Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 21. Juli 2011
Aktenzeichen: I-2 W 23/11
(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 21.07.2011, Az.: I-2 W 23/11)
Tenor
I.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
III.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1,5 Millionen Euro; hiervon entfallen 1,2 Millionen Euro auf das selbstständige Beweisverfahren und 300.000,-- Euro auf das einstweilige Verfügungsverfahren.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
1.
Den Erlass der begehrten Beweisanordnung hat das Landgericht zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen, die § 485 ZPO hierfür aufstellt, nicht vorliegen. § 485 Abs. 1 ZPO lässt die Anordnung der Einnahme des Augenscheins, die Vernehmung von Zeugen und die Begutachtung durch einen Sachverständigen zu, sofern entweder der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird. Beides liegt hier nicht vor. Die Antragsgegner haben der Beweisanordnung nicht zugestimmt, und es ist auch nicht zu besorgen, dass Beweismittel verloren gehen oder ihre Benutzung erschwert wird. Wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, geht es der Antragstellerin um die Vorlage von Urkunden, nämlich Unterlagen, die die Zulassung des angegriffenen Präparates in behördlichen Zulassungsverfahren betreffen und mit denen die Antragstellerin den erwarteten Einwand der Antragsgegner im angestrebten Verfügungsverfahren widerlegen möchte, die tschechische Lizenznehmerin der Arzneimittelzulassung habe Tests durchgeführt, aus denen sich ergebe, dass bei einem pH-Wert von 4,5 die in Merkmal 7 des Patentanspruchs geforderten Invivo-Freisetzungswerte nicht erreicht würden. Der Verlust dieser Unterlagen ist jedoch nicht zu besorgen, weil die Antragstellerin selbst vorträgt, die Antragsgegner seien gehalten, die Unterlagen mit Blick auf mögliche weitere Korrespondenz mit der Zulassungsbehörde aufzubewahren. Soweit in der Rechtsprechung der Instanzgerichte angenommen wird, der Verlust oder die Benutzungserschwernis solcher Unterlagen sei stets zu besorgen, weil sich kein Unternehmen davon abhalten lasse, ihm nachteilige Beweisunterlagen zu beseitigen (LG München I, InstGE 13, 181, 185 f. Tz. 24 - Arzneimittelherstellung), vermag der Senat dem nicht beizutreten. In solcher Allgemeinheit kann das schon deshalb nicht richtig sein, weil die hier relevanten Unterlagen für den Verkehr mit der Zulassungsbehörde benötigt werden, und nicht jedem Unternehmen ohne konkrete Anhaltspunkte unterstellt werden kann, es nehme Schwierigkeiten mit der Zulassungsbehörde eher in Kauf als das Risiko, daß ihm eine Schutzrechtsverletzung nachgewiesen werden kann. Auch wird nicht berücksichtigt, dass den Antragsgegnerinnen auch im Verfügungsverfahren, zu dessen Vorbereitung die Beweisanordnung dienen soll, nach §§ 140c PatG, 142 ZPO aufgegeben werden könnte, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, und im Weigerungsfalle entsprechende Schlüsse daraus zu ziehen wären. Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls aus welchem Grund es ihr nicht möglich ist, sich unmittelbar an die Zulassungsbehörde zu wenden; ebenso wenig hat sie dargelegt, die Zulassungsbehörde habe ihr erbetene Auskünfte verweigert.
2.
Die Voraussetzungen des § 485 Abs. 2 ZPO liegen ebenfalls nicht vor, denn diese Bestimmung gestattet nur die Begutachtung durch einen Sachverständigen, die möglich ist, wenn die Partei ein rechtliches Interesse daran hat, dass die in den Ziffern 1 bis 3 der Vorschrift genannten Umstände festgestellt werden sollen. Um deren Feststellung geht es der Antragstellerin ebenfalls nicht, vielmehr möchte sie - wie bereits erwähnt - lediglich Unterlagen betreffend die arzneimittelrechtliche Zulassung der angegriffenen Erzeugnisse in ihren Besitz bringen, um sich davon Vervielfältigungen zu fertigen, die sie in dem von ihr beabsichtigten Verfügungsverfahren gegen die Antragsgegner verwenden will. Damit geht es lediglich um die Herausgabe von Urkunden und nicht um irgendwelche Schlussfolgerungen, die der Sachverständige aus den in den betreffenden Urkunden niedergelegten Informationen ziehen soll. Dass § 140c Abs. 1 und 3 PatG dem Schutzrechtsinhaber einen im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbaren Anspruch auf Vorlage einer Urkunde einräumt, rechtfertigt es nicht, eine dahingehende Anordnung im selbständigen Beweisverfahren zu treffen, wenn die Voraussetzungen der §§ 485 ff. ZPO nicht vorliegen (so aber LG München I, a.a.O., S. 185, Tz. 23). Denn mit dem selbständigen Beweisverfahren wird nicht der materiellrechtliche Anspruch nach § 140c PatG durchgesetzt, sondern auf eigenständiger verfahrensrechtlicher Grundlage unter den Voraussetzungen, welche die §§ 485 ff. ZPO hierfür vorsehen, eine - notwendig sachverständige - Besichtigung angeordnet (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 5. Auflage, Rdn. 318). Wenn die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Vorlage der begehrten Unterlagen durch die Antragsgegnerinnen erreichen will, muss sie dies in einem eigenständigen Verfügungsverfahren außerhalb des selbständigen Beweisverfahrens tun.
3.
Soweit sich die sofortige Beschwerde dagegen richtet, dass das Landgericht den Hilfsantrag für unzulässig hält, ist die Beschwerde der Antragstellerin ebenfalls unbegründet. Mit dem Hilfsantrag begehrt die Antragstellerin die soeben angesprochene einstweilige Verfügung, die darauf gerichtet ist, dass die Antragsgegnerinnen dazu verpflichtet werden, an den Sachverständigen und den anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Angaben zu den angegriffenen Präparaten in Bezug auf Merkmale d bis f des Hauptantrages herauszugeben. Ein solches Begehren betrifft einen anderen Streitgegenstand und kann innerhalb des selbständigen Beweisverfahrens nicht anhängig gemacht werden. Die Auslegung des Hilfsantrages als Antrag auf Einleitung eines separaten eigenständigen Verfahrens scheidet aus, nachdem die Antragstellerin zu Ziffer 2 ihres Schriftsatzes vom 7. Juli 2011 ausdrücklich ausgeführt hat, sie wolle aus verfahrensökonomischen Gründen den Hilfsantrag gerade im vorliegenden - und nicht in einem getrennten - Verfahren anbringen. Im übrigen hat die Antragstellerin auch keine Gründe dargelegt, die es geböten, aus verfahrensökonomischen Gründen ihren Hilfsantrag zuzulassen. Dass das Landgericht den Antrag vom 12. April 2011 erst am 17. Mai 2011 beschieden hat, kann ihm mit Blick auf den Umfang der Antragsschrift von 71 Seiten mit 44 Anlagen und dem technisch nicht einfach gelagerten Sachverhalt nicht zum Vorwurf gemacht werden.
4.
Als unterlegene Partei hat die Antragstellerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsbehelfs zu tragen.
Dr. T. K. Dr. B. S.
OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 21.07.2011
Az: I-2 W 23/11
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