Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 10. März 2009
Aktenzeichen: I-20 U 238/08
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 10.03.2009, Az.: I-20 U 238/08)
Tenor
Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 5. November 2008 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegnerin wird verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Gaskunden gegenüber zu behaupten, jederzeit eine 100%ige Gasbelieferung garantieren zu können, wenn dies in einer Werbeschrift geschieht wie nachstehend wiedergegeben:
Abb. Werbeschrift
Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,-- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens tragen die Antragstellerin zu 20 % und die Antragsgegnerin zu 80 %.
Gründe
Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat mit dem ersten Hilfsantrag in der Sache Erfolg. Anders als vom Landgericht angenommen liegen hinsichtlich des konkreten Verletzungsfalls, der angegriffenen Aussage in der Werbeschrift der Antragsgegnerin nämlich, die Voraussetzungen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 UWG vor.
Die Antragsgegnerin wirbt in dieser mit "Einfacher Wechsel - sichere Versorgung" überschriebenen Werbeschrift gleichrangig neben Aussagen zu ihrem günstigen Preis und zur Bequemlichkeit des Wechsels unter der Überschrift "Sicherer Gasversorger" mit einer Garantie jederzeitiger 100%iger Gasbelieferung. Eine entsprechende Aufzählung findet sich in dem Begleitschreiben, mit dem diese Broschüre versandt wurde, und zwar mit den Schlagworten "Garantiert", "Bequem", "Sicher". Das mag ein Teil der angesprochenen Verbraucher so verstehen, wie dies vom Landgericht ausgeführt wird, also in dem Sinne, dass die Antragsgegnerin als neuer Gasversorger am Markt nicht minder zuverlässig sei als die etablierten Versorgungsunternehmen. Schon die Verwendung des Wortes "jederzeit" zeigt indes entgegen der Auffassung des Landgerichts, dass es nicht lediglich um die Versorgungssicherheit in der Situation des Wechsels geht und allein ein unterbrechungsfreier Wechsel des Gasversorgers garantiert werden soll. Vielmehr reicht die Werbeaussage zweifellos darüber hinaus und betrifft die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses, für die stets eine sichere Gasversorgung garantiert sein soll.
Vor diesem Hintergrund gibt es nach Überzeugung des Senats zumindest einen nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher, die der Werbeaussage ihrem Wortlaut entsprechend eine weitergehende Bedeutung dahin beimessen, dass die garantierte Versorgungssicherheit die Antragsgegnerin gegenüber sonstigen Anbietern am Markt hervorheben soll. Die Werbebroschüre ist nämlich nach ihrem gesamten Inhalt darauf angelegt, Kunden zu einem Wechsel des Gasversorgers zu veranlassen. Aufgezählt werden, mit einem Haken versehen, drei ausdrücklich so bezeichnete "Vorteile" der Antragsgegnerin. Sie werden in drei Spalten mit den Überschriften "Garantiert günstig", "Bequemer Wechsel" und "Sicherer Gasversorger" dargestellt. Neben dem günstigen Preis wird damit besonders die Versorgungssicherheit der Antragsgegnerin herausgehoben, die "jederzeit" zu 100 % garantiert sein soll. Damit will die Antragsgegnerin nach dem Verständnis zumindest eines erheblichen Teils der angesprochenen Verbraucher sich gegenüber anderen Versorgern hervorheben. So wird durchaus der Eindruck erweckt, sicherer als andere Unternehmen zu sein. Tatsächlich ist dies nicht der Fall, wie zwischen den Parteien nicht streitig ist. Wollte man zu einem anderen, vom Wortlaut der Broschüre abweichenden Verständnis gelangen, wäre dies nur als Ergebnis weitergehender Überlegungen möglich, dass eine derart umfassende Garantie, wie sie sich bei wörtlichem Verständnis des Textes ergibt, wohl nicht gemeint sein könne. Diese beeinschränkende Vorstellung werden bei weitem nicht sämtliche Verbraucher entwickeln. Ein erheblicher Teil wird die Werbeaussage wörtlich nehmen. Wenn dies nicht dem von der Antragsgegnerin tatsächlich Gewollten entspricht, so hätte es ihr ohne weiteres freigestanden, den Text anders zu formulieren, um die Einschränkungen der Garantie auch deutlich zum Ausdruck zu bringen. Mit der hier angegriffenen Formulierung hebt die Antragsgegnerin sich indes von anderen Unternehmen ab und nimmt eine Sonderstellung hinsichtlich der Versorgungssicherheit in Anspruch, die ihr nicht zukommt.
Soweit die Antragstellerin mit ihrem Hauptantrag ein über diesen konkreten Verletzungsfall hinausgehendes Verbot erstrebt, bleibt ihr Rechtsmittel ohne Erfolg; der Verfügungsantrag ist insoweit als zu weit gefasst zurückzuweisen. In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsantrag und dementsprechend bei der Verurteilung im Interesse eines hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen gestattet sind, sofern auch in dieser Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (BGH GRUR 2002, 187 - Lieferstörung). Das hat seinen Grund darin, dass eine in bestimmter Form begangene Verletzungshandlung nicht nur die Wiederholung der genau identischen Verletzungsform vermuten lässt, sondern auch eine Vermutung für die Begehung leicht abgewandelter, aber in ihrem Kern gleicher Handlungen begründet (BGH a.a.O. m. umfangr. Nachw.). Ein Unterlassungsantrag wird jedoch (teilweise) unbegründet, wenn er durch eine zu weite Verallgemeinerung über den bestehenden Anspruch hinausgeht, insbesondere wenn er auch Handlungen einbezieht, die nicht wettbewerbswidrig sind (BGH a.a.O.). Dabei ist es grundsätzlich Sache des Klägers, Inhalt, Umfang und Grenzen des begehrten Verbots aufzuzeigen und die insoweit maßgebenden Umstände darzutun; es ist nicht Sache des Gerichts, einem zu weit gefassten Antrag einen zulässigen Wortlaut und Inhalt zu geben (BGH a.a.O. und GRUR 1998, 489 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Das gilt grundsätzlich auch im Verfügungsverfahren, weil auch hier der Antragsteller mit seinem Antrag den Streitgegenstand bestimmt und das erstrebte Verbot möglichst genau bezeichnet werden muss (vgl. etwa Zöller/Vollkommen, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 938 Rn. 2).
Dem wird die Fassung des Hauptantrags der Antragstellerin nicht gerecht. Es sind nämlich auch Zusammenhänge denkbar und von dem verallgemeinernden Teil des Antrags erfasst, die nicht wettbewerbswidrig sind. So mag die Antragsgegnerin durchaus eine Garantie der Versorgungssicherheit abgeben, wenn hiermit - ähnlich einer Haltbarkeitsgarantie im Kaufrecht - das Versprechen einer unbedingten Einstandspflicht für den Fall von Lieferunterbrechungen gemeint sein sollte. Das zeigt, dass ohne weitere, hier fehlende Abgrenzung ein allgemeines Verbot einer Garantie nicht ausgesprochen werden kann, das über dem konkreten, vom Hilfsantrag umfassten Verletzungsfall hinausgehen könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die erstrebte, indes ohne Erfolg gebliebene Verallgemeinerung des Verbots stellt ein teilweises Unterliegen der Antragstellerin dar. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000,-- € nach der Festsetzung des Landgerichts.
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 10.03.2009
Az: I-20 U 238/08
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