BSozialgericht:
Urteil vom 27. August 2008
Aktenzeichen: B 11 AL 22/07 R

(BSG: Urteil v. 27.08.2008, Az.: B 11 AL 22/07 R)

Arbeitnehmer können einen Existenzgründungszuschuss auch dann beanspruchen, wenn sie als Grenzpendler unter Beibehaltung ihres deutschen Wohnsitzes eine selbstständige Tätigkeit im EU-Ausland aufnehmen.

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf einen Existenzgründungszuschuss nach § 421l Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

Der Kläger bezog wiederholt Leistungen der Beklagten, zuletzt Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis zum 29. Februar 2004. Für die Zeit ab 1. März 2004 beantragte er am 26. Februar 2004 bei der Beklagten einen Existenzgründungszuschuss zur Aufnahme einer Tätigkeit als deutscher Rechtsanwalt in Luxemburg. Nach seinen Angaben war der Kläger seit 10. März 2004 durch die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk K als Rechtsanwalt beim Landgericht K und beim Amtsgericht I zugelassen, hatte seine im März 2004 eröffnete Kanzlei in Luxemburg, den Wohnsitz dagegen weiter in S und übte seine Tätigkeit als Grenzpendler aus.

Die Beklagte lehnte seinen Antrag mit der Begründung ab, nach dem Territorialitätsprinzip werde nur die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Geltungsbereich des SGB III gefördert (Bescheid vom 16. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2004).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen ua mit der Begründung, der begehrte Zuschuss könne nicht gewährt werden, weil die selbständige Tätigkeit nicht in Deutschland aufgenommen worden sei. Bei einer Existenzgründung im Ausland entfielen die möglichen wirtschaftsfördernden Aspekte des Existenzgründungszuschusses in Form möglicher Einstellung von Arbeitnehmern und Investitionen (Urteil vom 15. Dezember 2005). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung bezogen. Ergänzend hat es ua ausgeführt, auch wenn das Territorialitätsprinzip zunächst nur an den Wohnsitz anknüpfe, sei die Förderung von Existenzgründungen dem systematischen Zusammenhang nach auf die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Das zeige die für die Dauer des Bezugs eines Existenzgründungszuschusses angeordnete Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, die für den Kläger wegen seiner außerhalb des Geltungsbereichs der Versicherungspflicht ausgeübten Tätigkeit jedoch ausgeschlossen wäre. Es widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, wenn der Kläger einerseits in den Genuss der begehrten Förderung käme, andererseits aber die damit verbundene Rentenversicherungspflicht nicht wahrzunehmen hätte. Vom Kläger angesprochene europarechtliche Vorschriften zur sozialen Sicherung begründeten ebenfalls keinen Anspruch auf Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in Luxemburg durch die deutsche Arbeitsverwaltung. Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sei nicht tangiert, die sich daraus ergebenden Rechte begründeten keinen Förderanspruch. Im Gegenteil sei die vom Kläger erstrebte Unterstützung als staatliche Beihilfe, soweit sie Einfluss auf den zwischenstaatlichen Handel habe, gemeinschaftsrechtlich verboten (Urteil vom 19. Januar 2007).

Mit der Revision rügt der Kläger - jetzt noch - die Verletzung materiellen Rechts. Es sei unberücksichtigt geblieben, dass er am 1. März 2004 eine selbständige Tätigkeit nicht nur in Luxemburg, sondern auch in Deutschland aufgenommen habe. Er sei auch in der Bundesrepublik als Anwalt tätig geworden, und zwar erstmals in der vorliegenden (eigenen) Sache. Bei den Ausführungen zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung habe das LSG nicht beachtet, dass er vom 1. April 2004 bis 6. November 2005 bei der Versorgungskammer der rheinland-pfälzischen Rechtsanwaltskammer als Pflichtmitglied beitragspflichtig gewesen sei und anschließend bei der Bayerischen Rechtsanwalts- und Steuerberatungsversorgung. Es sei unter diesen Umständen fehlerhaft, bei der Prüfung der Leistungsvoraussetzungen trotz der im Inland verwirklichten Anknüpfungspunkte auf den Kanzleisitz in Luxemburg abzustellen. Auch sei die Auffassung der Vorinstanzen falsch, die Einstellung von Arbeitnehmern gehöre zu den Zwecken des Existenzgründungszuschusses.

Der Kläger beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als deutscher Rechtsanwalt in Luxemburg einen Existenzgründungszuschuss sowie zusätzlich Zinsen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren,

hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof zu einer Vorabentscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 19. Januar 2007 zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Gründe

Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und daher aufzuheben. Der Kläger hat Anspruch auf den begehrten Existenzgründungszuschuss. Die Leistung ist weder ihren gesetzlichen Voraussetzungen nach (hierzu unter 2.) noch durch das Territorialitätsprinzip (hierzu unter 3.) oder das Gemeinschaftsrecht (hierzu unter 4.) auf die Aufnahme einer Inlandstätigkeit beschränkt, sondern kann auch für Existenzgründungen im Ausland in Anspruch genommen werden.

1. Gegenstand der Revision ist allein der Bescheid vom 16. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juni 2004, mit welchem die Beklagte es abgelehnt hat, den begehrten Existenzgründungszuschuss für das erste Förderjahr (vgl § 421l Abs 2 Satz 1 SGB III) zu bewilligen. Folgeanträge, die das zweite und dritte Förderjahr betreffen, sind nicht beschieden, so dass sich die Anfechtungs- und Leistungsklage auf die Zeit vom 1. März 2004 bis 28. Februar 2005 bezieht. Im Umfang dieser Begrenzung sind die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs gegeben.

2. Rechtsgrundlage ist § 421l SGB III idF des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2848). Danach haben Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, Anspruch auf einen monatlichen Existenzgründungszuschuss (Abs 1 Satz 1). Der Zuschuss wird nach Abs 1 Satz 2 geleistet, wenn der Existenzgründer in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit ua Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat (Nr 1) und nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Arbeitseinkommen nach § 15 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) erzielen wird, das voraussichtlich 25.000 Euro im Jahr nicht überschreiten wird (Nr 2). Der Zuschuss wird bis zu drei Jahren erbracht und jeweils längstens für ein Jahr bewilligt (Abs 2 Satz 1). Er beträgt im ersten Jahr nach Beendigung der Arbeitslosigkeit monatlich 600 Euro, im zweiten Jahr monatlich 360 Euro und im dritten Jahr monatlich 240 Euro (Abs 2 Satz 2). Nach den mit noch hinreichender Deutlichkeit getroffenen Feststellungen der Vorinstanz steht insoweit verbindlich (§ 163 SGG) fest, dass der Kläger bis zum 29. Februar 2004 arbeitslos war und als Entgeltersatzleistung Alhi (vgl § 116 Nr 6 SGB III idF bis zum Inkrafttreten des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) bezog, in direktem Anschluss daran mit Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Anwalt die Arbeitslosigkeit beendete und die genannte Einkommensgrenze prognostisch auch nicht überschritt. Der begehrte Zuschuss scheitert auch weder daran, dass die selbständige Tätigkeit freiberuflicher Natur war (hierzu unter a), noch daran, dass sie grenzüberschreitend ausgeübt wurde (hierzu unter b).

a) Auch die Aufnahme einer gehobenen freiberuflichen Tätigkeit - wie hier als Rechtsanwalt - ist förderungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn der Gesetzgeber bei der Einführung des Existenzgründungszuschusses solche Berufe nicht im Auge hatte. Er wollte nämlich im Interesse einer nachhaltigen Verringerung der Arbeitslosigkeit und der Eröffnung von Beschäftigungsperspektiven für geringer qualifizierte Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im wachsenden Dienstleistungssektor bestimmte Segmente, insbesondere im Bereich hauswirtschaftlicher Dienstleistungen, für die Erschließung zusätzlicher regulärer, vor allem in die Sozialversicherung einbezogener Beschäftigungsmöglichkeiten nutzen. Trotzdem sah er in der Erbringung solcher Dienstleistungen zugleich auch ein Betätigungsfeld für Existenzgründer im Rahmen der sog Ich-AG bzw Familien-AG (vgl BT-Drucks 15/26 S 19).

Die durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl l 4621) mit Wirkung zum 1. Januar 2003 eingefügte - aktuell auf Ansprüche vor dem 1. Juli 2006 beschränkte - Vorschrift enthält keine Begrenzung der Förderung auf bestimmte Betätigungsfelder oder Dienstleistungen. § 421l Abs 1 Satz 1 SGB III knüpft ohne Einschränkungen allein an die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit an. Der Gesetzgeber hat es dabei belassen, den Zugang zur Förderung von der Höhe des nach der Existenzgründung zu erwartenden Arbeitseinkommens abhängig zu machen (§ 421l Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III) und für den Fall der Überschreitung dieser Einkommensgrenze während eines Bewilligungszeitraums eine weitere Förderung für die Zukunft auszuschließen (§ 421l Abs 3 SGB III). Die Begrenzung auf ein Jahresarbeitseinkommen von höchstens 25.000 Euro in einer Übergangsphase nach der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit sollte dem Gedanken der Ich-AG bzw Familien-AG Rechnung tragen und solche Existenzgründer von der Förderung ausschließen, die ersichtlich und nach allgemeiner Anschauung höhere Arbeitseinkommen erzielen werden (BT-Drucks 15/26 S 22, 23).

Danach kommt es für die Förderung grundsätzlich nicht auf die Art der aufgenommenen selbständigen Tätigkeit an. Vielmehr kann die Aufnahme jeder mit der Rechtsordnung in Einklang stehenden selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf einen Zuschuss auslösen (vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 421l RdNr 22; Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l RdNr 21a). Von der Aufnahme einer solchen Tätigkeit ist hier auszugehen. Denn der Kläger hat seine selbständige Tätigkeit als deutscher Rechtsanwalt in Luxemburg im Einklang mit der Rechtsordnung aufgenommen, nämlich unter Beachtung der Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rats der Europäischen Union vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl 1998 Nr L 77/36 <Richtlinie 98/5/EG>). Ein den Zugang zur Förderung ausschließender Erfahrungssatz, dass ein Freiberufler wie hier ein Rechtsanwalt bereits im ersten Jahr nach der Existenzgründung typischerweise bzw (wie es in den Gesetzesmotiven heißt) "ersichtlich und nach allgemeiner Anschauung" die in § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III bestimmte Einkommensgrenze überschreiten wird, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.

b) § 421l SGB III setzt auch keine Inlandstätigkeit voraus. Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass die Vorinstanz unter den vom Kläger vorgebrachten Umständen davon ausgegangen ist, dass dieser unter Beibehaltung seines Wohnsitzes und seiner Anwaltszulassung im Inland seine (erste) Kanzlei in der Stadt Luxemburg im benachbarten Ausland eröffnet und seine selbständige Tätigkeit deshalb nicht im Geltungsbereich des SGB III aufgenommen hat.

aa) Der Ansicht des Klägers, mit der Eröffnung seiner Kanzlei in Luxemburg ab 1. März 2004 wie auch der Übernahme inländischer Mandate habe er gleichzeitig eine Tätigkeit in Luxemburg und in Deutschland aufgenommen, kann insoweit nicht gefolgt werden. Für die Bestimmung des Ortes einer selbständigen Tätigkeit sind gemäß § 11 Abs 1 SGB IV, der nach § 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV auch für die Arbeitsförderung gilt, die für eine abhängige Beschäftigung geltenden Regelungen des § 9 SGB IV sinngemäß anzuwenden. Beschäftigungsort ist zwar nach § 9 Abs 1 SGB IV im Regelfall der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird. Wird aber ein und dieselbe Beschäftigung nicht durchweg am selben Ort ausgeübt und fehlt insoweit der erforderliche einheitliche Anknüpfungspunkt, gilt nach § 9 Abs 2 Nr 1 SGB IV als Beschäftigungsort der Ort, an dem eine feste Arbeitsstätte errichtet ist, wenn Personen von ihr aus mit einzelnen Arbeiten außerhalb der festen Arbeitsstätte beschäftigt werden. Das trifft zumindest dann zu, wenn ihrem Schwerpunkt nach die Beschäftigung in der festen Arbeitsstätte stattfindet und Verrichtungen außerhalb lediglich vorübergehend bzw ausnahmsweise erfolgen (vgl Grimmke in jurisPK-SGB IV, § 9 RdNr 19 f; Seewald in Kasseler Kommentar, SGB IV, § 9 RdNr 7; weitergehend: Lüdtke in LPK-SGB IV, § 9 RdNr 8). Das Merkmal einer "festen Arbeitsstätte" erfüllen jedenfalls die für eine gewisse Dauer zur Verrichtung von Arbeit vorgesehenen und entsprechend eingerichteten Räumlichkeiten eines Betriebes (vgl Grimmke, aaO, § 9 RdNr 17 f; Lüdtke, aaO, § 9 RdNr 6; Seewald, aaO, § 9 RdNr 6; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, § 9 RdNr 4).

Für die selbständige Tätigkeit eines Rechtsanwalts ist hieraus abzuleiten, dass regelmäßig der Ort, an dem der Anwalt seine Kanzlei unterhält, als sein Tätigkeitsort anzusehen ist. Denn nach der Verkehrsanschauung entspricht die Kanzlei einer festen und in der Regel vorwiegend genutzten Arbeitsstätte, weil sie typischerweise den räumlich markierten Mittelpunkt der Anwaltstätigkeit darstellt. In der Zeit von März 2004 bis Oktober 2005 hat der Kläger tatsächlich nur die Kanzlei in Luxemburg unterhalten und war von der in § 27 BRAO (in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. März 2007, BGBl I 358) angeordneten Verpflichtung zur Einrichtung einer inländischen Kanzlei am Ort des Gerichts der Zulassung bzw im Amtsgerichtsbezirk befreit (§ 29a Abs 2 BRAO in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. März 2007, aaO). Dementsprechend hat der - auch in Fällen mit Auslandsberührung maßgebliche (vgl BSG SozR 3-5420 § 2 Nr 2) - Schwerpunkt der selbständigen Tätigkeit im streitigen Zeitraum nicht im Geltungsbereich des SGB III gelegen. Daran ändert die vorgetragene Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland nichts. Diese war im Gegenteil lediglich Konsequenz der Befreiung von der Kanzleipflicht (vgl § 30 Abs 1 Satz 1, Halbsatz 1 BRAO in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26. März 2007, aaO).

bb) Selbst wenn der Kläger danach seine selbständige Tätigkeit als Anwalt im Ausland aufgenommen hat, folgt daraus aber nicht, dass die begehrte Förderung nicht gewährt werden kann. Auch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Ausland ist als grundsätzlich förderungsfähige Existenzgründung iS des § 421l Abs 1 Satz 1 SGB III anzusehen (so auch: Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l RdNr 21c; Winkler in Gagel, SGB III, § 421l RdNr 3 iVm § 57 RdNr 21; ebenso zum Überbrückungsgeld: LSG Baden-Württemberg, Breith 1991, 426, und Stark in PK-SGB III, § 57 RdNr 62; ebenso wohl Brandts in Niesel, SGB III, 4. Aufl, § 421l RdNr 12).

Der Vorschrift des § 421l SGB III ist eine Inlandstätigkeit als Anspruchsvoraussetzung nicht zu entnehmen. Der Wortlaut der Norm verlangt als Grundvoraussetzung der Förderung nur die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Aufnahme (irgend-) einer selbständigen Tätigkeit, ohne etwa eine Unterscheidung nach In- und Ausland (anders zB § 34 Abs 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz <AFG>, vgl dazu BSGE 58, 44 = SozR 4100 § 34 Nr 12; § 85 Abs 3 Satz 2 SGB III) vorzunehmen. Aus Sinn und Zweck des Existenzgründungszuschusses kann ebenfalls nicht hergeleitet werden, dass nur die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Inland förderungsfähig wäre. Der mit dem Zuschuss bezweckte Anreiz zum Schritt in die Selbständigkeit soll nach den oben bereits dargestellten Vorstellungen des Gesetzgebers einen Beitrag leisten zum Abbau der hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland (und damit zugleich auch zur Einsparung von Entgeltersatzleistungen) sowie zur Eindämmung der Schwarzarbeit (insbesondere soweit sie bisher parallel zum Bezug von Entgeltersatzleistungen ausgeübt und in diesen Fällen sozusagen subventioniert wurde). Nach dem Sinn und Zweck des § 421l SGB III ist somit als maßgeblich anzusehen, ob eine Existenzgründung geeignet ist, die für den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft im Inland angestrebten Effekte herbeizuführen.

Diese Eignung lässt sich der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Ausland nicht absprechen, weil auch in diesem Fall die vom Gesetzgeber erwünschten Folgen der Existenzgründung (Beendigung der Arbeitslosigkeit nebst Minderung der Ausgaben für Entgeltersatzleistungen und ggf Einstellung bisheriger Schwarzarbeit) im Inland eintreten. Dieser Inlandseffekt ist bereits dadurch sichergestellt, dass nur Existenzgründer gefördert werden können, die in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in der von § 421l Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III vorausgesetzten Beziehung zum inländischen Arbeitsmarkt gestanden haben. Gemessen am Zweck der Regelung und unter Beachtung des aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) folgenden Verbots, im Wesentlichen Gleiches ungleich zu behandeln, ist kein ausreichender sachlicher Grund zu erkennen, die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Ausland trotz des auch mit ihr verbundenen Inlandseffekts nicht zu fördern. Die positiven Inlandseffekte grenzüberschreitender Arbeitsmarktaktivitäten macht sich die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Übrigen selbst zunutze, indem sie beispielsweise Beschäftigungen europaweit vermittelt (vgl unter www.arbeitsagentur.de ).

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz lässt sich hiergegen nicht einwenden, dass bei einer Existenzgründung im Ausland der Binnenwirtschaft dienliche weitere Folgeeffekte (wie die Einstellung von Arbeitnehmern oder Investitionen durch den Existenzgründer) ausblieben. Denn es lässt sich nicht feststellen, dass solche Folgeeffekte zu den Anspruchsvoraussetzungen bzw zu den für eine Förderung wesentlichen Gesetzeszielen gehören (aA wohl Becker in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 9 RdNr 124). Zum hier fraglichen Zeitpunkt der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit machte das Gesetz die Förderung nicht einmal von der Erfolgsaussicht der Existenzgründung abhängig. Erst mit Wirkung ab 27. November 2004 wurde als weitere Anspruchsvoraussetzung die Vorlage der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung eingeführt (§ 421l Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19. November 2004, BGBl I 2902). Ursprünglich war die Förderung sogar davon abhängig, dass der Existenzgründer keinen Arbeitnehmer oder nur mitarbeitende Familienangehörige beschäftigte (§ 421l Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III idF des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002, BGBl I 4621; vgl dazu Becker, aaO, § 9 RdNr 143 ff). Diese Anspruchsvoraussetzung ist zwar durch das Gesetz zur Förderung von Kleinunternehmern und zur Verbesserung der Unternehmensfinanzierung vom 31. Juli 2003 (BGBl I 1550) rückwirkend zum 1. Januar 2003 wieder beseitigt worden. Dazu hat sich der Gesetzgeber aber vor allem deshalb veranlasst gesehen, weil diese auf die Gründung von Allein-Unternehmungen ausgerichtete Fördervoraussetzung zu Umsetzungsproblemen in der Praxis geführt hatte, die allein mit Hilfe von Familienangehörigen häufig nicht lösbar waren, insbesondere im Hinblick auf Vertretungsprobleme bei Alleinunternehmern mit Kundenverkehr oder im Falle von Arbeitsunfähigkeit (BT-Drucks 15/1042 S 11).

Dass nach dieser Gesetzesänderung der Existenzgründungszuschuss maßgeblich darauf ausgerichtet ist, weitere abhängige Arbeitsplätze im Inland zu schaffen, kann auch nicht der zusätzlichen Erwägung des Gesetzgebers entnommen werden, das wirtschaftliche Wachstum der geförderten Existenzgründer solle nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass aus förderrechtlichen Erwägungen von der Einstellung von Arbeitnehmern abgesehen werde (BT-Drucks, aaO). Damit sollte allenfalls ein mögliches Expansionshindernis beseitigt werden, nicht jedoch die Förderung künftig final der Schaffung neuer Arbeitsplätze im Inland oder sonstigen binnenwirtschaftsfördernden Folgeeffekten der Existenzgründung dienen. Denn die jährliche Einkommensgrenze von voraussichtlich höchstens 25.000 Euro als Voraussetzung für einen Zugang zur Förderung (§ 421l Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB III) wurde ebenso beibehalten wie der Ausschluss einer weiteren Förderung beim Überschreiten der Einkommensgrenze während eines Bewilligungszeitraums (§ 421l Abs 3 Satz 1 SGB III). Damit sollte die Förderung ungeachtet der Beseitigung des bisherigen Einstellungshindernisses auch künftig nur für relativ wirtschaftsschwache Kleinunternehmen gewährt werden. Im Übrigen sind auch für den Fall einer Existenzgründung im Ausland positive Folgeeffekte auf den deutschen Markt nicht ausgeschlossen. Wegen des für alle Sozialleistungsbereiche geltenden Territorialitätsgrundsatzes aus § 30 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sind leistungsberechtigt nur Existenzgründer mit Inlandsbezug.

3. Demgemäß steht das Territorialitätsprinzip, auf das sich die Beklagte beruft, dem Leistungsanspruch des Klägers, der seinen Wohnsitz im Inland beibehalten hat, nicht entgegen. Nach § 30 Abs 1 SGB I gelten die Vorschriften dieses Gesetzbuchs für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Einerseits vor dem völkerrechtlichen Hintergrund, dass staatliche Hoheitsgewalt nur im eigenen Hoheitsbereich ausgeübt werden darf (vgl Hauck/Noftz, SGB I, § 30 RdNr 1; Mrozynski, SGB I, 3. Aufl, § 30 RdNr 10; Klose in John/Klose, SGB I, § 30 RdNr 3), andererseits im Einklang mit dem Grundsatz, dass das Sozialstaatsgebot den Gesetzgeber nur dazu verpflichtet, denen eine soziale Sicherheit zu garantieren, für die er verantwortlich ist (vgl BVerfGE 51, 1 = SozR 2200 § 1315 Nr 5), wird mit dieser (einseitigen) Kollisionsnorm (BSG SozR 3-1200 § 30 Nr 15) zum Ausdruck gebracht, dass die Geltung des Sozialrechts sich grundsätzlich unabhängig von der Staatsbürgerschaft auf alle im Inland lebenden Personen erstreckt. Das bedeutet zugleich, dass auch Sachverhalte mit Auslandsbezug - insbesondere Leistungssachverhalte - durchaus Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen nach dem inländischen Sozialrecht sein können (vgl Hauck/Noftz, aaO, § 30 RdNr 1, 2, 5 und 7; Mrozynski, aaO, § 30 RdNr 5 f und 10).

a) Das Wohnsitzprinzip gilt indessen nicht uneingeschränkt, sondern steht gemäß § 37 SGB I (ua) unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen in den besonderen Teilen des SGB. Nach § 3 SGB IV gelten im Beitragsrecht - auch für die Arbeitsförderung (§ 1 Abs 1 Satz 2 SGB IV) - die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt oder selbständig tätig sind (Nr 1), während der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt nur (wie nach § 30 Abs 1 SGB I) der maßgebliche Anknüpfungspunkt bleibt, soweit eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit nicht vorausgesetzt wird (Nr 2; zu Normzweck und Regelungssystem vgl Seewald in Kasseler Kommentar, SGB IV, § 3 RdNr 1 bis 3). Obwohl diese Regelungen nicht unmittelbar etwas über das Leistungsrecht aussagen (vgl BSG SozR 4-2400 § 4 Nr 1; Seewald, aaO, RdNr 3; Udsching in Hauck/Haines, SGB IV, § 3 RdNr 5a; Padé in juris-PK-SGB IV, § 3 RdNr 7 und 12; Wietek in LPK-SGB IV, § 3 RdNr 6), wird aus § 3 Nr 1 SGB IV ua für den Bereich der Arbeitsförderung eine weitgehende Durchbrechung des Territorialitätsprinzips des § 30 Abs 1 SGB I gefolgert (vgl Hauck/Noftz, SGB I, § 30 RdNr 3 und 9; Mrozynski, SGB I, 3. Aufl, § 30 RdNr 5 und 39 ff).

Inwieweit dem im Allgemeinen zuzustimmen ist, kann hier offen bleiben. Denn die vom LSG angestellte Überlegung, dass eine Leistungsberechtigung grundsätzlich ein Versicherungsverhältnis voraussetzt und die Leistungsvorschriften deshalb nur für Personen gelten, die von den Vorschriften über die Versicherungspflicht oder die Versicherungsberechtigung erfasst werden (vgl Hauck/Noftz, aaO, § 30 RdNr 3), trifft jedenfalls auf den als neuartige Leistung eingeführten Existenzgründungszuschuss nicht zu. § 421l SGB III setzt nämlich für die Gewährung des Zuschusses nicht mehr als einen in der Vergangenheit liegenden Bezug zur Versichertengemeinschaft voraus. Er lässt es genügen, dass der Existenzgründer in einem engen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen oder eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gefördert worden ist (Abs 1 Satz 2 Nr 1). Als leistungsberechtigt kommen danach gerade Personen in Betracht, die (als bisherige Arbeitnehmer) nur in einer der Existenzgründung vorangegangenen Beziehung zur Arbeitslosenversicherung gestanden haben (vgl dazu Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l RdNr 19; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 421l RdNr 21; zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Einzelnen siehe auch Winkler in Gagel, SGB III, § 421l RdNr 4 bis 10). Der Zuschuss soll gerade einen Anreiz schaffen, den Kreis der Arbeitnehmer und der in dieser Eigenschaft versicherten Personen durch den Schritt in die Selbständigkeit zu verlassen. Denn nur wenn dieser Schritt mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vollzogen und dadurch die Arbeitslosigkeit beendet worden ist (zu diesen Voraussetzungen vgl Voelzke, aaO, RdNr 21 ff; Link, aaO, RdNr 20 f und 43), kann nach § 421l Abs 1 Satz 1 SGB III der Anspruch auf den Zuschuss überhaupt entstehen.

Dazu passend soll die Gewährung eines Existenzgründungszuschusses wegen der daran gemäß § 7 Abs 4 Satz 1 SGB IV geknüpften Vermutung für eine selbständige Tätigkeit planmäßig gerade Versicherungsfreiheit in der Arbeitslosenversicherung zur Folge haben (vgl dazu Voelzke, aaO, RdNr 56 und 63; Winkler in Gagel, aaO, RdNr 3). Erst durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2848) ist mit Wirkung ab 1. Februar 2006 für Personen, die eine selbständige Tätigkeit mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnehmen und ausüben, die Möglichkeit eines Versicherungsverhältnisses auf Antrag gemäß § 28a Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III eingeführt worden. Die Übergangsregelung in § 434j Abs 2 SGB III ermöglichte es zwar abweichend von § 28a Abs 2 Satz 2 SGB III auch Existenzgründern, die ihre selbständige Tätigkeit nach dem 31. Dezember 2003 und mehr als einen Monat vor Antragstellung aufgenommen haben, noch bis zum 31. Dezember 2006 einen Antrag auf freiwillige Weiterversicherung zu stellen (zur Beschränkung der Frist auf den 31. Mai 2006 bei Tätigkeitsaufnahme vor dem 1. Januar 2004 vgl Vorlagebeschluss SG Koblenz vom 10. Januar 2007 - S 9 AL 302/06; Wenner SozSich 2006, 200). Nach § 28a Abs 2 Satz 1 SGB III, der durch das Übergangsrecht keine Modifizierung erfahren hat, beginnt jedoch das Versicherungsverhältnis auf Antrag nicht vor dem Tag des Eingangs des Antrags bei der Agentur für Arbeit. Für Existenzgründer, die - wie der Kläger - lange vor dem 1. Februar 2006 eine selbständige Tätigkeit aufgenommen haben, war somit die Möglichkeit einer freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der Tätigkeit nicht gegeben. Jedenfalls für diesen Personenkreis bestand daher kein Zusammenhang zwischen einer Leistungsberechtigung nach § 421l SGB III und einer (aktuellen) Versicherungspflicht oder wenigstens Versicherungsberechtigung in der Arbeitslosenversicherung.

Die durch § 3 Nr 1 SGB IV angeordnete Abhängigkeit der Versicherungspflicht bzw Versicherungsberechtigung vom Ort der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit bietet unter diesen Umständen keinen sachgerechten Anknüpfungspunkt für eine korrespondierende Bestimmung der Leistungsberechtigung und kann insoweit auch nicht als eine von § 30 Abs 1 SGB I abweichende Regelung iS des § 37 SGB I angesehen werden. Ungeachtet des Inlandswohnsitzes ist es daher nicht gerechtfertigt, einen Anspruch auf Leistungen nach § 421l SGB III von einer Inlandstätigkeit abhängig zu machen, ohne dass es an dieser Stelle einer weitergehenden Entscheidung bedarf, inwieweit bei der Auslegung des § 30 Abs 1 SGB I auch auf den Inlandswohnsitz als Anknüpfungspunkt verzichtet werden kann, wenn der territoriale Bezug zum Geltungsbereich des SGB auf andere Weise sichergestellt ist (vgl Mutschler SGb 2000, 110, 113 ff mwN).

b) Entgegen der Vorinstanz ergibt sich nichts anderes aus dem systematischen Zusammenhang mit § 2 Satz 1 Nr 10 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Richtig ist, dass durch die genannte Vorschrift parallel zur Leistung des Existenzgründungszuschusses die Rentenversicherungspflicht für die Dauer des Bezugs eingeführt wurde, diese aber bei Auslandstätigkeit kraft der Regelung in § 3 Nr 1 SGB IV nicht zum Tragen kommt. Bereits die Vorschrift des § 28a SGB III zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung (hierzu unter a) erhellt indes, dass der Rentenversicherungspflicht für Existenzgründer kein verallgemeinerungsfähiges versicherungsrechtliches Konzept zu Grunde liegt, welches sachgerechter Anknüpfungspunkt für die Prüfung eines Leistungsanspruchs sein könnte. Bestätigt wird dies durch § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, wonach Existenzgründer nur - und auch nur unter zusätzlichen Einschränkungen - Zugang zu einer freiwilligen Krankenversicherung haben mit der Folge dann wiederum einer Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 3 Sozialgesetzbuch Elftes Buch; vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, § 421l RdNr 62; Link in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421l RdNr 39). Davon abgesehen ist die Erfüllung der Rentenversicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr 10 SGB VI keine unabdingbare Voraussetzung für die Gewährung des Existenzgründungszuschusses, sondern eine Vergünstigung, die als Folge des Bezugs den Übergang in die Selbständigkeit zeitlich befristet "sozial flankiert" (BT-Drucks 15/26 S 19). Ggf mag es die Vorstellung des Gesetzgebers gewesen sein, dass Existenzgründer den Zuschuss für ihre Beitragszahlungen zur Sozialversicherung verwenden "können" (BT-Drucks 15/26 S 22). Eine Zweckbindung des Existenzgründungszuschusses "zur sozialen Sicherung" ist in § 421l SGB III hingegen anders als beim Gründungszuschuss nach § 57 SGB III (idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl I 1706) nicht zum Ausdruck gekommen (zur Zweckidentität des Arbeitslosengeldes II vgl BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 16/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 8). Keiner weiteren Überprüfung bedarf aus diesem Grund, ob nicht der Kläger, der nach seinem Vortrag Mitglied einer Rechtsanwaltskammer und einer berufsständischen Versorgungseinrichtung im Inland ist, im Falle einer Inlandstätigkeit nicht ohnehin von der Rentenversicherungspflicht befreit gewesen wäre (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 iVm Satz 2 ff SGB VI; hierzu BSGE 80, 215, 219 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4).

4. Des Rückgriffs auf die vom Kläger zusätzlich angeführten gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften bedarf es nicht. Denn ob das Gemeinschaftsrecht - iS des § 30 Abs 2 SGB I abweichend vom Territorialitätsgrundsatz des § 30 Abs 1 SGB I - einen Anspruch auf Mitnahme eines Existenzgründungszuschusses etwa bei Verlegung des Wohnsitzes ins EU-Ausland ermöglicht oder nicht (hierzu Leopold ZESAR 2008, 22; vgl auch Mutschler SGb 2000, 110), ist ohne Belang, solange der Anspruch auf Förderung nach nationalem Recht begründet ist. Das Gemeinschaftsrecht ist seinem Koordinierungsgedanken (vgl Art 42 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft idF des Vertrags von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 <EG>, hierzu Streinz, EUV/EGV, Art 42 EGV, RdNr 1 ff) nach darauf ausgerichtet, von allen Mitgliedstaaten zu beachtende Mindeststandards im Interesse der Herstellung der Freizügigkeit der Betroffenen festzulegen, nicht dagegen für diese günstigere Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten zu unterlaufen. Ist also schon dem inländischen Recht nicht zu entnehmen, dass Existenzgründer, die ihre Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in einem benachbarten Mitgliedstaat beenden, von der Förderung generell ausgeschlossen sind, kommt es nicht mehr darauf an, ob sich aus dem Gemeinschaftsrecht ein Förderanspruch entnehmen lässt (zur Beeinträchtigung des Rechts auf Freizügigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs durch die Praxis der BA, Vermittlungsgutscheine iS des § 421g SGB III nur bei der Vermittlung in inländische Beschäftigungen einzulösen vgl EuGH, Urteil vom 11. Januar 2007 - C-208/05 - = EuGHE I 2007, 181 = SozR 4-6035 Art 39 Nr 2).

Soweit das LSG schließlich meint, für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im (EU-)Ausland sei kein Existenzgründungszuschuss zu gewähren, weil der Kläger andernfalls eine unzulässige staatliche Beihilfe iS des Art 87 Abs 1 EG erhalten würde, verweist der Senat darauf, dass die Überprüfung staatlicher Mittel auf ihren unstatthaften Beihilfecharakter nach Art 88 EG Sache der Kommission ist, die durch den jeweiligen Mitgliedstaat vor jeder Einführung oder Umgestaltung einer solchen Maßnahme rechtzeitig zu unterrichten ist (Art 88 Abs 3 EG, sog Notifizierungsverfahren). Stellt die Kommission die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt fest, so entscheidet sie, dass der betreffende Staat die Beihilfe aufzuheben oder umzugestalten hat. Falls dieser Entscheidung nicht nachgekommen wird, kann die Kommission oder jeder betroffene Staat unmittelbar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anrufen (Art 88 Abs 2 EG). Hieran anknüpfend ist es nach der Rechtsprechung des EuGH dem Einzelnen grundsätzlich verwehrt, sich auf das Beihilfeverbot vor einem nationalen Gericht zu berufen. Eine Ausnahme gilt bei Unterlassung der gebotenen Notifizierung durch den Mitgliedstaat, um den nationalen Gerichten die Möglichkeit zu geben, über die Notifizierungspflicht - und nur diese - zu entscheiden (EuGHE 1977, 557; EUGHE I 1991, 5505). Selbst wenn diese Ausnahme zu Gunsten der Beklagten zum Tragen kommen sollte, ist indessen nicht erkennbar, dass der Existenzgründungszuschuss seiner Art nach eine den Wettbewerb beeinträchtigende und notifizierungspflichtige staatliche Beihilfe darstellt. Art 87 Abs 1 EG verbietet lediglich Beihilfen, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Es muss sich deshalb um selektive Maßnahmen handeln und nicht - wie hier - um allgemeine wirtschaftspolitische Maßnahmen (vgl EuGH, Urteil vom 17. Juni 1999 - C-75/97). Wirtschaftspolitische Gestaltungen nach einem allgemein geltenden System bleiben den Mitgliedstaaten unbenommen (vgl Schlegel in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 38 RdNr 40 f).

Zusammenfassend liegen somit die Voraussetzungen des Existenzgründungszuschusses für das erste Förderjahr nach Maßgabe des § 421l SGB III vor. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 44 SGB I.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.






BSG:
Urteil v. 27.08.2008
Az: B 11 AL 22/07 R


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/41d71ce706c1/BSG_Urteil_vom_27-August-2008_Az_B-11-AL-22-07-R




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share