Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Oktober 2007
Aktenzeichen: 30 W (pat) 40/05
(BPatG: Beschluss v. 16.10.2007, Az.: 30 W (pat) 40/05)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 8. Dezember 2004 insoweit aufgehoben, als der Löschungsantragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Löschungsantragstellerin zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Wortmarke SIMVA ist seit dem 7. Februar 2003 unter der Nummer 302 44 791 nach Teillöschung für die Waren
"Pharmazeutische Erzeugnisse, ausgenommen Urologika"
in das Markenregister eingetragen.
Die Antragstellerin hat die vollständige Löschung der angegriffenen Marke beantragt, da sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei. Sie lehne sich an den INN (International Nonproprietary Name) "Simvastatin" an.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat dem Löschungsantrag widersprochen.
Die Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Löschungsantrag als unbegründet zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten auferlegt. Es bestehe kein Freihaltebedürfnis, da "SIMVA" nicht den Wirkstoff in den Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse, ausgenommen Urologika" bezeichne. "SIMVA" werde von den Fachkreisen nicht mit "Simvastatin", einem Statin mit lipidsenkender Wirkung gleichgesetzt. Eine Praxis dahingehend, Wirkstoffbezeichnungen und INN abzukürzen, lasse sich generell und auch für "Simvastatin" nicht feststellen. "Simvastatin" sei bereits die vorgeschriebene Abkürzung für die entsprechende chemische Wirkstoffbezeichnung. Für ein Freihaltebedürfnis spreche auch nicht, dass "SIMVA" zusammen mit der Herstellerangabe Produktname zahlreicher in der Gelben Liste verzeichneter Arzneimittel sei. Der Marke "SIMVA" fehle es auch nicht an der erforderlichen Unterscheidungskraft. Der Fachverkehr werde in der Bezeichnung eine hinreichende Abwandlung zu dem INN sehen, da die eigentliche Kennsilbe des INN das Suffix "vastatin" sei und nicht "Simva". "SIMVA" sei auch keine nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 übliche Bezeichnung geworden. Die Kosten seien der Antragstellerin aufzuerlegen, da der Löschungsantrag ohne weiteres erkennbar rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Löschungsantragstellerin. Sie führt hierzu im Wesentlichen aus, aus den von ihr vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass "SIMVA" von einer Vielzahl von pharmazeutischen Produzenten und Verbrauchern insbesondere auch der Ärzteschaft als gängige Abkürzung des INN "Simvastatin" verwendet und mit diesem gleichgesetzt werde. Die Abkürzung sei auch nahe liegend, da es sich bei dem Wort "Statine" um die Bezeichnung der Wirkstoffe handle. Neben "Simvastatin" gebe es noch die cholesterinsenkenden Stoffe "Pravastatin" und "Lovastatin". Es komme für den Nachweis der beschreibenden Bedeutung einer Abkürzung nicht auf lexikalische Belege, sondern auf die tatsächliche Benutzung und das tatsächliche Verkehrsverständnis an. So gebe es eine Vielzahl von Produkten mit dem Bestandteil "Simva". Eine Aufteilung des INN in die Bestandteile "Sim" und "vastatin" sei unüblich, da als Oberbegriff für die Gruppe der Lipidsenker allein "Statin" benutzt werde. Die Rechtsprechung zu Abwandlungen von INN sei nicht einschlägig, da es sich vorliegend um eine bloße Abkürzung handle. Denn bei Anlehnungen an INN werde eine Verfremdung durch die Veränderung einzelner Silben vorgenommen, dagegen sei "SIMVA" lediglich durch Ausgliederung der zugehörigen chemischen Wirkstoffgruppe "Statin" gebildet worden. "SIMVA" habe sich bereits vor dem Eintragungszeitpunkt zu einer verkehrsüblichen Bezeichnung für die angemeldeten Waren entwickelt, wobei es nicht auf eine medizinisch korrekte Abkürzung ankomme, sondern lediglich auf Verkehrsüblichkeit. Es sei nicht vorrangig auf Fachkreise abzustellen. Gerade Gruppenbezeichnungen wie "Statin" würden oft weggelassen. "Simva" fehle es an der schutzbegründenden Eigenart etwa durch Änderung der Sprechsilbeneinteilung gegenüber dem INN. Da die Abkürzung "Simva" ausschließlich für "Simvastatin" stehe, sei "Simva" zur Beschreibung geeignet. Für die Kostenentscheidung des Beschlusses gebe es keine Rechtfertigung. Die Löschungsantragstellerin regt im Übrigen die Klärung der sinngemäß vorgetragenen Rechtsfrage an, ob es nicht veranlasst sei, die nach Ansicht der Antragstellerin eher großzügige Beurteilungsweise der Schutzfähigkeit bei Abwandlungen von INN der demgegenüber eher strengeren Beurteilungsweise bei Abkürzungen beschreibender Angaben anzugleichen.
Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 8. Dezember 2004 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen; darüber hinaus regt sie an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie führt im Wesentlichen aus, es gebe keinen Beleg dafür, dass der Fachverkehr - insbesondere die Ärzteschaft - die Bezeichnung "Simva" als Abkürzung für den INN "Simvastatin" verwende, der Fachverkehr neige gerade nicht zu Verkürzungen. Da es sich bei dem Begriff "Vastatin" bzw. "Statin" um eine Wirkstoffgruppe handele, könne dieser Begriff nicht vernachlässigt werden. Es gebe auch keinen Beleg dafür, dass der Bestandteil "Statin" der Stammbestandteil des INN "Simvastatin" sei. Die Antragsgegnerin weist im Übrigen darauf hin, dass es gerade bei Generikaherstellern üblich sei, einen kompletten INN oder eine Abwandlung mit dem Firmennamen als Handelsnamen zu verwenden. Die Tatsache, dass "SIMVA" in keinem Nachschlagewerk als Abkürzung für "Simvastatin" aufgeführt sei, sei ein starker Beleg dafür, dass es sich nicht um eine Abkürzung handle.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenabteilung sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Löschungsantragstellerin hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses im Kostenpunkt führt. Im Übrigen ist sie nicht begründet.
Der Löschungsantrag, dem die Antragsgegnerin gemäß § 54 Abs. 2 Satz 3 MarkenG rechtzeitig widersprochen hat, ist zu Recht zurückgewiesen worden, da die angegriffene Marke nicht entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist und Schutzhindernisse nach dieser Vorschrift auch im Zeitpunkt der Entscheidung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) nicht vorliegen.
1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren und Dienstleistungen dienen können. Vorliegend handelt es sich aber weder um eine Abwandlung noch um eine Abkürzung, an der ein Freihaltebedürfnis besteht.
a) Für Abwandlungen beschreibender Angaben wird ein Schutzausschließungsgrund nur dann angenommen, wenn es sich um "ohne weiteres erkennbare Abwandlungen" freihaltungsbedürftiger Angaben handelt, weil der Verkehr in ihnen ohne weiteres Nachdenken die nur unwesentlich veränderte und deshalb "durchscheinende" Fachbezeichnung wahrnehmen kann. Bei Annäherungen an internationale chemische Kurzbezeichnungen - INN - besteht ein Freihaltebedürfnis nur an unerheblich verfremdeten und damit weitgehend unbemerkt bleibenden Anlehnungen an glatt beschreibende und deshalb stark freihaltungsbedürftige Angaben (vgl. BGH GRUR 1984, 815, 817 - Indorektal I; GRUR 2002, 540, 541 - OMEPRAZOK; GRUR 2005, 258, 260 - Roximycin; Ströbele/Hacker, MarkenG 8. Aufl. § 8 Rdn. 272 m. w. N.).
Davon, dass die angegriffene Bezeichnung eine nur unerheblich verfremdete Anlehnung in diesem Sinne darstellt, kann nicht ausgegangen werden.
Die angegriffene Bezeichnung "SIMVA" ist zwar dem INN (International Nonproprietary Name) "Simvastatin" (ein als Lipidsenker verwendeter Wirkstoff) angenähert und der fachkundige Verkehr wird diese Annäherung auch erkennen. Im pharmazeutischen Bereich sind jedoch in großem Umfang Markenbildungen üblich, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung oder Indikation des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen, was häufig noch nicht einmal für eine Kennzeichnungsschwäche der Marken spricht (vgl. BPatG 25 W (pat) 005/00 - Eprosart in PAVIS PROMA - CD-ROM). Es handelt sich jedoch nicht um eine solche Abwandlung eines warenbeschreibenden Fachausdruck, in der der Verkehr bei Kenntnis des Fachwortes ohne weiteres Nachdenken den Fachbegriff als solchen erkennt und ihn quasi mit diesem gleichsetzt (vgl. BGH GRUR 1994, 803 - TRILOPIROX; GRUR 1994, 805 - Alphaferon; GRUR 1995, 48 - Metoproloc; a. a. O. - Roximycin). Von einer in diesem Sinne engen Anlehnung kann bei der angemeldeten Bezeichnung noch nicht ausgegangen werden.
Die Abweichungen der Bezeichnung "SIMVA" von der Wirkstoffbezeichnung "Simvastatin" sind nämlich nicht so geringfügig, dass sie vom Verkehr unbemerkt bleiben oder für Druck- bzw. Hörfehler gehalten werden. "SIMVA" ist zwar vollständig in der Wirkstoffbezeichnung "Simvastatin" enthalten; die zu vergleichenden Bezeichnungen unterscheiden sich jedoch in Wortlänge, Silbenanzahl und im Sprech- und Betonungsrhythmus ganz erheblich. Die Phantasiebezeichnung "SIMVA" endet zudem auf einen dunkel klingenden Vokal, der INN "Simvastatin" dagegen nach einem hellklingenden Vokal auf einen Konsonanten. Auch in schriftbildlicher Hinsicht wirken sich die unterschiedliche Wortlänge und das abweichende Wortende so aus, dass die angegriffene Marke ausreichend verfremdet ist und damit einen ausreichenden Abstand zur beschreibenden Wirkstoffangabe einhält. Die Abwandlungen der INN-Angaben in den oben genannten BGH-Entscheidungen sind deutlich schwächer ausgeprägt als in der vorliegenden Konstellation.
Es sind auch ansonsten keine Gründe erkennbar, weshalb der Verkehr "SIMVA" der beschreibenden Wirkstoffangabe "Simvastatin" gleichsetzen sollte.
b) Zwar kann sich ein schutzhinderndes Freihalteinteresse auch auf Abkürzungen von Art- oder Beschaffenheitsangaben erstrecken. Schutzunfähig sind jedoch nur Abkürzungen, die im Verkehr als solche gebräuchlich oder aus sich heraus verständlich sind sowie von den beteiligten Verkehrskreisen ohne weiteres der betreffenden Beschaffenheitsangabe gleichgesetzt und insoweit verstanden werden können. Das angesprochene Publikum ist wenig geneigt, eine analysierende und möglichen beschreibenden Inhalten nachforschende Betrachtungsweise gegenüber Kennzeichen von Waren und Dienstleistungen vorzunehmen, so dass in der Regel nur eindeutige und unmissverständliche Angaben zur Beschreibung geeignet sind und insoweit benötigt werden (vgl. EuG GRUR Int 2004, 328, 330 (Nr. 31-40) - TDI; BGH GRUR 1999, 330, 331- CT; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 211). Deshalb kommt Abkürzungen als bloßen sprachlichen Hilfsmitteln nicht ohne weiteres dieselbe Bedeutung zu wie der korrekten vollständigen Wiedergabe des Fachausdrucks.
Zwar werden Wirkstoffbezeichnungen von verschiedenen Herstellern im Rahmen ihrer Kennzeichnungen in Kombination mit sonstigen warenbeschreibenden Angaben oder Firmenbezeichnungen bzw. -schlagwörtern verwendet, zum Teil abgekürzt - entweder durch Buchstabenkürzel oder durch Angabe der beiden Anfangssilben von chemischen Kurzbezeichnungen; dies lässt jedoch noch nicht den Schluss auf eine allgemein übliche Verwendung dieses Einzelbestandteils eines INN als Abkürzung in Alleinstellung zu.
Nach Auffassung des Senats liegen keine für eine Löschung der angegriffenen Marke ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Bezeichnung "SIMVA" in Alleinstellung als eine in Fachkreisen übliche Abkürzung für "Simvastatin" oder eine internationale chemische Kurzbezeichnung bereits zum Zeitpunkt der Eintragung gebräuchlich war oder heute noch in Gebrauch ist.
Vom Senat durchgeführte Recherchen in einschlägigen Fachlexika und Abkürzungsverzeichnissen haben keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass "SIMVA" überhaupt als Abkürzung, oder gar als übliche und fachlich anerkannte Kurzbezeichnung für "Simvastatin" verwendet wird. Auch die Antragstellerin konnte keine lexikalische Verwendung der Bezeichnung belegen. Eine Internetrecherche mit den Begriffen "SIMVA" und "Simvastatin" mit Google hat ebenfalls keine Belege dafür ergeben, dass eine Verwendung von "SIMVA" in Alleinstellung als Abkürzung der genannten Wirkstoffbezeichnung üblich ist.
Für die Annahme eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bedarf es zwar keiner lexikalischen oder sonstigen Feststellung, dass und in welchem Umfang diese Bezeichnung bereits im Verkehr bekannt ist oder verwendet wird. Es genügt, dass der betreffende Ausdruck aufgrund eines im Eintragungszeitpunkt feststehenden Sinngehalts gegenwärtig geeignet ist, als beschreibende Angabe verwendet zu werden (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413 - BIOMILD; GRUR Int. 2004, 500, 507 - KPN-Postkantoor; BGH GRUR 1997, 634, 635 - Turbo II; Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 199 m. w. N.). Wenn indessen dafür jegliche entsprechende Belege fehlen - gerade, wenn es sich wie hier nicht um eine aus geläufigen Elementen zusammengesetzte neue Wortverbindung, sondern um einen unveränderten Teil einer bekannten Fachbezeichnung (hier der INN "Simvastatin") handelt - spricht dies in gewissem Umfang gegen das Bedürfnis des Fachverkehrs an einer freien Verwendung des Zeichens. Auch legt der Umstand, dass es sich bei den INN selbst bereits um "Kurzbezeichnungen definierter chemischer Substanzen" handelt, nicht von vornherein die Vermutung nahe, dass ein Interesse und eine Neigung des Verkehrs besteht, von einer solchen Kurzbezeichnung nochmals eine Kurzform zu bilden und diese als Fachbezeichnung zu verwenden (vgl. BPatG 25 W (pat) 92/00 - Omep in PAVIS PROMA - CD-ROM). Somit haben sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Fachkreise die Wirkstoffbezeichnung "Statin" von "SIMVA" abspaltet, wie aber die Antragstellerin meint.
Dafür dass der Fachverkehr in der Bezeichnung "SIMVA" einen eindeutigen, beschreibenden Sinngehalt im Sinne einer Gleichsetzung mit dem INN "Simvastatin" sieht, können auch die Unterlagen, welche die Antragstellerin zur Stützung ihrer Auffassung vorgelegt hat, nicht belegen. So sind insbesondere die vorgelegten ärztlichen Bestätigungsschreiben nicht geeignet, eine allgemein übliche Verwendung als Abkürzung zu belegen. Zum einen ist die Ärzteschaft lediglich ein kleiner Teil des neben dem fachkundigen Laienverkehr zu berücksichtigenden Fachverkehrs, zum anderen ist die sehr geringe Anzahl der an dieser privaten Umfrage Beteiligten - unabhängig von der inhaltlichen Bewertung der gestützten Fragestellung und wortgleichen vorgegebenen Antworten - auch für den Bereich der Ärzteschaft nicht repräsentativ.
Die angegriffene Marke "SIMVA" ist damit keine freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da diese Bezeichnung weder der internationalen Wirkstoffbezeichnung (INN) "Simvastatin" so nahe kommt, dass der insoweit maßgebliche Fachverkehr in "SIMVA" ohne weiteres die Wirkstoffbezeichnung selbst - und nicht nur eine inhaltliche Bezugnahme auf diese - erkennt, noch die Bezeichnung "SIMVA" als solche eine internationale chemische Kurzbezeichnung oder eine in Fachkreisen übliche Abkürzung für "Simvastatin" darstellt. Die Marke hebt sich von dem freizuhaltenden Begriff "Simvastatin" ausreichend deutlich ab. Behinderungen der Mitbewerber bei der Benutzung des freihaltungsbedürftigen Fachbegriffs "Simvastatin" sind nicht zu befürchten, weil der Schutzumfang von Zeichen, die an freihaltungsbedürftige Angaben angelehnt sind, eng zu bemessen ist (vgl. BGH a. a. O. - OMEPRAZOK; - Roximycin).
2. Unter diesen Umständen kommt eine Löschung des angegriffenen Zeichens auch nicht wegen fehlender Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Betracht.
Unterscheidungskraft ist nach ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. BGH MarkenR 2004, 39 - City Service; GRUR 2004, 683, 684 - Farbige Arzneimittelkapsel). Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, sondern sie muss vielmehr gründlich und vollständig ausfallen (vgl. EuGH WRP 2003, 735 - Libertel-Orange; a. a O. - Postkantoor). Nicht unterscheidungskräftig sind danach Bezeichnungen, bei denen es sich um warenbeschreibende Angaben oder gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungskennzeichen verstanden werden (vgl. BGH a. a. O. - City Service).
Die Abwandlung eines warenbeschreibenden Fachausdrucks - hier INN - ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann nicht hinreichend unterscheidungskräftig, wenn ihr jede individualisierende Eigenart fehlt. Davon ist auszugehen, wenn der Verkehr in der Abwandlung ohne weiteres den ihm bekannten Fachbegriff als solchen erkennt und zu erwarten ist, dass auch die Teile des Verkehrs, denen der Fachbegriff nicht bekannt ist, in der Abwandlung die Sachbezeichnung selbst - und nicht nur eine inhaltliche Bezugnahme auf den Fachbegriff - ohne weiteres erkennen werden, wenn sie das Fachwort kennengelernt haben (vgl. (vgl. BGH a. a. O. - OMEPRAZOK; - Roximycin).
Der angegriffenen Bezeichnung "SIMVA" kann - wie zur Frage eines Freihaltebedürfnisses dargelegt - kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden. Das medizinische Laienpublikum wird die Bezeichnung "SIMVA" als phantasievolles Kunstwort auffassen, wie es ihm bei Arzneimittelnamen häufig begegnet. Selbst bei einem Verständnis von "SIMVA" als Verkürzung des warenbeschreibenden Fachausdrucks und INN "Simvastatin" ist danach nicht davon auszugehen, dass der Fachverkehr, wenn ihm die Wirkstoffbezeichnung "Simvastatin" bekannt ist, "SIMVA" für die Sachbezeichnung selbst hält und darin nicht nur eine lockere Andeutung von "Simvastatin" sieht. Er wird somit der Marke "Simva" herkunftskennzeichnende Eigenart beimessen, da es sich durch die fehlenden Endsilben "statin" sowohl klanglich als auch schriftbildlich hinreichend deutlich von dem Fachbegriff abhebt.
Wie ebenfalls dargelegt, handelt es sich bei "SIMVA" auch nicht um einen in der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache gebräuchlichen Ausdruck zur Bezeichnung des Wirkstoffes "Simvastatin", der folglich vom Verkehr wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder auch im wissenschaftlichmedizinischen Bereich nicht stets nur als solcher und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst und verwendet wird.
3. Auch für ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die angegriffene Marke besteht nicht nur aus Angaben, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der konkret beanspruchten Waren üblich sind. Dabei sind neben beschreibenden Angaben sowie allgemeinen Werbeschlagworten, Qualitätshinweisen oder Kaufaufforderungen alle Zeichen und Angaben von der Eintragung ausgeschlossen, die zur Bezeichnung der Waren üblich (geworden) sind (vgl. EuGH GRUR 2001, 1148 - Bravo). Für Gattungsbezeichnungen ist erforderlich, dass nahezu alle beteiligten Verkehrskreise in der fraglichen Angabe nur noch einen Hinweis auf die beanspruchten Waren sehen (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 295). Vorliegend ergeben sich keine Hinweise darauf, dass das medizinische Laienpublikum und der Fachverkehr in der Bezeichnung "SIMVA" einen Hinweis auf "Simvastatin" bzw. auf die von der Antragsgegnerin beanspruchten Waren sehen. Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Marke unabhängig von einer beschreibenden Angabe als sonstige übliche Bezeichnung der beanspruchten Waren bei den beteiligten Verkehrskreisen in Gebrauch ist (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rdn. 287).
Andere Schutzhindernisse, die einer Eintragung des Zeichens "SIMVA" für die beanspruchten Waren entgegengestanden hätten, sind nicht ersichtlich.
4. Demgegenüber kann die in dem angefochtenen Beschluss getroffene Kostenentscheidung keinen Bestand haben. Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 MarkenG hat im mehrseitigen Verfahren vor dem Patentamt grundsätzlich jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen. Eine hiervon abweichende Kostenentscheidung ist nur vorgesehen, wenn dies aus Gründen der Billigkeit geboten ist (§ 63 Abs. 1 Satz 1 MarkenG). Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn ein Verhalten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Verfahrensbeteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O. § 71 Rdn. 11 m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall. Für das Vorliegen besonderer Umstände, die ein Abweichen von diesem Grundsatz rechtfertigen, wie etwa die rechtsmissbräuchliche Verfolgung aussichtsloser Rechtspositionen, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Die Löschungsantragstellerin hat sich bei der Feststellung der maßgeblichen Tatsachen und der rechtlichen Würdigung im üblichen Rahmen dessen gehalten, was die Verfolgung eigener Interessen zu rechtfertigen vermag.
5. Für die Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Sinne von § 83 Abs. 2 MarkenG im Wege der Rechtsbeschwerde bestand angesichts der zitierten einschlägigen Rechtsprechung im vorliegenden Fall keine Veranlassung.
6. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass § 71 Abs. 1 MarkenG.
Dr. Vogel von Falckenstein Paetzold Hartlieb Ko
BPatG:
Beschluss v. 16.10.2007
Az: 30 W (pat) 40/05
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