Bundesgerichtshof:
Urteil vom 20. November 2012
Aktenzeichen: X ZR 131/11

(BGH: Urteil v. 20.11.2012, Az.: X ZR 131/11)

Die Frist zur Zahlung der mit der Einreichung der Klage fa€llig werdenden Gebu€hr beginnt erst zu laufen, wenn das Patentgericht dem Kla€ger den vorla€ufig festgesetzten Streitwert mitteilt.

Tenor

Die Berufung gegen das am 19. Juli 2011 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des europäischen Patents 1 528 100 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 27. Oktober 2003 am 8. Oktober 2004 angemeldet wurde. Das Streitpatent betrifft eine verriegelbare Kontaktplatte und umfasst zehn Patentansprüche, wobei die Ansprüche 2 bis 10 auf Patentanspruch 1 rückbezogen sind.

Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:

"A contact plate (1) comprising

(a) a circular dish (20) supported on a circular base (10), said dish having a bottom plate (22) and a bottom cylindrical side wall (24), and

(b) a circular lid (30) having a top plate and a top cylindrical side wall (34), said lid (30) sized so as to fit over the bottom cylindrical side wall (24) of said dishcharacterized in that said base (10) and said lid (30) are provided with locking means for securing said base (10) and lid (30) in locking engagement, said locking means comprising at least two pairs of locking members, each of said pairs of locking members comprising (i) a radial sheath (12) integral with said base (10) and having an entry (13), and (ii) an elongate radial tab (36) integral with said top cylindrical side wall (34) and sized and shaped so as to be slidably engagable with said radial sheath (12), said radial tab (36) having at least one protrusion (38) and said radial sheath (12) having at least one indent (14), with said protrusion and said indent being sized and located so as to matingly engage each other."

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 10 sei nicht patentfähig, er beruhe insbesondere nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Mit der Berufung, der die Klägerin entgegentritt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Gründe

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I. Die Nichtigkeitsklage ist rechtshängig. Entgegen der Auffassung der Beklagten gilt sie nicht wegen verspäteter Zahlung der Klagegebühr als nicht erhoben.

1. Mit Erhebung der Nichtigkeitsklage ist eine Gebühr zu zahlen, die sich nach dem Streitwert richtet, für dessen Festsetzung die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes entsprechend gelten (§ 2 Abs. 2 Sätze 1 und 4 Pat-KostG). Die Gebühr ist mit Einreichung der Klage fällig (§ 3 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 PatKostG) und innerhalb einer Frist von 3 Monaten ab Fälligkeit zu zahlen (§ 6 Abs. 1 PatKostG). Die Höhe der Gebühr muss auf der Grundlage des vorläufig festgesetzten Streitwerts bestimmt werden (§ 63 Abs. 1 Satz 1 GKG). Als Folge der Nichtzahlung, der nicht vollständigen oder nicht rechtzeitigen Zahlung sieht § 6 Abs. 2 PatKostG vor, dass die Handlung als nicht vorgenommen, mithin die Klage als nicht erhoben gilt.

2. Die Rechtsfolge, dass die Klage als nicht erhoben gilt, ist im Streitfall nicht eingetreten, da die Klagegebühr mangels vorläufiger Festsetzung des Streitwerts durch das Patentgericht nicht vor der Zahlung der Klägerin fällig geworden ist.

a) Die Klägerin hat die Nichtigkeitsklage am 29. Juli 2010 beim Patentgericht eingereicht, einen Streitwert von 250.000 € angegeben und angekündigt, die tarifmäßige Gebühr nach einer entsprechenden Gebührennachricht zu entrichten. Nach Zustellung der Klage und Eingang der Widerspruchsbegründung hat der Rechtspfleger des Patentgerichts die Klägerin mit Verfügung vom 18. Januar 2011 aufgefordert, eine Einzugsermächtigung über die Gerichtsgebühr von 7.902 €, die sich aus dem von der Klägerin "vorläufig angegebenen Streitwert von 250.000 € ergebe", an das Patentgericht zu senden. Dieser Aufforderung ist die Klägerin am 26. Januar 2011 nachgekommen. Sie hat damit die Klagegebühr rechtzeitig entrichtet.

b) Nach dem Wortlaut des Gesetzes war zwar die Klagegebühr mit der Einreichung der Klage fällig. Der Eintritt der Fälligkeit setzt jedoch voraus, dass die zu entrichtende Gebühr nicht nur dem Grunde nach, sondern auch in der Höhe feststeht. Die Bestimmung der Höhe erfordert eine Mitwirkung des Patentgerichts, nämlich die vorläufige Festsetzung des Streitwerts. Nach § 63 Abs. 1 GKG setzt das Gericht, wenn die Gebühren mit der Einreichung der Klage fällig sind, den Streitwert sogleich ohne Anhörung der Parteien von Amts wegen vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens - wie in Patentnichtigkeitsverfahren der Fall - nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist und gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Dadurch wird sichergestellt, dass der Kostenbeamte bei Eingang der Klage die Gebühren auf einer sicheren Streitwertgrundlage berechnen kann (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 63 GKG Rn. 6 ff.; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl., § 63 Rn. 2). Die Angabe des Streitwerts durch den Kläger ersetzt dabei die Wertfestsetzung nicht, sie hat nur den Charakter einer Anregung.

Da das Patentgericht den Streitwert entgegen § 63 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht vorläufig festgesetzt hat, war der Klägerin nicht bekannt, welchen Streitwert das Gericht für angemessen hielt und der Gebührenberechnung zugrunde zu legen beabsichtigte. Sie hatte keine Veranlassung, einen Geldbetrag in unbestimmter Höhe zu zahlen, und war auch nicht verpflichtet, bei Gericht Erkundigungen über die Höhe der zu entrichtenden Gebühr einzuholen. Sie durfte vielmehr abwarten, bis das Patentgericht den Streitwert vorläufig festsetzte und damit den Betrag der Klagegebühr bestimmte, ohne die Rechtsfolge des § 6 Abs. 2 PatKostG hinnehmen zu müssen (Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 81 Rn. 20).

Der Senat verkennt nicht, dass in der Praxis des Patentgerichts die vorläufige Festsetzung des Streitwerts häufig für entbehrlich gehalten wird, wenn mit dem Eingang der Nichtigkeitsklage bereits eine Gebühr aufgrund eines vom Kläger angenommenen Streitwerts gezahlt wird, den auch das Patentgericht für angemessen hält. Eine vorläufige Streitwertfestsetzung ist jedoch bei Eingang der Nichtigkeitsklage zumindest dann erforderlich, wenn - wie im Streitfall - der Kläger nicht eine Gebühr auf der Grundlage eines von ihm angenommenen, angemessenen Streitwerts einzahlt, sondern um Mitteilung der Höhe der Gebühren oder um Festsetzung des Streitwerts bittet, um eine entsprechende Zahlung leisten zu können.

II. Das Patentgericht hat die Klage zu Recht für begründet erachtet.

1. Das Streitpatent betrifft eine Kontaktplatte, die, wie eine Petri-Schale, mit einem Wachstumsmedium für Mikroorganismen, wie z.B. Bakterien oder Pilzen, gefüllt wird und zum Kultivieren dieser Mikroorganismen dient.

a) Nach der Patentbeschreibung (Abs. 1) ist die Platte mit einer Basis zum Ergreifen der Kontaktplatte und einem Deckel versehen. Sie ist typischerweise aus Polymermaterial in Massenqualität hergestellt, so dass die Herstellungskosten vergleichsweise gering sind und die Kontaktplatte für den einmaligen Gebrauch geeignet ist. Der konvexe Boden der Kontaktplatte wird mit Wachstumsmedium gefüllt. Bei abgenommenem Deckel wird die Kontaktplatte an der Basis ergriffen und der durch die konvexe Form des Plattenbodens entstandene Hügel an Wachstumsmedium gegen eine Oberfläche gedrückt, die z.B. auf bakterielle Kontamination überprüft werden soll. Danach wird der Deckel wieder aufgesetzt und die Kontaktplatte in einer für Mikroorganismen förderlichen Umgebung aufbewahrt.

Im Stand der Technik waren - so die Patentbeschreibung - zum Prioritätszeitpunkt mehrere Ausführungen von Kontaktplatten mit unterschiedlichen Verschließeinrichtungen bekannt. Bei den Kontaktplatten nach den US-Patenten 5 854 065 und 6 602 704 würden Deckel und Basis durch eine Druckpassung zusammengehalten, die häufig entweder zu dicht sei, um ein einfaches Lösen zwischen Deckel und Basis zu gestatten, oder zu lose, was zu einer versehentlichen Verschüttung oder Kontamination bei der Handhabung der Kontaktplatte führen könne. Das US-Patent 4 419 451 offenbare eine versiegelbare Petri-Schale zum Aufrechterhalten einer anaeroben Umgebung, wobei die Oberseite mit einwärts gerichteten Vorsprüngen versehen sei, die in radiale Flächen um den Boden einschnappten. Bekannt sei ferner eine verriegelbare Petri-Schale, wie sie das europäische Patent 171 174 offenbare. Der Verriegelungsmechanismus bestehe aus vier auswärts vorspringenden, im Abstand um die Bodenplatte vorgesehenen Nasen, die mit radialen, integral mit dem Oberteil ausgebildeten Positioniergliedern ineinander greifen könnten (Abs. 2 bis 4).

b) Der Erfindung liegt danach das technische Problem zugrunde, eine Kontaktplatte mit einem Verriegelungsmechanismus für die Deckel- und Fußkomponenten zu schaffen, der ein vorzeitiges oder unbeabsichtigtes Verriegeln vermeidet. Gleichzeitig sollen die Deckel- und Fußkomponenten einfach verriegelbar und voneinander entriegelbar sein (Abs. 6).

c) Dieses Problem soll nach Patentanspruch 1 durch eine Kontaktplatte mit folgenden, schon durch das Patentgericht zutreffend bezeichneten Merkmalen gelöst werden:

1. Kontaktplatte (1) mit 1.a einem kreisförmigen Teller (20) und 1.b einem kreisförmigen Deckel (30), wobei 2. der Teller (20)

2.a auf einem kreisförmigen Fuß (10) gestützt ist, 2.b eine Bodenplatte (22) sowie 2.c eine untere zylindrische Seitenwand (24) aufweist und 3. der Deckel (30)

3.a eine Deckelplatte sowie 3.b eine obere zylindrische Seitenwand (34) aufweist und 3.c so bemessen ist, dass er über die untere zylindrische Seitenwand (24) des Tellers (20) passt, wobei 4. der Fuß (10) und der Deckel (30) Verriegelungsmittel zur Sicherung des Fußes (10) und des Deckels (30) im Verriegelungsgriff aufweisen. 18 5. Die Verriegelungsmittel weisen mindestens zwei Paar Verriegelungsglieder auf.

6. Jedes Paar von Verriegelungsgliedern hat 6.a eine radiale Scheide (12) und 6.b eine längliche radiale Nase (36).

7. Die Scheide (12)

7.a ist integral mit dem Fuß (10) ausgebildet und 7.b weist einen Zugang (13) auf.

8. Die Nase (36)

8.a ist integral mit der oberen zylindrischen Seitenwand (34) ausgebildet und 8.b ist so bemessen und gestaltet, dass sie gleitend mit der radialen Scheide (12) in Eingriff treten kann.

9. Die Scheide (12) weist mindestens eine Vertiefung (14) und die Nase mindestens einen Vorsprung (38) auf, wobei der Vorsprung (38) und die Vertiefung (14) so bemessen und angeordnet sind, dass sie passend ineinandergreifen.

Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren des Streitpatents veranschaulichen den beanspruchten Gegenstand.

Figur 1 zeigt die beanspruchte Kontaktplatte, die aus dem kreisförmigen Teller, gestützt auf einen kreisförmigen Fuß und dem kreisförmigen Deckel besteht. Auch die Verriegelungsmittel, d.h. mindestens zwei Verriegelungsglieder, die in den Merkmalen 6 bis 8 beschrieben sind, sind erkennbar.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Beispiele für die Verriegelungsglieder sind noch deutlicher in Figur 2 gezeigt, aus der insbesondere erkennbar ist, dass die radiale Scheide 12 einen Zugang 13 aufweist und die Nase 36 gleitend mit ihr in Eingriff treten kann. Ebenfalls erkennbar sind die Elemente des Merkmals 9. Man sieht die - gestrichelt gezeichnete - Vertiefung 14 und den durch zwei Kreise dargestellten Vorsprung 38 der Nase, wobei der Vorsprung und die Vertiefung passend ineinander greifen sollen.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Diese Endstellung eines Verriegelungselements ist in Figur 4 21 perspektivisch dargestellt. Der Vorsprung 38 hat sich passend in die Vertiefung 14 eingefügt.

An dieser Stelle befindet sich eine Abbildung.

Das Streitpatent offenbart somit, besonders verdeutlicht in Merkmal 9, einen Bajonettverschluss. Wie dieser Verriegelungsmechanismus funktioniert, war zum Prioritätszeitpunkt und lange vorher bekannt, was sich z.B. aus "Meyers Enzyklopädischem Lexikon", (9. Aufl. 1971, Artikel "Bajonettverschluss") oder auch aus "Luegers Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften", 3. Aufl. 1926 (S. 402) ergibt. Danach ist ein Bajonettverschluss eine Einrichtung zur leicht lösbaren Verbindung von Rohren, Stangen, Hülsen u.a., also zweier zylindrischer Teile in ihrer Längsachse. Hierzu ist der eine (hohlzylindrische) Teil mit einem oder mehreren Schlitzen, der andere mit einem oder mehreren Stiften, Klauen oder Schrauben versehen; beide Teile werden durch Ineinanderstecken und entgegengesetztes Drehen verbunden und so auch wieder getrennt. Dabei besitzt beispielsweise der Teil, der über den anderen geschoben wird, einen Längsschlitz - beim Streitpatent die Scheide 12 - an dessen Ende rechtwinklig ein kurzer Querschlitz - die Vertiefung 14 - ansetzt. Der andere Teil - die Nase 36 - besitzt dagegen einen Stift oder Knopf - den Vorsprung 38 - der in den Querschlitz 14 eingeführt wird und die feste Verbindung bewirkt. Die Verbindung erfolgt über eine Steck-Dreh-Bewegung, wobei ein Verfahren ineinander greifender Schienen und alternativ hierzu eine entsprechend geformte Einbuchtung am einen und eine Ausbuchtung am anderen Teil verwendet werden kann. Auch das Streitpatent spricht davon, dass die Scheide 12 mit ihrem Einlass 14 so gestaltet ist, dass sie nach Anwendung einer Drehkraft mit dem Vorsprung 38 inei-24 nander passt ("When sheath 12 is provided on the inner portion of its outer wall with at least one indent 14 sized and shaped so as to fit snugly with protrusion(s) 38 upon application of a torquing force ...", Abs. 10).

2. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Zur Begründung hat es ausgeführt, der Fachmann, ein Ingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung, der bei einem Hersteller von Verbrauchsmaterial für Laborbedarf tätig sei und sich mit der Entwicklung von Behältnissen befasse, die für die Züchtung von Mikroorganismen eingesetzt würden, gehe von dem US-Patent 6 602 704 (D1) aus, das sich mit der Verbesserung des Verriegelungsmechanismus bei Kontaktplatten befasse. Die D1 offenbare eine Kontaktplatte mit kreisförmigem Teller und Deckel, die aus einer Boden- und Deckplatte sowie zylindrischen Seitenwänden aufgebaut sei. Die Seitenwände des Deckels seien so bemessen, dass sie über den Teller passten. Nach den Figuren 1 und 2 der D1 sei der Teller der Kontaktplatte auf einen Fuß gestützt. Damit weise die Kontaktplatte der D1 die konstruktiven Merkmale 1 bis 3 des Patentanspruchs 1 nach dem Streitpatent auf. Zur Verriegelung der Deckel- und der Fußkomponente der Kontaktplatte werde in D1 eine Klemmverbindung vorgeschlagen. Hierfür seien auf der inneren Oberfläche der Seitenwand des Deckels eine Vielzahl von Rippen vorgesehen und so gestaltet, dass sie im geschlossenen Zustand eine Presspassung zwischen der Seitenwand des Fußteils und der Seitenwand des Deckels hervorriefen. Die Rippen des Deckels sowie weitere, auf dem Fußteil der Bodenplatte nach oben ragende Rippen verhinderten zudem einen luftdichten Verschluss der Kontaktplatte. Eine solche Kontaktplatte eigne sich nur für aerobe Kulturen, nicht aber für die Kultivierung anaerober Mikroorganismen. Der Fachmann werde auch als nachteilig anse-25 hen, dass das Öffnen der Kontaktplatte nicht mit einer konstanten Öffnungskraft möglich sei, sondern hierfür Kräfte von 50 g bis 2000 g aufgewendet werden müssten. Ein routinemäßiges Arbeiten mit der Kontaktplatte werde dadurch erschwert. Hiervon ausgehend habe der Fachmann das deutsche Gebrauchsmuster 1 907 105 (D6) heranziehen können, das eine Vorrichtung zur Kultivierung von Mikroorganismen beschreibe, bei der zwischen Deckel und Bodenteil Filterschichten und ein Dichtungsring vorgesehen seien, um sowohl aerobe als auch anaerobe Kultivierungsbedingungen zu ermöglichen. Zum Verriegelungsmechanismus erfahre der Fachmann, dass bei einer Kontaktplatte für die Verbindung von Deckel und Bodenteil drei verschiedene Verschlussmechanismen in Frage kämen: ein Bajonettverschluss, ein Schraubverschluss und ein Stülpdeckel. In den Figuren 1 und 2 sowie dem dazugehörigen Beschreibungsteil der D6 werde zwar nur der Schraubverschluss näher beschrieben; diesem werde dadurch allerdings kein Vorzug gegenüber den anderen Verschlussmechanismen eingeräumt. Der Fachmann erkenne in Bajonett- und Schraubverschluss auch nicht einen einheitlichen Verriegelungsmechanismus. Der Fachmann wisse, dass ein Bajonettverschluss zwar die Verschlusskraft eines Gewindes besitze, im Gegensatz zum Schraubverschluss aber nicht auf einem Gewinde basiere, sondern auf Verriegelungsmitteln, die durch eine Steck-Dreh-Bewegung miteinander in Eingriff gebracht würden. Es liege für den Fachmann somit nahe, alle drei in D6 genannten Verriegelungsmechanismen in Betracht zu ziehen. Dem Stülpdeckel werde der Fachmann dabei weniger Beachtung schenken, da ihm aus D1 bekannt sei, dass für diesen Verschluss unterschiedliche Öffnungskräfte aufgewendet würden müssten und der Verschluss somit kein einfaches Entriegeln garantiere. Auch Schraubverschlüsse werde der Fachmann nicht als geeignet ansehen, da einerseits das Finden des Gewindeeingangs Probleme verursache und es andererseits zu einer Versiegelung des Verschlusses durch einen Flüssigkeitsfilm kommen könne. Auch sei die für Schraubverschlüsse erforderliche Öffnungskraft von der zuvor angewandten Schließkraft abhängig. Um diese Nachteile zu vermeiden, werde der Fachmann in einfachen Versuchen einen Bajonettverschluss für die Verriegelung von Kontaktplatten testen. Um aus den ihm bekannten Ausführungsformen einen für Kontaktplatten geeigneten Bajonettverschluss auszuwählen, werde der Fachmann nicht nur sein Fachwissen, sondern auch seine allgemeine Lebenserfahrung und somit auch die eine CD-Lagertrommel betreffende veröffentlichte US-Patentanmeldung 2003/0098251 (D3) heranziehen.

3. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

a) Das US-Patent 6 602 704 (D1), das im Streitpatent als zum Stand der Technik gehörend erwähnt wird, betrifft eine Proben-Kontaktplatte mit verriegelbarer Abdeckung. Es verwirklicht, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, die Merkmale 1 bis 3 des Streitpatents. Es benennt drei technische Probleme, die bei den damals bekannten Probenahmevorrichtungen bestanden, nämlich die Vermeidung von Verunreinigungen der Probe, die Schwierigkeit, den Deckel aufgrund einer Feuchtigkeitsdichtungsverriegelung zu entfernen und die Gefahr der unbeabsichtigten Lösung oder Entfernung des Deckels (D1 Sp. 1, Z. 14 bis 26). Die Entgegenhaltung D1 beschäftigt sich sonach mit einem Verriegelungsmechanismus für Kontaktplatten, der, wie auch im Streitpatent verlangt, eine einfache und sichere Ver- und Entriegelung bei ausreichender Dichtigkeit gewährleisten soll, und schlägt hierfür die Anordnung einer Vielzahl von Rippen vor, um einen Festsitzeingriff zwischen der Seitenwand des Basiselements und der Seitenwand des Deckels zu ermöglichen ("The ribs are configured to provide an interference fit engagement between thesidewall of the base member and the sidewall of the lid ...", D1 Sp. 1, Z. 59 bis 62).

b) Diese Verriegelungslösung war, wie auch im Streitpatent dargestellt, aus der Sicht des vom Patentgericht zutreffend definierten Fachmanns nicht zufriedenstellend ("... have the inherent drawback that the lid and base are held together by a compression fit, that is often either too tight to allow ready disengagement between the lid and base or too loose, which can lead to accidental spillage or contamination when handling the contact plate", Abs. 2). Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob für die vorgesehene Massenproduktion der Kontaktplatten, wie die Klägerin meint, sowohl der Schraub- als auch der Stülpverschluss ungeeignet waren. Richtig ist jedenfalls, dass beide Verschlussarten eine kraftschlüssige Verbindung der Plattenteile bewirken. Ein leichtes Öffnen und Schließen der Kontaktplatte ist mit diesen Verschlüssen kaum möglich, da beim Schraubverschluss die zum Öffnen aufgewendete Kraft der zum Schließen aufgewendeten Kraft entsprechen muss und beim Stülpverschluss bei der Massenproduktion von Kontaktplatten die Schwierigkeit besteht, relativ enge Toleranzen einhalten zu müssen, um eine genau definierte Öffnungs- und Schließkraft festzulegen. Aus fachmännischer Sicht war es deshalb wünschenswert, Kontaktplatten mit größeren Toleranzen bei der Wirkverbindung zwischen Deckel und Behältnis vorzusehen. Der Fachmann hatte demnach Anlass, nach Verriegelungsmöglichkeiten für Kontaktplatten zu suchen, die die Ausgestaltung der Wirkverbindung mit größeren Toleranzen ermöglichten. Dabei war im Stand der Technik der Bajonettverschluss, wie das deutsche Gebrauchsmuster 1 907 105 (D6) belegt, bereits als Verriegelungsmechanismus für eine Kulturschale konkret in Betracht gezogen worden.

In der D6 ist ein Bajonettverschluss als möglicher Verriegelungsmechanismus zwar nur allgemein erwähnt, ohne dass konkrete Ausgestaltungen dieser Verriegelungsart vorgeschlagen werden. Dem Fachmann waren jedoch konkrete Ausgestaltungen des Bajonettverschlusses, wie beispielsweise in der US-Patentanmeldung 2003/0098251 (D3) offenbart, bekannt. Denn seine Kenntnisse beschränken sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht auf die Entwicklung von Behältern für Anwendungen im Laborbereich. Für ihn ist vielmehr erkennbar, dass die Wahl eines geeigneten Verschluss- und Verriegelungsmechanismus' für ein Gefäß eine Fragestellung allgemeiner Natur betrifft. Er hat deshalb Grund, in seine Überlegungen allgemeine Kenntnisse von bekannten Mechanismen und Funktionsabläufen einzubeziehen, die er während seiner Ingenieursausbildung erworben hat und die auf verschiedenen Gebieten der Konstruktionslehre gleichermaßen gelten und anwendbar sind.

Der Fachmann war deshalb veranlasst, allgemeine Verschlussvorrichtungen für Kontaktplatten, beispielsweise solche aus dem Lebensmittelbereich, wie sie in dem deutschen Gebrauchsmuster 1 993 453 (D2) offenbart sind, oder auch Verschlussvorrichtungen bei allgemeinen Gebrauchsgegenständen, wie etwa in der D3 gezeigt, heranzuziehen, da die an die Verschlussvorrichtungen der Kontaktplatte gerichteten Anforderungen - ausreichende Dichtigkeit und ausreichend feste, aber einfach lösbare Verriegelung - mit den an diese Gebrauchsgegenstände gestellten Anforderungen vergleichbar sind und deshalb bei Beachtung der bekannten Verschlussmechanismen auch das Auffinden einer passenden Lösung für einen Verschlussmechanismus bei der beanspruchten Kontaktplatte zu erwarten war.

Die Entgegenhaltung D3 betrifft eine Aufbewahrungstrommel für CDs, bei der das Trommelgehäuse mit der Basis in Eingriff steht, die quadratisch sein 30 soll, damit die Trommel in einer quadratischen Kiste platzsparend verpackt werden kann. Als Verschlussmechanismus für Trommel und Basis ist ein Bajonettverschluss vorgeschlagen, dessen Funktionsweise das Patentgericht zutreffend beschrieben und in Beziehung zu dem Bajonettverschluss des Streitpatents gesetzt hat (Urteil S. 13 letzter Absatz, S. 14). Aus Figur 1 ist eine knopfartige Erhebung oder ein Vorsprung auf dem Eingriffselement 32 erkennbar, die dem Vorsprung 38 auf der Nase 36 des Streitpatents entspricht. Der Vorsprung auf dem Eingriffselement 32 ist erkennbar dazu bestimmt, in eine Vertiefung des ersten Eingriffselements 23 der Basis einzugreifen. Damit wird in D3 ein Bajonettverschluss mit Endpositionsverrastung offenbart, mit der das angesprochene Toleranzproblem gelöst und eine Verrastung der Verriegelungsglieder, wie sie auch das Streitpatent fordert, bewirkt wird. Dem Fachmann war demnach ein Bajonettverschluss in der Ausgestaltung mit Verrastungsmitteln und einem Vorsprung bekannt, dessen Anwendung auf eine Kontaktschale nach der Entgegenhaltung D1 in naheliegender Weise zu der im Streitpatent vorgeschlagenen Lösung führte.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.

Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Gröning Schuster Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.07.2011 - 3 Ni 26/10 (EP) - 33






BGH:
Urteil v. 20.11.2012
Az: X ZR 131/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/3f7cde764e3f/BGH_Urteil_vom_20-November-2012_Az_X-ZR-131-11




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