Amtsgericht Hamburg-Mitte:
Urteil vom 1. September 2005
Aktenzeichen: 49 C 541/04

(AG Hamburg-Mitte: Urteil v. 01.09.2005, Az.: 49 C 541/04)

1. Beauftragt der Vermieter einen Rechtsanwalt damit, gegenüber dem Mieter eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs auszusprechen, so kann er vom Mieter im nachfolgenden Räumungsrechtsstreit die ihm entstandenen Rechtsanwaltsgebühren als adäquaten Verzugsschadensersatz verlangen, soweit diese nicht nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG VV auf die im Rechtsstreit angefallenen Gebühren anzurechnen sind.

2. Für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs entsteht in eifach gelagerten Fällen regelmäßig nur eine 0,5-Gebühr gemäß RVG VV 2400.

Tenor

1. Die Beklagte wird im Wege des Versäumnisurteils verurteilt, an den Kläger weitere 5.659,50 EUR (fünftausendsechshundertneunundfünfzig 50/100 EURO) zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 710,00 EUR seit dem 05.10., 04.11., 04.12.2004, 05.01., 04.02., 04.03. und 05.04.2005, auf weitere 525,36 EUR ab dem 23.07.2005 sowie auf weitere 164,14 EUR seit dem 11.09.2004. Im Übrigen wird die Klage durch Schlußurteil abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Berufung wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Beklagte mietete vom Kläger die Wohnung in der, 20259 Hamburg, 3. OG. links an. Der gemäß § 4 des Mietvertrages geschuldete Mietzins beträgt 590,00 EUR nettokalt zuzüglich Vorauszahlungen auf Betriebskosten in Höhe von 60,00 EUR und auf Heizkosten in Höhe weiterer 60,00 EUR, mithin bruttowarm 710,00 EUR.

Nachdem die Beklagte die Mieten für die Monate Juni bis August 2004 nicht beglichen hatte, kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit Schreiben der von ihm hiermit beauftragten Rechtsanwältin v. vom 02.09.2004 fristlos wegen Zahlungsverzuges. Gleichzeitig forderte er sie auf, die rückständigen vier Monatsmieten in Höhe von insgesamt 2.840,00 EUR zu begleichen.

Die Prozeßbevollmächtigte des Klägers stellte dem Kläger für das Kündigungsschreiben vom 02.09.2004 Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 756,09 EUR in Rechnung (1,3-Gebühr gem. RVG VV 2400 zzgl. Auslagenpauschale und MwSt). Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird Bezug genommen auf die Rechnung Anlage K 4 (Bl. 26 d. A.).

Mit seiner Klage vom 27.9.2004 begehrte der Kläger ursprünglich die Räumung der Mietwohnung sowie die Zahlung der Mieten für die Monate Juni bis September 2004 sowie die Zahlung weiterer 378,04 EUR außergerichtlicher Anwaltsgebühren. Mitte Januar 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß die Wohnungsschlüssel verloren gegangen seien und daß man die Wohnung durch Auswechslung des Schlosses in Besitz nehmen müsse. Infolge dessen öffnete der Kläger die Wohnungstür durch Auswechselung der Schlösser, wofür ihm Kosten in Höhe von insgesamt 237,68 EUR entstanden sind, und erklärte die Räumungsklage für erledigt.

In der Wohnung selbst hatte die Beklagte zwei Fenster von innen angebohrt. Für die Beseitigung dieses Schadens sind dem Kläger Kosten in Höhe von 287,68 EUR entstanden. Zudem hat der Kläger für die Beseitigung von Teppichresten Kosten in Höhe von 79,98 EUR aufwenden müssen. Eine Neuvermietung konnte der Kläger trotz intensiver Bemühungen erst zum 01.05.2005 erreichen.

Das Amtsgericht hat die Beklagte mit Versäumnisteilurteil vom 20.06.2005 dazu verurteilt, an den Kläger rückständige Mieten in Höhe von insgesamt 2.840,00 EUR nebst gesetzlichen Zinsen zu zahlen und hat festgestellt, daß die Räumungsklage erledigt ist.

Mit Schriftsatz vom 20.7.2005 hat der Kläger die Klage dahingehend erweitert, dass Mieten in Höhe von jeweils EUR 710,00 für die Monate Oktober bis Dezember 2004 und für Januar bis April 2005 begehrt werden. Zudem macht der Kläger neben dem weiterverfolgten Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Anwaltskosten Schadensersatz in Höhe von insgesamt EUR 605,34 geltend.

Hinsichtlich der geltend gemachten Anwaltskosten ist der Kläger Auffassung, dass die ihm in Rechnung gestellten Rechtsanwaltsgebühren von der Beklagten als Schadensersatz geschuldet seien. Die Gebühren seien der Höhe nach nicht zu beanstanden. Insbesondere sei es gerechtfertigt, für das Schreiben vom 02.09.2004 eine 1,3-Gebühr gemäß Nr. 2400 VV RVG anzusetzen. Eine Unterschreitung dieser Regelgebühr sei nicht gerechtfertigt. Nach Auftragserteilung seien eine Durchsicht des Mietvertrags sowie eine kurze Prüfung der Rechtslage und eine Rücksprache mit der Verwaltung des Klägers zur Abstimmung der in Betracht kommenden Vorgehensweise erfolgt. Im Rahmen dieser Abstimmung seien die rechtlichen Möglichkeiten und Konsequenzen erörtert und die Entscheidung getroffen worden, daß eine außerordentliche fristlose Kündigung ausgesprochen werden solle. Insoweit sei von einem durchschnittlichen Umfang und einer durchschnittlichen Schwierigkeit der Sache auszugehen. Die Angelegenheit sei allerdings von eher überdurchschnittlicher Bedeutung für den Kläger, da die Beibehaltung oder Beendigung eines Mietverhältnisses im Falle bereits rückständiger Mietzinsen eine Entscheidung betreffe, die sich in sehr kurzer Zeit zu einer spürbaren wirtschaftlichen Einbuße auswachsen könne. Zudem lebe der Kläger in guten Vermögensverhältnissen, da er über mehrere Immobilien im Eigentum verfüge, aus denen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt würden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 5.873,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 710,00 EUR seit dem 05.10., 04.11., 04.12.2004, 05.01., 04.02., 04.03. und 05.04.2005, auf weitere 525,36 EUR ab dem 23.07.2005 sowie auf weitere 378,04 EUR seit dem 11.09.2004 zu zahlen.

Die weitergehende, auf Zahlung von Schadensersatz für die Entfernung der Teppichreste gerichtete Zahlungsklage (79,98 EUR)

hat der Kläger zurückgenommen.

Zu dem für den 01.09.2005 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung ist die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt nicht erschienen. Der Kläger hat daraufhin beantragt, die Beklagte nach dem obigen Antrag durch Versäumnisurteil zu verurteilen.

Gründe

Die Klage ist überwiegend begründet.

1. In Höhe von 5.659,50 EUR war die Beklagte durch Versäumnisurteil zu verurteilen, § 331 Abs. 1 ZPO. Der Kläger hat insoweit schlüssig vorgetragen, daß ihm für die Monate Oktober 2004 bis April 2005 Nutzungsentschädigungs- bzw. Kündigungsschadensersatzforderungen in Höhe von monatlich 710,00 EUR zustehen. Des weiteren hat er schlüssig vorgetragen, daß ihm wegen des Austausches des Wohnungsschlosses ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 237,68 EUR und wegen der Beschädigung der Fenster ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 287,68 EUR zusteht. Dieser Vortrag gilt infolge der unentschuldigten Säumnis der Beklagten als zugestanden (§ 331 Abs. 1 ZPO), so dass die Beklagte auf den Antrag des Klägers insoweit durch Versäumnisurteil zu verurteilen war.

2. Soweit der Kläger mit seiner Klage die Zahlung von außergerichtlichen Anwaltsgebühren als Verzugsschadensersatz in Höhe von 378,04 EUR verlangt, ist die Klage nur in Höhe von EUR 164,14 schlüssig. Die Beklagte war daher nur in diesem Umfang durch Versäumnisurteil zu verurteilen; im Übrigen war die Klage durch Schlussurteil abzuweisen.

a) Dem Kläger steht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu, der auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten umfaßt. Gerät der Mieter nämlich - wie hier - in Zahlungsverzug und beauftragt der Vermieter daraufhin einen Rechtsanwalt damit, das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 2 BGB fristlos zu kündigen, so kann der Vermieter die ihm entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als adäquaten Verzugsschadensersatz vom Mieter ersetzt verlangen. Dies gilt bei einer nachfolgenden Räumungsklage jedenfalls im Hinblick auf den Gebührenanteil, der nicht auf die im Räumungsklagverfahren entstehenden Gebühren anzurechnen ist.

b) Der Schadensersatzanspruch ist jedoch nur in Höhe von 164,14 EUR entstanden. Die Rechtsanwaltsgebühren bemessen sich nach einem Streitwert von insgesamt 9.210,00 EUR (Räumungsstreitwert gemäß § 41 Abs. 1 und 2: 12 x 590,00 EUR = 7.080,00 EUR, zuzüglich Zahlungsstreitwert in Höhe von 2.130,00 EUR). Auf diesen Streitwert ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts lediglich eine 0,5-Gebühr gemäß RVG VV 2400 angefallen, mithin eine Gebühr in Höhe von 243,00 EUR. Diese ist zur Hälfte anzurechnen, so daß eine nicht anrechenbare Gebühr in Höhe von 121,50 EUR verbleibt. Hinzuzurechnen ist die (nicht anzurechnende) Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR, so daß sich eine Nettogebührensumme von 141,50 EUR ergibt. Zuzüglich Mehrwertsteuer ergibt sich eine Gesamtgebührenforderung in Höhe von 164,14 EUR.

aa) Innerhalb des Rahmens des RVG VV 2400, der von einer 0,5-Gebühr bis zu einer 2,5-Gebühr reicht, ist lediglich eine 0,5-Gebühr als billig anzusehen. Soweit der Kläger geltend macht, für das Schreiben vom 02.09.2004 sei eine 1,3-Gebühr gerechtfertigt, folgt das Gericht dem aus folgenden Gründen nicht:

Bei der Gebühr nach RVG VV 2400 handelt es sich um eine sog. Rahmengebühr. Nach § 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Gebührenrahmen die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfanges und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Diese Kriterien rechtfertigen nur eine Einordnung am unteren Rand des Gebührenrahmens:

Ausschlaggebend aus Sicht des Gerichtes ist, daß der Umfang und die Schwierigkeit der Sache vorliegend am untersten Rand einzuordnen sind. Die Beklagte hatte schlicht 3 Monatsmieten nicht gezahlt, so daß es auf der Hand lag, daß die Voraussetzungen für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges gemäß § 543 Abs. 2 BGB vorlagen. Für das Gericht ist nicht erkennbar, inwieweit es einer eingehenden Prüfung der Rechtslage bedurft haben soll, um dies festzustellen. Insbesondere waren keine besonderen Feststellungen über die konkrete Miethöhe zu treffen, zumal die Beklagte überhaupt keine Zahlungen geleistet hatte. Des Weiteren mußte z. B. auch nicht geprüft werden, ob nach dem Mietvertrag tatsächlich eine Vorauszahlungspflicht für die Miete besteht oder ob diese aufgrund besonderer Formularvertragsklauseln entfallen war. Denn die Beklagte hatte insgesamt drei Mieten nicht gezahlt, so daß selbst dann, wenn keine Vorauszahlungspflicht bestanden hätte, Zahlungsverzug in Höhe von mindestens zwei Monatsmieten bestanden hätte.

Dem Kriterium des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache kommt bei der Ausfüllung des Gebührenrahmens besondere Bedeutung zu, zumal es sich hierbei um die einzigen leistungsbezogenen Kriterien innerhalb des Kriterienkanons des § 14 RVG handelt. Dies kommt z. B. auch dadurch zum Ausdruck, daß die Überschreitung einer 1,3-Gebühr ausweislich des Gesetzestextes der RVG VV 2400 nur dann in Betracht kommt, wenn die Tätigkeit (überdurchschnittlich) umfangreich oder schwierig war. Vor diesem Hintergrund kann es aus Sicht des Gerichtes dahinstehen, ob die Bedeutung der Sache, wie der Kläger ausführt, tatsächlich überdurchschnittlich war. Daran bestehen zumindest Zweifel, zumal der Bedeutung der Sache für das Gebührenrecht hinreichend dadurch Rechnung getragen sein dürfte, daß sich der Streitwert gemäß § 41 Abs. und 2 GKG auf das 12-fache der monatlichen Miete bemißt. Soweit der Kläger des Weiteren anführt, daß er in guten Vermögensverhältnissen lebe, hält das Gericht dafür, daß dieser Umstand jedenfalls nicht zu Lasten der Beklagten gewertet werden darf (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG).

3. Die Zinsansprüche des Klägers folgen aus §§ 280, 286, 288, 291 BGB.

4. Die Kosten des Rechtsstreits waren insgesamt der Beklagten aufzuerlegen, § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, liegt hierin eine geringfügige Zuvielforderung, die sich kostenmäßig nicht auswirkt. Soweit die Klage hinsichtlich der außergerichtlichen Anwaltsgebühren abgewiesen wurde, war dieser Unterliegensanteil kostenmäßig nicht zu berücksichtigen, da es sich insoweit um eine Nebenforderung gem. § 4 ZPO handelt, die nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes führt.

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 708 Nr. 2 ZPO.

6. Die Zulassung der Berufung erfolgt im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob der Vermieter der Höhe nach berechtigt ist, vom Mieter den Ersatz den nicht anrechenbaren Anteil einer 1,3-Gebühr (nebst Auslagen und Mwst) als Verzugsschadensersatz zu verlangen, wenn er einen Anwalt mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs beauftragt hat. Diese Frage ist, soweit ersichtlich, nach Inkrafttreten der Mietrechtsreform (zuvor: 0,2-Gebühr nach § 120 BRAGO, vgl. LG Hamburg, ZK 11, WuM 1990, S. 207) bzw. des RVG nicht obergerichtlich geklärt.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 15.495,34 EUR (Räumung 12 x 590,00 EUR Nettokaltmiete = 7.080,00 EUR zzgl. Zahlung - exkl. außergerichtlicher Anwaltskosten (EUR 378,04) - in Höhe von EUR 8.415,34).






AG Hamburg-Mitte:
Urteil v. 01.09.2005
Az: 49 C 541/04


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