Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. November 2013
Aktenzeichen: 14c O 160/13
(LG Düsseldorf: Urteil v. 07.11.2013, Az.: 14c O 160/13)
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragstellerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt für beutellose Staubsauger.
Die Antragsgegnerin bewirbt ihren neuen beutellosen Staubsauger A €Relaxx€x€ mit einem TV-Spot €Tiger€ und dem €Produktfilm 2013€, in denen in zwei identischen Sequenzen neben einem schlafenden Tiger eine Reihe von verschiedenen, groben Verschmutzungen, u.a. Blätter, rückstandslos aufgesaugt werden. Die Bodendüse des in den Filmen gezeigten Gerätes ist dabei in der Weise angewinkelt, dass ihre Vorderkante nach oben zeigt (Anlage H 1).
Die Antragstellerin behauptet, dass das rückstandlose Aufsaugen von Blättern nicht möglich und eine Anwinkelung der Bodendüse in der aus dem Film ersichtlichen Weise ohne technische Modifikation der Bodendüse nicht erzielbar sei. Sie legt dazu Testvideos (Anlage H 1) und eidesstattliche Versicherungen des Herrn X (Anlage H 5) sowie des Herrn X (Anlage H 8) vor.
Sie ist der Ansicht, es handele sich um irreführende Werbung im Sinne des § 5 UWG.
Die Antragstellerin behauptet, ihrem Marketing Director sei am 14.08.2013 zunächst die englische Fassung des Werbespots €Tiger€ auf einer Internetplattform bekannt geworden. Dieser Upload habe noch nicht erkennen lassen, ob und in welcher Form der Film in Deutschland werblich genutzt werden sollte. Ende August/Anfang September habe er dann Kenntnis von der Nutzung des Films aus einschlägigen Handelsmagazinen erhalten, in denen auf die Kampagne €ab Herbst 2013 im TV€ hingewiesen worden sei. Gezeigt worden seien die Filme sodann Anfang September im Rahmen der Messe IFA auf dem Stand der Antragsgegnerin. Sie legt dazu die eidesstattliche Versicherung des Herrn X vor (Anlage H 6).
Mit Antrag vom 12.09.2013 hat die Antragstellerin zunächst beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Staubsauger A €Relaxx€x€ mit den im Antrag in Form von Screenshots wiedergegebenen Werbespots (vollständig wiedergegeben in Anlagen H 1 und H 2) zu bewerben.
Auf gerichtlichen Hinweis hat die Antragstellerin ihren Antrag durch den Zusatz €sofern diese Werbespots entweder die aus den Screenshots ersichtlichen Sequenzen zum Aufsaugen von Blättern enthalten und/oder die Bodendüse beim Saugvorgang mit nach oben angewinkelter Vorderkante gezeigt wird:€ ergänzt.
Sie beantragt nunmehr,
1. der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Staubsauger A €Relaxx€x€ mit den nachfolgend in Form von Screenshots wiedergegebenen Werbespots (vollständig wiedergegeben in Anlagen H 1 und H 2) zu bewerben,
sofern diese Werbespots entweder die aus den Screenshots ersichtlichen Sequenzen zum Aufsaugen von Blättern enthalten und/oder die Bodendüse beim Saugvorgang mit nach oben angewinkelter Vorderkante gezeigt wird:
1.1
- folgen Lichtbilder -
und/oder
1.2
- folgen Lichtbilder -
2. der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Verbot, ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der Antragsgegnerin, anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Sie ist zunächst der Ansicht, die auf Hinweis des Gerichts vorgenommene Einschränkung des Antrags stelle eine Antragsrücknahme dar, die mit einer Kostentragungspflicht von 90 % zu bewerten sei.
Überdies bestehe aber gar kein Verfügungsanspruch. Die Antragstellerin verkenne, dass es sich um einen satirisch überzeichneten Fernsehspot handele. Jedem Verbraucher sei klar, dass er niemals in die Situation komme, neben einem schlafenden Tiger staubzusaugen, weshalb er von vorneherein die Spots als witzige Übertreibung erkenne und nicht für bare Münze nehme. Die Verbraucher entwickelten daher weder bezüglich des rückstandlosen Aufsaugens von Blättern noch bezüglich der Position der Bodendüse eine Fehlvorstellung. Im Übrigen entspreche die Darstellung aber der Realität. Die Blätter eines Ficus Benjamini würden, wie die überreichten Bilder eines Tests zeigten (Anlage AG 1), vollständig aufgesaugt. Die Vorderkante der Düse sei dazu ohne Manipulation angehoben (eidesstattliche Versicherung X, Anlage AG 2).
Schließlich sei kein Verfügungsgrund gegeben, da die französische Fassung des Werbespots seit dem 16.05.2013 im Fernsehen ausgestrahlt und im Internet zum Abruf bereit sei. Seit Juni 2013 sei die deutsche Fassung über Youtube abrufbar. Es sei davon auszugehen, dass der Spot der Antragstellerin, jedenfalls aber der dominanten englischen Muttergesellschaft seit dem Beginn der Ausstrahlung in der französischen Version bekannt sei. Dies habe für die Antragstellerin Veranlassung zur Prüfung des YouTube-Kanals der Antragsgegnerin gegeben.
Der streitgegenständliche Staubsauger wurde in der mündlichen Verhandlung am 15.10.2013 in Augenschein genommen und es wurden Saugversuche durchgeführt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll vom 15.10.2013 Bezug genommen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen. Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung ist nicht glaubhaft, dass der Antragstellerin ein Verfügungsanspruch zusteht.
I.
Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG i.V.m. § 8 Abs. 1 UWG dahingehend, dass diese es unterlässt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Staubsauger A €Relaxx€x€ mit den im Antrag wiedergegebenen Filmsequenzen zu bewerben, da nicht davon auszugehen ist, dass darin eine Irreführung über Merkmale des €Relaxx€x€ liegt.
1.
Ein Verfügungsanspruch kann zwar nicht schon deshalb verneint werden, weil es sich bei den beanstandeten Filmsequenzen um eine Satire handeln würde. Insoweit versteht das von der streitgegenständlichen Werbung angesprochene allgemeine Publikum, dem auch die Kammermitglieder zugehören, die Filmsequenzen zwar nicht dahingehend, dass der Staubsauger so leise ist, dass tatsächlich gefahrlos vor einem schlafenden Tiger gesaugt werden könne, ohne diesen zu wecken, sondern erkennt insoweit ohne Weiteres die satirische Übertreibung. Hinsichtlich der angegriffenen weiteren Werbeaussagen in den Werbefilmen ist davon aber nicht auszugehen. Vielmehr wird das Publikum diese zunächst dahingehend verstehen, dass der Staubsauger so große Saugkraft aufweist, dass er auch gröbere Verschmutzungen, wie Blätter, in größerer Menge rückstandsfrei aufzusaugen vermag, zumindest wenn man beim Saugen die Staubsaugerdüse etwas ankippt und mithin den Schmutz nicht €wie ein Schneepflug€ vor sich herschiebt. Abzustellen ist insoweit nach gefestigter Rechtsprechung auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher mit situationsadäquater Aufmerksamkeit (BGH GRUR 2000, 619, 621 € Orientteppichmuster; vgl.auch Köhler/Bornkamm-Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 5 Rz. 2.87 m.w.N.). Dieser wird sich zwar, da der Kauf eines Staubsaugers kein Alltagsgeschäft ist, regelmäßig mit einer gewissen Aufmerksamkeit mit der Leistungsfähigkeit eines Staubsaugers befassen. Er wird jedoch die allgemein gehaltene Werbeaussage der Werbefilme, bei der die Geräuscharmut des Staubsaugers im Vordergrund steht, nicht derart kritisch würdigen, dass er ein rückstandsloses Aufsaugen eines größeren Blätterhaufens bei einmaligem Überfahren und eine Kippmöglichkeit der Staubsaugerdüse in genau der gezeigten Art und Weise erwartet. Der Durchschnittverbraucher wird vielmehr annehmen, dass der Film die Leistungsfähigkeit besonders positiv darstellt und den €best case€ zeigt. Er wird allerdings lebensnah erwarten, dass er auch größere Mengen von Blättern € sei es von Zimmerpflanzen herabgefallen oder an den Schuhen von draußen hereingetragen € bei leichtem Ankippen der Staubsaugerdüse aufsaugen kann, ohne vielfach mit dem Staubsauger hin und her fahren zu müssen und ohne dass die Staubsaugerdüse verstopft.
Die angegriffenen Werbefilmsequenzen vermitteln auch eine Tatsachenbehauptung, die, wenngleich die Bilder zunächst der Auslegung durch den Verbraucher bedürfen, eine objektiv nachprüfbare Aussage enthält.
2.
Dabei ist die Antragstellerin im vorliegenden Fall darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet für die Unrichtigkeit der angegriffenen Werbeaussage. Die Darlegungs- und Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeaussage als anspruchsbegründender Tatsache trifft nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich den Kläger (BGH GRUR 1997, 229, 230 - Beratungskompetenz). Zwar geht die Kammer davon aus, dass ihn Beweiserleichterungen treffen müssen, wenn die Klärung der Richtigkeit der angegriffenen Behauptungen in einem einstweiligen Verfügungsverfahren mit den in diesem zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich ist. Denn das deutsche Recht muss insoweit Art. 7 lit a) der Richtlinie 2006/114 EG über irreführende und vergleichende Werbung Rechnung tragen, wonach Zivilgerichte die Befugnis haben müssen, vom Werbenden Beweise für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles angemessen erscheint (vgl. zur Umsetzung der Anforderungen der Richtlinie in das deutsche Recht Köhler/Bornkamm-Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rz. 3.19 ff.). Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Konstellation hier vorliegt, nachdem mit den von den Parteien selbst durchgeführten und dokumentierten Tests und einer Inaugenscheinnahme des Saugvorgangs durch die Kammer hinreichende Glaubhaftmachungsmittel zur Verfügung stehen.
3.
Die angegriffene Werbeaussage ist für den Durchschnittsverbraucher nach dem Vorgesagten unzutreffend, wenn es nicht möglich ist, mit leicht gekippter Staubsaugerdüse Blätter aufzusaugen, ohne dass die Staubsaugerdüse verstopft oder die Blätter vielfach überfahren werden müssen. Es ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht überwiegend wahrscheinlich, dass mit dem Staubsauger €Relaxx€x€ der Antragsgegnerin ein Aufsaugen einer Vielzahl von Blättern mit leicht gekippter Staubsaugerdüse nicht möglich ist. Aufgrund der Inaugenscheinnahme und der Saugversuche durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung ist vielmehr davon auszugehen, dass der Staubsauger den Erwartungen des Publikums entspricht.
Bei den Versuchen in der mündlichen Verhandlung vermochte der Staubsauger einen Blätterhaufen aus Blättern kleiner und mittlerer Größe eines Ficus Benjamini ohne Weiteres aufzusaugen. Lediglich ein paar wenige Blätter wurden beim einmaligen Überfahren zur Seite geschoben und nicht aufgesogen. Die Staubsaugerdüse konnte zwar nicht wie im Film gezeigt gekippt werden. Vielmehr war es erforderlich das Saugrohr nach unten zu führen und die Staubsaugerdüse über das Gelenk, das Rohr und Staubsaugerdüse verbindet, zu kippen. Dann jedoch hob die Staubsaugerdüse vorne ab und ein €Schneeflugeffekt€, durch den die Blätter zur Seite geschoben worden wären, wurde vermieden. Bei den Saugversuchen mit größeren Blättern eines Ficus Benjamini wurde festgestellt, dass diese nicht durch einmaliges Überfahren rückstandslos aufgesaugt werden konnten, sondern mehrfaches Überfahren notwendig war.
Damit entspricht die Werbeaussage aber den Erwartungen des Publikums. Denn diesem wird es nicht darauf ankommen, wie genau das Kippen der Staubsaugerdüse erreicht wird. Auch wird es in Betracht ziehen, dass das Aufsaugen feuchter oder größerer Blätter schlechter gelingt als das Aufsaugen trockener und kleinerer Blätter. Da ein durchschnittlicher Blätterhaufen, wie er in den Filmsequenzen ersichtlich ist, ohne vielfaches Überfahren aufgesaugt werden kann, sind die Erwartungen des Publikums erfüllt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, wobei die Kammer in der Antragsergänzung um die Worte €sofern diese Werbespots entweder die aus den Screenshots ersichtlichen Sequenzen zum Aufsaugen von Blättern enthalten und/oder die Bodendüse beim Saugvorgang mit nach oben angewinkelter Vorderkante gezeigt wird:€ keine teilweise Antragsrücknahme sieht, da sich die von der Antragstellerin angegriffene, konkrete Verletzungshandlung bereits aus der Antragsschrift ergeben hat und das Antragsbegehren in der ursprünglichen Antragsfassung lediglich nicht hinreichend bestimmt zum Ausdruck gekommen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.
Streitwert: 250.000,00 Euro
LG Düsseldorf:
Urteil v. 07.11.2013
Az: 14c O 160/13
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