Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 4. April 2008
Aktenzeichen: 11 W 9/08

(OLG Hamburg: Beschluss v. 04.04.2008, Az.: 11 W 9/08)

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Nebenintervenienten der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 10.01.2008 abgeändert:

Die Kläger haben die Kosten des auf Seiten der Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten F. Sch. zu jeweils 50 % zu tragen.

Die Kläger haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu jeweils 50 % zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht den in erster Instanz angefallenen außergerichtlichen Kosten des Nebenintervenienten des Beklagten.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ist statthaft. Wird ein Rechtsstreit durch Vergleich erledigt, sind auf Antrag des Nebenintervenienten die Kosten der Nebenintervention per Beschluss des Gerichts zu titulieren, §§ 91a Abs. 1, 269 Abs. 4 ZPO analog (Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 101 Rn. 9). Lehnt das Gericht eine Kostenentscheidung ab, steht dem Nebenintervenienten das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu (Zöller-Herget, a.a.O., § 101 Rn. 9). Die sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden; der Beschluss wurde dem Nebenintervenienten am 15. Januar 2008 zugestellt, die sofortige Beschwerde ist am 28. Januar 2008 bei Gericht eingegangen (Bl. 293 d.A.).

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Über die Kosten des Nebenintervenienten ist eigenständig und unabhängig von der gegenüber der unterstützten Hauptpartei zu treffenden Kostenentscheidung zu befinden, da es sich im vorliegenden Fall um eine streitgenössische Nebenintervention handelt, so dass §§ 101 Abs. 2, 100 ZPO Anwendung finden (dazu grundlegend BGH II ZB 23/06 in NJW-RR 2007, 1577 für den Fall des Beitritts auf Seiten der Anfechtungskläger). Eine streitgenössische Nebenintervention ist nicht nur anzunehmen, wenn der Beitritt auf Seiten der Anfechtungskläger erfolgt, sondern auch, wenn der Aktionär auf Seiten der beklagten Gesellschaft dem Rechtsstreit beitritt, und zwar zum einen wegen der in §§ 248, 249 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung, zum anderen wegen der mitgliedschaftsrechtlichen Sonderrechtsbeziehung (Hüffer in MK-AktG, 2. Aufl. 2001, § 246 Rn. 10; im Ergebnis ebenso Schwab in K. Schmidt/M. Lutter, AktG, § 246 Rn. 27). Da die Kläger, wie im Vergleich vereinbart, die Klage zurückgenommen haben, haben sie gemäß §§ 269 Abs. 3, 100 Abs. 1 ZPO die Kosten des auf Seiten der Beklagten beigetretenen Nebenintervenienten zu gleichen Teilen zu tragen.

Dass der Beitritt von Seiten des Beschwerdeführers nicht innerhalb der Frist des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG erklärt worden ist, führt zu keiner anderen Entscheidung, da diese Frist für den auf Seiten der beklagten Gesellschaft beitretenden Aktionär nicht einschlägig ist.

Nach dem Wortlaut des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG kann sich ein Aktionär nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung der Klage an dem Rechtsstreit beteiligen. Der Beitritt des Nebenintervenienten der Beklagten erfolgte mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2007, der Schriftsatz ist allerdings erst am 19. November 2007 bei Gericht eingegangen. Damit ist die Beteiligung über einen Monat nach Bekanntmachung der Klage am 01. August 2007 erklärt worden. Die Angabe des Nebenintervenienten, die Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 24. Mai 2007 sei erstmals am 14. November 2007 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden, ist nicht zutreffend. Aus dem elektronischen Bundesanzeiger ergibt sich, dass bereits unter dem Veröffentlichungsdatum 01. August 2007 die Tatsache veröffentlicht worden ist, ein Aktionär habe die auf der Hauptversammlung vom 24. Mai 2007 gefassten Beschlüsse angefochten, die Klage sei unter dem Aktenzeichen 420 O 79/07 beim Landgericht Hamburg anhängig, das Landgericht habe das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Wegen des weiteren Inhaltes wird auf die mit Schriftsatz des Klägers zu 1) vom 19. Dezember 2007 eingereichte Anlage K 3 Bezug genommen, deren Richtigkeit der Senat anhand des elektronischen Bundesanzeigers überprüft hat. Die spätere Veröffentlichung, auf die der Nebenintervenient verweist, ergänzt diejenige aus dem Sommer 2007 um die Angabe, dass für den 30. November 2007 Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden ist. Die in § 246 Abs. 4 AktG statuierte Bekanntmachungspflicht verfolgt zum einen den Zweck, den Aktionären Gelegenheit zu geben, als Nebenintervenienten dem Rechtsstreit beizutreten, zum anderen denjenigen, die Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen, dass durch die Klagen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses in Frage gestellt worden ist (Göz in Bürgers/Körber, AktG, § 246 Rn. 31; Hüffer, AktG, 7. Aufl. 2006, § 246 Rn. 40). Die Pflicht zur Bekanntmachung entsteht, sobald die Klage der Gesellschaft zugestellt worden ist und das Gericht eine Verfügung nach §§ 275, 276 ZPO getroffen hat, so dass die Veröffentlichung vom August 2007 den in § 246 Abs. 4 S. 1 AktG aufgestellten Anforderungen genügt (Hüffer in MK-AktG, a.a.O., § 246 Rn. 71; Göz in Bürgers/Körber, a.a.O., § 246 Rn. 31; Karsten Schmidt in Großkomm. zum AktG, 4. Aufl. 1995, § 246 Rn. 54). Soweit das Gesetz nur von der Mitteilung der Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung spricht und das schriftliche Vorverfahren nicht erwähnt, trägt der Wortlaut des § 246 Abs. 4 ZPO der Vereinfachungsnovelle der ZPO keine Rechnung (Hüffer in MK-AktG, a.a.O., § 246 Rn. 71). Wenn die Beklagte daher zu späterer Zeit auch noch den Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt gemacht hat, ist sie damit nur einer in der Literatur aufgestellten Empfehlung gefolgt (Göz in Bürgers/Körber, a.a.O., § 246 Rn. 31), die Monatsfrist begann mit der im Sommer erfolgten Bekanntmachung zu laufen; eine Bekanntmachung der Tatsache, dass gegen den Beschluss vom 24. Mai 2007 mehrere Anfechtungsklagen erhoben worden waren, verlangt das Gesetz nach seinem Wortlaut nicht (Hüffer in MK-AktG, a.a.O., § 246 Rn. 71;), ebenso wenig die Mitteilung, dass weitere Klage erhoben worden ist (K. Schmidt in Großkomm., a.a.O., § 246 Rn. 51).

Der Senat schließt sich der von Schwab (in K. Schmidt/ M. Lutter, a.a.O., § 246 Rn. 26) geäußerten Ansicht an, dass die Beteiligung des Aktionärs auf Beklagtenseite keinen Einschränkungen unterliegt, da es dem Aktionär nicht verwehrt werden kann, die Verteidigung der auf der Hauptversammlung getroffenen Entscheidungen neben der verklagten Gesellschaft zu übernehmen (ohne ausdrückliche Differenzierung im Hinblick auf die Frage, auf welcher Seite der Beitritt erfolgt: Göz in Bürgers/Körber, a.a.O., § 246 Rn. 33; offen: Hüffer in MK-AktG, § 246 Rn. 71). Schon der Wortlaut des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG spricht dafür, dass die Monatsfrist nur für die Beteiligung des Aktionärs auf Seiten der Anfechtungskläger gelten soll, wenn dort formuliert wird: €Ein Aktionär kann sich als Nebenintervenient nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung an der Klage beteiligen.€ (Unterstreichung vom Senat). Die Gesetzesbegründung hebt hervor, dass es u.a. Ziel des UMAG, mit dem die Monatsfrist eingeführt worden ist, gewesen ist, die Anfechtungsklage und deren eventuellen Missbrauch zu regeln (BT-Drs. 15/5092 Seiten 1 und 2), es ist nicht ersichtlich, dass die Möglichkeit der Unterstützung der verklagten Gesellschaft hätte eingeschränkt werden sollen. Wörtlich heißt es in der Begründung zu § 246 Abs. 4 S. 2 AktG: €Der neue Satz 2 in Absatz 4 stellt klar, dass die Nebenintervention von den Klagevoraussetzungen nicht besser stehen darf als die Klage.€ (BT-Drs 15/5092 S. 27). Nach Auffassung des Senats ist daraus zu entnehmen, dass eine Beteiligung auf Seiten der Beklagten keinen zusätzlichen Einschränkungen unterliegen sollte, auch wenn die Formulierung ungenau ist, da, streng genommen, die Nebenintervention gerade keinen Klagevoraussetzungen unterliegt, wie die gesonderte Regelung in §§ 66 ff. ZPO zeigt.

Damit ist der von dem Nebenintervenienten erklärte Beitritt rechtzeitig erklärt worden und die formelle Überschreitung der in § 246 Abs. 4 S. 2 AktG genanten Frist steht dem Erlass der Kostenentscheidung nicht entgegen.

Soweit das Landgericht die Ablehnung des Antrages des Nebenintervenienten auch damit rechtfertigt, der Prozessbevollmächtigte des Nebenintervenienten sei mehrfach während der Verhandlung auf seine Kosten angesprochen worden, er habe ausdrücklich auf eine Regelung verzichtet, ist ein solcher Verzicht in das Verhandlungsprotokoll nicht aufgenommen worden und steht somit der beantragten Entscheidung nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, da die Frage, ob die Frist des § 246 Abs. 2 S. 4 AktG auch für den Beitritt auf Seiten der beklagten Gesellschaft von Bedeutung ist, nicht höchstrichterlich geklärt ist; die Entscheidungen BGH II ZB 13/06 und BGH II ZB 29/05 befassen sich nur mit der Frage der Rückwirkung der Einführung des § 246 Abs. 4 S. 2 AktG im Rahmen eines auf Seiten der Kläger erfolgten Beitrittes, so dass aus dieser Entscheidung keine indirekten Schlüsse für die Lösung der hier streitigen Frage gezogen werden können. Angesichts der zahlreichen Anfechtungsklagen und der auch anzutreffenden Beitritte auf Seiten der Gesellschaft, hat diese Frage grundsätzliche Bedeutung.






OLG Hamburg:
Beschluss v. 04.04.2008
Az: 11 W 9/08


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