Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 2. August 2007
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 10/07

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 02.08.2007, Az.: VI-U (Kart) 10/07)

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 06.09.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf, Az. 12 O 537/05, wird ebenso zurückgewiesen wie die Berufung des Beklagten zu 2) gegen dasselbe Urteil.

II. Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 42 % und der Beklagte zu 2) zu 58 %.

Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) zu erstatten und 42 % ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten zu tragen. Dem Beklagten zu 2) fallen 58 % der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die jeweils andere Seite in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Feststellung der Beendigung eines Mietverhältnisses und Optionsvertrages und widerklagend um Ansprüche auf Zahlung von Miete, Optionsentgelt und Vertragsstrafe.

Die Klägerin ist ein bundesweit tätiges Unternehmen zur Prägung von Kfz-Schildern. U.a. unterhielt sie zwei Filialen in K., und zwar eine in der W.straße .. und eine im Nachbargebäude W.straße ... Die Kfz-Zulassungsstelle der Stadt K. befand sich damals auf der diesen Filialen genau gegenüberliegenden Straßenseite im Haus W.straße .., wurde indes im Herbst 2004 innerhalb des Stadtgebietes K. in die E.straße .. verlegt. Die in unmittelbarer Nähe zur Zulassungsstelle befindliche Umgebung ist geprägt durch Geschäftszeilen, in denen neben den beiden Filialen der Klägerin ein weiteres Konkurrenzunternehmen zur Prägung von Kfz- Schildern belegen war.

Die Verkaufsräume der Filiale W.straße .. mietete die Klägerin vom Beklagten zu 2), dem Eigentümer des Objektes W.straße ...

Zum 31.12.2000 gab die Klägerin ihren Geschäftsbetrieb in dieser Filiale auf und führte ihn in der nunmehr alleinigen Filiale W.straße .. fort. Hierfür schlossen die Klägerin und der Beklagte zu 2) am 03./10.08.2000 einen Vertrag (Anlage K9 und Bl. 249 GA), u.a. mit folgenden Vereinbarungen:

Unter Ziffer 2 des Vertrages wurde der Klägerin gegen Zahlung eines monatlichen Betrages in Höhe von 1.500 DM (= 766,94 EUR) eine Option zum Schutze vor konkurrierenden Prägeunternehmen in Nähe der Zulassungsstelle dahingehend eingeräumt, daß ihr vom Beklagten zu 2) in dessen Objekt W.straße .. "als erstes ein Raum zum Betrieb einer Prägerei angeboten wird, wenn die Möglichkeit dazu vorhanden ist".

Des weiteren vereinbarten die Parteien - ebenfalls unter Ziffer 2 - die Überlassung von Lagerflächen zu Gunsten der Klägerin in einer Größenordnung von ca. 75 qm zu einem monatlichen Mietbetrag von insgesamt 3.500 DM (= 1.789,52 EUR), wobei sich die Miete jährlich um ein Prozent erhöhen sollte.

Unter Ziffer 3 wurde darüberhinaus geregelt, daß "bei jedem Fall einer Zuwiderhandlung (…) ein Betrag von DM 50.000,00 fällig" werden sollte.

Ferner wurde unter Ziffer 4 vereinbart, "dieser Vertrag (solle) beginnen zum 01.01.2001 und enden am 31.12.2010".

Unter Ziffer 5 wurde vereinbart, daß, wenn "eine Bestimmung dieses Vertrages unwirksam sein (sollte), (…) die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages wirksam (bleiben sollten)".

Der Mietzins sollte jeweils bis spätestens Ende eines jeden Monats gezahlt werden.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zu den Umständen des Vertragsschlusses und zum Inhalt der vorangegangenen Verträge zwischen den jeweiligen Rechtsvorgängern der Parteien wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 339 ff. GA).

Mit Schreiben vom 15.03.2004 (Anlage K11) kündigte die Klägerin den Vertrag mit dem Beklagten zu 2) zum 30.09.2004; letzterer bestätigte eine Kündigung zum 31.12.2010 (Anlage K13).

Die Verkaufsräume der Filiale W.straße .. mietete die Klägerin von der Beklagten zu 1), der damaligen Eigentümerin des Objektes W.straße ...

Diesem Mietverhältnis - welches mittlerweile durch klägerseitige Ausübung eines vertraglich vereinbarten Sonderkündigungsrechtes wegen des Wegzugs der Zulassungsstelle und nach übereinstimmend vereinbarter einmaliger Verlängerung mit Ablauf des 30.11.2004 unstreitig beendet ist - lag ein zuletzt am 14./31.07.2000 geänderter Mietvertrag zugrunde (Anlage K8, GA 28 ff.).

Ziffer 4 dieses Vertrages lautet:

"Der Mieter verpflichtet sich nach wie vor in den genannten Räumen 1,2 und 3 keine Versicherungsgeschäfte zu tätigen. Diese dürfen einzig vom Vermieter oder einer von diesem zu bestimmenden Person durchgeführt werden."

Weiter wurde unter Ziffer 5 vereinbart:

"Jegliche weitere Untervermietung (…) sowie andere Nutzung außer Kfz-Schilderherstellung ist nicht gestattet und führt bei Zuwiderhandlung bei jedem Fall zu einer Vertragsstrafe von je 50.000,-- DM, insbesondere gegen Punkt 4 und 5 dieses Vertrages."

Hinter dem Wort "Kfz-Schilderherstellung" ist von Hand ein Einfügungszeichen "X" eingesetzt und in der Zeile unter dem Absatz zu Ziffer 5 ist handschriftlich eingefügt: "X und Kfz-Zulassungsservice".

In dem Objekt W.straße .. befanden sich drei Geschäftslokale, nämlich das Geschäftslokal der Klägerin, ferner das Versicherungsbüro der Beklagten zu 1), welche dort Kfz-Versicherungen anbot, und schließlich ein weiteres Geschäftslokal "Zulassungsdienst", welchen die Zeugin A. H. betrieb. Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeit wird auf das Lichtbild in Anlage B3 (Bl. 406 GA) und den Raumbestimmungsplan (Bl. 237 GA) Bezug genommen.

Das Geschäftslokal "Zulassungsdienst" war vom vorgenannten Mietvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) mitumfasst. Die Klägerin stellte der Zeugin H. die Räumlichkeiten möbliert über einen Zeitraum von mehreren Jahren zur Verfügung; als Gegenleistung sollte die Zeugin H. die in ihrem Geschäftsbetrieb benötigte Kfz-Schilder bei der Klägerin prägen lassen.

In einem Hinterhaus zur W.straße .. unterhielt der Beklagte zu 2) einen Schlittschuhverleih, dessen Geschäftslokal mit den Heizungssträngen, die die Filiale der Klägerin in der W.straße .. mit Heizwärme versorgten, verbunden war.

Mit Schreiben vom 22.10.2003 (Anlage K21) forderte die Beklagte zu 1) von der Klägerin eine Vertragsstrafe zunächst in Höhe von 200.000 DM - später dann mit Schreiben vom 04.02.2004 (Anlage K23) lediglich noch in Höhe von 50.000 DM (= 25.564,59 EUR) - mit der Begründung, daß die Klägerin vertragswidrig mit der Zeugin H. einen Untermietvertrag geschlossen habe und diese zum wiederholten Male eine Kurzzeitversicherung verkauft habe.

Die Klägerin hat hinsichtlich des Vertrages mit dem Beklagten zu 2) (W.straße ..) im Wesentlichen behauptet, es sei ein Sonderkündigungsrecht für den Fall des Wegzuges der Zulassungsstelle vereinbart worden, so wie es - unstreitig - in dem Vertrag mit der Beklagten zu 1) vereinbart worden sei; beide Verträge seien von den Parteien als Einheit betrachtet und geschlossen worden. Darüber hinaus habe der Beklagte zu 2) über einen längeren Zeitraum wissentlich und auf Kosten der Klägerin vertragswidrig und heimlich die Geschäftsräume seines Schlittschuhverleihs über die Heizungsstränge für den Geschäftsraum der Klägerin in der W.straße .. beheizt. Sie hat die Ansicht vertreten, daraus ergebe sich ihrerseits ein weiteres Kündigungsrecht; ferner sei der Vertrag wegen des bezweckten Konkurrenzschutzes ohnehin kartellrechtswidrig und nichtig.

Hinsichtlich des Vertragsstrafenverlangens der Beklagten zu 1) hat die Klägerin mit Nichtwissen bestritten, daß die Zeugin H. Kurzzeitversicherungen verkauft habe; ferner hat die Klägerin behauptet, die Zeugin führe den Zulassungsdienst auf eigene Rechnung, wovon die Beklagte zu 1) seit wenigstens fünf Jahren Kenntnis habe, ohne - was zwischen den Parteien unstreitig ist - in dieser Zeit eine Vertragsstrafe gefordert zu haben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 1) habe deshalb ihren Anspruch verwirkt; im übrigen sei die geforderte Vertragsstrafe der Höhe nach mit Blick auf den geringfügigen Umfang der angeblichen Verstöße unverhältnismäßig und überdies als vertragsstrafenfreie "Ausreißer" zu werten.

Nach übereinstimmend für erledigt erklärten ursprünglichen Anträgen hat die Klägerin zuletzt beantragt,

festzustellen, daß der Vertrag zwischen ihr und den Beklagten vom 03./10.08.2000 über die Vermietung einer Lagerfläche im Gebäude W.straße .., K., und die Einräumung einer Option für die Anmietung eines Raumes zum Betrieb einer Prägerei im selben Gebäude mit Ablauf des 30.09.2004 endet,

hilfsweise, daß der Vertrag mit Zugang der Kündigung vom 20.01.2004 geendet hat.

Der Beklagte zu 2) hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

ferner widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an ihn 2.658,72 EUR nebst 5 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 28.02.2005 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) hat ebenfalls Klageabweisung sowie widerklagend beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie 25.564,59 EUR nebst Zinsen aus diesem Betrag in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit der Widerklage zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklagen jeweils abzuweisen.

Mit seiner Widerklage macht der Beklagte zu 2) Zahlung von Miete und Optionsentgelt für den Monat Februar 2005 geltend, welche - unstreitig - seitens der Klägerin bislang nicht erfolgt ist.

Die Beklagte zu 1) hat behauptet, die Zeugin H. habe im Juli 2003 eine Versicherungsdoppelkarte für das Kurzzeit-Kennzeichen "K.-0..." ausgegeben; ferner habe sie im Jahre 2002 an den in K. ansässigen Autohändler M. W. Versicherungen für Kurzzeit-Kennzeichen verkauft; zudem stehe die Zeugin H. betreffend des Zulassungsdienstes im Angestelltenverhältnis zu der Klägerin und sei von dieser weisungsabhängig.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere wegen der übereinstimmend für erledigt erklärten ursprünglichen weiteren Anträge, wird auf das angefochtene Urteil des Landgerichts Düsseldorf Bezug genommen.

Das zunächst befasste Landgericht Krefeld hat gemäß Beschluss vom 23.02.2005 Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B. und durch Vernehmung des Vorstandvorsitzenden der Klägerin Herrn N. als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.05.2005 (Bl. 258 ff. GA) Bezug genommen. Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat es sich sodann für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf als Kartellgericht verwiesen.

Das Landgericht Düsseldorf hat der Klage stattgegeben und die Widerklage des Beklagten zu 2) abgewiesen. Durch den Wegzug der Zulassungsstelle sei eine Störung der vertragsparteilichen Geschäftsgrundlage eingetreten, was gemäß § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BGB ein Kündigungsrecht seitens der Klägerin begründe, womit diese den Vertrag vom 03./10.08.2000 wirksam zum 30.09.2004 habe kündigen können; für die Tatsache, daß die Parteien ausdrücklich kein Sonderkündigungsrecht in den Vertrag aufgenommen hatten, sei der insoweit beweispflichtige Beklagte zu 2) beweisfällig geblieben; mangels gültigen Vertrages entfiele daher auch der vom Beklagten zu 2) im Wege der Widerklage geltend gemachte Zahlungsanspruch.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten zu 2).

Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und vertritt die Ansicht, der Anwendungsbereich des § 313 Abs. 1, 3 BGB sei vorliegend nicht eröffnet, da eine vorrangige Vertragsauslegung mit Blick auf die Zeugenaussagen den Ausschluß eines Sonderkündigungsrechtes ergebe.

Der Beklagte zu 2) beantragt,

unter Abänderung des am 06.09.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf, Az. 12 O 537/05,

1.

die Klage abzuweisen,

2.

die Klägerin zu verurteilen, an ihn 2.658,72 EUR nebst 5 % Zinsen aus diesem Betrag seit dem 28.02.2005 zu zahlen,

hilfsweise,

das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 2) zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt das Urteil des Landgerichts.

Des weiteren hat das Landgericht der Widerklage der Beklagten zu 1) stattgegeben. Der Beklagten zu 1) stehe ein Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung der Vertragsstrafe in geforderter Höhe zu; denn entweder habe die Klägerin mit der Überlassung der Räumlichkeit "Zulassungsdienst" gegen das vertragliche Verbot der Untervermietung verstoßen oder aber die Zeugin H. habe die Kurzzeitversicherungen im Rahmen des Geschäftsbetriebes der Klägerin vermittelt, womit die Klägerin gegen das Verbot des Versicherungsverkaufs verstoßen hätte.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus der ersten Instanz und behauptet ferner, sie habe Frau H. bei der Zur-Verfügung-Stellung der Räumlichkeiten angewiesen, keine Versicherungen in der W.straße .. zu verkaufen; darüberhinaus betreibe die Zeugin H. parallel noch einen zweiten Zulassungsdienst in V., im Rahmen dessen sie auch Versicherungen verkauft habe. So seien die an Herrn W. verkauften Versicherungen im Büro V. vorbereitet worden und lediglich die Dokumente der Versicherungen in der W.straße .. von Herrn W. abgeholt worden.

Die Klägerin beantragt,

die Widerklage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 06.09.2006 - 12 O 537/05 - (Urteilsausspruch zu Ziffer 2) abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

In der mündlichen Verhandlung vom 13. Juni 2007 ist durch Vernehmung der Zeugin H. Beweis erhoben worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13.06.2007 (GA 444 ff.) Bezug genommen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf das landgerichtliche Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässigen Berufungen des Beklagten zu 2) und der Klägerin haben keinen Erfolg.

A.

Die Berufung des Beklagten zu 2) ist unbegründet, weil das Mietverhältnis zwischen ihm und der Klägerin wegen Verstoßes gegen § 19 GWB, 134 BGB nichtig ist.

1.

Die im Vertrag vom 03./10.08.2000 (Anlage K9 und Bl. 249 GA) unter Ziffer 2 getroffene Optionsvereinbarung ist gemäß § 134 BGB nichtig. Das ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts allerdings nicht aus § 21 Abs. 1 GWB in Verbindung mit § 134 BGB, weil die durch die Vereinbarung der Option in dem Vertrag bewirkte Ausschließlichkeitsbindung nicht unter den Boykotttatbestand des § 21 GWB fällt. Das Gesetz nimmt es nämlich als notwendige Folge einer Exklusivbindung hin, dass andere Unternehmen ausgeschlossen werden und unterwirft sie der Mißbrauchskontrolle (BGH NJW 2000, 809, 810). Die Grenze des Zulässigen ist erst überschritten, wenn die Beschränkung eine gegen bestimmte Dritte gerichtete Zielsetzung verfolgt und mit ihrer Hilfe bestimmte, individualisierbare Unternehmen betroffen oder sogar vom Markt gedrängt werden (BGH, BGHReport 2001, 972). So liegt der Fall hier nicht. Die Optionsregelung ist gegen Entgelt vereinbart worden, um die Klägerin ganz allgemein vor Konkurrenz zu sichern. Sie ist nicht - wie für § 21 GWB erforderlich - auf die Verdrängung oder Behinderung eines bestimmten einzelnen Wettbewerbers gerichtet (s. BGH WuW/E 1269, 1275; BGH WuW/E DE-R 395, 396; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, GWB. 3. Aufl., § 21 Rdnr. 43).

2.

Die Nichtigkeit der Optionsvereinbarung ergibt sich jedoch aus § 19 GWB in Verbindung mit § 134 BGB.

a) Der Beklagte zu 2) hat zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine marktbeherrschende Stellung inne gehabt. Der relevante Markt umfasst in sachlicher Hinsicht den Markt für die Vermietung oder Verpachtung von Gewerbeflächen für Schilderpräger. In räumlicher Hinsicht wird der Markt abgegrenzt durch die Anbieter, die in unmittelbarer Nähe des Gebäudes der Kfz-Zulassungsstelle entsprechende Gewerbeflächen anbieten, wobei nicht nur auf die angebotenen Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft der Zulassungsstelle abgestellt werden muss, sondern auch geeignete Flächen auf benachbarten Grundstücken in die Bewertung einbezogen werden müssen (vgl. BGH WuW/E DE-R 201, 202). Auf dem so abgegrenzten Markt besaß der Beklagte zu 2) bei Vertragsschluss eine überragende Marktposition gem. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB, weil von denen als benachbarten, namentlich der Zulassungsstelle damals gegenüberliegenden, Flächen nur die Grundstücke W.str. .., .. und .. den räumlich relevanten Markt bildeten und von diesen drei Grundstücken dem Beklagten zu 2) und der Beklagten zu 1), die aufgrund ihrer ehelichen Bindung im Hinblick auf das Angebot für Fläche für Schilderpräger als unternehmerische Einheit anzusehen sind, zwei Grundstücke gehörten. Die anderen Grundstücke, auf die sich der Beklagte zu 2) in diesem Zusammenhang beruft (Grundstück "A. E." und Grundstück "A. C.") lagen räumlich so weit entfernt, dass sie keine besondere Nähe zur Zulassungsstelle mehr aufwiesen, die vergleichbar war mit derjenigen der Grundstücke in der W.str. .., .. und ... Letztere zeichneten sich dadurch aus, dass sie den Personen, die eine Kfz-Zulassung wollten, hinsichtlich der Prägedienstleistungen nur einen Weg über die Straße abverlangten, während zum Erreichen der anderen Grundstücke ein etwas weiteren Fußweg notwendig war, der es bedingte, die Straße zu überqueren und in die nächste Straße einzubiegen bzw. um einen Häuserblock zu gehen. Da das Publikum dazu neigt, Prägedienste in unmittelbarer Nähe der Zulassungsstelle zu wählen, vermittelte der besondere Lagevorteil der gegenüber der Zulassungsstelle gelegenen 3 Grundstücke, von denen dem Beklagten zu 2) insgesamt zwei zuzurechnen sind, diesem zumindest eine überragende Marktstellung (vgl. BGH v. 3. 7. 2001, Az.: KZR 11/00 (BGHReport 2001, 972), Nr. 22).

b) Diese überragende Marktstellung hat der Bekl. zu 2) mißbraucht, indem er der Klägerin gegen Entgelt das Erstzugriffsrecht auf etwaige künftige Gewerbeflächen zum Betrieb eines Schilderprägebetriebs eingeräumt und sich hierdurch seiner kartellrechtlich begründeten Verpflichtung begeben hat, die in Rede stehenden Flächen im Rahmen eines diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens zu vergeben.

c) Das Berufen der Klägerin auf die Nichtigkeit der Optionsvereinbarung ist nicht rechtsmißbräuchlich nach § 242 BGB. Vorliegend dient das verletzte Gesetz nicht dem Schutze einer der Vertragsparteien, insbesondere nicht der Klägerin. Vielmehr verfolgt § 19 GWB mit der Sicherung der Wettbewerbsfreiheit allgemeine ordnungspolitische Interessen und Ziele. Diese Ziele können nicht hinter den Interessen eines Vertragspartners zurückstehen. Daran ändert nichts, dass mit der Verlegung der Zulassungsstelle dieser Schutzzweck aktuell entfallen sein könnte; denn für die Bestimmung der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäftes ist der maßgebliche Zeitpunkt die Vornahme des Rechtsgeschäftes, die Nichtigkeitsfolgen wirken von Anfang an, ex tunc. Ob der Nichtigkeitsgrund des § 19 GWB nach dem Wegzug der Zulassungsstelle auch jetzt noch zum Tragen kommt, kann dahinstehen; dies wäre lediglich im Rahmen einer Bestätigung des nichtigen Rechtsgeschäftes nach § 141 BGB relevant. Für eine solche sind Anhaltspunkte jedoch nicht vorhanden. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass das Berufen der Klägerin auf die Unwirksamkeit der Optionsvereinbarung für den Beklagten zu 2) ein schlicht untragbares Ergebnis bedeutete.

d) Die Nichtigkeit der Optionsvereinbarung führt zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages vom 03./10.08.2000. Nach § 139 BGB hat die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäftes die Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn nicht anzunehmen ist, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Vorliegend ist die Optionsvereinbarung im Vertrag vom 03./10.08.2000 nichtig. Ob der Vertrag im übrigen - also hinsichtlich der Vermietung der Lagerfläche - auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre, ist im Wege der Auslegung des Parteiwillens zu ermitteln. Hierbei kommt es auf die Bedeutung der nichtigen Bestimmung für den ganzen Vertrag also darauf an, ob dieser auch ohne dieselbe noch eine sinnvolle und ausgewogene Regelung der beiderseitigen Interessen enthält und deswegen anzunehmen ist, er solle nach dem übereinstimmenden Willen beider Beteiligten auch ohne die nichtige Bestimmung wirksam sein (vgl. BGH vom 24.09.2002 - KZR 10/01 - NJW 2003, 347). Aufgrund der unter Ziffer 5 des Vertrages vereinbarten salvatorischen Klausel obliegt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Rechtsgeschäft im Ganzen verworfen werden soll, der Klägerin, da sie sich auf die Gesamtnichtigkeit beruft. Die Vereinbarung einer salvatorischen Klausel bewirkt nämlich insofern eine Darlegungs- und Beweislastumkehr des in § 139 BGB gesetzlich vorgesehenen Falles (vgl. BGH a.a.O.). Dieser Darlegungslast hat die Klägerin genügt. Sie hat behauptet, dass der Mietvertrag über die Lagerfläche nur und nur so lange gelten sollte, wie auch das Konkurrenzschutzverbot galt. Die Beklagte zu 2) hat dem nicht widersprochen.

B.

Die Widerklage des Beklagten zu 2) hat keinen Erfolg, denn aufgrund der Nichtigkeit des Mietvertrages vom 03./10. 08. 2000 steht ihm auch kein Anspruch auf Zahlung von 3.500 DM zuzüglich einem Prozent jährlicher Mieterhöhung seit vier Jahren (also 1.789,52 EUR zuzüglich 4 % = 1.861,10 EUR) hinsichtlich der Vermietung der Lagerfläche in der W.straße .. für den Monat Februar 2005 zu.

C.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet, weil das Landgericht den Vertragsstrafenanspruch der Beklagten zu 1) zu Recht bejaht hat.

1) Der Beklagten zu 1) steht gegen die Klägerin ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vertragsstrafe in Höhe von 25.564,59 EUR zu.

Es kann dahinstehen, ob sich dieser Anspruch bereits daraus begründet, dass die Klägerin an die Zeugin H. die Teile der gemieteten Räumlichkeiten untervermietet hat oder zu einer anderen Nutzung zur Verfügung gestellt hat (Ziffer 5 des Mietvertrages vom 14./31.07.2000 (Anlage K 8)). Denn jedenfalls ergibt sich der Vertragsstrafenanspruch aus Ziffer 5 in Verbindung mit Ziffer 4 des Mietvertrages vom 14./31.07.2000 (Anlage K8). Daraus ergibt sich, dass eine Vertragsstrafe fällig wird bei jedem Fall der Zuwiderhandlung gegen das Verbot, in den vermieteten Räumen Versicherungsgeschäfte zu tätigen. Nach dem Sinn und Zweck der Vertragsstrafenvereinbarung, die Beklagte zu 1) vor Konkurrenz im eigenen Hause zu schützen, unterfallen dem vertraglichen Verbot dabei nicht nur eigene Vermittlungstätigkeiten der Klägerin, sondern gleichermaßen auch der Fall, dass die Klägerin Versicherungsgeschäfte durch Dritte ermöglicht oder duldet. Dass eine Zuwiderhandlung im Sinne der Ziffer. 4 des Mietvertrages vorliegt, ist durch die Aussage der Zeugin H. bewiesen. Danach hat sie seit 1998 oder 1999 "vielleicht zehnmal im Monat" sog. Kurzzeit-Zulassungen in den von der Klägerin gemieteten Räumen abgewickelt, im Rahmen derer sie für ihre Kunden Versicherungs-Doppelkarten besorgt und den Kunden berechnet hat. Damit ist der strafbewehrte Unterlassungstatbestand der Ziffer 4 des Vertrages objektiv erfüllt worden. Der Klägerin fällt auch ein Verschulden - nämlich zumindest Fahrlässigkeit - zur Last. Sie räumt ein, die Zeugin erstmals nach Erhalt des Schreibens vom 22.10.2003, mit dem die Beklagte zu 1) erstmals eine Vertragsstrafe geltend gemacht hat, aufgefordert habe, keine Kurzzeitversicherungen zu vermitteln. Bereits dies trägt in Bezug auf die bis dahin von der Zeugin getätigten Versicherungsgeschäfte den Fahrlässigkeitsvorwurf. Außerdem behauptet die Klägerin - die, wie sie selbst erkannt hat (vgl. Seite 6 der Berufungsbegründung, GA 385) - die Verschuldensvermutung zu widerlegen hat (vgl. Palandt, BGB, 66. Aufl., § 339 Rz. 4), selbst nicht vor, dass sie zu irgendeinem Zeitpunkt die Einhaltung ihrer Vorgabe an die Zeugin H., in den (unter-) vermieteten Räumen keine Versicherungsgeschäfte zu tätigen, überwacht hat. Dies begründet ebenfalls den Vorwurf der Fahrlässigkeit.

2) Die Klausel in Ziffer 5 ist - ebenso wie die Klausel in Ziffer 4 - nicht wie von der Klägerin gerügt zu unbestimmt, um ein wirksames Strafversprechen nach sich ziehen zu können. Wie das Landgericht Düsseldorf zutreffend erkannt hat, sind die Klauseln sprachlich und inhaltlich verständlich formuliert; sie benennen die Tatbestände, welche zur Verwirkung der Vertragsstrafe führen sollen, klar, sie verbieten nämlich hinsichtlich der gemieteten Räumlichkeiten ausdrücklich die Untervermietung und das dortige Tätigen von Versicherungsgeschäften.

Ein Verstoß der Vertragsstrafverpflichtung gegen §§ 242, 138 BGB ist nicht ersichtlich. An die Voraussetzungen, unter denen das Einfordern eines Vertragsstrafversprechens als rechtsmißbräuchlich anzusehen wäre, sind strenge Anforderungen zu stellen. In Betracht kommen nur Fälle krassen Mißbrauchs etwa wenn der Vertragsstrafenschuldner durch den Vertragstrafengläubiger zu der Vertragswidrigkeit veranlaßt worden ist (vgl. BGH NJW-RR 1981, 568, 569). Ein solcher Fall ist hier nicht ersichtlich. Selbst eine finanzielle Überforderung des Vertragsstrafenschuldners ist für sich genommen kein Nichtigkeitsgrund nach § 138 BGB (Heinrichs, in: Palandt, BGB, 66. Auflage, § 138 Rn. 36), erst recht gilt dies bei Handelsgesellschaften wie der Klägerin, § 3 Abs. 1 AktG. Auch sind etwa Knebelung oder Ausnutzung einer Notlage der Klägerin nicht ersichtlich.

Ferner ist die Vertragsstrafenvereinbarung auch nicht vor dem Hintergrund einer Wettbewerbsbeschränkung gem. § 138 BGB sittenwidrig und damit unwirksam. Eine Wettbewerbsbeschränkung zu Gunsten des Vermieters ist zulässig, wenn sie nach Ort, Zeit und Gegenstand sowie den schützenswerten Interessen des Vermieters nicht unverhältnismäßig ist (vgl. BGH NJW 1997, 3089; OLG Celle NZM 2000, 550). Dies ist vorliegend der Fall, denn in örtlicher Hinsicht beschränkt sich die Unterlassungsverpflichtung auf das Grundstück der Klägerin in der W.straße .. und zeitlich ist die Vereinbarung auf die Mietzeit begrenzt. Da als schützenswerte Interessen des Vermieters unter Berücksichtigung der Einwirkung von Wertentscheidungen der Verfassung - etwa in Art. 12 GG - sogar Beeinträchtigungen der Weitervermietung der Mietsache durch Einrichtung eines Konkurrenzbetriebes in der Nähe anerkannt sind (vgl. BGH a.a.O.), gilt dies erst recht für das Interesse der Beklagten zu 1), auf ihrem eigenen Grundstück und im selben Gebäude vor Konkurrenz geschützt zu sein.

3) Die geltend gemachte Vertragsstrafe besteht auch in der geforderten Höhe.

Wie das Landgericht zutreffend entschieden hat, kommt eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB nicht in Betracht, weil es sich bei der Klägerin als Aktiengesellschaft gemäß § 3 Abs. 1 AktG um eine Handelsgesellschaft, mithin nach § 6 Abs. 1 HGB um einen Formkaufmann handelt (§ 348 HGB). Für eine Herabsetzung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nach § 242 BGB bleibt vor diesem Hintergrund schon im Ansatz kein Raum.

4) Den Verwirkungseinwand (§ 242 BGB) hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

E.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

F.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

G.

Der Streitwert der Berufung beträgt 60.129,00 €; davon entfällt auf das Rechtsmittel der Klägerin ein Teilbetrag von 25.565,00 €.

K. Dr. M. Richter am OLG Prof. Dr. E. ist ortsab- wesend und deshalb an der Unterschrift gehindert.

K.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 02.08.2007
Az: VI-U (Kart) 10/07


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