Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Februar 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 159/02
(BPatG: Beschluss v. 19.02.2003, Az.: 28 W (pat) 159/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes - Markenstelle für Klasse 14 - vom 27. Juni 2002 aufgehoben.
Wegen des Widerspruchs aus der Marke IR 602 682 wird die Löschung der angegriffenen Marke 398 01 861 bezüglich der Waren "Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente" angeordnet.
Der weitergehende Widerspruch wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 16. März 1998 für die Waren
"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine, Uhren und Zeitmessinstrumente; Bekleidung und Kopfbedeckungen, Accessoires, nämlich Krawatten, Schals, Tücher, Gürtel für Bekleidung"
eingetragene Bildmarke 398 01 861 siehe Abb. 1 ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren, international registrierten Bildmarke IR 602 682 siehe Abb. 2 die seit dem 16.Juni 1993 für die Waren 9 Lunettes, lunettes de soleil, chasses de lunettes.
14 Metaux precieux et leurs alliages et objets en ces matières ou en plaque (excepte coutellerie, fourchettes et cuillers); joaillerie, pierres precieuses; horlogerie et autres instruments chronometriques.
16 Papier pour lettres, agendas, rubriques, blocsnotes, cahiers, dossiers, calendriers, plumes, crayons, articles pour la papeterie non compris dans d'autres classes.
21 Materiaux pour la brosserie; instruments et materiel de nettoyage; paille de fer; verre brut ou miouvre (à l'exception du verre de construction), verrerie, porcelaine et faence non comprises dans d'autres classes.
30 Ptisserie et confiserie, chocolats.
Schutz in Deutschland genießt.
Die Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch durch einen Beamten des gehobenen Dienstes mit der Begründung zurückgewiesen, dass selbst bei Annahme einer teilweise gegebenen Warenidentität die Marken einen ausreichenden Abstand zueinander einhielten, da die beiderseitigen kennzeichnungsschwachen Kopfdarstellungen eine Reihe von Unterschieden aufwiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sich zum einen auf eine gesteigerte Kennzeichnungskraft ihrer Marke aufgrund deren unterscheidungskräftigen Darstellung des Medusenkopfes und jahrzehntelangen Benutzung beruft und zum andern darauf verweist, dass die Vergleichszeichen, die in ihren wesentlichen Elementen - frontale Kopfdarstellung auf einem runden Schild mit ornamentiertem Doppelrand - weitgehend übereinstimmten. Aufgrund der Ähnlichkeiten sei angesichts identischer bzw. hochgradig ähnlicher Waren der zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr erforderliche Zeichenabstand nicht mehr gewahrt, insbesondere wenn die Zeichen nur aus der Erinnerung heraus verglichen werden könnten.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der Marke 398 01 861 im Umfang bestehender Warenähnlichkeit zu beschließen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie billigt der Widerspruchsmarke allenfalls durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, zumal eine umfangreiche und gesteigerte Benutzung nicht festgestellt werden könne, und hält die Zeichenunterschiede im Gesamteindruck angesichts der Übereinstimmungen lediglich in verbrauchten Elementen für ausreichend. Im übrigen bestünde nur Warenähnlichkeit im Bereich der Waren in Klasse 14.
Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben, was die Widersprechende als verspätet gerügt hat.
II.
Die nach § 165 Abs. 4 MarkenG zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet. Auch nach Auffassung des Senats besteht insoweit zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr ist von der Ähnlichkeit der Waren, der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke und der Ähnlichkeit der Marken auszugehen. Zwischen diesen Faktoren besteht eine Wechselwirkung, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Zeichen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND).
Die Benutzungslage der Widerspruchsmarke war im vorliegenden Fall nicht zu prüfen. Die von der Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung erhobene Einrede nach § 43 MarkenG ist als verspätet im Sinne von § 82 Abs. 1 MarkenG iVm §§ 528 Abs. 2, 282 Abs. 296 ZPO zurückzuweisen. Zwar unterliegt die Erhebung der Nichtbenutzungseinrede keiner Ausschlussfrist; sie muss also keineswegs zum frühestmöglichen Zeitpunkt erhoben werden, vielmehr kann selbst das erstmalige Bestreiten im Termin zur mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen sein, aber nur dann, wenn das nicht zu einer Verfahrensverzögerung führen würde. Eine solche wäre jedoch im vorliegenden Fall eingetreten. Die Widersprechende hat nämlich daraufhin mündlich vorgetragen, dass ihre Marke benutzt werde; zur Einreichung entsprechender Unterlagen war sie jedoch nicht in der Lage und musste darauf auch nicht vorbereitet sein. Die Benutzungsfrage hätte infolgedessen weiteren Schriftverkehr und eine weitere mündliche Verhandlung erfordert.
Somit ist bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Danach bewegen sich die Waren teilweise im Identitäts- und engeren Ähnlichkeitsbereich, soweit es sich um Waren der Klasse 14 handelt. Im übrigen ist von Warenferne bzw. Unähnlichkeit auszugehen, was auch die Widersprechende zuletzt nicht mehr in Zweifel gezogen hat.
Bedenkt man, dass es sich bei den Waren überwiegend um Artikel des täglichen Verkehrs handeln kann, die auch von durchschnittlich informierten Verbrauchern eher mit einer gewissen Flüchtigkeit erworben werden, sind an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr zu stellenden Abstand der Marken eher strengere Anforderungen zu stellen, denen die angegriffene Marke aufgrund ihrer unbestreitbaren Annäherung in Zeichenaufbau und bildlicher Gestaltung hinsichtlich der versagten Waren nicht mehr genügt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr eine Marke in der Regel als Ganzes wahrnimmt, ohne auf die verschiedenen Einzelheiten zu achten (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734 - Lloyd). Dementsprechend ist die Ähnlichkeit der Marken unter Heranziehung ihrer Übereinstimmungen festzustellen und danach die Frage der Verwechslungsgefahr zu beantworten (vgl. BGH WRP 2003, 751, 754 - Knabberbärchen).
Die Annäherungen der vorliegenden Marken sind vor allem darauf zurückzuführen, dass sich beide Marken der Frontalansicht eines menschlichen Kopfes mit auffälliger Kopfbedeckung in einem kreisrunden Hintergrund mit einem aus antiken Ornamenten bestehenden Rand bedienen, was in bezug auf die hier streitigen Waren nicht als schutzunfähig betrachtet werden kann. Auch im Zusammenhang mit Juwelier- und Schmuckwaren handelt es sich nicht um lediglich verbrauchte Elemente, selbst wenn man in den Marken eine Münzseite oder ein Medaillon erblicken würde.
Der Senat kann allerdings nicht der Auffassung der Widersprechenden folgen, dass der Verkehr in beiden Zeichen eine Abbildung der griechischen Sagengestalt "Medusa" erblickt oder erkennt. Denn diese Figur ist den betroffenen Verbrauchern wohl noch weniger bekannt als die ägyptische Königin "Nofretete", deren Büste im Ägyptischen Museum, Berlin, ausgestellt ist und deren Kopf nach einer neueren Entscheidung des Kammergerichts (KG Mitt. 2003, 221, 223) von den breiten Verkehrskreisen nicht mit dem Namen der ägyptischen Königin in Verbindung gebracht würde, da auch der durchschnittlich aufgeklärte und verständige Verbraucher keine überdurchschnittlichen kunstgeschichtlichen Kenntnisse aufweise.
Vielmehr wird dem Betrachter der vorliegenden Vergleichsmarken die Frontalansicht eines Kopfes mit einer auffälligen Haarpracht oder Kopfbedeckung in einer ornamentierten Umrahmung in Erinnerung bleiben. Demgegenüber fallen die Unterschiede - die eher maskenhafte Kopfdarstellung einerseits und die Strichzeichnung andererseits sowie das etwas abweichende Ornamentmuster - nicht entscheidend ins Gewicht, insbesondere, weil sich die Marken im identischen Warenbereich bewegen. Dies gilt auch für den geschlossenen weißen Zwischenraum, der den Kopf der angegriffenen Marke umgibt, während der der Widerspruchsmarke stellenweise in den ornamentierten Rand hineinragt. Diese Feinheiten wird sich der Verkehr nur bei intensiver Betrachtung einprägen können, was aber im vorliegenden Fall nicht zu erwarten ist.
Damit wird der Widerspruchsmarke auch kein "Motivschutz" zugebilligt, da es eben nicht um den Kopf der "Medusa" geht, sondern um eine bildlich gestaltete Frontalansicht mit ornamentiertem Rand, die nicht als verbraucht oder abgegriffen angesehen werden kann. Die von der Markeninhaberin vorgelegten Beispiele rechtfertigen ihre gegenteilige Annahme jedenfalls nicht. Die dort wiedergegebenen Kopfdarstellungen unterscheiden sich in Perspektive, Ausschnitt und grafischer Gestaltung, ohne dass ihnen ihre Eigentümlichkeit abgesprochen werden kann. Die unter den Beispielen zu findenden Frontalansichten weichen jedenfalls deutlich von den hier im Streit stehenden Marken ab.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden war daher der Erstbeschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke in dem im Tenor genannten Umfang anzuordnen; im übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen, was bei bestehender Warenunähnlichkeit auf der Hand liegt und bei gegebener Warenferne in dem noch ausreichenden Warenabstand begründet ist.
Eine Kostenentscheidung gemäß § 71 Abs. 1 S. 1 MarkenG war nicht veranlasst.
Stoppel Richterin Schwarz-Angele hat Urlaub und kann daher nicht selbst unterschreiben Stoppel Paetzold Bb/Fa Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D93585.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D93586.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 19.02.2003
Az: 28 W (pat) 159/02
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