Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 25. Oktober 2013
Aktenzeichen: 19 U 156/13, 19 W 37/13
(OLG Köln: Beschluss v. 25.10.2013, Az.: 19 U 156/13, 19 W 37/13)
Tenor
1. Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen vom 12.02.2013 - 8 O 188/08 - und dem II. Versäumnisurteil vom 20.08.2013 - 8 O 188/08 - wird zurückgewiesen.
2. Der Senat weist - ungeachtet der noch ausstehenden Berufungs-erwiderung - darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das II. Versäumnisurteil des Landgerichts Aachen - 8 O 188/08 -gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
3. Der Senat weist zudem darauf hin, dass die unter dem Aktenzeichen 19 W 37/13 anhängige sofortige Beschwerde vom 10.10.2013 gegen den den Antrag des Beklagten 26.09.2013 auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 12.02.2013 zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Aachen vom 01.10.2013 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 11.10.2013 - 8 O 188/08 - ebenfalls keine Erfolgsaussichten verspricht .
4. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
1. Mangels Erfolgsaussicht der Berufung ist die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gem. den §§ 719, 707 ZPO wegen überwiegender Gläubigerinteressen zu versagen. (OLG Bamberg, NJW-RR 1989, 576; Senat, Beschluss vom 19.12.2012 - 19 U 188/12 -; Herget, in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 707 Rn. 9; § 719 Rn. 3, m. w. N.).
Gem. § 514 Abs.2 ZPO unterliegt ein Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorliegt. Ob die Säumnis unverschuldet ist, richtet sich nach den gleichen Maßstäben wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Heßler, in Zöller, a.a.O., § 514 Rdn. 9). Die maßgeblichen Tatsachen für den Ausschluss des Verschuldens müssen vom Berufungsführer vorgetragen werden (BGH NJW 1991, 42 f; 1999, 2120 ff.; Heßler, in Zöller, a. a. O.).
Das Landgericht hat, nachdem der Beklagte aufgrund des Teilurteils vom 06.01.2013 Auskunft erteilt und die Kläger mit Schriftsatz vom 22.08.2012 bezifferten Antrag auf Zahlung gestellt hatten, Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 29.01.2013 bestimmt (Bl. 213 GA). Zu diesem Termin ist der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten durch Zustellungsurkunde ordnungsgemäß geladen worden (Bl. 216 GA), indessen nicht erschienen, was er telefonisch hat mitteilen lassen (Bl. 217 GA). Daraufhin ist unter dem 12.02.2013 das dem Zahlungsantrag stattgebende Versäumnisurteil des Landgerichts ergangen. Gegen dieses dem vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 27.02.2013 (Bl. 229 GA) mittels Empfangsbekenntnis zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte sodann am 13.03.2013 - und damit fristgerecht - Einspruch eingelegt und zugleich angekündigt, die Einspruchsbegründung erfolge umgehend in einem gesonderten Schriftsatz (Bl. 235 GA) - was im Folgenden nicht geschehen ist. Das Landgericht hat unter Hinweis auf die fehlende Einspruchsbegründung und deren Folgen Termin auf den 20.08.2013 bestimmt (Bl. 236 GA), zu dem der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten ordnungsgemäß per Empfangsbekenntnis geladen worden ist (Bl. 239 GA). Zu diesem Termin ist der vormalige Prozessbevollmächtigte des Beklagten wiederum nicht erschienen, was er ausweislich des Sitzungsprotokolls zuvor dem Prozessbevollmächtigten der Kläger mitgeteilt hatte (Bl. 246 GA). Tatsachen, warum das Verschulden des vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten, welches sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, ausgeschlossen sein soll, sind nicht ersichtlich und werden von dem Beklagten auch nicht vorgebracht. Vielmehr beruht die Säumnis nach der eigenen Darstellung des Beklagten auf dem Verschulden seines vormaligen Rechtsanwalts.
Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass das Verschulden des vormaligen Prozessbevollmächtigten so eklatant sei, dass er sich dieses (ausnahmsweise) nicht mehr gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse. Dies begründet er damit, dass dieser sich nicht ansatzweise um das Verfahren gekümmert und in keiner Weise Vorsorge dafür getroffen habe, die ihm obliegenden Sorgfaltspflichten gem. § 43 S. 1 BRAO wahrzunehmen, und im Übrigen damit, dass er ihn, den Beklagten, weitgehend nicht über das Verfahren informiert habe, wozu er Näheres ausführt. Soweit sich der Beklagte insoweit auf einzelne ältere Entscheidungen beruft, wonach das zuzurechnende Verschulden i. S. d. § 85 Abs. 2 ZPO nicht die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung einer Partei durch den Bevollmächtigten umfasse (VG Stade, Urteil vom 08.12.1982 - 5 A 464/82 -; VG Wiesbaden, Beschluss vom 05.11.1999 - 6 E 30257/99.A(3) -; zitiert nach juris), ist dieser Rechtsprechung ebenso wenig zu folgen wie der in der Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung, die Partei müsse sich das Handeln ihres Bevollmächtigten nicht zurechnen lassen, wenn diesem Vorsatz, Leichtfertigkeit oder sittenwidriges Verhalten zur Last falle(Christian, in Alternativkommentar zur ZPO, 1987, Rn. 13; einschränkend Fälle des sittenwidrigen oder deliktischen Handelns: Vollkommer, in Zöller, a. a. O., § 85 Rn. 13, unter Berufung auf VG Stade, a. a. O.). Nach herrschender Meinung, welcher der Senat folgt, entspricht der Begriff des Verschuldens i. S. d. § 85 Abs. 2 ZPO demjenigen des § 276 BGB und umfasst damit sowohl fahrlässiges als auch vorsätzliches Verhalten (vgl. etwa LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.04.2044 - 14 Sa 57/06 -, zitiert nach juris, m. w. N.; Weth, in Musielak, ZPO, 10. Aufl. § 85 Rdn. 17; Hüßtege, in Thomas/Putzo/, ZPO, 34. Aufl., § 85 Rn. 8; Hartmann, in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 69. Aufl., § 85 Rn. 8). Die abweichende Meinung ist abzulehnen.Sie findet im Gesetz keine Stütze und läuft dem Normzweck des § 85 Abs. 2 ZPO zuwider. Die Auswahl des Prozessbevollmächtigten liegt im Einflussbereich der Partei, und das Vertrauen auf die Einhaltung der Berufspflichten betrifft allein das Innenverhältnis (zutreffend LAG Düsseldorf, a. a. O.; Musielak, a. a. O.). Etwaige vermögensrechtliche Beeinträchtigungen, die die Partei infolge der Verschuldenszurechnung erleidet, können allein durch Schadensersatzansprüche gegen den Bevollmächtigten kompensiert werden, soweit dieser wegen Verletzung des Mandatsvertrages haftet. Würde man der Partei hingegen ein vorsätzliches Handeln des Vertreters nicht zurechnen, so würde man das aus der Auswahl resultierende Risiko dem Gegner aufbürden und diesen auf einen Schadensersatzanspruch gegen den gegnerischen Anwalt verweisen. Das aber soll durch § 85 Abs. 2 ZPO gerade verhindert werden (zutreffend LAG Düsseldorf, a. a. O.; Musielak, a. a. O.).
Dahingestellt bleiben kann nach dem Vorstehenden, ob überhaupt hinreichend zu einem "vorsätzlich sittenwidrigen Verhalten" des vormaligen Prozessbevollmächtigten des Beklagten vorgetragen ist.
2. Da das Nichtvorliegen eines Falles einer schuldhaften Versäumung - wie ausgeführt - schon nicht schlüssig vorgetragen ist, unterliegt die Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO der Verwerfung als unzulässig. Bei § 513 Abs. 2 ZPO ist die Schlüssigkeit des Sachvortrags Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels (BGH NJW 1991, 42 f; Heßler, in Zöller, a. a. o., § 514 Rn. 12; jew. M. w. N.).
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war aus den zutreffenden Erwägungen im Beschluss des Landgerichts vom 01.10.2013 schon deshalb zurückzuweisen, weil es an einer Fristversäumung fehlt. Soweit der Beklagte in seiner sofortigen Beschwerde ausführt, dass mangels Begründung des Einspruchs (gegen das Versäumnisurteil vom 12.02.2013) die Präklusionswirkung nur durch Wiedereinsetzung bezüglich des Einspruchs beseitigt werde könne, erschließt sich dies nicht. Das Landgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass es sich bei der Einspruchsbegründungsfrist - wie auch der Beklagte erkennt - nicht um eine wiedereinsetzungsfähige Notfrist handelt. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs war im Übrigen - wie bereits ausgeführt - gewahrt.
4. Der Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme - auch zur Frage der Rücknahme der Berufung und der sofortigen Beschwerde - binnen der ihm gesetzten Frist.
OLG Köln:
Beschluss v. 25.10.2013
Az: 19 U 156/13, 19 W 37/13
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