Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 418/02
(BPatG: Beschluss v. 11.05.2005, Az.: 32 W (pat) 418/02)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 19. September 2002 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 003 236 wegen der Waren "getrocknetes Gemüse; Getreidepräparate" zurückgewiesen wurde. Bezüglich dieser Waren wird die Marke 396 52 640 zusätzlich gelöscht.
2. Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 4. Dezember 1996 angemeldete und am 6. Februar 1997 u.a. für
"getrocknetes Gemüse, Knabberartikel, (Snacks), insbesondere bestehend aus Kartoffeln, Nüssen, anderem Obst- und Gemüsematerial oder deren Kombinationen, einschließlich Kartoffelchips und Kartoffelsticks; Getreidepräparate, Brot, sowie Knabberartikel (Snacks) auf Basis von Getreide, Mais, Stärken und/oder anderen stärkehaltigen Produkten einschließlich Maischips, Tortillachips, Brezeln, gepuffte oder extrudierte Weizen-, Mais- und Reisprodukte; Puffmais"
in das Markenregister eingetragene farbige Bildmarke (rot, gelb, orange, blau, schwarz, weiß) 396 52 640 siehe Abb. 1 am Endeist hinsichtlich der o.g. Waren Widerspruch seitens der Inhaberin der prioritätsälteren, am 9. Juni 1980 eingetragenen deutschen Wortmarke 1 003 236 Chitoseingelegt worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für eine Vielzahl von Waren der Klassen 29 und 30, u.a. für
"im Extrudierverfahren hergestellte Kartoffel-, Weizen-, Reis- und/oder Maisprodukte für Knabberzwecke".
Die Markeninhaberin hat die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin zur Glaubhaftmachung einer Benutzung der Widerspruchsmarke eine eidesstattliche Versicherung des Bereichsleiters einer Tochtergesellschaft der Widersprechenden vom 14. Januar 2002 nebst Verpackungsmuster vorgelegt. Laut der eidesstattlichen Versicherung werde die Widerspruchsmarke seit 1994 für einen Maissnack mit Käsegeschmack verwendet. In Deutschland habe der durchschnittliche Bruttoumsatz für dieses Produkt in den letzten fünf Jahren jährlich mindestens ... DM betragen. Die Markeninhaberin hat daraufhin die Nichtbenutzungseinrede für die Ware "Maisprodukte für Knabberzwecke" nicht mehr aufrechterhalten.
Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 19. September 2002 die Teillöschung der jüngeren Marke für die Waren
"Knabberartikel (Snacks), insbesondere bestehend aus Kartoffeln, Nüssen, anderem Obst- und Gemüsematerial oder deren Kombinationen, einschließlich Kartoffelchips und Kartoffelsticks; Knabberartikel (Snacks) auf Basis von Getreide, Mais, Stärken und/oder anderen stärkehaltigen Produkten einschließlich Maischips, Tortillachips, Brezeln, gepuffte oder extrudierte Weizen-, Mais- und Reisprodukte; Puffmais"
angeordnet. Zwischen den Vergleichsmarken liege bezüglich der vorstehend genannten Waren einerseits und der Widerspruchsware "Maisprodukte für Knabberzwecke" andererseits die Gefahr von Verwechslungen im Verkehr vor. Die wechselseitigen Waren seien identisch bzw. hochgradig ähnlich. Die Widerspruchsmarke habe eine normale Kennzeichnungskraft. Es bestehe eine klangliche Verwechslungsgefahr, da für die Benennung der jüngeren Marke nur das Wort "Chee.tos" in Frage komme, das insbesondere von den jüngeren Verkehrskreisen englisch ausgesprochen werde. Die Vokalfolge "ee" werde demnach als ein gedehntes "i" gesprochen, so dass nahezu Klangidentität bestehe. Soweit dem Widerspruch nicht stattgegeben wurde, ist die Markenstelle der Auffassung, es läge keine Warenähnlichkeit vor.
Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Widersprechende als auch die Markeninhaberin Beschwerde eingelegt.
Die Widersprechende stellt den Antrag, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 30 vom 19. September 2002 aufzuheben, soweit der Widerspruch zurückgewiesen wurde und die Löschung der Marke 396 52 640 auch bezüglich "getrocknetes Gemüse, Getreidepräparate" anzuordnen.
Sie beantragt weiter, die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.
Die Widersprechende ist der Ansicht, auch in Bezug auf die Waren "getrocknetes Gemüse, Getreidepräparate" bestehe eine Verwechslungsgefahr, da diese Waren mit der Widerspruchsware "Maisprodukte zu Knabberzwecken" ähnlich seien.
Die Markeninhaberin beantragt, den Beschluss vom 19. September 2002 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 1 003 236 in vollem Umfang zurückzuweisen.
Sie beantragt weiter, die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Eine (klangliche) Verwechslungsgefahr bestehe nicht, da die jüngere Marke auch von dem Wortbestandteil "FRITES" und von dem Bildelement mitgeprägt werde. Außerdem sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch zahlreiche ähnliche Drittmarken mit dem Wortanfang "Chi" auf dem fraglichen Warensektor geschwächt.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
II.
Die Beschwerden beider Beteiligten sind zulässig. Jedoch ist nur die Beschwerde der Widersprechenden begründet, während die Beschwerde der Markeninhaberin ohne Erfolg bleiben muß.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2, Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität, oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfaßten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kenzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626, 627 - IMS).
1. Beschwerde der Widersprechendena) Getrocknetes Gemüse und Getreidepräparate sind mit Maisprodukten für Knabberzwecke durchschnittlich ähnlich. Von einer Ähnlichkeit der Waren ist auszugehen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich miteinander ergänzende Produkte -, so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demselben oder ggf. wirtschaftlich verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken von - unterstellt - höchster Kennzeichnungskraft versehen sind (Ströbele/Hacker, MarkenG, § 9 Rdn 57; EuGH GRUR 1998, 922 - CANON; BGH GRUR 1999, 158 - Garibaldi; 1999, 731 - Canon II).
Ebenso wie Maisprodukte für Knabberzwecke ist auch getrocknetes Gemüse ein pflanzliches Nahrungsmittel, das der menschlichen Ernährung dient. Der ähnliche Verwendungszweck dieser Produkte wird auch dadurch deutlich, dass sie in Supermärkten jeweils im Lebensmittelbereich angeboten werden. Mit Getreidepräparaten sind Maisprodukte bereits deshalb ähnlich, weil Mais, der Hauptbestandteil der Widerspruchsmarke, ein Getreide ist.
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke liegt im durchschnittlichen Bereich. Der Senat hat bereits Bedenken, ob überhaupt eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch Drittmarken vorliegt. Dabei ist nämlich entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht etwa nur auf die erste Silbe "Chi", sondern auf die Marke in ihrer Gesamtheit abzustellen. Letztlich kann die Frage der Schwächung des Schutzumfangs durch Drittmarken jedoch dahingestellt bleiben, da diese aufgrund der in der eidesstattlichen Versicherung vom 14. Januar 2002 genannten Umsatzzahlen (... DM jährlich in den letzten fünf Jahren), jedenfalls kompensiert würde.
c) Eine schriftbildliche Markenähnlichkeit scheidet im Hinblick auf die Gestaltung der jüngeren Marke, die aus zwei Wortelementen in unterschiedlicher Typographie und einer bildlichen Ausgestaltung besteht, aus.
Es läßt sich aber nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass die jüngere Marke bei der Bennennung nur auf "Chee.tos" verkürzt wird. Der Zweite Wortbestandteil der jüngeren Marke "FRITES" ist für die in Rede stehenden Waren glatt beschreibend, da er darauf hinweist, dass die Waren frittiert sind. Mithin wird die jüngere Marke durch das an erster Stelle stehende Markenwort "Chee.tos" geprägt und bei der Benennung weitgehend auf dieses verkürzt. Für einen Großteil der Verbraucher, die das doppelte "ee" in der angegriffenen Marke englisch und damit als "i" aussprechen werden, stehen sich klanglich identische Zeichen gegenüber, so dass für diese eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr gegeben ist. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil das angesprochene Publikum den Alltagserzeugnissen der vorliegenden Art nicht immer mit erhöhter Aufmerksamkeit begegnet. Der Bildbestandteil der jüngeren Marke steht der Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr nicht entgegen, da dieser bei der Benennung hinter dem prägenden Wortbestandteil zurücktritt.
2. Beschwerde der Markeninhaberina) "Maisprodukte für Knabberzwecke" sind mit "Knabberartikel (Snacks), insbesondere bestehend aus Kartoffeln, Nüssen, anderem Obst- und Gemüsematerial oder deren Kombinationen, einschließlich Kartoffelchips und Kartoffelsticks; Knabberartikel (Snacks) auf Basis von Getreide, Mais, Stärken und/oder anderen stärkehaltigen Produkten, einschließlich Maischips, Tortillachips, Brezeln, gepuffte, oder extrudierte Weizen-, Mais- und Reisprodukte; Puffmais" teilweise identisch und teilweise zumindest durchschnittlich ähnlich. Als "Zwischenmahlzeiten" erfüllen sie den gleichen Verwendungszweck und werden in den Lebensmittelbereichen der Großmärkte üblicherweise auch in den gleichen Regalen angeboten.
b) Bezüglich der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Markenähnlichkeit wird auf die Ausführungen unter 1. b) und c) verwiesen.
Ausgehend von Warenidentität/-ähnlichkeit, durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und phonetischer Markenähnlichkeit besteht für das Publikum auch nach Ansicht des Senats die Gefahr von Verwechslungen, so daß die Beschwerde der Markeninhaberin gegen den Beschluss der Markenstelle ohne Erfolg bleibt.
Für die Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlaß.
Richter Viereck ist wegen Urlaubs an den Unterschrift verhindert.
Dr. Albrecht Dr. Albrecht Kruppa Hu Abb. 1
BPatG:
Beschluss v. 11.05.2005
Az: 32 W (pat) 418/02
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