Oberlandesgericht München:
Urteil vom 3. Dezember 2009
Aktenzeichen: 29 U 3781/09
(OLG München: Urteil v. 03.12.2009, Az.: 29 U 3781/09)
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 15.04.2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin und die Beklagte vertreiben jeweils Arzneimitteldatenbanken, die Informationen über zugelassene Arzneimittel enthalten und Ärzten eine Verordnung von Arzneimitteln ermöglichen.
Die Klägerin beanstandet, dass die Beklagte Ärzten eine Arzneimitteldatenbank, die Werbung von Pharmaunternehmen enthält, kostenlos zur Verfügung stellt.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die Arzneimitteldatenbank "i.p." kostenlos anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren;
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei die Angaben mindestens nach Jahr, Monaten und Anzahl aufzuschlüsseln sind;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen denjenigen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 15.04.2009 Folgendes entschieden:
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die Arzneimitteldatenbank "i.p." kostenlos anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren;
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei die Angaben mindestens nach Jahr, Monaten und Anzahl aufzuschlüsseln sind;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen denjenigen Schaden zu erstatten, der ihr durch die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz,
das Urteil des Landgerichts München I vom 15.04.2009 Az.: 1 HK O 12926/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins der mündlichen Verhandlung vom 03.12.2009 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
1. Der Unterlassungsantrag (Antrag Nr. I. 1.) ist nicht begründet. Der mit diesem Antrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin gegen die Beklagte nach keiner der herangezogenen Anspruchsgrundlagen zu.
a) Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch der Klägerin, der auf Verletzungshandlungen im Juli 2008 und eine daraus resultierende Wiederholungsgefahr gestützt ist, besteht nur dann, wenn das beanstandete Wettbewerbsverhalten der Beklagten zum Begehungszeitpunkt den Unterlassungsanspruch begründet hat und dieser auch auf der Grundlage der derzeit geltenden Rechtslage noch gegeben ist (vgl. BGH GRUR 2009, 1064, Tz. 13 - Geld-Zurück-Garantie II). Die am 30.12.2008 in Kraft getretene Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (vgl. BGBl. 2008 I S. 2949) hat für den Streitfall indes keine relevante Änderung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs gegenüber der Rechtslage zur Zeit der Begehung gebracht.
b) Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG zu.
aa) Allerdings ist die Klägerin nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Zwischen den Parteien, die beide Arzneimitteldatenbanken an Ärzte vertreiben, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG).
bb) Das Verbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG stellt auch eine gesetzliche Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar (vgl. BGH GRUR 2009, 1082, Tz. 21 - DeguSmiles & more).
cc) Bei der Arzneimitteldatenbank "i.p." handelt es sich indes weder um eine Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG noch um eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG.
Grundsätzlich kann allerdings auch ein Medium der Fachinformation (Kassette, Zeitschrift, Buch u.a.) als Zuwendung oder Werbegabe im Sinn des § 7 HWG in Betracht kommen, wenn es kostenlos an Ärzte abgegeben wird und diese Abgabe in einem dem Gesetzeszweck genügenden Zusammenhang mit der Werbung für ein Arzneimittel steht (vgl. BGH GRUR 1990, 1041, 1042 - Fortbildungs-Kassetten). Für Arzneimitteldatenbanken gilt Entsprechendes (vgl. Seidl Collier, Das heilmittelwerberechtliche Wertreklameverbot, S. 56 f.). Ein solcher Zusammenhang setzt indes voraus, dass die Zuwendung zum Zwecke der Werbung erfolgt und dieser Zweck auch für den Empfänger der Leistung erkennbar ist; nach Sinn und Zweck des § 7 HWG ist weiter erforderlich, dass der Empfänger der Leistung deren unentgeltliche Verteilung in einen Zusammenhang mit einem oder mehreren bestimmten Arzneimitteln setzt und deren Herstellern zurechnet, da nur dann die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung besteht, die das Gesetz verhindern will (vgl. BGH GRUR 1990, 1041, 1042 - Fortbildungs-Kassetten). Die Bestimmung des § 7 HWG ist nur anwendbar, wenn gewährte Zuwendungen sich aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs als Werbung für konkrete Heilmittel darstellen (vgl. BGH GRUR 2009, 1082, Tz. 15 - DeguSmiles & more m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der Arzneimitteldatenbank "i.p." weder um eine Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG noch um eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Die genannte Arzneimitteldatenbank stellt sich aus der Sicht der angesprochenen Ärzte nicht als Werbung für konkrete Arzneimittel dar. Allerdings werden Ärzte, die diese Arzneimitteldatenbank abnehmen und nutzen, sei es schon bei der Bestellung (vgl. den Ausdruck Anlage K 7), sei es bei der Benutzung der Datenbank erkennen, dass diese Datenbank Werbung von verschiedenen Pharmaunternehmen enthält (vgl. Anlagen K 2a, K 2b, K 3, K 5), darunter auch Werbung für konkrete Arzneimittel (vgl. Anlage K 2a). Die Arzneimitteldatenbank "i.p." enthält nach dem in erster Instanz unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten, das der Senat zugrunde zu legen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), Werbung von mehr als 100 Pharmaunternehmen. Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz mit Nichtwissen bestritten hat, dass tatsächlich über 100 Pharmaunternehmen in der genannten Arzneimitteldatenbank werben (vgl. Berufungserwiderung vom 23.10.2009, S. 4, S. 13), ist dieses Vorbringen nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen, weil es schon in erster Instanz hätte geltend gemacht werden können und müssen. Mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 07.04.2009, S. 4 hatte die Klägerin jedoch ausgeführt, die Ärzte würden bei der Benutzung der Arzneimitteldatenbank "i.p." mit der Werbung von mehr als 100 Pharmaunternehmen konfrontiert.
Finanzierungsmodelle, bei denen eine Ware oder Leistung nicht vom Abnehmer, sondern ausschließlich von Anzeigenkunden bezahlt wird, sind gang und gäbe, etwa beim Gratisvertrieb von Zeitungen (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln), bei medizinischen Fachzeitschriften (vgl. BGH GRUR 1990, 1041, 1042 - Fortbildungs-Kassetten), bei Internet-Diensten (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln) und beim privaten Rundfunk (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln), ohne dass hierin ein wettbewerbswidriges Verhalten erblickt wird; derartige Finanzierungsmodelle sind auch den Ärzten bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit den in der Arzneimitteldatenbank "i.p." werbenden über 100 Pharmaunternehmen vollständig oder teilweise gesellschafts- oder konzernrechtlich verflochten sein könnte oder von diesen Unternehmen als selbständiger Datenbankanbieter lediglich vorgeschoben worden sein könnte, bestehen nicht. Die Ärzte, denen die Arzneimitteldatenbank "i.p." kostenlos zur Verfügung gestellt wird, haben angesichts der Vielzahl von in dieser Datenbank werbenden, untereinander im Wettbewerb stehenden Pharmaunternehmen keinen Anlass, derartige Verbindungen zwischen der Beklagten und diesen Unternehmen anzunehmen. Vor diesem Hintergrund stellt sich den angesprochenen Ärzten die genannte Arzneimitteldatenbank nicht als Werbung für konkrete Arzneimittel, sondern als von der Beklagten erstelltes und vertriebenes Produkt (Datenbank) dar, das durch Anzeigenwerbung finanziert und deshalb Ärzten kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Unter diesen Umständen wird die kostenlose Zurverfügungstellung der Arzneimitteldatenbank "i.p." seitens der Beklagten von den Ärzten als Empfängern nicht in die bei § 7 Abs. 1 HWG erforderliche Beziehung zu allen oder einzelnen der in dieser Datenbank beworbenen Arzneimittel gesetzt. Erst recht sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 HWG nicht erfüllt, soweit es sich bei der betreffenden Werbung nur um allgemeine Firmenwerbung von Pharmaunternehmen (vgl. etwa die Werbung von S. in der oberen Werbeleiste in den Anlagen K 2a, K 3 und K 5), nicht um produktbezogene Werbung handelt (vgl. BGH GRUR 2009, 1082, Tz. 15 - DeguSmiles & more).
c) Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin gegen die Beklagte auch nicht nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3, § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 32, § 33 Abs. 2 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns gemäß der Bekanntmachung vom August 2007, abrufbar unter www.blaek.de (im Folgenden: BOÄ Bayern) zu; die Berufsordnungen für die Ärzte in anderen Bundesländern enthalten entsprechende Regelungen.
aa) Nach § 32 Satz 1 BOÄ Bayern ist es dem Arzt nicht gestattet, von Patienten oder anderen Personen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern, sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Eine Beeinflussung liegt nach § 32 Satz 2 BOÄ Bayern dann nicht vor, wenn der Wert des Geschenkes oder des anderen Vorteils geringfügig ist. Nach § 33 Abs. 2 BOÄ Bayern ist die Annahme von nicht geringfügigen Werbegaben oder anderen Vorteilen untersagt.
bb) Bei den Bestimmungen der § 32, § 33 Abs. 2 BOÄ handelt es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts um gesetzliche Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG. Die genannten Bestimmungen dienen im Interesse der Patienten der Wahrung der ärztlichen Unabhängigkeit gegenüber Dritten (vgl. § 30 Abs. 1 BOÄ Bayern). Sie betreffen das ärztliche Außenverhältnis (vgl. MünchKomm. UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 UWG, Rdn. 122) und dienen dem Schutz der Interessen der Verbraucher als Marktteilnehmer (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 4, Rdn. 11.74, 11.35d).
cc) Dadurch, dass Ärzte die Arzneimitteldatenbank "i.p." annehmen, die ihnen die Beklagte kostenlos zur Verfügung stellt, verstoßen diese Ärzte nicht gegen § 32 Satz 1 BOÄ Bayern, mit dem die Unabhängigkeit der ärztlichen (diagnostischen und/oder therapeutischen) Entscheidung gegen Beeinflussung von Patienten oder anderen Personen durch die Zuwendung von Geschenken und/oder anderen Vorteilen geschützt werden soll (vgl. Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der deutschen Ärzte (MBO), 4. Aufl., § 32 MBO, Rdn. 1).
(1) Allerdings liegt in der Annahme dieser kostenlos zur Verfügung gestellten Arzneimitteldatenbank die Annahme eines Vorteils. Dies ergibt sich daraus, dass die Beklagte Ärzten auch eine werbefreie Version der Arzneimitteldatenbank anbietet, die per 01.01.2008 40,00 Euro/Monat kostete (vgl. Anlage K 7). Diese monatliche Ersparnis ist ein nicht geringfügiger Vorteil (vgl. Seidl Collier aaO S. 123), der nicht dadurch hinreichend kompensiert wird, dass die Werbehaltigkeit der Arzneimitteldatenbank vom Arzt auch als nachteilig empfunden werden kann.
(2) Indes wird durch die Annahme der Arzneimitteldatenbank "i.p.", nicht der Eindruck erweckt, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung bezüglich Therapiemaßnahmen beeinflusst wird.
Wie bereits erörtert, stellt sich für die Ärzte die genannte Arzneimitteldatenbank nicht als Werbung für konkrete Arzneimittel, sondern als von der Beklagten erstelltes und vertriebenes Produkt (Datenbank) dar, das durch Anzeigenwerbung finanziert und deshalb Ärzten kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Es kann nicht angenommen werden, dass die Ärzte wegen der Hoffnung auf weiteren kostenlosen Bezug künftiger Updates Arzneimittel der in dieser Datenbank werbenden Pharmaunternehmen verschreiben werden, um die Finanzierung künftiger Updates durch weitere Werbung der betreffenden Pharmaunternehmen zu begünstigen. Denn es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die werbenden Pharmaunternehmen eine Erfolgsrückmeldung in dem Sinne erhalten, dass sie erfahren, welches ihrer in der Arzneimitteldatenbank beworbenen Arzneimittel von den die Datenbank nutzenden Ärzten wie oft verschrieben wurde. Auch haben die Ärzte, die die Arzneimitteldatenbank nutzen, keine Veranlassung anzunehmen, dass eine solche Rückmeldung stattfindet.
Außerdem ist bei Ärzten die Gefahr einer irrationalen, nicht von sachlichen Kriterien getragenen Nachfrageentscheidung von vornherein weniger wahrscheinlich als bei einem durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher (vgl. BGH GRUR 2005, 1059, 1061 - Quersubventionierung von Laborgemeinschaften).
Im Übrigen besteht nach den aufgrund von § 73 Abs. 8 Satz 7, Satz 8 SGB V getroffenen Regelungen für die vertragsärztliche Versorgung kein generelles Verbot von Werbung in Arzneimitteldatenbanken. Der Anforderungskatalog betreffend Anforderungen an Datenbanken und Software für Vertragsarztpraxen (Anlage zu § 29 Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. § 15 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (Anforderungskatalog AVWG (Anlage BB 2)) sieht kein generelles Verbot von Werbung in Arzneimitteldatenbanken vor, sondern verlangt bezüglich solcher Werbung lediglich die Einhaltung bestimmter Funktionen (vgl. Anlage BB 2, S. 10).
Vor diesem Hintergrund kann auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Bildschirmausdrucke gemäß Anlagen K 1a - K 6 betreffend die Arzneimitteldatenbank "i.p." in der Version vom 01.07.2008 nicht angenommen werden, dass durch die Annahme dieser von der Beklagten erstellten und vertriebenen Arzneimitteldatenbank der Eindruck erweckt wird, die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung bezüglich Therapiemaßnahmen werde beeinflusst.
dd) Dadurch, dass Ärzte die Arzneimitteldatenbank "i.p." annehmen, die ihnen die Beklagte kostenlos überlässt, verstoßen diese Ärzte auch nicht gegen § 33 Abs. 2 BOÄ Bayern. Diese Bestimmung, mit der die ärztliche (diagnostische und/oder therapeutische) Entscheidung gegen unlautere Beeinflussung durch die Industrie geschützt werden soll (vgl. Seidl Collier aaO S. 31 m.w.N.), ist im Zusammenhang mit § 7 HWG zu sehen (vgl. Ratzel/Lippert aaO § 33 MBO, Rdn. 14). Bei der Arzneimitteldatenbank "i.p." handelt es sich, wie bereits erörtert, weder um eine Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG noch um eine sonstige Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG. Dementsprechend handelt es sich bei dieser Arzneimitteldatenbank unter Berücksichtigung des genannten Zusammenhangs zwischen § 33 Abs. 2 MBO und § 7 HWG auch weder um eine Werbegabe im Sinne von § 33 Abs. 2 BOÄ Bayern noch um einen anderen Vorteil im Sinne von § 33 Abs. 2 BOÄ Bayern. Angesichts des genannten Schutzzwecks des § 33 Abs. 2 BOÄ Bayern kann ein Verstoß von Ärzten, die die kostenlos zur Verfügung gestellte Arzneimitteldatenbank "i.p." annehmen, gegen diese Bestimmung auch nicht unter dem Gesichtspunkt bejaht werden, dass in dieser Arzneimitteldatenbank nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 12.08.2009, S. 4 weitere kostenpflichtige Zusatzleistungen der Beklagten, insbesondere der Sicherheitscheck i.-Funktion beworben werden.
ee) Nach dem vorstehend Ausgeführten kann dahinstehen, ob die Beklagte, die als Nichtarzt nicht Normadressat der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns ist, für einen etwaigen Verstoß von Ärzten gegen § 32 Satz 1, § 33 Abs. 2 BOÄ Bayern in zurechenbarer Weise mitverantwortlich wäre.
d) Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte aus den vorstehend genannten Gründen auch nicht nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3, § 4 Nr. 1 UWG zu. Bei der kostenlosen Zurverfügungstellung der Arzneimitteldatenbank "i.p." handelt es sich nicht um eine geschäftliche Handlung, die geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der betreffenden Ärzte durch unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen.
Eine unangemessene unsachliche Einflussnahme im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG kommt in Betracht, wenn der angesprochene Verkehr bei von ihm zu treffenden Entscheidungen auch die Interessen dritter Personen zu wahren hat und er durch die beanstandete Werbemaßnahme veranlasst werden kann, seine Entscheidung nicht allein an dem Interesse des Dritten auszurichten, sondern sich bei ihr auch davon leiten zu lassen, ob ihm ein versprochener Vorteil oder eine Vergünstigung zufließt (vgl. BGH GRUR 2009, 969, Tz. 10 - Winteraktion). Zu diesen drittverantwortlichen Personen zählen grundsätzlich auch Ärzte, die berufsrechtlichen Restriktionen (vgl. §§ 30 ff. BOÄ Bayern) unterliegen (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4, Rdn. 1.84; Harte/Henning/Stuckel, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 1, Rdn. 84, 82; BGH GRUR 2003, 624, 626 - Kleidersack). Indes stellt sich, wie bereits erörtert, für die Ärzte die genannte Arzneimitteldatenbank nicht als Werbung für konkrete Arzneimittel, sondern als von der Beklagten erstelltes und vertriebenes Produkt (Datenbank) dar, das durch Anzeigenwerbung finanziert und deshalb Ärzten kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Es kann, wie bereits erörtert, nicht angenommen werden, dass die Ärzte wegen der Hoffnung auf weiteren kostenlosen Bezug künftiger Updates Arzneimittel der in dieser Arzneimitteldatenbank werbenden Pharmaunternehmen verschreiben werden, um die Finanzierung künftiger Updates durch weitere Werbung der betreffenden Pharmaunternehmen zu begünstigen. Unter diesen Umständen stellt die kostenlose Zurverfügungstellung der Arzneimitteldatenbank "i.p." keinen Vorteil dar, der die Ärzte veranlasst, Arzneimittel der in dieser Datenbank werbenden Pharmaunternehmen zu verschreiben.
e) Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte auch nicht nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 3 UWG unter dem Gesichtspunkt einer allgemeinen Marktbehinderung bzw. Marktstörung zu.
Allerdings kann das Verschenken von Ware grundsätzlich dann wettbewerbswidrig sein, wenn es eine allgemeine Marktbehinderung oder Marktstörung auf dem sachlich-gegenständlich und räumlich relevanten Markt zur Folge hat (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln). Ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn das Wettbewerbsverhalten allein oder in Verbindung mit zu erwartenden gleichartigen Maßnahmen von Mitbewerbern die ernstliche Gefahr begründet, der auf der unternehmerischen Leistung beruhende Wettbewerb werde in erheblichem Maße eingeschränkt (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln m.w.N.). Damit soll im Interesse der betroffenen Wettbewerber, in dem sich das Interesse der Allgemeinheit am Bestand des Wettbewerbs widerspiegelt, auch in Fällen, in denen eine gezielte Verdrängungsabsicht nicht vorliegt, verhindert werden, daß durch ein systematisches Verschenken von Waren der Wettbewerbsbestand gefährdet wird (vgl. BGH GRUR 2004, 602, 603 - 20 Minuten Köln). Die Frage, ob in einem beanstandeten Wettbewerbsverhalten eine unzulässige allgemeine Marktbehinderung bzw. Marktstörung zu sehen ist, kann nur auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls unter Abwägung der Interessen der Mitbewerber und der Allgemeinheit beurteilt werden (vgl. BGH GRUR 2004, 887, 880 - Werbeblocker m.w.N.).
Im Streitfall ist sachlich-gegenständlich betroffen der Markt des Vertriebs von Arzneimitteldatenbanken an Ärzte, räumlich ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland betroffen. Die Klägerin hat - von einer Stornierung (vgl. Anlage K 9) seitens einer einzigen Ärztin abgesehen - nicht hinreichend dargetan, dass sie oder weitere Mitbewerber durch die kostenlose Abgabe der Arzneimitteldatenbank "i.p." seitens der Beklagten substantielle Einbußen an Umsatz oder Marktanteilen erlitten haben, und auch nicht, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht ist. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass durch die kostenlose Abgabe der Arzneimitteldatenbank "i.p." seitens der Beklagten der Wettbewerbsbestand auf dem Markt des Vertriebs von Arzneimitteldatenbanken an Ärzte in der Bundesrepublik Deutschland gefährdet wird.
f) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung und/oder der von der Beklagten erhobene Einwand der Verwirkung ganz oder teilweise durchgreifen.
2. Da der Unterlassungsantrag (Antrag Nr. I. 1.) unbegründet ist, sind auch der hierauf rückbezogene Auskunftsantrag (Antrag Nr. I. 2.) sowie der hierauf rückbezogene Schadensersatzfeststellungsantrag (Antrag Nr. II.) unbegründet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO hat und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.).
OLG München:
Urteil v. 03.12.2009
Az: 29 U 3781/09
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