Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 15. Januar 1993
Aktenzeichen: 6 U 147/92
(OLG Köln: Urteil v. 15.01.1993, Az.: 6 U 147/92)
Die Frage der mißbräuchlichen Ausnutzung der Antragsbefugnis nach § 13 Abs. 5 UWG ist von Amts wegen zu prüfen. Darlegungs- und Beweislast liegen grundsätzlich beim Antragsgegner bzw. Beklagten. Gelingt es diesem, die für die Antragsbefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, muß allerdings der Antragsteller bzw. Kläger seinerseits die aufgekommenen ernsthaften Verdachtsgründe widerlegen. Eine umfangreiche Abmahntätigkeit allein läßt noch nicht auf eine mißbräuchliche Ausnutzung der Antrags(Klage)befugnis schließen. Hinzutreten müssen weitere Umstände, aus denen zu folgern ist, daß die Klagebefugnis nicht in erster Linie im Interesse des eigenen Geschäftsbetriebs des Antragstellers bzw. Klägers, sondern als selbständige Erwerbsquelle für den Antragsteller (Kläger) selbst oder für den mit ihm zusammenarbeitenden Rechtsanwalt genutzt wird.
Tenor
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 16. Juli 1992 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 49/92 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber
in der Sache keinen Erfolg. Daß das Landgericht die durch Beschluß
vom 12. Mai 1992 erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und
den auf ihren Erlaß gerichtetn Antrag abgelehnt hat, ist im
Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung war wegen Mißbrauchs der Antragsbefugnis
als unzulässig zurückzuweisen.
Der Senat läßt dahingestellt, ob der
Antragsteller entsprechend seinem Vorbringen tatsächlich als Makler
tätig ist oder nicht. Einer Würdigung seiner Ausführungen zu
dieser Frage sowie der als Belege zu den Akten gereichten
Unterlagen bedarf es daher nicht. Sollte der Antragsteller
Wettbewerber der Antragsgegnerin sein, so ist er zwar klage- bzw.
antragsbefugt. Sein Vorgehen ist jedoch rechtsmißbräuchlich im
Sinne des § 13 Abs. 5 UWG und damit unzulässig.
Nach § 13 Abs. 5 UWG kann ein
Unterlassungsanspruch nicht geltend gemacht werden, wenn die
Rechtsverfolgung vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden
einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der
Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Erfaßt sind damit die Fälle,
in denen sich ein Mitbewerber oder ein Verband durch Abmahnung und
Prozeßführung eine zusätzliche oder gar überwiegende Einnahmequelle
verschafft (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6.
Aufl., Kap. 13, Rn. 51). Nach dem Sach- und Streitstand, wie er
sich dem Senat im Rahmen des vorliegenden summerischen Verfahrens
aufgrund der mündlichen Verhandlung darstellt, war von einem
Mißbrauch der Antragsbefugnis durch den Antragsteller in dem
vorbeschriebenen Sinne auszugehen.
Da das mißbräuchliche Ausnutzen der
Antragsberechtigung das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung zur
Folge hat, ist das Vorliegen dieses Mißbrauchs von Amts wegen zu
prüfen. Dabei liegt die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich
beim Beklagten bzw. Antragsgegner. Gelingt es diesem jedoch, die
grundsätzlich für die Antragsbefugnis sprechende Vermutung zu
erschüttern, so hat der Antragsteller seinerseits substantiiert die
aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen (vgl. Teplitzky a.a.O.
Rn. 56; Baumbach-Hefermehl, 16. Aufl., Rn. 47 zu § 133 UWG;
Großkommentar/Erdmann, Rn. 128 zu § 13 UWG). Im Streitfall ist die
für die Antragsbefugnis sprechende Vermutung erschüttert, ohne daß
der Antragsteller seinerseits die für einen Mißbrauch sprechenden
Tatsachen widerlegt hat.
Nach dem eigenen Vorbringen des
Antragstellers ist von 77 in seinem Namen ausgesprochenen
Abmahnungen im Zeitraum von März 1991 bis August 1992 und von
weiteren 18 Abmahnungen bis Mitte Dezember 1992 auszugehen. Zwar
läßt diese nicht unerhebliche Zahl von Abmahnungen allein noch
nicht auf ein mißbräuchliches Ausnutzen der Klagebefugnis
schließen. Vor dem Hintergrund der von dem Antragsgegner
überreichten Entscheidungen anderer Gerichte stellen sich diese
Zahlen jedoch in einem anderen Lichte dar. So ist der Entscheidung
des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 23. Januar 1992 (6 U 87/91) zu
entnehmen, daß der Antragsteller seinem eigenen damaligen
Vorbringen zufolge eine Hilfsperson beschäftigt hat, die mit dem
Aufsuchen wettbewerbswidriger Anzeigen beauftragt war. Hieraus hat
das OLG Frankfurt den naheliegenden Schluß gezogen, daß der
Antragsteller nicht etwa nur Wettbewerbsverstöße verfolgt hat, die
ihn in seiner Geschäftstätigkeit betrafen, sondern
Wettbewerbsverstöße gesucht hat, die unabhängig von seinem
Maklergeschäft und dem Ausmaß seiner Betroffenheit Anlaß zu
wettbewerbsrechtlichen Beanstandungen gaben. Außerdem hat der
Antragsteller in dem damaligen Prozeß ebenso wie im vorliegenden
Verfahren selbst vorgetragen, einmal bis zweimal pro Woche die
Kanzlei seiner M. Anwälte aufzusuchen, um die Abmahntätigkeit zu
besprechen. Der durch das OLG Frankfurt vernommene Rechtsanwalt H.
hat ausweislich des vorgenannten Urteils bekundet, daß der
Antragsteller und seine Kanzlei aus den eingehenden Vertragsstrafen
einen Fond gebildet hätten, in dem auch solche Kosten verrechnet
würden, die der Antragsteller im Falle verlorener Prozesse zu
tragen habe. Dies gelte sowohl für die Erstattung der Kosten im
Falle des Obsiegens als auch für die Anwaltsgebühren, die der
Antragsteller der Kanzlei im Falle verlorener Prozesse schulde,
und für die Fälle außergerichtlicher Abmahnungen, in denen der
Abgemahnte nur einen Teil der Abmahnkosten erstatte. Das OLG
Frankfurt hat hierzu ausgeführt, nach dem vorbeschriebenen
"Verrechnungsmodus" diene der von dem Antragsteller und der
Kanzlei gebildete Fond dazu, den Antragsteller von den Risiken aus
dem Abmahngeschäft freiszustellen, da er die mit ihm
zusammenarbeitenden Anwälte für ihre Tätigkeit nicht honorieren
müsse, diese sich vielmehr wegen ihrer Gebührenansprüche an den
aus anderen wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen eingehenden
Abmahngebühren und Vertragsstrafen schadlos hielten und lediglich
gehalten seien, etwaige Óberschüsse aus dem Betreiben des namens
des Antragstellers ausgeübten Abmahngeschäfts an diesen
auszukehren. Mithin diene das auf diese Weise durchgeführte
Abmahngeschäft dazu, den Anwälten zu Gebührenansprüchen zu
verhelfen, die aus dem Vertragsstrafen- und Abmahnungsfond und der
"Óberschußbeteiligung" des Antragstellers beglichen würden.
Aus der jüngsten Entscheidung des
Oberlandesgerichts München vom 15. Oktober 1992, die erst 2 Monate
vor der Verhandlung im vorliegenden Verfahren ergangen ist, ergibt
sich, daß der Antragsteller und sein Prozeßbevollmächtigter sich im
ersten Rechtszug dieses Verfahrens im Hinblick auf Fragen nach der
Zahl der in einem bestimmten Zeitraum gegen Provision vermittelten
Objekte, der Höhe der hieraus erzielten Provisionseinkünfte, der
erzielten Vertragsstrafen, der Anzahl der Abmahnungen etc. auf ihr
Aussageverweigerungsrecht berufen haben. Dasselbe ist auf Fragen
danach geschehen, ob der Antragsteller dem Rechtsanwalt S. kein
Anwaltshonorar für Abmahnungen zahle, die nicht weiterverfolgt
würden oder in denen keine Zahlung erlangt werden könne, die zu
Unrecht erfolgt seien und für Prozesse aus Abmahungen, die verloren
worden seien.
Jedenfalls anhand der vorstehend
angeführten Urteile hat die Antragsgegnerin dargetan und glaubhaft
gemacht, daß der Antragsteller seine Klage- bzw. Antragsbefugnis
mißbraucht hat. Die in den Urteilen festgestellten Indiztatsachen
trägt die Antragsgegnerin ausdrücklich auch im vorliegenden
Verfahren vor. Damit ist dargetan, daß der Antragsteller erneut
seine Antragsbefugnis miß-braucht. Er geht danach nämlich gegen
seine Mitbewerber zumindest vorwiegend nicht im Interesse des
eigenen Geschäftsbetriebs vor. Vielmehr nutzt er seine
Klagebefugnis als selbständige Erwerbsquelle teilweise für sich,
teilweise und vor allem aber für den mit ihm zusammenarbeitenden
Rechtsanwalt. Damit ist die für das Vorliegen der Klagebefugnis
bzw. Antragsbefugnis sprechende Vermutung erschüttert.
Soweit der Antragsteller in diesem
Zusammenhang geltend macht, die von der Antragsgegnerin zitierten
Entscheidungen anderer Gerichte beträfen frü-here Zeiträume,
verkennt er zum einen, daß seit der Entscheidung des
Oberlandesgerichts München erst zwei Monate bis zur
Berufungsverhandlung im vorliegenden Verfahren verstrichen sind.
Zum andern läßt er unberücksichtigt, daß es für die Frage der
Klage- bzw. Antragsbefugnis auch auf das Verhalten des Klägers bzw.
Antragstellers vor dem Zeitpunkt der Klageerhebung bzw.
Antragstellung ankommt. Zu prüfen ist nämlich, ob sein Verhalten
vor Klageerhebung auf Rechtsmißbrauch hindeutet. Ist dies geklärt,
so kann entschieden werden, ob der Antragsteller im Laufe des
Verfahrens bis zum Termin der letzten mündlichen Verhandlung sein
vorangegangenes rechtsmißbräuchliches Verhalten geändert hat.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist es deswegen durchaus
von Bedeutung, daß zumindest seit Ende 1991 von mehreren Gerichten
kontinuierlich ein Mißbrauch der Klagebefugnis festgestellt worden
ist.
Gegenüber den Feststellungen in den
vorgenannten Urteilen, durch die die für die Antragsbefugnis
sprechende Vermutung als erschüttert angesehen werden muß, hat der
Antragsteller keinen Tatsachenstoff dargetan und glaubhaft
gemacht, der geeignet sein könnte, die aufgekommenen
Verdachtsgründe zu widerlegen.
So hält der Antragsteller dem
Vorbringen der Antragsgegnerin, mit Rücksicht auf den aus
Vertragsstrafen gebildeten Fond werde von Vorschußzahlungen des
Antragstellers an seine Rechtsanwälte abgesehen, in seiner
eidesstattlichen Versicherung vom 1. Dezember 1992 lediglich
entgegen, er "erhalte regelmäßig auch Abrechnungen".
Schriftsätzlich hat er insoweit zusätzlich vortragen lassen, es
gebe "keinerlei unzulässige Gebührenabsprache". Nach seiner eigenen
Darstellung sind im Jahre 1989 93.000,00 DM an Vertragsstrafen
eingegangen, im Jahre 1990 wurden etwa 12.000,00 DM nach
Verrechnung mit Rechtsanwalts- und Gerichtskosten an ihn
ausgezahlt. 1992 sind dem Vortrag des Antragstellers zufolge
bislang 82.000,00 DM an Vertragsstrafen bei den mit ihm
zusammenarbeitenden Rechtsanwälten eingegangen. Diese Beträge
reichen seinem Vorbringen zufolge nach dem derzeitigen Stand in
etwa aus, um die angefallenen Kosten einschließ-lich der
gegnerischen Anwaltskosten aus verlorengegangenen Prozessen und
der Gerichtskosten abzudecken.
Angesichts dieses Vorbringens ist nach
wie vor davon auszugehen, daß der Antragsteller an die mit ihm
zusammenarbeitenden Anwälte keine Gebührenvorschüsse leistet,
diese sich vielmehr wegen ihrer Honoraransprüche an den aus anderen
wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen eingegangenen
Abmahngebühren und Vertragsstrafen schadlos halten und lediglich
gehalten sind, etwaige überschüsse aus dem Betreiben des namens des
Antragstellers ausgeübten Abmahngeschäfts an diesen auszukehren.
Soweit die Antragsgegnerin weiter vorträgt, die mit dem
Antragsteller zusammenarbeitenden Rechtsanwälte prüften auch von
sich aus Zeitungen auf wettbewerbswidrige Immobilienanzeigen, um
sodann namens des Antragstellers abzumahnen, wie dies auch in der
Entscheidung des Oberlandesgeichts München vom 24. Oktober 1991
festgestellt worden ist, fehlt es an präzisem Sachvortrag des
Antragstellers. Dieser führt zwar aus, er besorge sich selbst
entsprechende Zeitungen, wenn ihm wettbewerbswidrige Anzeigen von
Konkurrenten auffielen, und es bedeute keine besondere Mühe, solche
Anzeigen dem Anwalt vorbeizubringen oder zu schicken. Auch sei es
durchaus üblich, daß er Rechtsanwalt Steiner anrufe und auf eine
bestimmte Anzeigenseite in der "S. Zeitung" hinweise. All dies
schließt jedoch nicht aus, daß auch der Anwalt selbst, wie in den
oben zitierten Entscheidungen festgestellt, von sich aus Zeitungen
im Hinblick auf wettbewerbswidrige Inserate von Immobilienmaklern
durchsucht. Substantiierter Vortrag des Antragstellers findet sich
hierzu jedenfalls nicht. Im übrigen räumt er in seiner
eidesstattlichen Versicherung vom 1. Dezember 1992 ein,
gelegentlich eine Aushilfskraft oder einen Maklerkollegen eigens
mit der Óberprüfung von Zeitungsinseraten beauftragt zu haben.
Unter den vorbeschriebenen Umständen
war jedenfalls für das vorliegende auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung gerichtete Verfahren davon auszugehen, daß der
Antragsteller die von der Antragsgegerin glaubhaft gemachten
Verdachtsgründe hinsichtlich eines Mißbrauchs im Sinne des § 13
Abs. 5 UWG nicht widerlegt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung
rechtskräftig, § 545 Abs. 2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 15.01.1993
Az: 6 U 147/92
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