Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Juli 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 139/07
(BPatG: Beschluss v. 28.07.2009, Az.: 33 W (pat) 139/07)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 22 des Deutschen Patentund Markenamts vom 16. April 2007 und vom 15. Oktober 2007 aufgehoben, soweit die teilweise Zurückweisung der Anmeldung in Bezug auf die Waren "Vordächer, Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material" der Klasse 22 die beschwerdegegenständlichen Waren "Vordächer sowie Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material für Wohnmobile und Wohnwagen" erfasst.
Gründe
I.
Die Bezeichnung VILLA ist am 7. Juni 2006 für verschiedene Waren der Klassen 19, 20, 22 und 25 zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden, u. a. für folgende Waren:
Klasse 19: Transportable Bauten, nicht aus Metall, Gestänge und Tragkonstruktionen für transportable Bauten, insbesondere für Zelte, Vorzelte und Vordächer sowie für transportable Sichtschutzund Windschutzwände, nicht aus Metall, soweit in Klasse 19 enthaltenen; Markisenkonstruktionen, nicht aus Metall;
Klasse 25: Vordächer; Seitenwände und Frontwände für Markisen; Markisen aus Kunststoff; Markisen aus textilen Material.
Die Markenstelle für Klasse 22 des Deutschen Patentund Markenamts hat in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Markenanmeldung teilweise, nämlich in Bezug auf alle vorstehend konkret bezeichneten Waren wegen fehlender Schutzfähigkeit zurückgewiesen.
Die angemeldete Bezeichnung stelle einen Sachbegriff dar, der im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung ungeeignet sei. Das Wort "Villa" stamme aus dem Lateinischen und sei heute als Begriff der deutschen Umgangssprache gebräuchlich für ein Landhaus oder ein vornehmes Einoder Mehrfamilienhaus. Der Verkehr werde deshalb die angemeldete Marke dahingehend verstehen, dass die hier zu beurteilenden Waren zum Bau beziehungsweise der Einrichtung einer Villa (Haus im Villenstil) geeignet und bestimmt seien. Eine relevante Mehrdeutigkeit sei nicht gegeben, da diese durch die konkrete Zuordnung zu den zurückgewiesenen Waren aufgehoben sei. Der Begriff "Villa" werde vom Verkehr im Zusammenhang mit den zurückgewiesenen Waren nämlich ausschließlich im Sinne von "im Villenstil ausgestattetes Haus" verstanden. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob auch ein Schutzhindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegeben sei.
Die Beschwerde der Anmelderin hat sich zunächst gegen die Teilzurückweisung der Anmeldung insgesamt gerichtet. Nach einem mit der Terminsladung durch den Senat gegebenen Hinweis zur möglichen Erfolgsaussicht der Beschwerde, hat die Anmelderin das Warenverzeichnis der angemeldeten Marke eingeschränkt. Neben den von der Markenstelle nicht zurückgewiesenen Waren der Klassen 20 und 25 und dem nicht zurückgewiesenen Teil der Waren der Klasse 22 verfolgt sie ihr Eintragungsbegehren unter Verzicht auf die Waren der Klasse 19 und die Waren "Seitenwände und Frontwände für Markisen" aus Klasse 22 nur noch in Bezug zurückgewiesenen Waren der Klasse 22 "Vordächer und Markisen" weiter, wobei sie diese Warenbegriffe zudem wie folgt eingeschränkt hat:
Vordächer sowie Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material für Wohnmobile und Wohnwagen.
Die Anmelderin beantragt unter Rücknahme der ursprünglich mit Schriftsatz vom 26. November 2007 gestellten Anträge sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben, soweit darin die Zurückweisung der Anmeldung in Bezug auf die Waren "Vordächer, Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material" der Klasse 22 die beschwerdegegenständlichen Waren "Vordächer sowie Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material für Wohnmobile und Wohnwagen" erfasst.
Durch die Neufassung des Warenverzeichnisses mit der Einschränkung in Bezug auf die Waren "Vordächer und Markisen" auf den Bereich "für Wohnmobile und Wohnwagen" seien die Bedenken gegen die Schutzfähigkeit ausgeräumt, so dass Schutzhindernisse nicht mehr gegeben seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses in der Sache Erfolg.
Nachdem die Anmelderin im Laufe des Beschwerdeverfahrens unter Verzicht auf die ursprünglich streitgegenständlichen Waren der Klasse 19 und eines Teils der ursprünglich streitgegenständlichen Waren der Klasse 22 das Warenverzeichnis auch in Bezug auf die verbliebenen streitgegenständlichen Waren der Klasse 22 in statthafter Weise gemäß § 39 Abs. 1 MarkenG eingeschränkt hat auf "Vordächer sowie Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material für Wohnmobile und Wohnwagen", war nur noch insoweit über die Frage der Schutzfähigkeit zu entscheiden.
Insoweit steht nach der Erkenntnis des Senats weder ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG noch das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der Eintragung der angemeldeten Marke entgegen.
Bei der Beurteilung von Schutzhindernissen ist maßgeblich auf die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise abzustellen, wobei dies alle Kreise sind, in denen die fragliche Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. Dabei kommt es auf die Sicht des normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers im Bereich der einschlägigen Waren und Dienstleistungen an (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdn. 23 ff.). Von den beschwerdegegenständlichen Waren werden insbesondere "Camper" bzw. die Verkehrskreise angesprochen, die sich für Camping und Campingurlaub interessieren.
1. Die angemeldete Bezeichnung "VILLA" ist nach der Erkenntnis des Senats nicht geeignet, Merkmale der aktuell beanspruchten streitgegenständlichen Waren "Vordächer sowie Markisen aus Kunststoff und Markisen aus textilem Material für Wohnmobile und Wohnwagen" i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu bezeichnen.
Der Begriff "Villa" bezeichnete ursprünglich ein vornehmes Haus auf dem Lande. Eine Villa gilt als Ausdruck repräsentativer Wohnkultur und verfeinerter Lebensart. In jüngerer Zeit wird der Begriff auch für freistehende Mehrfamilienhäuser mit gehobener Ausstattung verwendet. Darüber hinaus wird der Begriff aber auch beschreibend in Form einer werbemäßigen Übertreibung für Gartenhäuser, Holzhäuser und Blockhütten verwendet, wobei diese Bauten schon aufgrund ihrer relativ geringen Größe auch mobil sein können. Angesichts dieser tatsächlichen Verwendung im Verkehr muss beim Wort "Villa" auf ein entsprechendes beschreibendes Verkehrsverständnis im Zusammenhang mit "transportablen Bauten" und entsprechenden Zubehörteilen für transportable Bauten geschlossen werden.
Nachdem das Eintragungsbegehren der Anmelderin aber nicht mehr auf transportable Bauten gerichtet ist und auch der Verwendungszweck für die streitgegenständlichen "Vordächer und Markisen" auf "Wohnmobile und Wohnwägen" eingeschränkt worden ist und sich deshalb nicht mehr auf "Villen" (im weitesten Sinne) beziehen kann, kann ein entsprechender beschreibender Zusammenhang nicht mehr hergestellt werden. Auch unter Berücksichtigung der erweiterten Verwendung des Begriffes "Villa" für Gartenhäuser, Holzhäuser und Blockhütten im Sinne einer werbemäßigen Übertreibung erscheint es fernliegend, dass auch "Wohnmobile" oder "Wohnwägen" als "Villa" bezeichnet werden oder in Zukunft bezeichnet werden könnten. Ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür haben sich bei der Recherche nicht ergeben. Demzufolge erscheint der Begriff "Villa" in einem entsprechenden Zusammenhang als Bestimmungsangabe i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für "Vordächer und Markisen" nicht geeignet. Folglich kann auch ein Freihaltungsbedürfnis nicht bejaht werden.
2. Der angemeldeten Bezeichnung kann auch die Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht abgesprochen werden. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen aufgefasst zu werden. Diese fehlt einer Marke insbesondere dann, wenn ihr für die fraglichen Waren und Dienstleistungen ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann. Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen zum Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht bei der angemeldeten Bezeichnung eine solche hinreichend konkrete beschreibende Bedeutung gerade nicht im Vordergrund.
Bender Kätker Knoll Cl
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Beschluss v. 28.07.2009
Az: 33 W (pat) 139/07
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