebenen - Webseite „Sexuria.com“ einstellen. Interessierte Nutzer können die Seite Sexuria.com aufrufen und gelangen bei der Auswahl des entsprechenden Links über diesen auf den bei der Antragsgegnerin auf die vorbeschriebene Weise „gehosteten“ Inhalt. Zwischen den Parteien ist insbesondere unstreitig, dass die verfahrensgegenständlichen - wie auch sonstige - Pseudonyme der Anbieter entsprechend dem vorgeschilderten Ablauf nicht auf der Internetseite „uploaded.to“ der Antragsgegnerin, sondern nur auf der Internetseite „Sexuria.com“ verwendet werden.
Auf die beschriebene Weise sind auch die beiden eingangs erwähnten Filme von der Antragsgegnerin gehostet und unter Verwendung der verfahrensgegenständlichen Pseudonyme der Allgemeinheit angeboten worden. Das ist im Hinblick auf die Identifizierung der Filme über den Hash-Wert glaubhaft gemacht und wird von der Antragsgegnerin im Berufungsverfahren auch nicht mehr beanstandet. Dies begründet die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Auskunftsansprüche:
a)
Den beiden Filmen kann trotz ihres pornografischen ein Urheberrechtsschutz nicht abgesprochen werden. Gemäß § 95 UrhG begründen auch bloße Bildfolgen, die nicht als Filmwerke geschützt sind, ausschließliche Nutzungsrechte aus § 94 Abs. 1 UrhG, bei deren Verletzung Auskunftsansprüche aus § 101 UrhG in Betracht kommen.
b)
Inhaberinnen dieser Rechte sind bezüglich des Films „Meine geile Nachbarin“, die Antragstellerin zu 1) und bezüglich „Gina deckt auf 9“ die Antragstellerin zu 2). Dies hat die Kammer im Hinblick auf die vorhandenen „C-Vermerke“ und die gemäß § 10 UrhG aus derartigen Bezeichnungen folgende gesetzliche Vermutung zu Recht als glaubhaft gemacht angesehen. Die Rechtsinhaberschaft der Antragstellerinnen stellt auch die Berufung nicht in Abrede.
c)
Die geltend gemachten Auskunftsansprüche setzen gemäß § 101 Abs. 1 UrhG voraus, dass ein nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt worden ist. Eine derartige Rechtsverletzung liegt vor: Das Einstellen der beiden Filme auf die Internetseite der Antragsgegnerin und die Bekanntgabe des Links zu den so gehosteten Filmen durch die anonymen Anbieter stellt - was auch die Berufung nicht in Abrede stellt - eine gemäß §§ 94 Abs. 1, 95 UrhG rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung der Filme dar.
d)
Die Antragsgegnerin ist hinsichtlich der geltend gemachten Auskunftsansprüche auch passiv legitimiert. Der aus § 101 Abs. 1 UrhG folgende Auskunftsanspruch richtet sich unter den Voraussetzungen des § 101 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG auch gegen Personen, die in gewerblichem Ausmaß für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbracht haben. Diese Voraussetzungen sind ersichtlich gegeben, ohne dass es darauf ankäme, ob das Landgericht die tatsächlichen Verhältnisse zutreffend beschrieben hat. Die (anonymen) Anbieter der pornografischen Filme, die diese auf die beschriebene Weise auf der Internetseite „uploaded.to“ der Antragsgegnerin einstellen und sodann über die Internetseite „Sexuria“ der Öffentlichkeit den Zugriff ermöglichen, nutzen so für diese rechtsverletzende Tätigkeit Dienstleistungen der Antragsgegnerin, nämlich deren zur Verfügungstellen des (umfangreichen) Speicherplatzes. Ohne dass die Antragsgegnern den Rechtsverletzern den Speicherplatz auf die beschriebene Weise zur Verfügung stellt, könnte das von diesen ausgehende Angebot so nicht erfolgen. Die Antragsgegnerin hat damit eine Dienstleistung erbracht, die die Anbieter für die rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung der pornografischen Filme genutzt haben.
e)
Ebenfalls von der Berufung unbeanstandet und zu Recht hat das Landgericht das gemäß § 101 Abs. 1 UrhG im Hinblick auf die Rechtsverletzung durch die anonymen Anbieter einerseits und das gemäß § 101 Abs. 2 UrhG andererseits auch im Hinblick auf die Beteiligung der Antragsgegnerin für den Auskunftsanspruch erforderliche gewerbliche Ausmaß der Rechtsverletzung bejaht, weil beide Filme sich - was unbestritten geblieben ist - in der Erstveröffentlichungsphase befunden haben.
f)
Im Ergebnis ohne Erfolg beruft sich die Antragsgegnern darauf, dass die Erteilung der begehrten Auskünfte durch sie gegen schweizerisches Datenschutzrecht verstoßen würde.
aa)
Das Statut für zu erörternde Verletzungen von Datenschutzrechten der Anbieter ist von dem Urheberrechtsstatut nicht erfasst, sondern gesondert nach Art. 40 Abs. 1 EGBGB zu ermitteln. Nach Satz 1 der Bestimmung ist der Handlungsort maßgeblich (vgl. für datenschutzrechtliche Ansprüche ausdrücklich Palandt-Thorn, 70. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz 10; ausführlich Münchner Kommentar-Junker, BGB, 4. Aufl., Art. 40 EGBGB Rz 167 ff). Danach ist entgegen der Auffassung der Kammer schweizerisches Recht anzuwenden, weil eine Handlung der Antragsgegnerin an deren Sitz in der Schweiz in Rede steht. Eine Anwendung von Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB, wonach der Verletzte auch verlangen kann, dass das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Verletzungserfolg eintritt, kommt nicht in Betracht. Es kann schon nicht unterstellt werden, dass die Anbieter, um deren Datenschutzrechte es geht, von diesem Wahlrecht Gebrauch machen würden, zudem wäre Ort des Schadenseintrittes der gewöhnliche Aufenthalt des Betroffenen (vgl. Thorn a.a.O.; Junker a.a.O. Rz 169) und dieser ist wegen der Anonymität der Verletzer nicht bekannt.
Eine Rückverweisung im Sinne des Art. 4 EGBGB sieht das schweizerische Recht nicht vor.
bb)
Das mithin anzuwendende schweizerische Datenschutzrecht steht einer Verurteilung der Antragsgegnerin zur Erteilung der begehrten Auskünfte nicht entgegen. Mit der Bekanntgabe des Namens, der Anschrift und der E-Mail-Adresse der unter einem Pseudonym auftretenden Anbieter wird die Antragsgegnerin allerdings Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. a des Schweizerischen Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG) bekannt geben. Diese Bekanntgabe der Daten ist als Verstoß gegen Art. 12, 13 DSG aber nur widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist.
Der Antragsgegnerin ist einzuräumen, dass die deutschen Normen des § 101 Abs. 1, 2 Nr. 3 und 3 Nr. 1 UrhG, die den Auskunftsanspruch gewähren, mit Blick auf das datenschutzrechtliche Statut, wonach schweizerisches Recht zur Anwendung kommt, die Bekanntgabe der Daten nicht als gesetzliche Grundlage im Sinne des Art. 13 DSG rechtfertigen können. Indes besteht ein überwiegendes privates Interesse der Antragstellerinnen daran, dass Ihnen die Daten bekannt gegeben werden.
Die urheberrechtlichen Nutzungsrechte der Antragstellerinnen wurden und werden durch das beanstandete Verhalten der anonymen Anbieter in massiver Weise verletzt. Die Filme sind so während der aktuellen Verwertungsphase der Allgemeinheit zugänglich, ohne dass die Antragstellerinnen als Rechteinhaberinnen an dieser Verwertung wirtschaftlich partizipieren. Ohne Aufdeckungen der Anonymität der Anbieter sind die Antragstellerinnen nicht in der Lage, ihre berechtigten Interessen durchzusetzen. Eine Abwägung zugunsten der anonymen Verletzer würde im Übrigen diese - und andere - bestärken, auf die beschriebene Weise weiter auch an anderen geschützten Werken bzw. Laufbildern Rechte zu verletzen. Demgegenüber wiegen die Belange der Verletzer wesentlich geringer: Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es auf der Grundlage der landgerichtlichen Entscheidung mit dem Namen der Anschrift und der Email-Adresse der Anbieter lediglich um solche Daten geht, die zur Aufdeckung ihrer Anonymität benötigt werden. Dazu ist der Antragsgegnerin zwar einzuräumen, dass die Anbieter ihrerseits ein hohes Interesse daran haben mögen, nicht aufgedeckt zu werden. Dieses Interesse muss aber zurücktreten, weil es allein dem Ziel dient, unerkannt und ohne hierfür zur Verantwortung gezogen zu werden, im Internet die Filme urheberrechtswidrig öffentlich zugänglich machen zu können.
Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber einwendet, eine Zuerkennung der Anspruchsauskünfte stelle einen Eingriff in deren Privatsphäre dar, so kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere geht die Auffassung fehl, die in Rede stehenden Personendaten würden einen Bezug auf die Intimsphäre und das Sexualleben aufweisen und damit besonders schützenswerte Personendaten im Sinne von Art. 3 lit. c DSG betreffen. Diese Aspekte wären möglicherweise zu berücksichtigen, wenn es um die Daten derjenigen Nutzer ginge, die über die Seite „Sexuria“ von dem Angebot der Anbieter Gebrauch machen. Um diese Nutzer geht es indessen entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin in deren nachgelassenem Schriftsatz vom 11.03.2011 nicht. Die Antragstellerinnen begehren - wie in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden ist und auch in der von den Antragstellerinnen neugefassten Antragsfassung klar zum Ausdruck kommt - ausschließlich die Daten der Anbieter und nicht der Nutzer. Im Rahmen des Art. 13 Abs. 1 DSG ist deswegen neben den Interessen der Antragstellerinnen allein auf die Interessen der Antragsgegnerin als Anbieter der pornografischen Filme abzustellen. Deren sexuelle Vorlieben bzw. Ausrichtungen werden indes durch eine Bekanntgabe ihrer in Rede stehenden Daten weder aufgedeckt noch auch nur tangiert.
Eine andere Wertung rechtfertigt auch die als Anlage AG 2 von der Antragsgegnerin vorgelegte Entscheidung des schweizerischen Bundesgerichts vom 08.09.2010 (1 C 285/09) nicht. Dort ist zum einen bestätigt worden, dass ein überwiegendes privates Interesse Eingriffe in Datenschutzrechte rechtfertigen kann. Zum anderen ist in jenem Urteil zwar das überwiegende Interesse verneint worden, die Entscheidung betrifft aber einen mit dem vorliegenden Verfahren nicht übereinstimmenden Sachverhalt: in jenem Vergahren war zu entscheiden, ob die dortige Beschwerdegegnerin, die Logistep AG, berechtigt sei, mittels einer von ihr entwickelten Software in verschiedenen peertopeer-Netzwerken nach urheberrechtlich geschützten Werken zu suchen und ggf. auch Daten des Nutzers jener Netzwerke zu speichern. Diese Tätigkeit, für die nach Auffassung des schweizerischen Bundesgerichts in der Schweiz eine gesetzliche Grundlage nicht vorliegt, ist mit der im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Geltendmachung von Auskunftsansprüchen nach glaubhaft gemachter Rechtsverletzung nicht gleichzusetzen. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht ein massenhaftes Erfassen von Daten, wobei zwangsläufig auch Daten solcher Anschlussinhaber erfasst werden, die persönlich die Rechtsverletzung gar nicht vorgenommen haben, sondern das Geltendmachen bereits feststehender Ansprüche gegen individuelle Personen, für deren Durchsetzung es lediglich an der Aufdeckung der Anonymität fehlt. Der Senat vermag der Norm des Art. 13 DSG nicht zu entnehmen, dass danach als solche festgestellte Rechtsverletzer sich dadurch vor der Inanspruchnahme sollten schützen können, dass sie ihre rechtswidrige Tätigkeit anonym in der Schweiz vornehmen.
Stellt damit die in Rede stehende Auskunft eine Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen nicht dar, so kommen auch die von dieser noch angesprochenen gegen die Antragsgegnerin gerichteten Schadensersatzansprüche oder die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung nicht in Betracht.
g)
Weitere Voraussetzungen für einen Erfolg der Antragstellerinnen im vorliegenden Verfügungsverfahren ist gemäß § 101 Abs. 7 UrhG, dass ein Fall einer „offensichtlichen Rechtsverletzung“ vorliegt. Offensichtlich ist eine Rechtsverletzung nach der z. B. bei Dreier/Schulze (UrhG 3. Aufl., § 101 Rz. 28) wiedergegebenen amtlichen Begründung dann, wenn sie „so eindeutig ist, dass eine Fehlentscheidung (oder eine andere Beurteilung im Rahmen des richterlichen Ermessens) und damit eine ungerechtfertigte Belastung des Antragsgegners kaum möglich erscheint.“ Diese Voraussetzungen sind - insbesondere nach der Klarstellung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung - gegeben. Daran, dass die Antragsgegnerin durch die beschriebene Vorgehensweise daran mitwirkt, dass die Rechte der Antragstellerinnen im gewerblichen Ausmaße verletzt werden, kann nach Auffassung des Senats ein vernünftiger Zweifel nicht bestehen.
II.
Der von den Antragstellerinnen geltend gemachte Auskunftsanspruch besteht - nur - in dem Umfang, in dem die Kammer die beantragte einstweilige Verfügung erlassen hat. Aus diesem Grunde sind die Berufungen beider Parteien in vollem Umfange unbegründet.
1.
Soweit die Antragstellerinnen den Erlass einer weitergehenden einstweiligen Verfügung beantragen, bestehen mit Blick auf ihren Antrag vom 24.8.2010, den Verhandlungstermin zu verlegen - schon Zweifel an der Dringlichkeit. Diese können jedoch auf sich beruhen, weil der weitergehende Verfügungsanspruch jedenfalls nicht begründet ist.
Gemäß § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG hat der zur Auskunft Verpflichtete, und damit auch derjenige, der - wie die Antragsgegnerin - die Auskünfte nach § 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG schuldet, Angaben zu machen über „Name und Anschrift der … Nutzer der Dienstleistungen …“. Unter diesen Wortlaut fallen weder die begehrten Bank- noch die Telefondaten. Der Auffassung der Antragstellerinnen, die Vorschrift sei über ihren Wortlaut hinaus dahin auszulegen, dass auch diese Daten von der Auskunftspflicht erfasst seien, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Den Antragstellerinnen ist einzuräumen, dass sie auch mit Hilfe des tenorierten Auskunftsanspruches ihre Ansprüche nicht werden durchsetzen können, wenn die Antragsgegnerin - wie sie behauptet -den Namen und die (elektronische) Anschrift der Anbieter nicht kennt. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe die Problematik der Online - Piraterie unzutreffend gesehen und mit dem Gesetzeswortlaut einen hinreichenden Schutz nicht gewährt. Ausgangspunkt der Auslegung muss der Wortlaut des Gesetzes sein und dieser ist insoweit eindeutig, als er die Bank- und Telefondaten nicht erfasst. Dass auch der Gesetzgeber tatsächlich weitergehende Rechte schaffen wollte, kann nicht angenommen werden. Dagegen spricht bereits, dass es sich um eine recht junge Vorschrift handelt, wenn auch wesentliche Teile aus dem schon älteren § 101 a UrhG a. F. übernommen worden sind. Der Gesetzgeber hat mit der Gesetzesfassung das Problem der rechtswidrigen Nutzung von geschützten Werken im Internet regeln wollen und durch die Neufassung des § 101 UrhG - geleitet durch die Durchsetzungsrichtlinie - die Rechte der Verletzten erheblich erweitert. Dafür, dass der Gesetzgeber dabei tatsächlich weitergehende Rechte einräumen wollte, den Wortlaut des Gesetzes aber nicht entsprechend formuliert hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Das umfangreiche Regelwerk des § 101 UrhG lässt das Bemühen des Gesetzgebers erkennen, einen Ausgleich der Interessen der Beteiligten, etwa durch das Erfordernis des „gewerbslichen Ausmaßes“ herzustellen. Es muss deswegen angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmungen davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber den Verletzten Ansprüche nur insoweit zuerkennen wollte, als dies aus dem Gesetzeswortlaut hervorgeht. Entgegen deren Auffassung streitet auch die Literaturmeinung von Lütje (Möhring/Nicolini, 2. Aufl., § 101 a Rz. 10) nicht für die Position mit der Antragstellerin. Die genannte Kommentierung hat die alte Gesetzesfassung zum Gegenstand. Der frühere § 101 UrhG a. F. mag in Teilen dem heutigen § 101 UrhG entsprechen, er enthielt aber gerade nicht die hier in Rede stehende Auskunftsverpflichtung Dritter. Zudem war in der Bestimmung gerade nicht ausdrücklich auch von „Namen und Anschriften“ die Rede. Im Übrigen stützt die neuere Kommentarmeinung die Position der Antragstellerinnen nicht: So heißt es im Gegenteil bei Schricker/Loewenheim-Wimmers (Urheberrecht, 4. Aufl., § 101 Rz. 72), Absatz 3 der Bestimmung setze in zwei Alternativen den Umfang des Auskunftsanspruches fest. Dies diene zum Einen dem Schutz des Auskunftsverpflichteten vor zu weit gehender Ausforschung und schaffe insoweit zum Anderen Rechtssicherheit. Bei Fromm/Nordemann-Czychowski (UrhG, § 101, Rz. 77) finden sich ebenfalls Hinweise für die von den Antragstellerinnen in Anspruch genommene Erweiterung der Ansprüche nicht. In der Kommentierung von Dreier (UrhG, 3. Aufl., § 101 Rz. 21 a. E.) heißt es demgegenüber sogar ausdrücklich, ein Anspruch auf Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen bestehe nur im Rahmen der von § 101 a Abs. 1 S. 1 UrhG, der im vorliegenden Verfahren indessen nicht einschlägig ist. Angesichts dessen vermag der Senat der Berufung der Antragstellerinnen allein mit Blick auf die Entscheidungen zweier Landgerichte in ohne Begründung erlassenen einstweiligen Verfügungen nicht stattzugeben.
Das Berufungsziel der Antragstellerinnen kann auch nicht durch einen Rückgriff auf frühere Rechtsprechung zu § 242 BGB erreicht werden. Auch wenn durch die von ihnen angeführten Entscheidungen der Umfang der Auskunftspflichten über die zur reinen Schadensberechnung hinausgehenden Erfordernisse in gewissen Maßen erweitert worden sein mag, ist doch zu berücksichtigen, dass der Umfang der Auskunftspflichten inzwischen gerade in Bezug auf die Online- Piraterie - anders als früher - gesetzlich geregelt ist. Das steht einer Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung entgegen.
2.
Der Senat teilt allerdings die Auffassung der Kammer, dass die Antragsgegnerin auch Auskunft über die Email-Adressen der Anbieter zu erteilen hat. Auch eine Email-Adresse ist eine (elektronische) Adresse. Bei sachgerechter Auslegung ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in § 101 Abs. 3 Nr. 1 UrhG mit der „Anschrift“ jede Art von Adresse, und damit auch die elektronische Adresse gemeint hat. Das liegt für den im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Anspruch eines Dritten, dessen Dienste bei der Rechtsverletzung genutzt worden sind (§ 101 Abs. 2 Nr. 3 UrhG), deswegen besonders nahe, weil diese Fallgestaltung in der Regel Rechtsverletzungen im Internet betreffen wird.
Wenn der Antragsgegnerin auch einzuräumen ist, dass die begehrten Auskünfte nur endgültig erteilt werden können und die vorliegende Entscheidung nicht angegriffen werden kann, steht der von ihr erstrebten Vorlage dieser Frage an den EuGH gemäß Artikel 267 AEUV der Eilcharakter des Verfahrens entgegen (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., § 148 Rz. 4; Zöller-Vollkommer, vor § 916 Rz. 9 m.w.N.).
III.
Sind damit beide Berufungen unbegründet, so hat der Senat gleichwohl den Tenor - über die von den Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung protokollierte Fassung hinaus - neu gefasst.
Die Neufassung stellt nicht nur darauf ab, dass die drei anonymen Anbieter nicht auf der Internetseite „uploaded.to“, sondern auf der Internetseite „Sexuria“ auftreten, sondern reduziert den Tenor auf die drei konkret erteilenden Auskünfte, nämlich über die Namen, die Anschriften und die E-Mail-Adressen der drei Verletzer. Eine inhaltliche Reduzierung der Rechte der Antragstellerinnen ist damit nicht verbunden, zumal diese - entgegen dem Wortlaut des weiterreichenden landgerichtlichen Tenors - nach der Begründung der einstweiligen Verfügung auch lediglich diese Auskünfte zu erteilen hatten. Kostenfolgen hat diese Neufassung des Tenors dementsprechend nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 € (Berufung der Antragstellerinnen: 25.000 €; Berufung der Antragsgegnerin: 25.000 €).
OLG Köln:
Urteil v. 25.03.2011
Az: 6 U 87/10
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