Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 31. Januar 2000
Aktenzeichen: X ZB 28/98

(BGH: Beschluss v. 31.01.2000, Az.: X ZB 28/98)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts vom 17. Juni 1998 wird zurückgewiesen.

Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000,--DM festgesetzt.

Gründe

I. Der Rechtsbeschwerdeführer war eingetragener Inhaber des inzwischen durch Ablauf der Schutzdauer erloschenen deutschen Gebrauchsmusters 89 16 172, das eine "Mäh- oder Heumaschine" betraf und am 10. Mai 1994 im Wege der sog. Abzweigung unter Inanspruchnahme des Anmeldetags der europäischen Patentanmeldung 89 104 532.0 vom 14. März 1989 angemeldet worden ist. Einen im August 1997 vom Antragsteller gestellten Antrag auf "Stundung der dritten Verlängerungsgebühr" hat das Deutsche Patentamt zurückgewiesen. Die Beschwerde des Antragstellers ist vor dem Bundespatentgericht erfolglos geblieben. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Aufhebung der Entscheidung des Bundespatentgerichts und die Zurückverweisung der Sache an dieses.

II. Die Rechtsbeschwerde ist infolge Zulassung -an die der Senat gebunden ist - und im übrigen nach § 18 Abs. 1, Abs. 5 GebrMG statthaft; in der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

1.

Das Bundespatentgericht ist der Ansicht, daß bei einem Gebrauchsmuster, das wie hier den Anmeldetag einer Patentanmeldung in Anspruch nimmt, die vor dem 1. Juli 1990 eingereicht worden ist, eine Verlängerung nur bis zu einer Schutzdauer von höchstens acht und nicht von zehn Jahren Ñ wie nach der seit 1. Juli 1990 geltenden Fassung des § 23 GebrMG -möglich ist. Zwar sei nach dem Wortlaut der Übergangsvorschrift in Art. 12 Nr. 3 des Produktpirateriegesetzes (PrPG) die Neuregelung der Laufzeit auf nach Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 1990 (Art. 14 PrPG) eingereichte Gebrauchsmusteranmeldungen anzuwenden, worunter auch das im Streit stehende Gebrauchsmuster falle. Jedoch habe das Bundespatentgericht in mehreren Beschwerdeentscheidungen (BPatGE 37, 23; BPatGE 39, 10 = GRUR 1998, 725) entschieden, daß Sinn und Zweck der Übergangsvorschrift es geböten, diese hinsichtlich ihres das materielle Recht betreffenden Regelungsgehalts nicht auf solche Gebrauchsmuster anzuwenden, für die der Anmeldetag einer früheren Patentanmeldung aus der Zeit vor Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes in Anspruch genommen sei.

2.

Die Rechtsbeschwerde verweist zunächst darauf, daß das Gebrauchsmuster erst nach Inkrafttreten des Produktpirateriegesetzes angemeldet worden sei. Es falle damit unter den eindeutigen Wortlaut der Übergangsvorschrift, die sich von der im Gebrauchsmustergesetz 1986 enthaltenen unterscheide und keine vergleichbaren Einschränkungen vornehme. Dies sei vor den genannten anderslautenden Entscheidungen einhellige Auffassung gewesen. Die vom Bundespatentgericht vorgenommene Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut des Art. 12 Nr. 3 PrPG sei fehlerhaft. Die Empfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags (BT-Drucks. 11/5744 S. 31 ff; BlPMZ 1990, 195, 200), die dieser Bestimmung zugrunde liege, trage zudem die Auslegung des Bundespatentgerichts ebensowenig wie dessen allgemeiner Hinweis auf die Rechtssicherheit. Auch gebe es keinen verfassungsrechtlichen Satz, der den Gesetzgeber daran hindere, die Laufzeit eines Schutzrechts zu verlängern. Schließlich könne die Übergangsregelung des Gebrauchsmusteränderungsgesetzes 1986 weder unmittelbar noch im Analogieweg auf die Änderungen durch das Produktpirateriegesetz angewendet werden.

3.

Der Senat tritt zu der Frage, ob bei einem aus einer vor dem 1. Juli 1990 erfolgten Patentanmeldung abgezweigten Gebrauchsmuster eine Verlängerung der Schutzdauer auf zehn Jahre möglich ist, der Auffassung des Bundespatentgerichts im Ergebnis bei.

a) Der Rechtsbeschwerde ist allerdings darin zuzustimmen, daß der Wortlaut der maßgeblichen Übergangsregelung in Art. 12 Nr. 3 PrPG zunächst die Auffassung des Bundespatentgerichts nicht zu stützen scheint. Ihr ist weiter darin zuzustimmen, daß der Gesetzgeber nicht gehindert war, eine zehnjährige Schutzdauer auch bei aus vor dem 1. Juli 1990 angemeldeten Patenten abgezweigten Gebrauchsmustern vorzusehen, und daß die sich auf die Neueinführung der Abzweigungsmöglichkeit beziehende Übergangsregelung in Art. 4 Nr. 1, 2 GebrMÄndG 1986 für die hier zur Entscheidung stehende Frage nichts hergibt.

b) Gleichwohl erweist sich die -nunmehr auch der Amtspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts entsprechende (vgl. Mitteilung des Präsidenten des Deutschen Patentamts Nr. 4/97 vom 8.4.1997, BlPMZ 1997, 177) -Auslegung des Bundespatentgerichts als zutreffend.

Maßgeblich für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (BGHZ 46, 74, 76 -Schallplatten, m.w.N.). Dies ist aus dem Wortlaut der Norm, ihrem Zusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte zu ermitteln, wobei regelmäßig mit der Auslegung nach dem Wortlaut zu beginnen ist, weil das nach dem Wortlaut sprachlich Mögliche die Grenzen absteckt, innerhalb deren ein vom Gesetz verwendeter Begriff ausgelegt werden kann (BGH, aaO).

c) Die Auslegung nach dem Wortlaut führt hier nicht zu einem sicheren Ergebnis. Nach dem Wortlaut des Art. 12 Nr. 3 PrPG ist u.a. auch die in Art. 5 Nr. 7 Buchst. a) aa) dieses Gesetzes geregelte Änderung der Schutzdauer des Gebrauchsmusters in § 23 Abs. 2 Satz 1 GebrMG nur auf die nach Inkrafttreten dieser Regelung am 1. Juli 1990 (Art. 14 PrPG) beim Patentamt eingereichten Gebrauchsmusteranmeldungen und die darauf eingetragenen Gebrauchsmuster anzuwenden. Hiernach sind von der Anwendung der neuen Vorschriften jedenfalls solche Anmeldungen ausgeschlossen, die bereits vor dem Stichtag auf die Eintragung eines Gebrauchsmusters gerichtet waren. Gleiches kann aber auch für ältere sogenannte Abzweigungsanmeldungen nach § 5 Abs. 1 GebrMG und damit auch für die Anmeldung des vorliegenden Gebrauchsmusters gelten. Auch insoweit handelt es sich um eine Anmeldung, die vor dem Stichtag beim Deutschen Patentamt eingereicht worden ist und letztlich auf die Eintragung eines Gebrauchsmusters gerichtet war. Die Anmeldung hat mithin im Lauf des Verfahrens eine Änderung hinsichtlich der Art des begehrten Schutzrechts erfahren, nicht jedoch hinsichtlich der zum Schutz angemeldeten Erfindung. Letzteres wird in § 5 Abs. 1 GebrMG als entscheidend angesehen. Die abgezweigte Anmeldung wird nach dieser Vorschrift so behandelt, als sei sie von vornherein auf die Anmeldung eines Gebrauchsmusters gerichtet gewesen. Es liegt nahe, diese Konsequenz auch im Rahmen der Übergangsvorschrift des Art. 12 Nr. 3 PrPG zu ziehen und als maßgebliches Anmeldedatum einer abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldung auch hier das in Anspruch genommene Datum der Ursprungspatentanmeldung zu berücksichtigen.

d) Auch Normzusammenhang und Normzweck sprechen für eine solche Auslegung. Sinn der erst im parlamentarischen Verfahren eingestellten Übergangsregelung war es, im Interesse der Rechtssicherheit die neuen Vorschriften über Voraussetzungen und weitere Verlängerung der Schutzdauer des Gebrauchsmusters nicht auf die vor Inkrafttreten der Neuregelung eingereichten Gebrauchsmusteranmeldungen und darauf erteilten Gebrauchsmuster anzuwenden, hinsichtlich derer es bei den früheren Vorschriften verbleiben sollte (Empfehlung des Rechtsausschusses, aaO). Demnach sollten für vor dem 1. Juli 1990 angemeldete Gebrauchsmuster weiterhin das Raumformerfordernis wie die achtjährige Höchstschutzdauer gelten. Der Gesetzgeber hat bei der Formulierung der Übergangsregelung die durch die mit dem Gebrauchsmusteränderungsgesetz 1986 geschaffene Möglichkeit der Abzweigung aus einer früheren Patentanmeldung allerdings nicht ausdrücklich berücksichtigt. Es findet sich jedoch kein Anhaltspunkt dafür, daß er im Fall der Ausschöpfung dieser Möglichkeit den Gebrauchsmusterschutz sachlich -Wegfall des Raumformerfordernisses -und zeitlich - zehnjährige Höchstschutzdauer -in einem Umfang eröffnen wollte, der im Widerspruch zu der Regelung gestanden hätte, die für bereits ursprünglich als Gebrauchsmuster angemeldete Schutzrechte eingeführt wurde. Eine Nichteinbeziehung der abgezweigten Gebrauchsmusteranmeldungen in die Übergangsregelung hätte für diese aber eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung bedeutet, die auch in Fällen zu wirksamen Schutzrechten hätte führen können, bei denen nach der am in der Abzweigungsanmeldung in Anspruch genommenen Anmeldetag des Patents geltenden Rechtslage weder ein Patent hätte erteilt noch ein Gebrauchsmuster hätte eingetragen werden dürfen. Dies hätte etwa dann der Fall sein können, wenn infolge des unterschiedlichen Neuheitsbegriffs der Gegenstand der Anmeldung zwar nach den Bestimmungen des Gebrauchsmustergesetzes, nicht aber nach den Bestimmungen des Patentgesetzes neu gewesen wäre, er aber andererseits nicht dem für die Patenterteilung bedeutungslosen früheren Raumformerfordernis des Gebrauchsmusterrechts genügt hätte. Es war ersichtlich das Anliegen und steht hinter dem Regelungszusammenhang der Übergangsregelung, in solchen Fällen die Eintragung eines Gebrauchsmusters zu versagen. Dem würde es widersprechen, in Fällen der Abzweigung andere Maßstäbe anzulegen.

e) Allerdings sind die Verhältnisse, was die Verlängerung der Schutzdauer betrifft, nicht ohne weiteres mit denen vergleichbar, die die Schutzvoraussetzungen betreffen. Bei Patentanmeldungen vor dem 1. Juli 1990 mußte sich die interessierte Öffentlichkeit auf eine Patentschutzdauer von 20 Jahren einstellen, die weder durch die achtjährige noch durch die neu eingeführte zehnjährige Gebrauchsmusterschutzdauer ausgeschöpft wird. Dies läßt einen Vertrauensschutz hinsichtlich der Schutzdauer als weniger gewichtig erscheinen. Wie sich indessen sowohl der Übergangsregelung als auch der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses entnehmen läßt, sollten die Fragen der Schutzfähigkeit und der Schutzdauer aber für die Übergangsfälle in gleicher Weise geregelt werden. An diese Entscheidung des Gesetzgebers sind die Gerichte gebunden.

III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich erachtet (§ 18 Abs. 5 Satz 2 GebrMG i.V.m. § 107 Abs. 1 PatG).






BGH:
Beschluss v. 31.01.2000
Az: X ZB 28/98


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