Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. März 2010
Aktenzeichen: X ZR 115/05
(BGH: Beschluss v. 23.03.2010, Az.: X ZR 115/05)
Tenor
Die Anhörungsrüge der Beklagten wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit Urteil vom 15. September 2009 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen das am 10. März 2005 verkündete Urteil des Bundespatentgerichts zurückgewiesen. Das Urteil wurde der Beklagten am 25. November 2009 zugestellt. Mit ihrer am 9. Dezember 2009 erhobenen Anhörungsrüge macht die Beklagte geltend, die Entscheidung des Senats verletze ihren Anspruch auf rechtliches Gehör, weil die von ihr zum Verhandlungstermin am 15. September 2009 gestellten Zeugen Dr. B. und Rechtsanwalt S. nicht zu der Frage vernommen worden seien, ob zwischen ihr und der Klägerin zu 1 B. SpA am 13. November 2008 am Flughafen M. ein Vergleich fest abgeschlossen worden sei, mit dem alle Patentstreitigkeiten abschließend geregelt worden seien. Zutreffend habe der Senat in dem Urteil vom 15. September 2009 auf den (nach Behauptung der Beklagten) mündlich geschlossenen Vergleich deutsches Recht angewendet. Zutreffend sei in dem Urteil auch dargelegt worden, dass bei vereinbarter Schriftform "im Zweifel" der Vertrag nicht geschlossen sei bzw. dass nach § 154 Abs. 2 BGB "im Zweifel zu vermuten" sei, dass der Vertrag nicht geschlossen werden solle, bis dieser in schriftlicher Form vorliege. Nach dieser Rechtslage sei es entscheidungserheblich darauf angekommen, ob sie, die Beklagte, Anhaltspunkte dafür vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass die Parteien am 13. November 2008 die sofortige Wirksamkeit des Vergleichs unabhängig von der schriftlichen Fixierung gewollt hätten und die Vermutung des § 154 Abs. 2 BGB deshalb im Streitfall nicht anwendbar sei.
Derartige Anhaltspunkte habe sie, die Beklagte, vorgetragen. Bereits im Schriftsatz vom 30. Juni 2009 habe sie ausgeführt, dass mit der Klägerin zu 1 im November 2008 in M. ein Vergleich "fest abgeschlossen" bzw. eine Vereinbarung "mündlich per Handschlag fest abgeschlossen" worden sei, nachdem man sich relativ schnell über die wesentlichen Punkte einig geworden sei und die meiste Zeit noch die Aushandlung der Fälligkeit der Raten in Anspruch genommen habe, und dieses Vorbringen unter Beweis durch das Zeugnis des Herrn Dr. B. und des italienischen Rechtsanwalts S. ge- stellt. Nachdem die Klägerin zu 1 das Zustandekommen eines Vergleichs bestritten habe, habe sie, die Beklagte, mit Schriftsatz vom 15. September 2009 nochmals vorgetragen, dass entgegen dem Vortrag der Klägerin "eine abschließende Regelung vereinbart worden" sei und der Verwaltungsratsvorsitzende der Klägerin zu 1, Herr Br. , die englische Sprache vollständig und auch verhandlungssicher beherrsche, Herr Br. während der Verhand- lung mehrfach mit seiner Mailänder Anwältin, Frau Sa. , telefoniert und sich mit ihr beraten habe und der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten, Herr H. , der die italienische Sprache beherrsche, und Herr Br. auch auf Italienisch miteinander verhandelt und damit Einigkeit über die offenen Streitpunkte erzielt hätten, wobei auch dieser Vortrag in das Wissen der genannten Zeugen gestellt worden sei. Weiter habe es in dem Schriftsatz geheißen, dass am nächsten Tag, den 14. November 2008, die italienische Rechtsanwältin der Klägerin zu 1 Sa. und ihre, der Beklagten, italieni- sche Rechtsanwältin F. in einem "gemeinsamen Schreiben die beauftrag- ten Gerichts- und Parteigutachter über den abgeschlossenen Vergleich informiert" hätten. Im Übrigen sei der Auftrag zur Fixierung der Vereinbarungen nur an die eigenen Anwälte der Beklagten erteilt worden.
Die Beklagte beantragt, das Berufungsverfahren zur Anhörung der Zeugen Dr. B. und Rechtsanwalt S. fortzuführen.
Den Klägerinnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Die Klägerin zu 1 beantragt, die Anhörungsrüge kostenpflichtig zurückzuweisen.
II. Die statthafte (§ 321 a Abs. 1 ZPO, § 122 a PatG) und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Sie könnte nur dann Erfolg haben, wenn der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden wäre. Daran fehlt es.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Gerichte verpflichtet, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll sicherstellen, dass die von den Gerichten zu treffenden Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne sind auch erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (BVerfGE 60, 250, 252; 69, 141, 142 f.; BVerfG NJW-RR 2004, 1150, 1151; Beschl. v. 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04).
Wie dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des Urteils vom 15. September 2009 zu entnehmen ist, hat der Senat bei der Anwendung des § 154 Abs. 2 BGB seinen Erwägungen die (von der Klägerin zu 1 in Abrede gestellte) Behauptung der Beklagten zugrunde gelegt, dass sich die Parteien am 13. November 2008 am Flughafen M. mündlich auf einen Vergleich zur Beilegung der zwischen ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten und Verfahren, einschließlich der Verpflichtung zur Rücknahme der hiesigen Nichtigkeitsklage geeinigt hätten. Berücksichtigt wurde zudem die Behauptung der Beklagten, dass die bei der Verhandlung anwesenden italienischen Anwälte der Beklagten beauftragt worden seien, den zunächst mündlich geschlossenen Vertrag schriftlich zu fixieren, wozu es - nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beklagten und der Klägerin zu 1 - dann nicht mehr gekommen ist, nachdem zuvor noch schriftliche Vertragsentwürfe von den italienischen Anwälten ausgetauscht worden waren (vgl. Urteil, S. 12 f. Tz. 12; S. 17 Tz. 24).
Auf der Grundlage dieses Vorbringens der Beklagten haben sich die Parteien also am 13. November 2008 auf den genannten Vergleich geeinigt und zudem verabredet, dass der mündlich geschlossene Vergleich noch schriftlich fixiert werden soll. Genau für diesen Fall, dass die Parteien über einen Vertrag mündlich Willensübereinstimmung erzielt und zugleich die spätere schriftliche Abfassung des Vertrags vereinbart haben, sieht die Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB in entsprechender Anwendung vor, dass im Zweifel Voraussetzung für die Vertragsbindung die Schriftform des Vertrags ist.
Umstände, die darauf schließen lassen, dass die Beklagte und die Klägerin zu 1 entgegen der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB vereinbart haben, dass die Vertragsbindung bereits mit dem mündlichen Abschluss des Vergleichs eintreten sollte, hat die Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen.
Sie hat lediglich ausgeführt, am 13. November 2008 sei in M. mit der Klägerin zu 1 ein Vergleich "fest abgeschlossen" bzw. eine Vereinbarung "mündlich per Handschlag fest abgeschlossen" worden, nachdem man sich relativ schnell über die wesentlichen Punkte einig geworden sei und die meiste Zeit noch die Aushandlung der Fälligkeit der Raten in Anspruch genommen habe.
Dieses - zwischen den Parteien streitige, aber zugunsten der Beklagten als zutreffend unterstellte - Vorbringen hat der Senat bei der Entscheidungsfindung zur Kenntnis genommen. Er hat es aber als irrelevant angesehen, wenn sich weder aus der wiederholten Verwendung des Wortes "fest" noch aus dem Umstand, dass die Vereinbarung "mündlich per Handschlag abgeschlossen" bzw. "eine abschließende Regelung vereinbart" worden sein soll, Zwingendes dafür ergibt, ob die Parteien den übereinstimmenden Willen hatten, dass die Bindungswirkung des Vertrags bereits mit der erzielten Willensübereinstimmung eintreten sollte. Daher bestand auch kein Anlass, die insoweit von der Beklagten benannten und in der mündlichen Verhandlung vom 15. September 2009 präsenten Zeugen Dr. B. und Rechtsanwalt S. zu vernehmen.
Das gilt auch dann, wenn die weiteren von der Beklagten vorgebrachten Umstände berücksichtigt werden, dass der Verwaltungsratsvorsitzende der Klägerin zu 1 Br. die englische Sprache vollständig und auch ver- handlungssicher beherrsche, Herr Br. während der Verhandlung mehrfach mit seiner Mailänder Anwältin Sa. telefoniert und sich mit ihr beraten habe und der persönlich haftende Gesellschafter der Beklagten H. , der die italienische Sprache beherrsche, und Herr Br. auch auf Italie- nisch miteinander verhandelt und damit auch Einigkeit über die offenen Streitpunkte erzielt hätten. Der Senat hat auch dieses Vorbringen in seine Entscheidungsfindung miteinbezogen, es aber für die maßgebliche Frage, ob die Parteien bei (zugunsten der Beklagten) unterstellter vollständiger Einigung auf den Vergleich auch darin übereinstimmten, dass die Bindungswirkung sofort und nicht erst mit Abfassung des schriftlichen Vergleichs eintreten sollte, für unerheblich erachtet. Entsprechend bestand auch insoweit kein Anlass, die von der Beklagten im Termin gestellten und zu den Umständen benannten Zeugen zu vernehmen. Von einer Wiedergabe dieser für die Entscheidung irrelevanten Umstände im Urteil konnte abgesehen werden, weil die Gerichte nicht verpflichtet sind, sich im Urteil unabhängig von dessen Relevanz ausdrücklich mit jedem Vorbringen der Parteien zu befassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.3.2006 - 1 BvR 2444/04).
Entsprechendes gilt schließlich für den Vortrag der Beklagten, am nächsten Tag, den 14. November 2008 hätten die italienische Anwältin der Klägerin zu 1 Sa. und die italienische Anwältin der Beklagten F. in einem "gemeinsamen Schreiben die beauftragten Gerichts- und Parteigutachter über den abgeschlossenen Vergleich informiert". Im Hinblick auf die Widerlegung der Auslegungsregel des § 154 Abs. 2 BGB ist nicht relevant, ob ein Vertrag abgeschlossen wurde, weil vollständige Willensübereinstimmung vorliegt. Entscheidend ist allein, ob die Parteien die Bindungswirkung bereits zum Zeitpunkt der mündlichen Willensübereinstimmung eintreten lassen wollten oder erst mit der schriftlichen Abfassung des Vergleichs. Im Hinblick auf diese Frage hat der Senat auch den zuletzt zitierten Darlegungen der Beklagten keinen verlässlichen Anhaltspunkt entnehmen können.
Der Umstand, dass die Parteien nach dem 13. November 2008 schriftliche Vertragsentwürfe vorgelegt haben, die einander nicht entsprechen, spricht vielmehr eher dafür, dass über die Verbindlichkeit des mündlich Abgesprochenen noch keine Einigung erzielt wurde (Urteil, S. 18 Tz. 25).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 91 Abs. 1 ZPO i.V. mit Kostenverzeichnis Nr. 1700 zum Gerichtskostengesetz.
Scharen Gröning Berger Grabinski Hoffmann Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 10.03.2005 - 2 Ni 15/03 (EU) -
BGH:
Beschluss v. 23.03.2010
Az: X ZR 115/05
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