Oberlandesgericht Karlsruhe:
Beschluss vom 30. April 2013
Aktenzeichen: 12 W 5/12
(OLG Karlsruhe: Beschluss v. 30.04.2013, Az.: 12 W 5/12)
1. Die Antragsteller im aktienrechtlichen Spruchverfahren können für sich nicht in Anspruch nehmen, dass im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung im Spruchverfahren jeweils diejenige Methode anzuwenden wäre, die zu ihren Gunsten die höchsten Werte ergibt (Anschluss an: OLG Stuttgart NZG 2011, 1346 - juris-Rn. 312).
2. Die verfassungsrechtlichen Beschränkungen von Rückwirkungen sind bei den Empfehlungen für die Unternehmensbewertung (IDW) nicht einschlägig, da es sich bei den Empfehlungen nicht um Rechtsnormen, sondern um eine Expertenauffassung handelt (Anschluss an: OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris-Rn. 279).
3. Das Beharren auf der Durchführung eines aktienrechtlichen Spruchverfahrens Spruchverfahrens trotz Vergleichsangebots ist für sich genommen nicht rechtsmissbräuchlich, auch wenn sich die Weiterverfolgung des Antrags nachträglich als wirtschaftlich wenig sinnvoll darstellt (Anschluss an: OLG Düsseldorf AG 2011, 459 - juris-Rn. 34; OLG Stuttgart AG 2010, 758 - juris-Rn. 59).
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller 1 bis 13 gegen den Beschluss des Landgerichts Mannheim vom 11.11.2011 - 23 AktE 22/04 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 3. des Beschlusses des Landgerichts Mannheim vom 11.11.2011 dahin abgeändert werden, dass die Antragsgegnerin die Gerichtskosten erster Instanz zu tragen hat.
II. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre trägt die Antragsgegnerin.
Die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird für die Gerichtskosten und für die Vergütung des Vertreters der außenstehenden Aktionäre auf 200.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller beanspruchen als ausgeschlossene Minderheitsaktionäre der E. eine Erhöhung der Barabfindung.
Die E. AG befasste sich im Jahre 2002 mit der Herstellung von Faserzementprodukten für die Bauindustrie. Sie hielt zu 100% Anteile an der E. Bau GmbH und der K. Verwaltungsgesellschaft mbH sowie Anteile an anderen kleineren Gesellschaften, die keine nennenswerten wirtschaftlichen Aktivitäten entfalteten. Das eingetragene Grundkapital betrug EUR 25.600.000 und war eingeteilt in eine Million auf den Inhaber lautende Stückaktien. Die Aktien waren nicht börsennotiert. Mehrheitsaktionär der E. AG war mit 998.895 Stückaktien (entsprechen 99,89% am Grundkapital) die E. Management Holding GmbH. Die restlichen Aktien befanden sich in Streubesitz.
Am 04.03.2002 verlangte der Hauptaktionär die Übertragung der im Streubesitz befindlichen Aktien. In der Hauptversammlung der E. AG vom 23. Juli 2002 wurde der Beschluss gefasst, die Aktien der Minderheitsaktionäre der E. AG gegen Zahlung einer Barabfindung in Höhe von EUR 88,00 je Aktie auf die E. Management Holding GmbH nach den §§ 327a ff AktG zu übertragen. In dem Übertragungsbericht der Hauptaktionärin hat diese nach einer nochmaligen Überarbeitung wegen Verlegung der Hauptversammlung einen Wert pro Aktie von 87,89 EUR dargelegt. Der vom Landgericht Berlin eingesetzte sachverständige Prüfer bestätigte diesen Betrag als angemessen.
Am 28.05.2004 erfolgte die Eintragung ins Handelsregister, die im Bundesanzeiger vom 01.07.2004 bekannt gemacht wurde. Mit bei Gericht am 30.08.2004 bzw. 24.09.2004 eingegangenen Anträgen begehren die Antragsteller eine höhere Festsetzung des Abfindungsbetrages.
Die Antragsteller haben ausgeführt, dass der Unternehmenswert zu niedrig angesetzt sei, was sich daran zeige, dass abweichend von der Planung nach dem Squeeze-Out eine regelrechte Gewinnexplosion eingesetzt habe. Der Basiszinssatz und der Risikozuschlag seien bei der Bewertung durch die Antragsgegnerin wesentlich zu hoch festgesetzt worden. Allenfalls mit 2% könne nach neueren Untersuchungen die Risikoprämie in Ansatz gebracht werden. Umgekehrt sei mit einem Wachstumsabschlag von 2,0% zu rechnen, so dass sich insgesamt ein erheblich höherer Ausgleichsbetrag ergebe. Dies zeige sich auch daran, dass in den Jahren vor dem Squeeze-Out die Aktien außerbörslich zwischen 500 DM und 700 DM gehandelt worden seien.
Die Antragsteller und der vom Gericht bestellte Vertreter der außenstehenden Aktionäre haben die Festsetzung einer angemessenen Abfindung über den in der Hauptversammlung vom 23.07.2002 festgesetzten Betrag hinaus beantragt.
Die Antragsgegnerin haben beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, dass der Wert für die Abfindung angemessen festgesetzt worden sei. Insbesondere verteidigt sie die von den Antragstellern angegriffene Berücksichtigung eines typisierten Steuersatzes und die Außerachtlassung von nach Durchführung des Squeeze-Out ersparten Formalaufwandes.
Die Antragsgegnerin hat im Verfahren vor dem Landgericht eine Erhöhung der Abfindungszahlung auf 175,00 EUR bei Kostenübernahme bzw. auf 200,00 EUR bei Kostenwettschlagung angeboten. Der Antragsteller zu 14 hätte das erstgenannte Angebot auf Abschluss eines Vergleichs angenommen, ebenso wäre der Vertreter der außenstehenden Aktionäre zum Abschluss beider Vergleiche bereit gewesen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens durch den Sachverständigen Dipl.-Kfm. A. mit Beschluss vom 11.11.2011 die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung zurückgewiesen. Das Landgericht ist den Feststellungen des Sachverständigens gefolgt, der zu einer angemessenen Barabfindung von 84,04 EUR pro Stückaktie gekommen ist, die unter der von der Antragsgegnerin von 88,00 EUR liegt. Die Gerichtskosten hat das Landgericht zu 80% den Antragstellern auferlegt und weiter ausgesprochen, dass die außergerichtlichen Kosten nicht erstattet werden.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller 1 bis 13, mit der diese die Festsetzung einer höheren Abfindung beanspruchen.
Die Antragsteller zu 1 bis 13 beantragen:
1. Unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Mannheims vom 11.11.2011 - 23 AktE 22/04 - die angemessene Abfindung gem. §§ 327a ff. AktG auf einen höheren Betrag als 88,00 EUR je Aktie der E. AG festzusetzen.
2. Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt die Antragsgegnerin
Die Antragsgegnerin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst allen Anlagen verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 13 ist unbegründet, soweit die Antragsteller zu 1 bis 13 eine höhere als die von der Antragsgegnerin angebotene Abfindung von 88,00 EUR beanspruchen. Der Senat schließt sich nach Überprüfung den zutreffenden und überzeugend begründeten Ausführungen des Landgerichts an. Was die Antragsteller hiergegen vorbringen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Insbesondere bedarf es - wie auszuführen sein wird - auch keiner weiteren Beweiserhebung, nachdem das Landgericht bereits ein umfängliches Sachverständigengutachten eingeholt hat und die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Antragsteller - wie auszuführen sein wird - keine weitere Stellungnahme des Sachverständigen erfordern.
Zum Abfindungsanspruch
Angemessen ist eine Abfindung, die dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was seine Beteiligung an dem Unternehmen wert ist, die also dem vollen Wert seiner Beteiligung - hier der Aktie der E. AG - entspricht (BVerfGE 14, 263, 284; BGHZ 147, 108; BGHZ 156, 57; BayObLG NJW-RR 1996, 1125). Zu ermitteln ist deshalb der Grenzwert, zu dem der außenstehende Aktionär ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden kann (BGHZ 138, 136; BayObLG AG 2006, 41; Münchner Komm., AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 72). Für die Bemessung der Abfindung müssen die am Stichtag - hier dem 23. Juli 2002 - bestehenden Verhältnisse der beherrschten Gesellschaft berücksichtigt werden (§ 305 Abs. 3 Satz 2 AktG). Die angemessene Abfindung und der hier nicht im Streit stehende Ausgleich unterliegen in einem weiten Umfang richterlicher Schätzung (§ 287 ZPO). Hierbei ist es nicht möglich, mathematisch einen genauen Unternehmenswert zum Stichtag festzulegen. Es muss vielmehr auch hingenommen werden, dass eine Bandbreite von unterschiedlichen Werten als angemessene Abfindung besteht (BayObLG AG 2006, 41 - juris-Rn. 17).
Zu den einzelnen Einwendungen der Antragsteller zu 1 bis 13
1. Bewertungsstandard - IWD S 1 (2005)
a) Der Senat folgt dem Landgericht darin, dass hier für den Bewertungsstichtag - 23.07.2002 - der Standard IWD S1 (2005) angewendet werden kann. Insbesondere steht das Stichtagsprinzip der Anwendung des IWD S 1 (2005) nicht entgegen. Dieses gilt nicht für die angewendete Bewertungsmethode. Das Gericht muss im Spruchverfahren weder eine Änderung der Expertenauffassung gegenüber dem Bewertungsstichtag zwingend berücksichtigen noch ist es umgekehrt daran gehindert, das Ergebnis der Anwendung einer älteren Expertenauffassung auch im Licht neuer Erkenntnisse zu überprüfen. Dies gilt auch für die im Standard des IWD zusammengefassten Empfehlungen. Diese enthalten Grundlagen für das methodische Vorgehen bei der fundamentalistischen Ermittlung des Unternehmenswerts zur Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung. Der Senat ist hieran aber nicht gebunden (OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris-Rn. 261; Senat Beschluss vom 12. 04.2012 - 12 W 57/10). Wird bei der Ermittlung des Unternehmenswerts allerdings auf diese Erkenntnisquellen zurückgegriffen, wird in der Regel der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aktuelle Stand zu berücksichtigen sein. Dies begründet sich insbesondere damit, dass die Aktualisierung der Expertenauffassung regelmäßig auf die Umsetzung von Erkenntnisfortschritten zurückzuführen ist und schon aus diesem Grund die aktuellere Expertenauffassung in der Regel auch die geeignetere ist (OLG Celle AG 2007, 865 - juris-Rn. 28; OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris -Rn. 262 und Senat Beschluss vom 12.04.2012 - 12 W 57/10).
Wirtschaftliche Prozesse unterliegen bekanntermaßen der dauernden Fortentwicklung und können deshalb zu besseren oder präziseren Bewertungsmethoden führen, die im Rahmen von Kontrollüberlegungen auch ergänzend herangezogen werden können, um einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang methodisch und rechnerisch genauer zu bewerten und zu plausibilisieren. Hierbei wird der einzelne Rechenparameter lediglich durch eine neue Methode ermittelt, überprüft und unterlegt. Diesem Vorgehen steht auch nicht Art 170 EGBGB (analog) entgegen, weil es sich bei den in den IDW-Standard genannten Bewertungskriterien nicht um Rechtsnormen handelt (Senat - Beschluss vom 16.07.2008 - 12 W 16/02 -, S. 23; Senat - Beschluss vom 21. 01.2011 - 12 W 77/08; Senat Beschluss vom 12.04.2012 - 12 W 57/10; OLG Stuttgart AG 2011, 205 -juris-Rn. 172, 173 und 177).
Die Empfehlung des Tax-CAPM in IDW S1 2005 anstelle des in IDW S 1 2000 empfohlenen Standard-CAPM beruht auf der Ablösung des steuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens durch das seit 2001 geltende Halbeinkünfteverfahren. Dies belegt schon der Umstand, dass IDW S 1 2005 die Empfehlung zur Anwendung des Tax-CAPM ausdrücklich auf den Zeitraum begrenzt, in dem das steuerrechtliche Halbeinkünfteverfahren bereits galt. Dies ist hier unstreitig der Fall, da der Bewertungsstichtag nach dem 01.01.2001 liegt (OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris-Rn. 272).
Die Anwendung des Tax-CAPM als aktuelle Erkenntnisquelle ist bei Durchführung der Nachbesteuerung im Spruchverfahren damit zulässig und im vorliegenden Fall angezeigt.
b) Die Einwände der Antragsteller greifen nicht durch. Die Antragsteller führen aus, dass sich eine rückwirkende Anwendung von Bewertungsstandards verbiete. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Darüber hinaus machen die Antragsteller geltend, dass die Entscheidung des Landgerichts nicht im Einklang mit der Entscheidung anderer Landgerichte und Oberlandesgerichte stehe. Es habe deshalb eine Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof zu erfolgen (§ 28 Abs. 2 und 3 FGG).
Das Verfahren ist nicht vorzulegen. Für Bewertungen, zu deren Stichtagen - wie hier - das steuerrechtliche Halbeinkünfteverfahren galt, ist die Anwendung des Tax-CAPM im Rahmen einer Gesamtanwendung der IDW S1 (2005) nicht zu beanstanden. Der Senat ist hier in Übereinstimmung mit Oberlandesgericht Stuttgart (AG 2011, 420 - juris-Rn.272, 281 und NZG 2011, 1346 - juris-Rn. 298 ff.). Ein Widerspruch zu anderen Oberlandesgerichten kann nicht festgestellt werden. Den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Frankfurt (5 W 52/05 in Der Konzern 2011, 179 -juris-Rn. 41 ff., 47) und des Oberlandesgerichts München (AG 2007, 411 - juris-Rn. 3) lagen Sachverhalte zugrunde, nach denen für den jeweiligen Bewertungsstichtag das steuerrechtliche Halbeinkünfteverfahren noch nicht galt. Dies trifft auch auf die Entscheidung des BayObLG (AG 2006, 41 - juris-Rn.1) zu. Nichts anderes folgt aus der Entscheidung des OLG München (OLGReport 2008, 450 - juris-Rn. 31). Dem dortigen Unternehmensgutachten lag die Grundform des CAPM zugrunde, so dass es auf die Anwendbarkeit des Tax-CAPM dort nicht entscheidend ankam. Soweit die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nunmehr noch zwei Entscheidungen des Landgerichts Düsseldorf vorlegen, nehmen beide Entscheidungen auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 15.02.2010 (5 W 52/05) Bezug, die sich - wie oben ausgeführt - mit einem Sachverhalt vor Geltung des Halbeinkünfteverfahren befasst hat. Für die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 20.09.2006 (I-26 W 8/06 AktE) kam es letztlich nicht entscheidungserheblich auf die Frage der Anwendung des IDW S 1 (2005) an, weil im dortigen Verfahren sich die Verfahrensbeteiligten mit dem Sachverständigen einig waren, dass die Anwendung des aktuell empfohlenen Kapitalisierungszinssatzes nach IDW S 1 (2005) mit einer Neubewertung des Unternehmens verbunden gewesen wäre, was schon wegen der Dauer des bisherigen Spruchverfahrens nicht in Betracht kam.
c) Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, dass der IDW (2000) zu bis zu 30% höheren Abfindungen führt, kam nicht in Betracht. Dem Senat ist aus anderen Verfahren bekannt, dass die Berechnung des Kapitalisierungszinssatzes nach dem IDW S1 2005 zum maßgeblichen Bewertungsstichtag unter dem Unternehmenswert bei Anwendung des IDW 2000 liegen und damit tendenziell zu einem geringeren Unternehmenswert führen können (Senat - Beschluss vom 12.04.2012 - 12 W 57/10). Dieser Gesichtspunkt ist aber nicht alleine ausschlaggebend. Die Antragsteller können für sich nicht in Anspruch nehmen, dass im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung im Spruchverfahren jeweils diejenige Methode anzuwenden wäre, die zu ihren Gunsten die höchsten Werte ergibt (OLG Stuttgart NZG 2011, 1346 - juris-Rn. 312). Die Gesichtspunkte, die hier zur Anwendung des IDW S1 2005 führen, gründen auf der empfohlenen Nachsteuerbetrachtung gegenüber der zuvor praktizierten Vorsteuerbetrachtung. Das Tax-CAPM erschöpft sich damit nicht in einer gezielten Reduzierung der Unternehmenswerte zu Lasten der Minderheitsaktionäre. Außerdem ist die Bewertungsmethode anzuwenden, die zu einem angemessenen Unternehmenswert führt (Senat - Beschluss vom 12.04.2012 - 12 W 57/10).
d) Gegen die Anwendung des Tax-CAPM sprechen auch keine Gründe der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes. Die verfassungsrechtlichen Beschränkungen für die Rückwirkungen sind bei den Empfehlungen für die Unternehmensbewertung (IDW) nicht einschlägig, da es sich bei den Empfehlungen nicht um Rechtsnormen, sondern um eine Expertenauffassung handelt (OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris-Rn. 279). Zu Recht wird in diesem Zusammenhang deshalb angeführt, dass im privaten Baurecht die Mangelhaftigkeit eines Bauwerks bei der Abnahme nicht nach dem Wissensstand im Zeitpunkt der Abnahme, sondern nach demjenigen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im gerichtlichen Verfahren zu beurteilen ist (OLG Stuttgart AG 2011, 420 - juris-Rn. 279 unter Hinweis auf Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, BGB, 2008, § 633 Rn. 190; Riegger in Kölner Komm., SpruchG, Anh. § 11 Rn. 40). Riegger befürwortet die Anwendung der IDW S1 2005 vor diesem Hintergrund selbst dann, wenn dem vom Hauptaktionär vorgelegten Unternehmensgutachten noch die Empfehlungen von IDW S1 (2000) zugrunde gelegt waren.
Danach können die Antragsteller auch nicht mit Erfolg einwenden, bei einer zeitlich früheren Beauftragung des Sachverständigen wäre es nicht zur Anwendung von IDW S1 (2005) gekommen. Maßgeblich ist nicht der zeitliche Rahmen, in dem das Sachverständigengutachten erstellt wird, sondern ob der Stichtag für die Bewertung nach dem 01.01.2001 liegt und das Halbeinkünfteverfahren gilt. Die Empfehlung des Tax-CAPM in IDW S 1 (2005) anstelle des in IDW S 1 (2000) empfohlenen Standard-CAPM beruht auf der Ablösung des steuerrechtlichen Anrechnungsverfahrens durch das Halbeinkünfteverfahren. IDW S 1 (2005) begrenzt die Empfehlung zur Anwendung des Tax-CAPM ausdrücklich auf den Zeitraum, in dem das steuerrechtliche Halbeinkünfteverfahren bereits galt. Hier liegt der Stichtag (23.07.2002) nach dem 01.01.2001. Hierauf stellt mit zutreffender Begründung auch der Sachverständige A. (im Folgenden: Sachverständige) ab. Der Sachverständige führt in diesem Zusammenhang aus, dass der IDW S 1 2000 mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens auch zum damaligen Zeitpunkt erkennbar nicht sachgerecht war, da er dessen Besonderheiten unzureichend abgebildet hat. Im Ergebnis wurden nämlich - so weiter der Sachverständige - bei Anwendung von IDW 2000 für Zeiträume, in denen das Halbeinkünfteverfahren galt, die finanziellen Überschüsse des Unternehmens auf Ebene des Anteilseigners nur zur Hälfte der Besteuerung unterworfen, während der Kapitalisierungszinssatz um die volle persönliche Steuer reduziert wurde. Die typisierte persönliche Steuer wurde somit im Bewertungskalkül in Zähler mit 17,5% und Nenner mit 35% nicht adäquat abgebildet. Danach ist die Anwendung von IDW S 1 (2005) im vorliegenden Fall sachgerecht.
2. Jahresüberschüsse in 2004 und in der ewigen Rente
Die Antragsteller machen geltend, dass die vom Landgericht zugrunde gelegten Jahresüberschüsse in 2004, 2005 und 2006 sowie für die ewige Rente ab 2007 in Höhe von 4,6 Mio. EUR auf einer falschen Unternehmensplanung beruhten. Es hätten die nach 2002 tatsächlich erwirtschafteten Ergebnisse, die weit höher ausgefallen seien (2007: 19,7 Mio. EUR), zugrunde gelegt werden müssen. Insbesondere wäre bei seriöser Planung der Jahresüberschuss in der ewigen Rente um 300% höher ausgefallen. Der Senat hält nach Überprüfung die Ermittlung der Jahresüberschüsse durch den Sachverständigen für zutreffend und sachgerecht.
a) Der Sachverständige hat den Zukunftserfolgswert im vorliegenden Fall nach dem so genannten DCF-Verfahren ermittelt. Das Ertragswertverfahren wie auch das DCF-Verfahren sind grundsätzlich gleichwertig und führen bei gleichen Bewertungsannahmen und -vereinfachungen, insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, zu identischen Ergebnissen. Der Unternehmenswert ist ein Zukunftsüberschusswert (Zukunftserfolgswert) Maßstab dafür sind der Ertragsüberschuss (= Ertrag ./. Aufwand) oder der Einnahmeüberschuss (Cashflow = Einnahmen ./. Ausgaben). Beide Ansätze beruhen auf grundsätzlich gleichen Rechenwerken. Daher stehen das Ertragswertverfahren und verschiedene Discounted Cashflow-Verfahren nebeneinander. Beide Verfahren sind zulässig. Das Grundgesetz schreibt keine bestimmte Methode vor (Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 7. Aufl., Rn. 267; BVerfG BB 2011, 1518).
Die Ermittlung des Unternehmenswerts durch den Sachverständigen nach dem DCF-Verfahren in Form des Equity-Ansatzes ist danach nicht zu beanstanden. Der Unternehmenswert nach dem DCF-Verfahren in Form des Equity-Ansatzes ermittelt sich als der mit dem Kapitalisierungszinssatz abgezinste Barwert der den Unternehmenseignern künftig zufließenden Überschüsse, die aus den künftigen Cashflows des betriebsnotwendigen Vermögens sowie den finanziellen Ergebnissen aus Veräußerungen des nicht betriebsnotwendigen Vermögens abgeleitet werden. Hiergegen wenden die Antragsteller mit ihrer Beschwerde weiter nichts ein.
b) Eine Abänderung der vom Sachverständigen ermittelten Jahresüberschüsse in Höhe von 6.662 TEUR (2004), 7.404 TEUR (2005) und 4.638 TEUR (2006 ff.) kommt nicht in Betracht. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargestellt, wie er bei der Bewertung des Konzerns vorgegangen ist. Dem Sachverständigen lagen hierzu sämtliche Unterlagen wie insbesondere Plan-Gewinn- und Verlustrechnungen, Planbilanzen, Plankapitalflussrechnungen sowie interne Ergebnisrechnungen und Teilpläne vor.
Der Sachverständige hat - methodisch richtig (Großfeld, a.a.O., Rn. 385 und 428) - zunächst eine Vergangenheitsanalyse vorgenommen und hierbei die Bereinigung der Vergangenheitsergebnisse hinsichtlich besonderer außergewöhnlicher Ereignisse geprüft. Der Sachverständige hat nachvollziehbar begründet, dass er die im Übertragungsbericht dargestellten Vergangenheitsbereinigungen für sachgerecht hält.
Aufbauend auf der Vergangenheitsanalyse hat der Sachverständige sodann die zukünftigen finanziellen Überschüsse prognostiziert. Hier wurde der Detailplanungszeitraum für die Geschäftsjahre 2002 bis 2005 (Phase I) und die Phase der ewigen Rente (Phase II) mit Beginn des Geschäftsjahrs 2006 festgelegt. Auch hiergegen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der Sachverständige hat zunächst die nach Produktgruppen unterteilte Planung der Betriebsleitung analysiert und hierbei eine Auswertung der zum Zeitpunkt der Erstellung des Bewertungsgutachtens vorliegenden Marktanalysen vorgenommen. Der Sachverständige hat - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - anhand detaillierter Marktanalysen nachvollziehbar dargelegt, dass zum damaligen Zeitpunkt eine negative Entwicklung der Baubranche zu erwarten war. Der Sachverständige hat hier auch die einzelnen Geschäftsfelder betrachtet und analysiert.
Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere - letztlich ebenfalls nur vertretbare - Annahmen des Gerichts ersetzt werden (OLG Stuttgart AG 2008, 788 - juris Rn. 65; OLG Stuttgart WM 2010, 173 - juris Rn. 60; Senat Beschluss vom 12.02.2012 - 12 W 57/10¸ Großfeld, a.a.O., Rn. 401). Nach diesen Kriterien sind die vom Sachverständigen und vom Landgericht angenommenen Jahresüberschüsse/Ertragsüberschüsse nicht zu beanstanden. Denn bei der Ermittlung des Unternehmenswerts sind die Ertragsprognosen nur eingeschränkt überprüfbar. Diese Beschränkung der gerichtlichen Prüfungsdichte folgt aus der Natur der Prognose. Planungen und Prognosen sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Zu diesem Ergebnis ist der Sachverständige bei seiner Bewertung der Planungsrechnung gelangt. Die Ausführungen des Sachverständigen sind schlüssig und nachvollziehbar begründet. Die Antragsteller erinnern hiergegen auch nur, dass die Jahresüberschüsse zu gering in Ansatz gebracht worden seien.
Der Sachverständige hat bei der Überprüfung der Planungsphase richtigerweise nicht seine Auffassung anstelle der Prognoseentscheidung des Unternehmens gesetzt, sondern hat zutreffend eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung der Planungen vorgenommen. Die Antragsteller machen geltend, dass die Erträge der E.-Gruppe zu niedrig geplant seien und stützen sich auf die in den Jahren 2007 bis 2010 tatsächlich erzielten Jahresüberschüsse. Hiermit können die Antragsteller nicht gehört werden, weil bei der Unternehmensbewertung eine Betrachtung auf Grundlage der zum Stichtag der Hauptversammlung bestehenden Erkenntnisse maßgeblich ist. Danach darf die Prognose grundsätzlich nicht durch eine Betrachtung im Nachhinein ersetzt werden. Zu berücksichtigen ist nur der Informationsstand, der bei angemessener Sorgfalt zum Bewertungsstichtag hätte erlangt werden können (Großfeld, a.a.O., Rn. 315). Eine Abänderung der vom Sachverständigen für plausibel erachteten Jahresüberschüsse, auch derjenigen für die ewige Rente, kommt somit nicht in Betracht.
3. Einwendungen zur Marktrisikoprämie
Die Antragsteller führen aus, dass die vom Sachverständigen mit 4,5% nach Steuern angenommene Marktrisikoprämie nicht hingenommen werden könne und halten bei einem vom Sachverständigen angenommenen Basiszinssatz von 5,5% eine deutlich niedrigere Risikoprämie im Bereich von 2% vor Steuern für angemessen. Die Bandbreite der Marktrisikoprämie im Rahmen des geometrischen Mittels betrage 1,2 bis 6,7%. Soweit es um die Abdeckung besonderer Unternehmensrisiken gehe, sei festzuhalten, dass solche bereits unmittelbar in der Ertragsplanung abgebildet seien und nicht doppelt erfasst werden könnten. Außerdem sei eine arithmetische Mittelwertbildung im Rahmen einer Unternehmensbewertung nach dem IDW-Standard deshalb fehlerhaft, weil sie nicht dem empirisch feststellbaren Verhalten eines typisierten privaten Kapitalanlegers entspreche und zudem mit den steuerrechtlichen Grundannahmen des Tax-CAPM unvereinbar sei.
Die Einwendungen der Antragsteller greifen nicht durch und rechtfertigen auch nicht die Ergänzung des Sachverständigengutachtens oder die Einholung eines weiteren Gutachtens.
Der Basiszinssatz - hier von 5,5% für alle Phasen - ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen, da bei der Investition in ein Unternehmen im Gegensatz zur Anlage in öffentlichen Anleihen die Risiken der unternehmerischen Tätigkeit zu berücksichtigen sind.
Die Marktrisikoprämie ist im Wege der Schätzung vom Sachverständigen mit 4,5% nach Steuern angesetzt worden (§ 287 Abs. 2 ZPO). Das führt jedenfalls nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung der Antragsteller.
Bei der Bewertung der Marktrisikoprämie bedarf jeder Einzelfall einer gesonderten Beurteilung und können damit aus einem anderen Verfahren keine Rückschlüsse gezogen werden. Für Bewertungen, zu deren Stichtag - wie hier - das steuerrechtliche Halbeinkünfteverfahren galt, ist die Anwendung des Tax-CAPM und der hier anzusetzenden Nachsteuermarktrisikoprämie nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Frage der Anwendung des Tax-CAPM auf die obigen Ausführungen verwiesen. Dabei liegt der Nachsteuerwert über dem entsprechenden Vorsteuerwert. Das IDW empfahl für die Vorsteuermarktrisikoprämie einen Wert zwischen 4,0% und 5,0% und für die Nachsteuermarktrisikoprämien einen Wert zwischen 5,0% und 6,0% (Senat - Beschluss vom 12.04.2012- 12 W 57/10).
Die Ausführungen der Antragsteller zur Höhe der Marktrisikoprämie belegen, dass es einen allein richtigen Weg für die Einschätzung der Marktrisikoprämie nicht gibt, sondern in der Wirtschaftswissenschaft unterschiedliche Methoden vertreten werden. Die mit dem Fehlen eines in den Wirtschaftswissenschaften konsensfähigen Modells verbundenen Schwierigkeiten lassen sich auch nicht dadurch lösen, dass einzelne vom gerichtlichen Sachverständigen als Einschätzungsgrundlage verwendete Studien anderer Wissenschaftler von einem dritten Sachverständigen jeweils einzelnen auf ihre Datenbasis und Konsistenz überprüft werden. Es kann nicht erwartet werden, dass hierdurch eine genauere Basis für die vom Gericht anzustellende Schätzung gewonnen werden kann. Das aktienrechtliche Spruchverfahren dient nicht dazu, die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft zu fördern. Es soll vielmehr in erster Linie die von einem Gerichtssachverständigen zu vermittelnden Ergebnisse der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung heranziehen, um zu einer für die Zwecke des Spruchverfahrens brauchbaren Schätzung des Unternehmenswerts zu kommen. Auch ein weiterer Sachverständiger würde damit nicht in der Lage sein, diejenigen Fragen abschließend und zweifelsfrei zu klären, die seit Jahren Gegenstand einer bislang nicht abgeschlossenen intensiven Auseinandersetzung innerhalb der Wirtschafswissenschaft sind. Solange die wirtschaftwissenschaftliche Diskussion nicht abgeschlossen ist, kann die Marktrisikoprämie nur durch eine stets mit Zweifeln behaftete Schätzung ermittelt, ihr Höhe aber nicht abschließend bestimmt werden (OLG Stuttgart NZG 2011, 1346 - juris-Rn. 383; Senat Beschluss vom 06.02.2012 - 12 W 69/08 und vom 12.04.2012 - 12 W 57/10). An diesen Grundsätzen für die Bewertung der Marktrisikoprämie hält der Senat auch im vorliegenden Spruchverfahren fest.
Soweit die Antragsteller einwenden, statt des arithmetischen sei das geometrische Mittel heranzuziehen, ist auch diese Frage wissenschaftlich nicht geklärt, und es ist auch nicht belegt, dass sich die geometrische Methode gegenüber dem arithmetischen Mittel mittlerweile durchgesetzt hat. Diese Frage kann ebenfalls keiner abschließenden Klärung zugeführt, sondern ist das Ergebnis einer wertenden Prognose. Solange das Problem, welche Durchschnittsbildung vorzugswürdig ist, nicht abschließend gelöst ist, erscheint es dem Senat vertretbar, sich als Ausgangspunkt an der Mitte der Bandbreite von 5% bis 6% als Marktrisikoprämie nach persönlichen Steuern bzw. von 4,0% und 5,0% als Vorsteuermarktrisikoprämie zu orientieren.
Der Sachverständige hat unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Arbeitskreises Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer (AKU) angeführt, dass der AKU eine Marktrisikoprämie ab 31.12.2004 nach persönlichen Steuern in Höhe von 5,0% bis 6,0% zugrunde legt, sofern nicht Besonderheiten im zu beurteilenden Einzelfall entgegenstehen. Die Empfehlung des AKU wird dabei insbesondere auf die Ergebnisse einer Kapitalmarktstudie von Strehle (WPg 2004, 906 ff.) gestützt, die - wie bekannt - explizit Marktrisikoprämien unter Berücksichtigung von persönlichen Steuern ermittelt hat. Daran hält auch der FAUB fest (Wagner/Jonas/Ballwieser/Tschöpel, Unternehmensbewertung in der Praxis - Empfehlungen und Hinweise zur Anwendung von IDW S 1, WPg 20006, 1019).
Der Sachverständige hat im vorliegenden Fall die Marktrisikoprämie unter einer verkürzten Zeitreihe errechnet und sich auch der Frage der Mittelwertbildung (arithmetisch oder geometrisch) gestellt, die auch aus Sicht des Sachverständigen bislang - wie oben bereits ausgeführt - nicht abschließend in der betriebswirtschaftlichen Forschung geklärt ist. Der Sachverständige hat sich auch damit beschäftigt, ob ein Abschlag von 1 bis 1,5 Prozentpunkte - wie von Strehle vorgeschlagen - auf die historisch beobachteten Werte zur Wahrung der Zukunftsbezogenheit der Unternehmensbewertung vorzunehmen ist. Auch ein solcher Abschlag wird in der Literatur kontrovers diskutiert und vom Sachverständigen in der vorgeschlagenen Höhe für nicht sachgerecht erachtet. Der Sachverständige kommt unter Berücksichtigung der von ihm herangezogenen Kapitalmarktuntersuchung des Deutschen Aktieninstituts (DAI), die 37 Kapitalmarktuntersuchungen darstellt, und seiner Auswertung dieser Daten zu einer Marktrisikoprämie nach persönlichen Steuern von 4,5%. Die Schätzung der Marktrisikoprämie durch den Sachverständigen befasst sich somit mit den streitigen Fragen der Bestimmung der Marktrisikoprämie und gelangt unter Berücksichtigung der eigenen Berechnungen des Sachverständigen zu einem im vorliegenden Fall vertretbaren Wert von 4,5%.
Der Sachverständige hält damit für die Bewertung der E. Aktie eine unter dem Mittelwert von 5,5% liegende Marktrisikoprämie nach Steuern von 4,5 % für sachgerecht. Die Annahme einer Risikoprämie von 4,5% nach Steuern liegt danach für die so genannte Nachsteuermarktrisikoprämie - wie hier - unterhalb der vom IDW angegebenen Bandbreite von 5 bis 6%. Eine Abänderung unter Berücksichtigung der Empfehlung des IWD für die Nachsteuerprämie und damit hier in Richtung eines Risikozuschlags von 5,5% im Mittel, hat nicht zu erfolgen. Die Entscheidung wurde nur von den Antragstellern angegriffen, so dass eine Änderung der angefochtenen Entscheidung zum Nachteil der Beschwerdeführer schon unzulässig wäre (reformatio in peius; Kölner Komm. a.a.O., §§ 12 Rn. 44). Der Senat schließt sich der vom Sachverständigen im Einzelnen für den vorliegenden Fall nachvollziehbar begründeten Annahme einer Marktrisikoprämie von 4,5% nach Steuern an (§ 287 Abs. 2 ZPO).
4. Wachstumsabschlag (0,5)
Die Antragsteller halten Wachstumsabschläge von 1,5 bis 2,0% für angemessen. Auch im Beschwerdeverfahren werden die angenommenen Werte nicht weiter begründet. Der vom Sachverständigen angenommene Wachstumsabschlag von 0,5 ist nicht zu beanstanden.
Der Wachstumsabschlag - auch als Inflationsabschlag oder Geldentwertungsabschlag bezeichnet - berücksichtigt bei der Unternehmensbewertung das im langfristigen Durchschnitt erwartete Gewinnwachstum. Wenn damit zu rechnen ist, dass ein Unternehmen nachhaltig in der Lage ist, Effekte der allgemeinen Preissteigerung zumindest teilweise an seine Abnehmer weiterzugeben oder aus anderen Gründen ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen, so ist vom Kapitalisierungszins nach Steuern ein Wachstumsabschlag vorzunehmen. Die Höhe des Wachstumsabschlags bringt zum Ausdruck, welches Wachstum für das betrachtete Unternehmen zu erwarten ist. Dies bedeutet nicht, dass der Wachstumsabschlag notwendig der erwarteten Inflationsrate entsprechen muss. Er richtet sich vielmehr danach, inwieweit das Unternehmen nachhaltig in der Lage ist, die in seinem Fall erwarteten, nicht notwendig mit der Inflationsrate identischen, Preissteigerungen auf der Beschaffungsseite (z. Bsp. Materialkosten, Personalkosten) durch entsprechende Preissteigerungen an seine Kunden weiterzugeben oder durch Effizienzsteigerungen zu kompensieren. Ob danach ein künftiges Wachstumspotential besteht, ist damit eine Frage aller Umstände des Einzelfalls. Einflussfaktoren sind die langfristige Markt- und Branchenentwicklung, die erwartenden Veränderungen der Wettbewerbssituation oder mögliche regulatorische Änderungen. Gesamtwirtschaftlich ist die Inflationserwartung von Bedeutung (Simon/Leverkus, SpruchG, Komm., Anh. § 11 Rn. 136).
Ausgehend hiervon hat der Sachverständige zunächst als Obergrenze für das langfristige Wachstum der finanziellen Überschüsse das in der Literatur hierfür angeführte Bruttoinlandsprodukt ermittelt. Für den Zeitraum von 1992 bis 2001 ergibt sich bei arithmetischer Durchschnittsbildung ein nominales Wachstum von 3,3%, wobei wegen Sonderentwicklungen im Zusammenhang mit der deutschen Einheit von allenfalls 3 % Wachstumsraten ausgegangen werden kann. Weiter ist die konkrete Situation der E. AG zu beachten. Der Sachverständige hat hierbei auch auf die Situation der Baubranche im Allgemeinen und der E. AG im Besonderen abgestellt. Zur Bestimmung des Wachstumsabschlags hat der Sachverständige den Bauwirtschaftlichen Bericht 2000/2001 vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) herangezogen. Diesem lässt sich - so weiter der Sachverständige - entnehmen, dass zum Zeitpunkt der Bewertung weltweit eine ausgeprägte konjunkturelle Schwächephase vorlag, von der auch die Baubranche betroffen war. In der Studie wird für das Jahr 2002 ein Rückgang von 2% der gesamten Bauinvestition in Deutschland prognostiziert. Der Sachverständige hält es deshalb für angemessen, für auf dem deutschen Markt tätige Bauunternehmen ein deutlich unterhalb der Inflationsrate liegendes Preiswachstum anzunehmen. Unter Berücksichtigung insbesondere auch der Verhältnisse bei der E. AG ist der vom Sachverständigen angenommen Wachstumsabschlag von 0,5 somit nicht zu beanstanden (§ 287 Abs. 2 ZPO).
5. Keine Abänderung des Abfindungsbetrags von 88,00 EUR pro Stückaktie
Weitere Einwendungen bringen die Antragsteller nicht vor. Der Senat folgt nach Überprüfung den im Übrigen nachvollziehbar und zutreffend begründeten Ausführungen des Landgerichts. Nach der Berechnung des Sachverständigen ergibt sich für die E. Aktie ein Abfindungsbetrag von 84,04 EUR, so dass es bei der in der Hauptversammlung festgesetzten Barabfindung von 88,00 EUR pro Stückaktie verbleibt.
Die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 13 ist danach in der Sache unbegründet.
III.
Kostenentscheidung des Landgerichts
Die Beschwerden der Antragsteller 1 bis 13 haben Erfolg, soweit sie sich dagegen richten, dass den Antragstellern anteilig 80 % der Gerichtskosten in erster Instanz auferlegt worden. Insoweit ist die Entscheidung des Landgerichts - wie aus I. des obigen Tenors ersichtlich - abzuändern gewesen (1). Im Übrigen hat es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung zu verbleiben (2).
1. Die Entscheidung des Landgerichts war bezüglich der Entscheidung über die Gerichtskosten abzuändern.
Nach § 15 Absatz 2 Satz 1 SpruchG hat in aller Regel (vgl. BT-Drs. 15/371, S. 17) die Antragsgegnerin die Gerichtskosten zu tragen. Die Kosten können ganz oder zum Teil den Antragstellern auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies setzt jedoch mehr als die bloße Erfolgslosigkeit ihrer Anträge voraus. Das Gesetz stellt nicht auf ein Obsiegen, sondern auf Billigkeit ab, weil den Antragstellern ansonsten in den meisten Fällen das Spruchverfahren wegen des Kostenrisikos verbaut wäre (Regierungsentwurf BT-Drucks. 15/371 S. 17). Eine Belastung von Antragstellern mit Gerichtskosten kommt erst in Betracht, wenn ihre Anträge oder das Rechtsmittel - bei einer Beurteilung ex ante - offensichtlich unzulässig, insbesondere eindeutig verspätet, offensichtlich unbegründet oder rechtsmissbräuchlich sind oder die Antragsteller ihrer Verfahrensförderungspflicht nicht genügt haben (Simon, a.a.O., § 15 Rn. 63). Eine solche Kostenverteilung entspricht auch dem Zweck der ausdifferenzierten Kostenregelung in § 15 Spruchgesetz. Sie ist ein Ausgleich dafür, dass die Antragsberechtigten die Erfolgsaussichten des Verfahrens nicht notwendig im Voraus abschätzen können. Die Antragsteller sind hinsichtlich der Information auf den in § 7 Abs. 3 S. 1 SpruchG genannten Bericht und den Prüfungsbericht des sachverständigen Prüfers beschränkt, während der Antragsgegner regelmäßig weitergehende Informationen über die zur Bewertung der Angemessenheit der Kompensation heranzuziehenden Umstände besitzt. Dieses informationelle Ungleichgewicht rechtfertigt es, die Antragsberechtigten nur mit einem beschränkten, berechenbaren Kostenrisiko zu belasten (BGH ZIP 2012, 266 - juris-Rn. 18).
Es kann ausnahmsweise der Billigkeit entsprechen, den Antragstellern die Gerichtskosten aufzuerlegen, wenn diese sich rechtsmissbräuchlich verhalten oder etwa ein offensichtlich unbegründeter Antrag gestellt wird. Das Landgericht ist von Letzterem ausgegangen und hat die Auffassung vertreten, dass das fast doppelt so hohe Angebot der Antragsgegnerin von 175,00 EUR statt 88,00 EUR klar auf die Vermeidung eines weiteren Sachverständigengutachtens ausgerichtet gewesen sei. Die Höhe des Angebots der Antragsgegnerin habe den erfahrenen Antragsteller auch gezeigt, dass ein darüber hinausgehender Barabfindungsbetrag nicht zu erreichen sein würde. Damit sei auch klar gewesen, dass nur die Vermeidung der Sachverständigenkosten die Motivation für eine derartige Aufstockung des Abfindungsbetrages gewesen sei. Damit sei die vorliegende Situation mit der eines offensichtlich unbegründeten Antrags vergleichbar.
Die Erwägungen des Landgerichts tragen eine solche von den sonst angewandten Grundsätzen abweichende Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsteller nicht. Es fehlt schon deshalb an einer offensichtlich von vorneherein gegebenen Erfolgslosigkeit der Anträge, weil das Landgericht auf Grund des Vorbringens der Antragsteller nicht ohne weiteres Sachverständigengutachten in der Sache entscheiden konnte. Die Anträge auf Festsetzung einer höheren Barabfindung waren erst nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen unbegründet. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung der Angemessenheit der Abfindung spricht gegen die offensichtliche Unbegründetheit der Anträge, zumal hier eine Beurteilung ex ante zu erfolgen hat und die Begründung zur Auferlegung der Kosten nicht mit dem späteren wirtschaftlich erfolglosen Ergebnis eines Sachverständigengutachtens begründet werden kann.
Das Beharren auf der Durchführung des Spruchverfahrens trotz Vergleichsangebot ist auch nicht rechtsmissbräuchlich, sondern das gute Recht der Antragsteller, auch wenn sich - wie hier - die Einschätzung nachträglich als wirtschaftlich wenig sinnvoll darstellt (OLG Düsseldorf AG 2011, 459 - juris-Rn. 34; OLG Stuttgart AG 2010, 758 - juris-Rn. 59). Ein Antragsteller kann die Angemessenheit einer angebotenen Barabfindung im Spruchverfahren auch dann überprüfen lassen, wenn das ursprüngliche Angebot durch einen Vergleich zugunsten aller außenstehenden Aktionäre und damit im Wege eines Vertrags zugunsten Dritter erhöht worden ist. Andernfalls könnte der Antragsgegner durch eine Erhöhung des Angebots unterhalb des angemessenen Betrags verhindern, dass die Anteilsinhaber angemessen im Sinne des Gesetzes entschädigt werden (BGH NJW 2010, 2657 juris - Rn 8; OLG Düsseldorf AG 2011, 459 - juris - Rn 34). Die Antragsteller waren demnach gerade auch aus diesem Gesichtspunkt nicht verpflichtet, sich dem Vergleichsangebot anzuschließen. Dies würde selbst dann gelten, wenn zweifelhaft wäre, ob die Antragsteller eine möglicherweise höhere Barabfindung auf Grund einer Insolvenz einer Antragsgegnerin jemals realisieren werden könnten. Nichts anderes kann deshalb im vorliegenden Fall gelten, bei dem es nur um die Frage geht, ob trotz eines sehr hohen Vergleichsangebots die Barabfindung noch erhöht werden kann und es sich zudem um eine solvente Antragsgegnerin handelt.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Antragsteller zu 8 den Vergleichsabschluss davon abhängig gemacht hat, dass es auch zu einer Einigung in einem Parallelverfahren kommen sollte, was nicht zu realisieren gewesen ist. Eine solche Erwägung eines Antragstellers mag sachfremd und auch wirtschaftlich - wie das Ergebnis des Sachverständigengutachtens mit Deutlichkeit zeigt - wenig sinnvoll sein. Ein solches Vorgehen vermag aber noch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten zu begründen.
Hinzukommt, dass die Aktien der Antragsgegnerin nicht an der Börse gehandelt worden sind und damit auch nicht auf eine vergleichende Betrachtung mit realistischen Börsenwerten zur Überprüfung des Vergleichsangebots abgestellt werden konnte. Nach alledem liegt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragsteller vor, das eine teilweise Kostenbeteiligung zu rechtfertigen vermag. Im vorliegenden Fall hat es deshalb bei der Kostenpflicht der Antragsgegnerin für die Gerichtskosten zu verbleiben. Eine Auferlegung eines Teils der Gerichtskosten auf die Antragsteller entspricht nicht der Billigkeit.
2. Die Kostenentscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für die erste Instanz war hingegen nicht zu deren Gunsten abzuändern. Auf das vorliegende Verfahren, das mit Antrag vom 25.08.2004 - eingegangen beim Landgericht am 30.08.2004 - eingeleitet worden ist, gilt gemäß § 17 Absatz 2 das Spruchverfahrensgesetz und damit für die Kostenentscheidung § 15 Absatz 4 SpruchG. Danach sollen die Antragsteller ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst tragen. Die Erstattung durch die Antragsgegnerin ist die Ausnahme. Eine Kostenerstattung durch die Antragsgegnerin ist dann anzuordnen, wenn dies unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit spricht. Während nach altem Recht (§ 13a FGG) die Kosten des Verfahrens regelmäßig die Vertragsteile des Unternehmensvertrags trafen, orientiert sich (nunmehr) die Billigkeitsentscheidung in erster Linie nach dem Ausgang des Verfahrens (BGH ZPI 2012, 266 - juris - Rn. 15; Simon, SpruchG, § 15 Rn. 91; Kölner Komm. a.a.O., § 15 Rn. 48). Hier wurde in erster Instanz keine Erhöhung der Leistung der Antragsgegnerin im Spruchverfahren erreicht, so dass die Antragsteller ihre Kosten selbst zu tragen haben.
IV.
Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens
1. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt für die Gerichtskosten aus § 15 Abs. 2 S. 2 SpruchG. Danach hat die Antragsgegnerin die Gerichtskosten zu tragen sowie die Kosten des gemeinsamen Vertreters der außenstehenden Aktionäre. Gründe für eine Billigkeitsentscheidung gemäß § 15 Abs. 2 SpruchG liegen nicht vor.
2. Bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeinstanz gilt § 15 Absatz 4 SpruchG. Danach werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet. Die Kosten der Antragsteller sollen nur erstattet werden, wenn die Erstattung unter Berücksichtigung des Ausgangs des Verfahrens der Billigkeit entspricht (Kölner Komm. /Rosskopf, SpruchG, 1. Aufl.; § 15 Rn. 48). Im Hinblick auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist eine abweichende Entscheidung zu Gunsten der Antragsteller nicht veranlasst. Die Entscheidung des Landgerichts ist in der Sache nicht abgeändert worden. Die Abänderung der Kostenentscheidung erster Instanz, die auch von Amts wegen zu überprüfen gewesen ist, rechtfertigt keine Übernahme der außergerichtlichen Kosten durch die Antragsgegnerin (Senat, Beschluss vom 15.11.2012 - 12 W 66/06).
OLG Karlsruhe:
Beschluss v. 30.04.2013
Az: 12 W 5/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/40ae1b29ab63/OLG-Karlsruhe_Beschluss_vom_30-April-2013_Az_12-W-5-12