Bundesgerichtshof:
Urteil vom 14. Juni 2016
Aktenzeichen: X ZR 46/14

(BGH: Urteil v. 14.06.2016, Az.: X ZR 46/14)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Februar 2014 abgeändert.

Das deutsche Patent 10 2007 011 516 wird für nichtig erklärt.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Patents 10 2007 011 516, das am 9. März 2007 angemeldet worden ist und ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Erzeugung von Haltepunkten in einem Stanzmesser betrifft. Patentanspruch 1 lautet wie folgt:

"Verfahren zur Erzeugung von Haltepunkten bildenden Einkerbungen (3) in wenigstens einem Stanzmesser (2), welches in einer Stanzform (1) gelagert wird und zum Stanzen von flächigen Verpackungselementen dient, dadurch gekennzeichnet, dass die Einkerbungen in die Stanzmesser (2) eingearbeitet werden, bevor diese in die Stanzform (1) eingesetzt werden, wobei die als Messerlinie ausgebildeten Stanzmesser (2) in Form eines bandförmigen Materials einer Vorrichtung (4) kontinuierlich zugeführt werden, welche eine Rechnereinheit umfasst, über welche Sollposition[en] vorgegeben werden, in welchen die Einkerbungen in die Messerlinien eingefräst werden."

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Patent in erster Linie in der erteilten Fassung und mit sieben Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über die mit dem ersten Hilfsantrag verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Klägerin begehrt weiterhin die vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents. Die Beklagte begehrt in erster Linie die vollständige Abweisung der Klage. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung des angefochtenen Urteils sowie in sechs weiteren Fassungen.

Gründe

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung von Stanzmessern.

1. Zur Herstellung von Verpackungen, insbesondere Kartonagen oder Wellpappe, werden Stanzvorrichtungen verwendet, bei denen ein linienförmiges Stanzmesser die Verpackungselemente mit hoher Taktrate ausstanzt. Um zu verhindern, dass die ausgestanzten Elemente unkontrolliert aus dem Stanzwerkstoff herausfallen, werden in die Stanzmesser Einkerbungen eingearbeitet. Bei entsprechender Einstellung der Stanzvorrichtung verbleiben an den betreffenden Stellen so genannte Haltepunkte, d.h. kleine Stege zwischen dem Verpackungselement und dem restlichen Stanzwerkstoff, die ein Herausfallen verhindern.

Der Beschreibung des Streitpatents zufolge wurden diese Einkerbungen häufig manuell eingearbeitet, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem das Stanzmesser bereits in der Stanzform fixiert war. Die Streitpatentschrift kritisiert dies als zeitaufwendig. Zudem hänge die Qualität von den Fertigkeiten der bearbeitenden Person ab. Zur Rationalisierung sei versucht worden, die Einkerbungen maschinell in das das Stanzmesser bildende Bandmaterial einzuarbeiten, indem dieses in einer Bearbeitungseinheit rechnergesteuert einem Schleifwerkzeug zugeführt werde. Der Schleifprozess sei aber ebenfalls zeitaufwendig. Zudem sei der Konstruktionsaufwand hoch, weil für die Schleifwerkzeuge eine Kühlung vorzusehen sei.

Davon ausgehend betrifft das Streitpatent das technische Problem, eine Vorrichtung und ein Verfahren bereitzustellen, das eine rationelle und kostengünstige Einbringung von Haltepunkten in Stanzmesser ermöglicht.

2. Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die zusätzlichen Merkmale laut Hilfsantrag 1 sind durch Unterstreichung hervorgehoben):

1. Verfahren zur Erzeugung von Haltepunkten bildenden Einkerbungen (3) in wenigstens einem Stanzmesser (2), das zum Stanzen von flächigen Verpackungselementen dient, wobei es in einer Stanzform (1) gelagert wird.

2. Die Einkerbungen werden in die Stanzmesser (2) eingearbeitet, bevor diese in die Stanzform (1) eingesetzt werden.

3. Die Stanzmesser (2) sind als Messerlinie ausgebildet und 4. werden in der Form eines bandförmigen Materials 5. einer Vorrichtung (4) kontinuierlich zugeführt.

6. Die Vorrichtung (4) umfasst eine Rechnereinheit, 7. über die die Sollpositionen vorgegeben werden, in die die Einkerbungen 8. mittels wenigstens eines Fräswerkzeugs eingefräst werden.

9. Jedes Fräswerkzeug ist eine motorisch getriebene kreisscheibenförmige Frässcheibe (6).

10. Die Vorrichtung weist einen Bearbeitungskopf (5) mit mehreren Frässcheiben (6) auf.

3. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung.

a) Fräsen ist nach dem allgemeinen technischen Sprachgebrauch ein spanabhebendes Fertigungsverfahren, bei dem ein Werkzeug mit einer geometrisch definierten Oberfläche und Kontur zum Einsatz kommt. Beim Schleifen wird demgegenüber ein Werkzeug eingesetzt, bei dem der Ort und teilweise auch die Größe der sich auf der Oberfläche befindenden Schleifkörner nicht streng definiert sind. Dieser Sprachgebrauch liegt auch dem Streitpatent zugrunde.

b) Der Begriff "Bearbeitungskopf" wird in der Streitpatentschrift nicht ausdrücklich definiert.

Bei dem in den Figuren 3 und 4 der Streitpatentschrift wiedergegebenen Ausführungsbeispiel umfasst der Bearbeitungskopf (5) vier Fräswerkzeuge, die auf einer Kreislinie angeordnet sind. Der Bearbeitungskopf (5) ist um seine Symmetrieachse drehbar gelagert und weist einen zentralen Antrieb für die Frässcheiben (6) auf, der aus einem Elektromotor (8) und einem Planetengetriebe (9) besteht (Abs. 33 f.). Er bietet ferner die Möglichkeit zur Auswahl zwischen verschiedenen Frässcheiben (6). Dadurch kann die Breite des zu erzeugenden Haltepunkts eingestellt werden, weil die Frässcheiben (6) verschieden dick sind (Abs. 35).

Die Frage, ob ein Bearbeitungskopf im Sinne von Patentanspruch 1 zwingend alle diese Merkmale aufweisen muss, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Im vorliegenden Rechtsstreit kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass die Frage zu bejahen ist.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Gegenstand des Streitpatents sei neu. Das zu der behaupteten Vorbenutzung UNICA 356 vorgelegte Handbuch (D22) zeige eine Maschine, mit der die Einkerbungen nicht eingefräst, sondern eingeschliffen würden. Gleiches gelte für die an die Abnehmerin R. B.V. (D5) gelieferte Maschine. Die britische Patentanmeldung 1 234 703 (D1) befasse sich zwar mit Stanzmessern, insbesondere mit der Herstellung eines gezahnten Profils entlang einer länglichen Kante, jedoch nicht mit der Einbringung von Haltepunkten. Die internationale Patentanmeldung 99/02352 (D2) zeige kein Verfahren, das mittels einer Rechnereinheit gesteuert werde. Die internationale Patentanmeldung 2005/070630 (D3) lehre die Einbringung von Kerben in Stanzmesser; sie enthalte jedoch keine Hinweise, diese Kerben einzufräsen.

Der Gegenstand des Streitpatents beruhe indes nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die von der Klägerin behauptete Vorbenutzung der Maschine UNICA 356 samt dazu gehörendem Handbuch D22 sei vor der Anmeldung des Streitpatents offenkundig geworden. Dies ergebe sich aus der vorgelegten Bestellbestätigung, einer Rechnung und einem Lieferschein sowie den Angaben der beiden vom Patentgericht vernommenen Zeugen. Die Lieferung habe ein Serienprodukt betroffen, für das keine Geheimhaltungsvereinbarung geschlossen worden sei. Deshalb habe die nicht zu entfernt liegende Möglichkeit bestanden, dass beliebige sachkundige Dritte den Gegenstand auf seine Merkmale hin untersuchen und sich Kenntnis von seinen technischen Einzelheiten hätten verschaffen können. Dem stehe nicht entgegen, dass die Maschine speziell für den Besteller konfiguriert worden sei.

Die vorbenutzte Maschine und das Handbuch D22 offenbarten zwar nicht das Merkmal 8. Dem Fachmann sei indessen - wie die D1 zeige - seit langem bekannt, dass aus Bandstahl hergestellte Schneidmesser nicht nur durch Schleifen, sondern auch mit rotierenden Fräswerkzeugen bearbeitet werden könnten. Der Fachmann erkenne aus D1, dass sich das dort beschriebene Fräsverfahren auch zur Erzeugung von Haltepunkten nutzen lasse. Weiterhin offenbare D2 die Bearbeitung eines Stanzblechs durch Fräsen zur Erzeugung von Haltepunkten. Auch dies rege den Fachmann an, anstelle des Schleifens eine Bearbeitung durch Fräsen auszuprobieren.

Patentanspruch 1 habe dagegen in der Fassung des ersten Hilfsantrags Bestand. D1 und D2 zeigten keinen Bearbeitungskopf mit mehreren Fräsen. Die nachgewiesenen offenkundigen Vorbenutzungen enthielten zwar mehrere Bearbeitungsköpfe; diese Schleifscheiben seien jedoch nebeneinander und nicht an einem einzigen Bearbeitungskopf angeordnet. Das deutsche Gebrauchsmuster 7307759 (D11) und die deutsche Patentanmeldung 42 35 095 (D12) offenbarten zwar jeweils einen Bearbeitungskopf (Revolverkopf) mit mehreren radial, axial oder schräg zur Revolverachse gelagerten drehbaren Werkzeugspindeln, an deren freien Enden übliche Fräswerkzeuge montiert werden könnten. Diese Revolverköpfe seien aber wegen ihrer Größe und Masse für den Einsatz in den beengten räumlichen Verhältnissen einer Biegemaschine und mit den schnellen kleinen Vorschubbewegungen beim Einschleifen der Haltepunkte ungeeignet.

III. Dies hält den Angriffen der Berufung der Beklagten stand. Die Berufung der Klägerin hat indessen Erfolg.

1. Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

a) Nach dem für die Überprüfung in der Berufungsinstanz zugrunde zu legenden Sachverhalt gehört die Maschine UNICA 356 nebst dem zugehörigen Handbuch D22 zum Stand der Technik.

An die dafür maßgeblichen Feststellungen des Patentgerichts, wonach diese Vorbenutzungen vor dem Prioritätstag an die R. B.V. geliefert und dabei keine Geheimhaltungsabrede getroffen wurde, ist der Senat gemäß § 117 PatG und § 529 ZPO gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 - X ZR 31/13, GRUR 2015, 768 Rn. 25 - Coenzym Q10). Es gibt keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen.

aa) Das Patentgericht hat die Aussagen der beiden von ihm vernommenen Zeugen sowie den Inhalt der vorgelegten Unterlagen eingehend und überzeugend gewürdigt. Hierbei hat es insbesondere berücksichtigt, dass sich die Angaben der Zeugen nicht in allen Details decken. Seine Einschätzung, dass dies nicht gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen oder die Glaubhaftigkeit von deren Angaben zu den ausschlaggebenden Punkten spricht, erscheint lebensnah und wird durch die von der Berufung der Beklagten angeführten Gesichtspunkte nicht in Frage gestellt.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten begründet der Umstand, dass der vorgelegte Lieferschein nur die Auslieferung an einen Zwischenhändler belegt und dass in der zugehörigen Rechnung der Rechnungsbetrag ausgeblendet ist, keine konkreten Anhaltspunkte, die insoweit Zweifel begründen könnten. Es liegt nahe, dass der Zwischenhändler einen anderen Preis zu zahlen hatte als der Endabnehmer. Angesichts dessen begründet der Umstand, dass die Klägerin jenen Preis nicht offenbaren will, keine konkreten Zweifel daran, dass die Lieferung tatsächlich stattgefunden hat.

Entsprechendes gilt für die von der Beklagten erhobenen Einwendungen, dass die Typenbezeichnungen im Handbuch und auf der Maschine einerseits sowie in Lieferschein und Rechnung andererseits nicht exakt übereinstimmen, dass die an die R. B.V. gelieferte Maschine nach den Schilderungen der Zeugen in einzelnen Details, die für die Merkmale des Streitpatents nicht relevant sind, von den in D22 enthaltenen Fotografien abweicht und dass der Zeuge Ra. hinsichtlich der Fotos Unica 5 bis 9 der Anlage NK5 nicht bestätigen konnte, dass diese (exakt) den entsprechenden Bauteilen der an R. B.V. gelieferten Maschine entsprechen.

cc) Das Patentgericht musste sich ferner nicht ausdrücklich mit dem Umstand befassen, dass die Klägerin zunächst als Anlage D6 eine deutsche Fassung des Handbuchs D22 eingereicht und vorgetragen hat, diese Fassung habe der an R. B.V. gelieferten Maschine beigelegen. Die Glaubhaf- tigkeit der Bekundungen der Zeugen und deren Glaubwürdigkeit hängen nicht vom Prozessverhalten der Klägerin ab.

dd) Zutreffend hat das Patentgericht den unter der Überschrift "Copyright" enthaltenen Vermerk in D22, wonach das Handbuch vertrauliche Informationen enthalte und ohne Einverständnis des Herstellers keine Kopien gefertigt werden dürften, nicht als eine der Offenkundigkeit entgegenstehende Abrede gewertet.

Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass solche Vermerke der Bejahung der Offenkundigkeit nicht zwingend entgegenstehen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 - X ZR 41/11, GRUR 2014, 251 Rn. 28 ff. - Bildanzeigegerät). Der Streitfall weist keine Besonderheiten auf, die zu einer abweichenden Beurteilung führen.

b) Damit war, wie das Patentgericht zutreffend erkannt hat, ein Verfahren mit den Merkmalen 1 bis 7 im Stand der Technik offenkundig.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Patentgericht insbesondere zu Recht angenommen, dass sich für den Fachmann schon aus D22 das Vorhandensein einer Rechnereinheit ergibt. Schon der vom Patentgericht herausgestellte Einsatz einer Diskette ("Floppy Disk"), erst recht aber der in D22 in diesem Zusammenhang offenbarte Umstand, dass von der Diskette eine Datei eingelesen wird, um einen automatischen Bearbeitungszyklus zu starten, lassen keinen Zweifel daran, dass eine Rechnereinheit vorhanden ist, die die in der eingelesenen Datei enthaltenen Befehle verarbeiten kann.

c) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass es vor diesem Hintergrund für den Fachmann, einen Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus mit Schwerpunkt in der Entwicklung und Konstruktion von Werkzeugmaschinen sowie mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Stanzwerkzeuge für Verpackungen, nahelag, die Einkerbungen durch Fräsen statt Schleifen auszubilden.

Dem Fachmann war aus D1 bekannt, dass die Schneidfläche von Schneidmessern, die zum Stanzen von Papier und Wellpappe verwendet werden, durch Fräsen ausgebildet werden kann und dies mit Vorteilen gegenüber einer Herstellung durch Schleifen verbunden ist. Der Fachmann hatte Anlass, diese Erkenntnis auf die aufgrund der Vorbenutzung und des Handbuchs D22 offenbarte Maschine zu übertragen, weil diese ebenfalls der Herstellung von Stanzmessern dient.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass das Fräswerkzeug in D1 nicht zur Herstellung von Einkerbungen, sondern für einen Wellenschliff eingesetzt wird. Zur Herstellung des Wellenschliffs müssen in die ursprünglich gerade verlaufende Schneidfläche des Messers Vertiefungen eingebracht werden. Die bei der Vorbenutzung und beim Streitpatent eingebrachten Einkerbungen stellen ebenfalls Vertiefungen dar. Sie unterscheiden sich lediglich durch Form und Anordnung von den wellenförmigen Vertiefungen aus D1. Weder aus D1 noch aus sonstigen Quellen ergeben sich Hinweise darauf, dass die Auswahl zwischen Schleifen und Fräsen durch die angestrebte Form der Vertiefungen beeinflusst werden kann. Wie das Patentgericht zutreffend erkannt hat, hatte der Fachmann deshalb Anlass, den in D1 offenbarten Fräsvorgang auch zur Herstellung von Einkerbungen zu nutzen.

Das Argument der Beklagten, die Formung einer Schneidklinge mittels eines Fräswerkzeugs entsprechend D1 sei ein komplexer Prozess, der dem Fachmann keinen Anlass zu geben vermöge, ihn auf ein hochdynamisches System wie die Vorbenutzung UNICA 356 zu übertragen, in dem das Bandmaterial hohen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen ausgesetzt sei und deshalb systembedingt flattere, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass sich die aufgezeigten Schwierigkeiten bei einem Fräsvorgang in grundlegend anderer Weise stellen als bei einem Schleifvorgang. Auch das Streitpatent zeigt insoweit keine Unterschiede auf. Es enthält zudem keine Hinweise darauf, wie eventuellen Schwierigkeiten, die nur beim Fräsen auftreten, gegebenenfalls begegnet werden könnte.

2. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts beruht der Gegenstand des Streitpatents auch in der mit dem ersten Hilfsantrag verteidigten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Ergänzung einer der Vorbenutzung UNICA 356 nebst Handbuch D22 entsprechenden Maschine mit einem Bearbeitungskopf im Sinne der Merkmale 8 bis 10 war dem Fachmann durch die Entgegenhaltungen D11 und D12 nahegelegt.

a) Wie bereits oben dargelegt wurde, lag es nahe, das bei der Vorbenutzung vorhandene Schleifwerkzeug durch ein Fräswerkzeug zu ersetzen. Daraus ergab sich zugleich die Veranlassung, mindestens eine motorisch getriebene kreisscheibenförmige Frässcheibe im Sinne von Merkmal 9 einzusetzen, wie sie zum Beispiel auch in D1 zum Einsatz kommt.

b) Weiterhin hatte der Fachmann Anlass, anstelle von drei hintereinander und unabhängig voneinander angeordneten einzelnen Frässcheiben einen Bearbeitungskopf mit mehreren Frässcheiben vorzusehen.

aa) Wie auch das Patentgericht nicht verkannt hat, war dem Fachmann ein solcher Bearbeitungskopf aus D11 und D12 bekannt.

In D11 ist ein Fräskopfträger 1 zur Aufnahme mehrerer, radial nebeneinander liegender Fräsköpfe offenbart, die um ein mit einer Antriebswelle 3 verbundenes Antriebszahnrad 4 herum angeordnet sind (D11 S. 3 f.).

In D12 ist ein Werkzeugrevolver für rotierende Werkzeuge wie beispielsweise Fräswerkzeuge offenbart. Bei dem in Figur 3 dargestellten Ausführungsbeispiel eines Tunnelrevolvers sind die Werkzeugaufnahmen 314 parallel zueinander angeordnet. Durch eine Drehung der Revolverscheibe 303 kann das angetriebene Werkzeug gewechselt werden (D12 Sp. 7 Z. 1 bis 4).

bb) Ausgehend von der Vorbenutzung UNICA 356, bei der gemäß den Bekundungen des Zeugen Ra. mehrere Frässcheiben jeweils mit eige- nen Antrieben hintereinander angeordnet sind, hatte der Fachmann Anlass, nach weniger aufwendigen Realisierungsmöglichkeiten zu suchen.

Die Vorbenutzung UNICA 356 ermöglichte es zwar bereits, für unterschiedliche Breiten der einzuarbeitenden Einkerbungen unterschiedliche Bearbeitungswerkzeuge vorzusehen und ohne Umrüstung der Maschine zwischen diesen zu wechseln. Die hierzu gewählte Ausführung mit drei separaten Bearbeitungsköpfen mit eigenem Antrieb und gesonderter Einstellungsmöglichkeit eröffnete zudem ein hohes Maß an Flexibilität. Andererseits ergab sich für den Fachmann, dass diese Lösung mit relativ hohem konstruktivem Aufwand verbunden ist. Dies gab ihm Anlass, nach kostengünstigeren Realisierungsmöglichkeiten zu suchen.

cc) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts lag es für den Fachmann nahe, bei der Suche nach solchen Lösungen die in D11 und D12 offenbarten Bearbeitungsköpfe in Betracht zu ziehen.

In D11 wird die Möglichkeit, durch Zusammenfassung mehrerer Werkzeuge in einem Bearbeitungskopf Kosten zu sparen, ausdrücklich angesprochen (D11 S. 2 Abs. 1 und 2). Daraus ergab sich für den Fachmann, dass dieses Ziel auch mit der weitgehend ähnlichen Konstruktion aus D12 erreichbar ist.

Entsprechend wurde der Fachmann dazu angeregt, die drei separaten Werkzeuge der UNICA 356 in einem gemeinsamen Bearbeitungskopf anzuordnen, wie er in D11 und D12 offenbart ist. Besondere Schwierigkeiten, die ihm hätten Anlass geben können, von diesem nahegelegten Lösungsweg wieder abzurücken, ergeben sich weder aus den vom Patentgericht behandelten Gesichtspunkten noch aus sonstigen Umständen.

dd) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts wurde der Fachmann von der Heranziehung des in D11 und D12 offenbarten Konstruktionsprinzips nicht dadurch abgehalten, dass diese Entgegenhaltungen keine konkreten Angaben dazu enthalten, wie mit dem Bearbeitungskopf samt Frässcheiben ein langgestrecktes und in Längsrichtung als Bandmaterial gefördertes Stanzmesser bearbeitet werden kann, um darin Einkerbungen herzustellen.

Ausreichende Hinweise dazu, wie diesen Anforderungen genügt werden kann, ergaben sich für den Fachmann aus der Vorbenutzung UNICA 356 nebst Handbuch D22. Diese zeigen, dass das Bandmaterial bis zur Sollposition gefördert, dort angehalten und sodann die Frässcheibe an das Bandmaterial herangeführt wird, um eine Einkerbung in das Stanzmesser zu fräsen. Diese Vorgehensweise kann beim Einsatz eines Bearbeitungskopfs mit mehreren Frässcheiben, wie er in D11 und D12 offenbart ist, beibehalten werden.

ee) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts führen die Schnelligkeit der kleinen Vorschubbewegungen für das Bandmaterial nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Auch insoweit enthalten D11 und D12 zwar keine spezifischen Lösungshinweise. Für den Fachmann ergab sich aber (auch insoweit) aus der Vorbenutzung UNICA 356 nebst Handbuch D22, dass er die dort offenbarte Vorgehensweise mit einem Bearbeitungskopf nach dem Vorbild von D11 und D12 beibehalten konnte.

ff) Entsprechendes gilt für die vom Patentgericht behandelte Frage der Raumverhältnisse.

Zwar mag für den Fachmann aus dem jeweiligen Kontext zu entnehmen gewesen sein, dass die in D11 und D12 geschilderten Ausführungsbeispiele typischerweise größere Abmessungen haben als eine Vorrichtung zur Herstellung von Stanzmessern. Weder aus diesen Entgegenhaltungen noch aus sonstigen Quellen ergaben sich aber konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der dort offenbarte Bearbeitungskopf eine bestimmte Mindestgröße haben muss, die bei Maschinen wie der UNICA 356 nicht erreicht werden kann. Auch die Beschreibung des Streitpatents spricht die Größenverhältnisse nicht an. Sie gibt zudem keine Hinweise darauf, wie ein im Stand der Technik bekannter Bearbeitungskopf modifiziert werden kann oder muss, damit er bei den für eine solche Vorrichtung typischen Größenverhältnissen besonders gut eingesetzt werden kann.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch in der Fassung einer der weiteren Hilfsanträge nicht patentfähig. Die nach diesen Hilfsanträgen vorgesehenen zusätzlichen Merkmale waren dem Fachmann am Prioritätstag auch in ihrer vollständigen Kombination, wie sie mit Hilfsantrag 7 beansprucht wird, durch den Stand der Technik nahegelegt.

a) Nach Hilfsantrag 7 sollen in Patentanspruch 1 über die vom Patentgericht aufrecht erhaltene Fassung (Hilfsantrag 1) hinaus folgende Merkmale hinzugefügt werden:

8.1 Ein Haltepunkt (3) in Form einer Einkerbung ist mit im Wesentlichen rechteckigem Querschnitt ausgebildet.

8.2 Ein solcher Haltepunkt (3) dient dazu, beim Ausstanzen des Verpackungselements einen dünnen, schmalen Steg zwischen Verpackungselement und dem restlichen Stanzwerkstoff zu erhalten.

10.1 Die Vorrichtung mit dem Bearbeitungskopf weist einen Wechselmechanismus auf, mittels dessen eine Frässcheibe (6) zur Bearbeitung eines Stanzmessers (2) ausgewählt werden kann.

10.2 Durch die Auswahl unterschiedlicher Fräswerkzeuge werden die Breiten der Einkerbungen vorgegeben.

b) Alle diese zusätzlichen Merkmale waren dem Fachmann ausgehend von der Vorbenutzung UNICA 356 nebst D22 und den Entgegenhaltungen D11 und D12 sowohl einzeln als auch in Kombination durch den Stand der Technik nahegelegt.

aa) Die Einfügung der Merkmale 8.1 und 8.2 dient nach dem Vorbringen der Beklagten in erster Linie der Abgrenzung von der Entgegenhaltung D1, bei der ein sägezahnartiges Muster nach Art eines Wellenschliffs ausgebildet wird. Der Fachmann hatte aus den im Zusammenhang mit der erteilten Fassung genannten Gründen aber ungeachtet dieses Unterschieds Anlass, die Bearbeitungsart "Fräsen" auch für Vorrichtungen in Betracht zu ziehen, die der Anbringung von Einkerbungen mit im Wesentlichen rechteckigem Querschnitt zum Ausbilden eines dünnen, schmalen Stegs dienen.

bb) Der nach Merkmal 10.1 vorgesehene Wechselmechanismus ist bereits in den Entgegenhaltungen D11 und D12 offenbart. Der Fachmann hatte aus den im Zusammenhang mit Hilfsantrag 1 aufgezeigten Gründen Anlass, auch dieses Konstruktionsdetail auf Vorrichtungen wie die Vorbenutzung UNI-CA 356 zu übertragen.

cc) Weiterhin offenbarte die Vorbenutzung UNICA 356 dem Fachmann die in Merkmal 10.2 beanspruchte Möglichkeit, durch Auswahl unterschiedlicher Bearbeitungswerkzeuge die Breiten der Einkerbungen vorzugeben. Dadurch war es nahegelegt, diese Möglichkeit auch beim Einsatz von Fräswerkzeugen und einem Bearbeitungskopf beizubehalten.

IV. Da Patentanspruch 7 in der vom Patentgericht aufrecht erhaltenen Fassung und der Fassung der weiteren Hilfsanträge jeweils nur die Merkmale der Vorrichtung beschreibt, welche für das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 zur Anwendung kommt, beruht dessen Gegenstand aus denselben Gründen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 ZPO.

Bacher Grabinski Hoffmann Schuster Deichfuß Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.02.2014 - 7 Ni 12/14 -






BGH:
Urteil v. 14.06.2016
Az: X ZR 46/14


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