Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. Juni 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 60/08
(BGH: Beschluss v. 15.06.2009, Az.: AnwZ (B) 60/08)
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist am 16. Februar 1996 zur Anwaltschaft zugelassen worden. Mit Bescheid vom 22. Juni 2007 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Mit ihrer sofortigen Beschwerde will die Antragstellerin weiterhin die Aufhebung der Widerrufsverfügung erreichen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 BRAO) und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 4 BRAO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Die Zulassung zur Anwaltschaft ist zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis nach §§ 26 Abs. 2 InsO, 915 ZPO eingetragen ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die Antragstellerin hat am 23. März 2007 die eidesstattliche Versicherung nach § 807 ZPO abgegeben. Im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung galt damit die Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO.
Anhaltspunkte dafür, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren, lagen nicht vor.
2. a) Für eine Widerlegung der Vermutung oder eine - grundsätzlich beachtliche (BGHZ 75, 356; 84, 149) - Konsolidierung der Vermögensverhältnisse der Antragstellerin während der gerichtlichen Verfahren ist nichts dargetan. Die Antragstellerin hat zunächst in allgemeiner Form behauptet, Forderungen beglichen zu haben. In der Begründung ihres Antrags auf gerichtliche Entscheidung hat sie jedoch eingeräumt, kaum noch Einnahmen gehabt zu haben, aus denen die Forderungen hätten bedient werden können. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof hat sie die tatsächlichen Voraussetzungen eines Vermögensverfalls im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht mehr bestritten. Gleiches gilt für das Beschwerdeverfahren und die Verhandlung vor dem Senat.
b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin kann von einem Widerruf nicht deshalb abgesehen werden, weil die Interessen der Rechtsuchenden trotz des eingetretenen und fortbestehenden Vermögensverfalls nicht gefährdet wären (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO).
aa) Die Antragstellerin begründet die fehlende Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden damit, dass sie seit Dezember 2006 bei ihrem Verfahrensbevollmächtigten beschäftigt sei. Sie werde jeweils auf Anfrage in Untervollmacht für diesen tätig. Die neu eingehenden Mandate würden ausschließlich über ihren Verfahrensbevollmächtigten geführt. Nur dieser werde auch nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet. Sie selbst sei nicht befugt, Zahlungen entgegen zu nehmen oder Rechnungen zu schreiben. Sie sei überhaupt nur in etwa 5 Verfahren tätig, auf die ihr Verfahrensbevollmächtigter ein besonderes Auge habe. Gerade die enge persönliche Beziehung führe zu einer Kontrolle, die in einer größeren Kanzlei nicht gewährleistet sei.
bb) Die von der Antragstellerin beschriebenen Umstände erfüllen nicht die strengen Voraussetzungen, unter denen der Senat in besonders gelagerten Einzelfällen einen Ausschluss der (abstrakten) Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausnahmsweise angenommen hat (Senat, Beschl. v. 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; v. 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, 2925 Rn. 8; v. 15. September 2008, AnwZ (B) 67/07, Rn. 5).
Die Antragstellerin ist bei einem Einzelanwalt beschäftigt, der sich dem Briefkopf der Beschwerdeschrift nach mit einem weiteren Anwalt zu einer Bürogemeinschaft zusammengeschlossen hat. Die Anstellung bei einem Einzelanwalt vermag nach ständiger Rechtsprechung des Senats eine Gefährdung der Rechtsuchenden in der Regel nicht auszuschließen, weil der Einzelanwalt aus Urlaubs-, Krankheits- oder dienstlichen Gründen ortsabwesend und dann außerstande sein kann, den betroffenen Anwalt effektiv zu überwachen (Senat, Beschl. v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 13/05, AnwBl. 2005, 280; v. 5. Dezember 2005, AnwZ (B) 14/05, AnwBl. 2005, 281; v. 15. September 2008, AnwZ (B) 67/07, AnwBl. 2009, 64 Rn. 9; v. 3. November 2008, AnwZ (B) 2/08, BeckRS 2009, 04224 Rn. 13). Außerdem hat die Antragstellerin nur die derzeitige tatsächliche Aufgabenverteilung zwischen ihr und ihrem Verfahrensbevollmächtigten beschrieben, jedoch keinerlei Angaben zu etwa getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen gemacht. Eine dauerhafte Lösung der finanziellen Probleme der Antragstellerin, deren Einnahmen bei dem beschriebenen Arrangement nicht gestiegen sein können, die aber keinen Insolvenzantrag mit dem Ziel einer Restschuldbefreiung gestellt hat, ist schließlich ebenfalls nicht in Sicht.
Tolksdorf Frellesen Roggenbuck Lohmann Wüllrich Frey Hauger Vorinstanz:
AGH Hamm, Entscheidung vom 14.12.2007 - 1 ZU 62/07 -
BGH:
Beschluss v. 15.06.2009
Az: AnwZ (B) 60/08
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