Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 381/02
(BPatG: Beschluss v. 17.12.2003, Az.: 32 W (pat) 381/02)
Tenor
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 30 - vom 26. Oktober 1999 und vom 17. September 2002 aufgehoben. Die Eintragung der Anmeldung H 64594/30 Wz wird versagt.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung des am 16. November 1990 für Zuckerwarenbestimmten Warenzeichens KISS COLA ist aus der prioritätsälteren Marke 2 103 998 (Anmeldetag 14. Februar 1990)
Kissam 12. Juli 1991 Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für Bonbons aus Fruchtgummi in Verbindung mit Schaumzucker und/oder Lakritze und/oder Gelee.
Mit Beschluss vom 26. Oktober 1999 hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Innerhalb des jüngeren Zeichens sei der Bestandteil KISS, der Süßwaren der Art nach beschreibe, nicht selbständig kollisionsbegründend. Der weitere, ebenfalls beschreibende Bestandteil COLA trete nicht hinter KISS zurück, vielmehr stünden beide Elemente gleichwertig nebeneinander.
Die Erinnerung der Widersprechenden hat die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle mit Beschluss vom 17. September 2002 zurückgewiesen. Innerhalb des angemeldeten Zeichens bilde das Element KISS mit dem nachfolgenden COLA, ungeachtet der Schreibweise in zwei getrennten Wörtern, einen Gesamtbegriff, der von den angesprochenen Verbrauchern als Einheit wahrgenommen werde. Außerdem komme KISS in beiden Marken nur eine verminderte Kennzeichnungskraft zu, da dieser Begriff ebenso wie Kuss und Küsschen auf dem vorliegenden Warengebiet zur Bezeichnung kleiner, wohlschmeckender Süßwaren äußerst beliebt sei (unter Hinweis auf BPatG, Beschluss vom 7. August 2001, 24 W (pat) 221/98). Demgegenüber sei die Entscheidung BPatGE 35, 74 - auf die sich die Widersprechende in ihrer Erinnerungsbegründung bezogen habe - hier nicht einschlägig, da sie ein anderes Warengebiet (Getränke) betreffe und dort der Bestandteil KISS stärker hervorgehoben sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Oktober 1999 sowie vom 17. September 2002 aufzuheben und der Anmeldung die Eintragung zu versagen.
Angesichts der Warenidentiät reiche der Abstand der Marken für den Ausschluss einer Verwechslungsgefahr nicht aus. Im Zusammenhang mit Zuckerwaren werde COLA regelmäßig zur Angabe der Geschmacksrichtung des jeweiligen Produkts verwendet (unter Hinweis auf Belege aus dem Internet). Selbst wenn der Verkehr diesen Bestandteil des jüngeren Zeichens nicht abspalten werde, sei es doch ausschließlich von dem am Anfang stehenden und durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Wort KISS geprägt. Diesem komme innerhalb der Gesamtbezeichnung eine selbständige, den Gesamteindruck allein oder jedenfalls vorwiegend bestimmende Funktion zu. Somit stünden sich zwei Marken, deren relevante Bestandteile identisch seien und die für gleiche Waren Schutz beanspruchten, gegenüber.
Die Anmelderin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Weder die Widerspruchsmarke Kiss, noch der entsprechende Bestandteil der jüngeren Marke weise eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Auf dem Süßwarensektor komme einem Begriff wie Kiss - ebenso wie den deutschsprachigen Synonymen Kuss und Küsschen - für Schaumzuckerwaren eine fast beschreibende Wirkung zu; dieser Bestandteil finde sich, wie eine (beigefügte) Markenrecherche ergeben habe, in mehr als 30 für ähnliche Waren registrierten Marken. Innerhalb eines Mehrwortzeichens - wie hier der jüngeren Marke - sei KISS somit nicht prägend, eine Zergliederung scheide aus. Unter Berücksichtigung des Gesamteindrucks von KISS COLA sei eine Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke ausgeschlossen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und begründet, denn die sich gegenüberstehenden Marken sind verwechselbar. Die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle waren deshalb aufzuheben; für die Anmeldung besteht kein Anspruch auf Eintragung.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 158 Abs. 2 Satz 2 MarkenG, ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).
1. Die sich gegenüberstehenden Waren sind identisch, denn die für die Widerspruchsmarke geschützten Bonbons aus Fruchtgummi sind Zuckerwaren, die von der Warenzeichenanmeldung beansprucht sind.
Der Widerspruchsmarke Kiss kommt eine nur geringe Kennzeichnungskraft zu, denn auf dem Süßwarensektor wird dieses weitestgehend verständliche englischsprachige Wort wie auch Kuss und Küsschen häufig verwendet i.S.v. einer kleinen Leckerei (vgl. BPatG, Beschluss vom 07.08.2001, 24 W (pat) 221/98 - FRESH KISS/KiSS Cool).
2. Gleichwohl sind die Zeichen im Hinblick auf die Warenidentität und die hohe Zeichenähnlichkeit miteinander unmittelbar verwechselbar.
Zwar unterscheiden sich die Zeichen in ihrer Gesamtheit sowohl klanglich wie bildlich deutlich voneinander.
Jedoch ist zu berücksichtigen, das die angesprochenen Verkehrskreise den Bestandteil COLA in dem angemeldeten Zeichen als Beschreibung des Geschmacks der angebotenen Zuckerwaren verstehen. Tatsächlich gibt es auf diesem Markt Zuckerwaren, insbesondere Bonbons und Gummibonbons, die mit Cola aromatisiert sind. Das angemeldete Zeichen Kiss Cola wird daher ganz überwiegend von dem Element Kiss geprägt, so dass aus der Sicht der Verbraucher der markenmäßige Schwerpunkt auf diesem Kiss liegt. Dem steht nicht entgegen, dass dieser Bestandteil nur eine äußerst geringe Kennzeichnungskraft hat, denn mangels stärkerer Elemente kommt nur dieses als Herkunftszeichen in Betracht. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr (vgl BGH BlPMZ 1998, 524 - ECCO II) ist daher nicht auszuschließen. Dabei ist unerheblich, ob der Verkehr das angemeldete Zeichen mit - weil er gerade diese Sorte wünscht - oder ohne den Bestandteil 'Cola' wiedergibt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rdnr. 377 - 379 m.w.N.).
Für eine Auferlegung von Kosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein Anlass.
Winkler Sekretaruk Viereck Hu
BPatG:
Beschluss v. 17.12.2003
Az: 32 W (pat) 381/02
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