Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. April 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 218/03

(BPatG: Beschluss v. 07.04.2005, Az.: 25 W (pat) 218/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Juli 2002 und 25. Juli 2003 aufgehoben. Der international registrierten Marke 697 210 wird der Schutz für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland versagt.

Gründe

I.

Die international unter der Nummer 697 210 registrierte Wort-/Bildmarkebegehrt Schutz in der Bundesrepublik Deutschland für die Waren Produits chimiques destines à l' agriculture, l' horticulture et la sylviculture; tous ces produits comprenant des derives du pin ; produits pour nettoyer les sols et les surfaces; savons, tous ces produits comprenant des derives du pin ; a l'excusion des produits nettoyants pour les fours et des produits chimiques destines à l'industrie textile et la manufacture des fils et fibres ; desinfectants à usage hygienique (autres que les savons) ; produits pour la destruction des animaux nuisibles; fongicides, herbicides; tous ces produits comprenant des derives du pin.

Dagegen hat die seit dem 23. Januar 1997 unter der Nummer 2 102 703 für die Waren Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; kosmetische und medizinische Hautpflegemittel; kosmetische und medizinische Seifen und Körperreinigungsmittel; Hautschutzmittel, insbesondere Lichtschutzmittel; Desinfektionsmittel; Hygienetücher und Tupfer zur Säuberung und/oder Desinfektion von Personen und/oder Gegenständen, alle vorgenannten Waren soweit in Klassen 3 und 5 enthalteneingetragene Wortmarke AKTIVIN Widerspruch erhoben.

Der Widerspruch aus der Marke 2 102 703 wurde mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 05 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Juli 2002 zurückgewiesen.

Ausgehend von einer nach der Registerlage teilweise möglichen Warenidentität und einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bestehe keine Verwechslungsgefahr, da die angegriffene Marke trotz strenger Anforderungen den erforderlichen Abstand einhalte. Dies ergebe sich daraus, dass es sich bei dem Wortbestandteil "Pin" (frz.: Kiefer) der angegriffenen Marke um einen - auch für inländische Kreise erkennbaren - warenbeschreibenden Bestandteil (aus Kieferextrakten hergestellt) handele, der zur Prägung der Marke ungeeignet und daher bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zu vernachlässigen sei. Der danach den Gesamteindruck allein prägende Bestandteil "Acti" unterscheide sich aber hinreichend deutlich von "AKTIVIN".

Die dagegen gerichtete Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle mit Beschluss vom 25. Juli 2004 zurückgewiesen.

Die angesprochenen Kreise würden dem Bestandteil "PIN" schon wegen des Bildbestandteils, der die bildliche Wiedergabe des Wortbestandteils "PIN" darstelle und der stofflichen Zusammensetzung der Waren der angegriffenen Marke kaum Aufmerksamkeit schenken, sondern den Bestandteil "Akti" als prägend ansehen. Das setze nicht zwingend voraus, dass die angegriffene Marke allein mit diesem Bestandteil benannt werde; vielmehr setze "Acti" den markenmäßigen Schwerpunkt des Gesamtzeichens, so dass ein klangliche Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke nicht zu befürchten sei. Schriftbildlich scheide eine Verwechslungsgefahr ohnehin wegen der grafischen Gestaltung der angegriffenen Marke aus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben und der mit dem Widerspruch angegriffenen IR-Marke den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu versagen.

Ausgehend von teilweiser Warenidentität und normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei der Abstand zwischen beiden Marken nicht ausreichend. Auszugehen sei von den Marken in ihrer Gesamtheit. Eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "Acti" könne hingegen nicht angenommen werden, da der Begriff "PIN" in der deutschen Sprache nicht existiere und auch nicht allgemein als "Kiefer" verstanden werde. Bekannt sei allenfalls "Pinie", welches sich aber deutlich von "PIN" unterscheide. Trotz beschreibender Anklänge seien "ACTI" und "PIN" in ihrer Kombination so weit verändert, dass ein Phantasiebegriff vorliege, der vom Verkehr in seiner Gesamtheit wahrgenommen werde, so dass aufgrund seiner weitgehenden klanglichen Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke Verwechslungsgefahr vorliege.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat weder einen Antrag gestellt noch auf die Beschwerdebegründung erwidert.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg, da nach Auffassung des Senats zwischen den Vergleichsmarken Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht, so dass der IR-Marke 697 210 der Schutz für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu verweigern ist.

Bei seiner Entscheidung geht der Senat mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus.

Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach können sich die Vergleichsmarken teilweise auf identischen Waren begegnen, da zu den von der angegriffenen Marke beanspruchten "Produits chimiques destines à l' agriculture, l' horticulture et la sylviculture" auch die Widerspruchsware "Desinfektionsmittel" gehören, welche im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke ohne Einschränkungen und Spezifizierungen enthalten sind und daher alle Varianten von Desinfektionsmitteln erfassen. Zu den weiteren von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren "produits pour nettoyer les sols et les surfaces, desinfectants à usage hygienique; produits pour la destruction des animaux nuisibles, fongicides, herbicides " besteht Ähnlichkeit, da diese Produkte im Hinblick auf ihren Verwendungszweck regelmäßig auch eine desinfizierende Wirkung besitzen und dementsprechend mit entsprechenden Desinfektionsmitteln versehen sind (vgl. dazu Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl., S. 107 zu "Desinfektionsmittel"). Hinsichtlich der Ware "desinfectants à usage hygienique" besteht darüber hinaus auch Ähnlichkeit zu den Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" der Widerspruchsmarke.

Ob es sich dabei um eine enge Ähnlichkeit handelt, bedarf keiner Erörterung. Selbst wenn man insoweit nur von einem mittleren Ähnlichkeitsgrad der betreffenden Waren ausgeht und daher unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hinsichtlich dieser Waren nicht wie bei den im Identitätsbereich liegenden Waren strenge, sondern nur durchschnittliche Anforderungen an den Markenabstand stellt, wird dieser durch die angegriffene Marke zumindest in klanglicher Hinsicht nicht eingehalten, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht nur bei den identischen, sondern auch bei den im mittleren Ähnlichkeitsbereich liegenden Waren besteht.

Beim Vergleich der Marken ist maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen abzustellen. Eine zergliedernde Betrachtungsweise einzelner Markenteile ist dabei zu vermeiden; vielmehr ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 152).

Maßgebend für die Beurteilung einer klanglichen Ähnlichkeit sind dabei auf Seiten der angegriffenen Wort-/Bildmarke die Wortbestandteile "Acti Pin". Bei der Feststellung des Gesamteindrucks von Wort-/Bildmarken ist - jedenfalls bei Beurteilung einer klanglichen Verwechslungsgefahr - regelmäßig von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil den Gesamteindruck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 2004, 345, 347 - URLAUB DIREKT). Eine abweichende Beurteilung kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn dem Wortbestandteil für sich genommen wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse jeglicher Markenschutz zu versagen wäre (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG, vgl. BGH, GRUR 2003, 1040, 1043 - Kinder; GRUR 2004, 345, 347 - URLAUB DIREKT) - was aber bei der Widerspruchsmarke nicht der Fall ist - oder aber wenn der Bildbestandteil die Marke derart beherrscht, dass das Wort kaum noch beachtet wird (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 434), wovon aber hier angesichts der deutlich erkennbaren Wortbestandteile ebenfalls nicht ausgegangen werden kann.

Ihrem Gesamteindruck nach können "Acti Pin" und "AKTIVIN" klanglich aber ohne weiteres verwechselt werden. Die bei flüssiger Aussprache wie "Aktipin" gesprochenen Wortbestandteile der angegriffenen Wort-/Bildmarke und die wie "Aktivin" gesprochene Widerspruchsmarke stimmen bei der zu erwartenden Aussprache klanglich in 6 von 7 Buchstaben und damit (sehr) weitgehend überein. Die Abweichung in lediglich einem Konsonanten ("p" bzw. "v") vermag die Gefahr von Verwechslungen bei mündlicher Benennung der Marke angesichts der vollständigen Übereinstimmung in Sprech- und Betonungsrhythmus sowie der identischen Vokalfolge "A-I-I" nicht auszuschließen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verkehr in "Acti" einen beschreibenden Hinweis auf "aktiv" sieht, reichen die klanglich geringen Unterschiede in den Endsilben "-vin" bzw. "Pin" nicht aus, um gemeinsam mit den zwar in ihrer Kennzeichnungskraft reduzierten, aber dennoch bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zu berücksichtigenden identischen Anfangsbestandteilen für eine hinreichende klangliche Differenzierung zu sorgen. Berücksichtigt man ferner, dass der Verkehr die Marken in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl. EuGH, MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), kann daher die Gefahr von klanglichen Verwechslungen in markenrechtlich relevantem Umfang nicht ausgeschlossen werden.

Eine klangliche Verwechslungsgefahr kann entgegen der Auffassung der Markenstelle in den angefochtenen Beschlüssen auch nicht mit der Begründung verneint werden, wegen des beschreibenden Charakters von "pin" als Hinweis auf "Kiefer" werde die angegriffene Marke durch den Bestandteil "Acti" geprägt, so dass dieser Bestandteil bei der angegriffenen Marke allein zu berücksichtigen sei, mit dem aber die Widerspruchsmarke ihrem Gesamteindruck nach nicht hinreichend ähnlich sei.

Dem steht in rechtlicher Hinsicht bereits entgegen, dass den von der Markenstelle insoweit zur Begründung herangezogenen Grundsätze zur "Prägetheorie", wonach eine mehrgliedrige Marke durch einzelne Bestandteile geprägt werden kann, wenn die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (st. Rspr., vgl. BGH, MarkenR 2003, 385 - City Plus; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdnr. 374 m.w.Nachw), nur entnommen werden kann, dass aus einem Markenbestandteil ausnahmsweise Rechte hergeleitet werden können, wenn diesem eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt. Hingegen können die zur sog. "Prägetheorie" entwickelten Grundsätze nicht zu einer Beschränkung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke führen, wenn gerade die Gesamtheit ihrer Bestandteile zu einer verwechslungsbegründenden Ähnlichkeit mit der Gegenmarke führt (vgl. BPatG, GRUR 2000, 1052 - Rhoda-Hexan/Sota-Hexal). In solchen Fällen können mehrgliedrige Marken nicht so behandelt werden, als wäre die nicht prägenden Bestandteile quasi gelöscht. Vielmehr kann diesen in verschiedener Hinsicht noch eine - wenn auch reduzierte - Bedeutung zukommen (vgl. BPatGE 39, 273, 279 - Tumarol/DURADOL Mundipharma). Soweit daher die in jüngerer Zeit ergangene Entscheidung des BGH "il Padrone/Il Portone" (MarkenR 2005, 143, 144), in welcher die Frage nach einer prägenden Wirkung der Bestandteile "Padrone" bzw. "Portone" erörtert wird, obwohl die Vergleichszeichen gerade in ihrer Gesamtheit eine verwechslungsbegründende Ähnlichkeit aufweisen, dahin verstanden werden sollte, dass die Prägung von Marken durch einen einzelnen Bestandteil dazu führt, dass die weiteren übereinstimmenden Bestandteile bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben, bestünden dagegen im Hinblick auf die daraus folgende, nicht gerechtfertigte Beschränkung des Markenschutzes erhebliche Bedenken.

Aber selbst wenn man hier darauf abstellt, ob ein Bestandteil die angegriffene Marke prägt, führt dies zu einer verwechslungsbegründenden Markenähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken. Denn entgegen der Auffassung der Markenstelle kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Wortbestandteil "Acti" die angegriffene Marke derart prägt, dass "Pin" deren Gesamteindruck nicht mehr mitbestimmt. Die überwiegenden Teile des Verkehrs werden dem Bestandteil "Pin" trotz des entsprechenden Bildbestandteils mangels Kenntnis der französischen Sprache keinen Hinweis auf "Kiefer" entnehmen. Eher wird der Verkehr in "Acti" einen Hinweis auf "aktiv" erkennen, was aber zur Folge hat, dass dieser Bestandteil in seiner Kennzeichnungskraft reduziert ist und der Verkehr bereits deshalb keinen Anlass hat, den im Inland zumindest ebenso kennzeichnungskräftigen Bestandteil "Pin" bei der Beurteilung des Gesamteindrucks zu vernachlässigen. Ebensowenig bietet das Schriftbild der angegriffenen Marke mit den beiden gleich groß geschriebenen Wortbestandteilen "Acti" und "Pin" Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr in "Acti" den prägenden und für die Beurteilung der klanglichen Verwechslungsgefahr allein maßgeblichen Wortbestandteil der angegriffenen Marke sieht. Der Bestandteil "Pin" kann daher bei der Beurteilung des maßgeblichen Gesamteindrucks auch bei Anwendung der zur sog. "Prägetheorie" entwickelten Grundsätze nicht unbeachtet bleiben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Kliems Bayer Merzbach Na






BPatG:
Beschluss v. 07.04.2005
Az: 25 W (pat) 218/03


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