Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Juni 2010
Aktenzeichen: 15 W (pat) 303/06

(BPatG: Beschluss v. 21.06.2010, Az.: 15 W (pat) 303/06)

Tenor

Das Patent DE 100 37 951 wird widerrufen.

Gründe

I Auf die am 3. August 2000 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 100 37 951 mit der Bezeichnung

"Zweikomponentige Dichtungsformulierung"

erteilt und die Erteilung am 11. August 2005 veröffentlicht worden. Die Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Streitpatent haben folgenden Wortlaut:

Gegen die Erteilung des Patents ist Einspruch erhoben worden von B... GmbH in Z..., (Einsprechende 1) und H... GmbH & Co. KG in D...,

(Einsprechende 2).

Die Einsprechenden stützen sich u. a. auf folgenden Stand der Technik:

D1 DE2613075A1.

Die Einsprechende 1 macht geltend, der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig wegen unzulässiger Erweiterung bezüglich Komponente B der zweikomponentigen Dichtungsformulierung, fehlender Nacharbeitbarkeit bezüglich der Zusammensetzung der Komponente B und des Verhältnisses von Komponenten A und B sowie fehlender Neuheit des Streitpatents.

Die Einsprechende 2 macht geltend, dass die Patentschrift die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Der Gegenstand des Streitpatents sei unzulässig erweitert und gegenüber der Druckschrift DE 26 13 075 A1 (D1) nicht neu oder aber zumindest nicht erfinderisch.

Die Patentinhaberin widerspricht dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am 21. Juni 2010 legt sie mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010, per Fax vorab eingegangen am 17. Juni 2010, neue Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag und 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag vor.

Die Patentansprüche 1 bis 8 des Hauptantrags lauten:

Die Patentansprüche 1 bis 5 des Hilfsantrags lauten:

In der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2010 führt die Einsprechende 1 aus, dass dem Gegenstand des Streitpatents gemäß Hauptund Hilfsantrag die Neuheit und Erfindungshöhe fehle. Die Angabe in Anspruch 1 "und einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-%" sei so unklar formuliert, dass der Fachmann daraus keine ausführbare Lehre erkennen könne. Es fehle damit die Ausführbarkeit. Insgesamt beschreibe die DE 26 13 075 A1 (D1) die Erfindung schon. Im Übrigen verweist die Einsprechende 1 auf ihr schriftliches Vorbringen.

Die Patentinhaberin erläutert dazu, dass sich Komponente A des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2 und des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 4 i. V. m.

S. 3 Abs. 1 der Beschreibung herleiten lasse. Die jetzige Komponente B, ursprünglich ein Reaktionspulver, sei in S. 1 le. Abs. bis S. 2 Abs. 1 der ursprünglichen Beschreibung offenbart, da sie dort als Pulverkomponente bezeichnet, also als Reaktionspulver zu lesen sei. Im Übrigen beziehe sich die Erfindung nur auf Komponente A. Die Angabe von 25 bis 85 Gew.-% gebe den Anteil der Komponente A in der gesamten Mischung A und B wieder. Die Patentinhaberin verweist außerdem darauf, dass durch den Gummianteil in Komponente A die Druckbelastbarkeit der erfindungsgemäßen Dichtungsschicht deutlich verbessert würde, was sich in einer geringeren Reduktion der Schichtdicke bei Druckbelastung und einer verbesserten Reversibilität der Reduktion auswirke. Der Vergleich der Beispiele 2 bzw. 2a mit Beispiel 1 (Vergleichsprodukt) gemäß Streitpatent zeige, dass bei einer erfindungsgemäßen zweikomponentigen Bitumenabdichtung nach 5 Tagen eine viel kleinere Verringerung der Schichtdicke bei Druckbelastung eintrete. Dies sei gegenüber dem bekannten Stand der Technik ein überraschender Effekt und so nicht zu erwarten gewesen. Weiter führe die D1, die die einzige relevante Druckschrift sei, von der Erfindung weg. In ihr sei das Problem der Druckbelastung nicht thematisiert und auch die Verwendung von Gummiteilchen zusammen mit Fasern nicht konkret beschrieben. Außerdem werde gemäß der D1, in Gegensatz zum Streitpatent, der Gummi nicht zur Bitumenemulsion sondern zum Zement zugegeben -vgl. die D1 S. 15 unten bis S. 16.

Die Einsprechende 1 beantragt, das Patent vollumfänglich zu widerrufen.

Die Einsprechende 2, die, wie angekündigt, nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen war, hat schriftsätzlich den Antrag gestellt, das Patent vollumfänglich zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, überreicht mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010, hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag, überreicht mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010, Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs. 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1.

Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind (BGH, GRUR 2007, 859 -Informationsübermittlungsverfahren I und BGH, GRUR 2007, 862 -Informationsübermittlungsverfahren II, BGH, GRUR 2009, 184 -Ventilsteuerung).

2.

Die rechtzeitig und formgerecht eingelegten Einsprüche sind zulässig, denn es sind im Hinblick auf den druckschriftlich belegten Stand der Technik innerhalb der Einspruchsfrist die die Widerrufsgründe der mangelnden Patentfähigkeit nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass der Patentinhaber und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).

3.

Dem Antrag der Einsprechenden 1 und 2 auf Widerruf des Streitpatents ist stattzugeben, da es der zweikomponentigen Dichtungsformulierung gemäß Patentanspruch 1 des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags zumindest an der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit gegenüber der Lehre der vorveröffentlichten Druckschrift DE 26 13 075 A1 (D1) fehlt.

4.

Der zuständige Fachmann ist hier ein Diplom-Chemiker der Fachrichtung anorganische Chemie, mit langjähriger Tätigkeit und großer Erfahrung auf dem Gebiet der Formulierung von Dichtungsmassen, der mit der Entwicklung und Verbesserung von solchen Massen, insbesondere auf dem Bausektor, beauftragt ist.

5.

Das Streitpatent betrifft eine zweikomponentige Dichtungsformulierung und deren Verwendung im Bausektor. Zum Stand der Technik wird ausgeführt, dass zum Beispiel im Baubereich unterschiedliche Dichtungsmaterialien bekannt seien. Es handele sich dabei um einals auch zweikomponentige Dichtungsformulierungen. Im Fall der einkomponentigen Systeme sei ein starkes Fliessverhalten bei Druckbelastung dieser Materialien bekannt. Die Zusammensetzung der Bitumenemulsion sowohl für einkomponentige wie auch für zweikomponentige Beschichtungen unterschieden sich bei den Hauptbestandteilen nur sehr wenig. Die Bitumenemulsionen enthielten unterschiedliche Polymerbitumen oder Destillationsbitumen, Emulgatoren, Konservierungsmittel, Verdickungsmittel auf mineralischer oder synthetischer Basis, Stabilisatoren und Zusatzstoffe, zum Beispiel in Form von asbestfreien Fasern. Als weitere Zuschlagstoffe könnten Styroporkugeln oder Glashohlkugeln verwendet werden. Bei der Verwendung von Glashohlkugeln bestehe die Gefahr, dass beim Zerbrechen der Glashohlkugeln die Schicht punktuell in sich zerstört werde und weitere Beschädigungen in der Umgebung der zerbrochenen Kugeln entstehen könnten. Hieraus ergebe sich eine Reduktion der Schichtdicke und eine geringe Druckbelastbarkeit. Des weiteren bestehe die Gefahr der durchgehenden Verletzung der Dichtungsschicht, so dass eine Durchlässigkeit der Schicht gegenüber Feuchtigkeit nicht ausgeschlossen werden könne. Bei der Verwendung von Styroporkugeln sei eine erhebliche Reduktion der Gesamtdicke der aufgebrachten Schicht bei den entstehenden Druckbelastungen die Folge, die nach bestimmten Einsatzzeiten irreversibel werde -vgl. Abs. [0001] bis [0006].

Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, ein Dichtungsmaterial zur Verfügung zu stellen, das nicht die Nachteile des Standes der Technik aufweist und eine erhöhte Druckbelastbarkeit besitzt -vgl. Abs. [0008].

Dieses Problem soll nach Patentanspruch 1 des Hauptantrags durch eine zweikomponentige Dichtungsformulierung mit folgenden Merkmalen gelöst werden:

1 Zweikomponentige Dichtungsformulierung enthaltend die Komponenten A und B worin 2 Komponente A besteht aus einer Kunststoff-Bitumen-Emulsion 2.1 mit mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmitteln, 2.2 aus Fasern 2.3 und Gummiteilchen 2.4 und einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A, 2.3.1 wobei die Gummiteilchen eine Korngröße von 0,01 bis 18 mm aufweisen 2.3.2 und der Anteil an Gummiteilchen bis 30 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A, beträgt;

3.

Komponente B enthält als ein Reaktionspulver, 3.1 einzeln oder in Kombination, Portlandzemente, Tonerdeschmelzemente und Gips, 3.2 sowie mineralische Füllstoffe und Hilfsstoffe.

Die zweikomponentige Dichtungsformulierung des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich demgegenüber dadurch, dass die Gummiteilchen eine Korngröße von 0,01 bis 5 mm (Merkmal 2.3.1.1) aufweisen und der Anteil an Gummiteilchen zwischen 12 bis 18 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A (Merkmal 2.3.2.1), beträgt.

6. Eine unzulässige Erweiterung bezüglich der Komponente B liegt nach Überzeugung das Senats nicht vor.

Im ursprünglichen Anspruch 1 war angegeben, dass Komponente B aus einem Reaktionspulver besteht. Gemäß geltendem Anspruch 1 enthält Komponente B nun Portlandzemente, Tonerdeschmelzzemente und Gips, einzeln oder in Kombination, als Reaktionspulver, sowie mineralischer Füllstoffe und Hilfsstoffe. Diese Angaben wurden aus dem übergreifenden Absatz der Seiten 1 und 2 der ursprünglichen Beschreibung entnommen, wo ausgeführt ist, dass im Fall der zweikomponentigen Beschichtung zusätzliche mineralische Füllstoffe in Form der Pulverkomponente zugesetzt werden, wobei diese dann entsprechende aktive Bestandteile enthalten können, nämlich Portlandzemente, Tonerdeschmelzzemente und Gips, einzeln oder in Kombination, welche das Brechen der Emulsion bewirken, Mineralische Füllstoffe sowie Hilfsstoffe, die einen Einfluss auf die Verarbeitung haben. Der Fachmann kann diesen Angaben aus der Patenschrift aufgrund seines Fachwissens entnehmen, dass bei zweikomponentigen Beschichtungen die Pulverkomponente die zweite Komponente ist, und diese aktive Bestandteile, also ein Reaktionspulver enthalten kann, wobei die Zusammensetzung des Pulvers aus Portlandzementen, Tonerdeschmelzzementen und Gips, einzeln oder in Kombination, welche das Brechen der Emulsion bewirken, mineralischen Füllstoffen sowie Hilfsstoffen bestehen kann. Dies stellt den Stand der Technik dar; als solcher ist er im Streitpatent auch zitiert. Eine derart definierte Komponente B im Anspruch 1 trägt nichts zur Erfindung bei. Die Patentihnhaberin hat dem auch Rechnung getragen und in der mündlichen Verhandlung betont, dass sich die Erfindung nur auf Komponente A beziehe.

Im Sinne dieser Auslegung ist Komponente B ursprünglich offenbart.

7. Die Lehre des Streitpatents ist auch so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann sie ausführen kann.

a) Die Patentinhaberin führt aus, dass die Angabe von 25 bis 85 Gew.-% im Anspruch 1 den Anteil der Komponente A in der gesamten Mischung A und B angebe. Dieser Auslegung kann sich der Senat nicht anschließen. In Anspruch 1 ist ausgeführt, dass "Komponente A aus einer Kunstoff-Bitumen-Emulsion mit mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmitteln, aus Fasern und Gummiteilchen und einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A, besteht...". Komponente A bezieht sich hier eindeutig auf die Gesamtemulsion der Komponente A. Von einer Bezugnahme auf Komponente B oder A und B ist im Streitpatent nirgends die Rede.

Die Formulierung "und einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-% bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A" macht für den Fachmann, insbesondere im Hinblick auf die einzige Ausführungsform in Abs. [0014] der Streitpatentschrift, nur Sinn, wenn er zwischen Kunststoff-Bitumen-Emulsion und Gesamtemulsion der Komponente A unterscheidet. Insofern ist dieses Merkmal auch ausreichend offenbart.

b) Im Streitpatent -vgl. dort Abs. [0004] -bzw. in den ursprünglichen Unterlagen -vgl. dort S. 1 le. Abs. -ist angegeben, dass bei einkomponentigen Beschichtungen zusätzlich mineralische Füllstoffe bis zu einer Menge von 25 % verwendet werden, wobei solche Füllstoffe im Fall der zweikomponentigen Beschichtungen in Form der Pulverkomponente mit aktiven Bestandteilen zugesetzt werden. Nachdem davon auszugehen ist, dass das Verhältnis der Komponente A zur Komponenten B dem Stand der Technik entspricht, war dem Fachmann die entscheidende Richtung angegeben, in der er ohne Aufwendung eigener erfinderischer Tätigkeit mit Erfolg weiterarbeiten kann, um eine zweikomponentige Dichtungsformulierung bereitzustellen, die genügend schnell abhärtet und eine hohe Festigkeit aufweist. Dass ein besonders bevorzugtes Ergebnis noch weitere Arbeit erfordern mag, stellt die Ausführbarkeit nicht in Frage.

c) Gemäß ursprünglichem Anspruch 1 "bezieht" (dieser offensichtliche Tippfehler ist durch "besteht" zu ersetzen) Komponente A aus einer Kunstoff-Bitumen-Emulsion mit Zuschlägen, insbesondere mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmitteln aus Fasern und Gummiteilchen mit einer Korngröße von 0,01 bis 18 mm und einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-% bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A. Dies könnte auch bedeuten, dass die synthetischen Verdickungsmitteln aus Fasern und Gummiteilchen bestehen. Um dies auszuschließen hat die Patentinhaberin im geltenden Anspruch 1 zwischen Verdickungsmittel und Fasern ein Komma gesetzt. Sie verweist hierzu auf den übergreifenden Absatz Seiten 3/4 der ursprünglichen Beschreibung. Dort seien neben Fasern und Gummiteilchen auch natürliche und synthetische Verdickungsmittel und Stabilisatoren als Einzelkomponenten der Komponente A aufgeführt. Ein Anteil von mindestens 25 Gew.-% bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A, wie in Anspruch 1 gefordert, könne gemäß dieser Aufzählung nur erreicht werden, wenn neben beispielsweise 4 Gew.-% Fasern und 20 Gew.-% Gummiteilchen auch mindestens 1 Gew.-% natürliche und synthetische Verdickungsmittel vorliegen. Dem kann sich der Senat bei großzügiger Auslegung der Offenbarung anschließen.

8. Ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu ist, sei dahingestellt, er beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie die Patentinhaberin selbst dargelegt hat, gehören zweikomponentige Dichtungsformulierungen zum Stand der Technik (Merkmal 1). Sie umfassen zum Einen Bitumenemulsionen und zum Andern ein Reaktionspulver entsprechend Komponente B des Streitpatents (Merkmale 3 bis 3.2) -vgl. Abs. [0004] des Streitpatents. Die Bitumenemulsionen enthalten unterschiedliche Polymerbitumen oder Destillationsbitumen, Emulgatoren, Konservierungsmittel, Verdickungsmittel auf mineralischer oder synthetischer Basis, Stabilisatoren und Zusatzstoffe, zum Beispiel in Form von asbestfreien Fasern. Zu den vielfach verwendeten Kunststoffen zählen Dispersionen zum Beispiel von unterschiedlichsten Acrylsäureoder Acrylsäureester-Copolymerisaten (Merkmale 2, 2.1, 2.2) -vgl. Abs. [0005] des Streitpatents.

a) Die zweikomponentige Dichtungsformulierung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von dem von der Patentinhaberin bereits angegebenen Stand der Technik dadurch, dass die mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmittel, Fasern und Gummiteilchen in Komponente A in einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A vorliegen (Merkmal 2.4), und Komponente A außerdem aus Gummiteilchen (Merkmal 2.3) mit einer Korngröße von 0,01 bis 18 mm (Merkmal 2.3.1) und einem Anteil an Gummiteilchen bis 30 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A (Merkmal 2.3.2), besteht.

Für den Fall, dass nach Merkmal 2.3.2 der Anteil der Gummiteilchen gleich Null ist, fallen die Merkmale 2.3, 2.3.1 und 2.3.2 weg und der Unterschied der zweikomponentige Dichtungsformulierungen des Hauptanspruchs gegenüber dem Stand der Technik besteht nur noch darin, dass die mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmittel und Fasern in Komponente A in einem Anteil von 25 bis 85 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A vorliegen gemäß Merkmal 2.4.

Hinweise auf diesen Anteil der mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmittel und Fasern in der Zusammensetzung hatte der Fachmann aus der Druckschrift DE 26 13 075 A1 (D1), die ein Gemisch betrifft, das einen äußerst rasch härtenden Zement und eine bituminöse Emulsion, einen Kautschukbzw. Gummilatex und/oder eine Harzemulsion enthält -vgl. dort S. 1 Abs. 1. Dabei sollen Zementgemische zur Verfügung gestellt werden, die nach kurzer Zeit eine hohe Festigkeit aufweisen. Mit dem in D1 offenbarten Gemisch soll es möglich sein, in Bezug auf die Eigenschaften Entspannung (Stoßfestigkeit, Ermüdungseigenschaften), Haftung und Abriebfestigkeit ausgezeichnete Verbesserungen zu erreichen -vgl. S. 11 Abs. 2 u. 3. Die Eigenschaft Entspannung (Stoßfestigkeit, Ermüdungseigenschaften) ist direkt mit der in der Streitpatentschrift angesprochenen Verringerung der Schichtdicke bei Druckbelastung zu vergleichen. Damit hatte der Fachmann durchaus Anlass, die Druckschrift D1 im Hinblick auf das der Streitpatent zugrundeliegende Problem der Verringerung der Schichtdicke bei Druckbelastung zu beachten, da dort Hinweise zur Lösung dieses Problems, Verbesserung der Eigenschaft Entspannung, gegeben werden.

Die bituminösen Emulsionen gemäß D1 enthalten im allgemeinen 40 bis 70 Gew.-% bituminöses Material, wobei die bituminösen Emulsionen nach üblichen Verfahren hergestellt werden -vgl. dort S. 6 Abs. 4. Da es zum Grundwissen des Fachmanns gehört, dass sowohl in einals auch zweikomponentigen Bitumenemulsionen Verdickungsmittel und Stabilisatoren eingesetzt werden -vgl. dazu auch Abs. [0004] des Streitpatents -war ihm damit klar, dass die Verdickungsmittel und Stabilisatoren in Komponente A des Streitpatents in einem Anteil von zumindest 30 bis 60 Gew.-% (Merkmal 2.4), bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A einzusetzen sind. Die zweikomponentige Dichtungsformulierung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags war deshalb in naheliegender Weise herzustellen; der Gegenstand dieses Anspruchs ist wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.

b) Die zweikomponentige Dichtungsformulierung des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von der des Hauptantrags dadurch, dass die Gummiteilchen eine Korngröße von 0,01 bis 5 mm (Merkmal 2.3.1.1) aufweisen und der Anteil an Gummiteilchen zwischen 12 bis 18 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A (Merkmal 2.3.2.1), beträgt.

Dem Fachmann sind aufgrund seines Fachwissens Gemische mit den Merkmalen 1 bis 2.2 und 3 bis 3.2 bekannt. Gemäß obigen Ausführungen in Abs. 8. a) wird er die D1 insbesondere im Hinblick auf das zu lösende Problem beachten. Die D1 lehrt, dass das äußerst rasch härtende Gemisch zusätzlich zumindest einen Zuschlagoder Füllstoff aus der Gruppe Sand, Kies, Gummipulver, Körner aus Kunststoffschaum, Glasperlen, "micro baloons", Pigmente und kurze Fasern enthält -vgl. dort Anspruch 14 -d. h. es können auch mehrere Zuschlagoder Füllstoffe zusammen vorliegen. Gemäß S. 26 Abs. 5 der D1 erhält man Gemische mit einer hohen Entspannung und einem geringen Elastizitätsmodul bei Verwendung von Gummipulver als Zuschlagstoff (Merkmal 2.3) gemäß Probe 18 von Beispiel 4 auf S. 4. Probe 18 beschreibt ein Gemisch mit 16,6 Gew.-% Gummipulver in Bezug auf die bituminöse Emulsion, hier mit der kationischen Bitumenemulsion C-1 als Bestandteil der Gesamtemulsion -vgl. S. 13 Nr. 6. Als Gummipulver ist in D1 ein handelsübliches Produkt mit einer Teilchengröße unter 2,5 mm und einem Reinheitsgrad von 2,2 offenbart -vgl. S. 15 Nr. 9. Damit hatte der Fachmann klare Vorgaben über den Anteil der Gummiteilchen gemäß Merkmal 2.3.2.1 und deren Korngröße gemäß Merkmal 2.3.1.1. Bezüglich des Anteils der mineralischen und/oder synthetischen Verdickungsmittel, Fasern und Gummiteilchen in Komponente A von 25 bis 85 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtemulsion der Komponente A, wird auf die Ausführungen in Abs. 8. a) hingewiesen. Die zweikomponentige Dichtungsformulierung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags war deshalb in naheliegender Weise herzustellen; der Gegenstand dieses Anspruchs ist wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht gewärbar.

9. Die Patentinhaberin hat sich sachlich ausführlich zum Einspruch geäußert und beantragt, das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, hilfsweise das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag, Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.

Somit hat die Patentinhaberin die Patenterteilung erkennbar nur im Umfang von Anspruchssätzen beantragt, die zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthalten. Deshalb war der Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Auf die übrigen Ansprüche brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH "Informationsübermittlungsverfahren II" GRUR, 2007, 862; Fortführung von BGH "Elektrisches Speicherheizgerät" GRUR 1997, 120).

Feuerlein Schwarz-Angele Egerer Lange Bb






BPatG:
Beschluss v. 21.06.2010
Az: 15 W (pat) 303/06


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