Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. November 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 203/01

(BPatG: Beschluss v. 22.11.2002, Az.: 24 W (pat) 203/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der aus der IR-Marke R 435 891 Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Juli 2001 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der IR-Marke R 435 891 zurückgewiesen worden ist.

Wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke R 435 891 wird die Löschung der Marke 399 12 063 angeordnet.

2. Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 161 499 ist die Beschwerde derzeit gegenstandslos.

Gründe

I.

Die Wortmarke 399 12 063 Exposed by Mysteriaist für die Waren

"Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Haarwässer."

am 1. Juni 1999 eingetragen und am 1. Juli 1999 veröffentlicht worden.

Dagegen ist ausder Wortmarke 161 499 Le Mystèresowie aus der ua für die Waren

"Cl 3 : ... parfumerie, huiles essentielles, cosmetiques, lotions pour les cheveux, ... "

international registrierten Wortmarke R 435 891 MYSTERE DE ROCHAS Widerspruch erhoben worden.

Mit Beschluß vom 18. Juli 2001 hat die Markenstelle für Klasse 3, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, die Widersprüche aus den beiden Marken wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen (§§ 43 Abs 2 S 2, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG).

Bezüglich des Widerspruchs aus der IR-Marke R 435 891 wird zur Begründung ausgeführt, daß trotz der hohen Anforderungen, die angesichts identischer oder sehr ähnlicher Waren und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke an den einzuhaltenden Markenabstand zu stellen seien, die Marken im maßgeblichen Gesamteindruck keine für die Bejahung einer Verwechslungsgefahr hinreichende Ähnlichkeit aufwiesen. Der Gesamteindruck der jüngeren Marke werde dabei auch nicht allein durch den Bestandteil "Exposed" geprägt. Dieser individualisiere erst den nachgestellten, etwas sprechenden Wortbestandteil "Mysteria". Die angegriffene Marke werde als untrennbare gesamtbegriffliche Einheit gesehen. Bei der Form "by Mysteria" handle es sich zudem nicht um einen zu vernachlässigenden Firmenbestandteil, da die Firma der Inhaberin der angegriffenen Marke H... GmbH heiße, sondern um einen Hinweis auf deren Serie von "Mysteria"-Marken.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der aus den Marken 161 499 und IR R 435 891 Widersprechenden.

Sie trägt in bezug auf den Widerspruch aus der Marke IR R 435 891 im wesentlichen vor, daß zwischen den Marken wegen der phonetischen Ähnlichkeit der Bestandteile "Mysteria" und "MYSTERE" eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe. In der Widerspruchsmarke sei der erkennbare Firmenbestandteil "ROCHAS" zu vernachlässigen. In der angegriffenen Marke, die nicht als Gesamtbegriff zu verstehen sei, nehme der Bestandteil "Mysteria" eine die Marke als Ganzes prägende Stellung ein. Aufgrund der Verwendung des Bestandteils "by Mysteria" als Serienname in weiteren Marken der Inhaberin der angegriffenen Marke erhalte er unter dem Aspekt der Serienbezeichnung prägenden Charakter.

Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung unterschieden sich die Marken in ihrem Gesamteindruck hinreichend zum Ausschluß einer Verwechslungsgefahr. Es handle sich weder bei dem Wort "Exposed" noch bei dem Zusatz "by Mysteria" um einzelne die angegriffene Marke prägende Bestandteile. Vielmehr sei die Marke als Gesamtbegriff zu verstehen, in der "Exposed" und "by Mysteria" gleichgewichtige, gleich einprägsame und aussagekräftige Bestandteile bildeten, von denen keiner allein geeignet sei, den Gesamteindruck der Marke zu prägen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, soweit in dem angefochtenen Beschluß der Widerspruch aus der IR-Marke R 435 891 zurückgewiesen wurde. Nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke IR R 435 891 Verwechslungsgefahr im Sinn von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Wegen des Widerspruchs aus dieser Marke ist daher die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen (§ 43 Abs 2 S 1 MarkenG).

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr im Sinn des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so daß ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (stRspr; vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; GRUR 1998, 922, 923 "CANON"; BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND").

Beide Marken genießen Schutz für identische Waren, was einen deutlichen Abstand der Marken zum Ausschluß einer relevanten Verwechslungsgefahr erfordert. Für die Widerspruchsmarke ist insgesamt von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft wurde von der Widersprechenden nicht geltend gemacht. Auch sind Tatsachen, die eine solche Bewertung zuließen, nicht gerichtsbekannt.

Hinsichtlich der Beurteilung der Ähnlichkeit ist stets auf den Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Marken abzustellen, den diese hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Hierbei kommt es maßgebend darauf an, wie die Marken auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren wirken (EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma"; BGH WRP 1998, 752, 753 "Fläminger"). Zwar unterscheiden sich die Marken in ihrer Gesamtheit betrachtet durch ihre jeweiligen Abweichungsbestandteile "Exposed by" sowie "DE ROCHAS" ausreichend voneinander. Der genannte Grundsatz schließt jedoch die Erkenntnis ein, daß einem einzelnen Bestandteil eines Zeichens auch eine besondere, das Gesamtzeichen prägende Kennzeichnungskraft beigemessen werden kann und deshalb bei Übereinstimmung einer Bezeichnung mit dem so geprägten Zeichen die Verwechslungsgefahr zu bejahen ist (BGH Mitt 1996, 166 "Blendax Pep"; GRUR 1997, 897, 898 "IONOFIL"; MarkenR 2000, 20, 21 "RAUSCH/ELFI RAUCH). Eine solch prägende Bedeutung für den Gesamteindruck kommt sowohl dem Bestandteil "MYSTERE" in der Widerspruchsmarke als auch dem damit ähnlichen Bestandteil "Mysteria" in der angegriffenen Marke zu.

Die Widerspruchsmarke setzt sich aus dem Wort "MYSTERE", der französischen Präposition "DE" und dem Firmenschlagwort "ROCHAS" der Widersprechenden zusammen.

"MYSTERE" stellt sich dabei als kennzeichnungskräftiges Markenwort dar, da es auch in seiner ihm im Französischen innewohnenden Bedeutung "Geheimnis, Mysterium" (vgl Langenscheidts Handwörterbuch Französisch, Teil I, 5. Aufl, S 484) Eigenschaften und Wirkungen von Parfümerien, kosmetischen Erzeugnissen etc allenfalls in fantasievoller Weise andeutet.

Als individuelle Produktkennzeichnung dominiert es in der Widerspruchsmarke gegenüber der bloßen Herstellerangabe "ROCHAS" bzw "DE ROCHAS". Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BGH, daß eine bloße Herstellerangabe als Bestandteil einer Marke im allgemeinen weitgehend in den Hintergrund tritt, weil der Verkehr die Waren, sofern es sich nicht um den Warenbereich der Bekleidung handelt, meist nicht nach den Namen des Herstellers unterscheidet, sondern seine Aufmerksamkeit auf die sonstigen Merkmale zeichenmäßiger Kennzeichnung richtet (ua BGH Mitt 1996, 166, 167 "Blendax Pep"; Mitt 1996, 167, 168 "JUWEL", GRUR 1997, 897, 898 "IONOFIL"). Ob in der Sicht des Verkehrs die Herstellerangabe in den Hintergrund tritt, bleibt dabei der Beurteilung des Einzelfalls vorbehalten und hängt insbesondere auch davon ab, ob die Herstellerangabe als solche dem Verkehr bekannt ist oder nicht (BGH, aaO "IONOFIL"). Davon, daß das Firmenschlagwort "ROCHAS" den beteiligten inländischen Verkehrskreisen als solches bekannt ist, kann im Hinblick auf das gerichtsbekannt seit vielen Jahren mit seinen Parfümerie-Produkten auf dem deutschen Markt vertretene Unternehmen der Widersprechenden ausgegangen werden. Der Bestandteil "ROCHAS" tritt daher als eine dem Verkehr bekannte Herstellerangabe im Gesamteindruck der Widerspruchsmarke hinter dem das Einzelprodukt individualisierenden Kennzeichen "MYSTERE" zurück. Diese Wertung wird zudem durch die dem Bestandteil "ROCHAS" vorangestellte französische Präposition "DE" nahegelegt, welche in ihrer dem deutschen Publikum ohne weiteres verständlichen Bedeutung "von" den Markenbestandteil "DE ROCHAS" iSv "von ROCHAS" auch begrifflich als Herstellerangabe charakterisiert.

Prägende Bedeutung muß aber auch dem Wort "Mysteria" in der angegriffenen Marke beigemessen werden. Als zumal grammatikalisch abgewandelte Form des lateinisch/griechischen Fremdwortes "Mysterium" (= Geheimnis, Geheimlehre) besitzt es normale Kennzeichnungskraft, da es Eigenschaften oder Wirkungen von Parfümerien, kosmetischen Erzeugnissen allenfalls höchst vage und mittelbar andeutet.

Demgegenüber kommt dem weiteren Markenbestandteil "Exposed by" erkennbar ein lediglich beschreibender Aussagegehalt zu. Das englische Verb "to expose" besitzt speziell im Bereich des Wirtschafts- und Warenverkehrs die Bedeutung "(Waren) ausstellen, auslegen, zum Verkauf feilhalten" (vgl Der Kleine Eichborn, Wirtschaft und Wirtschaftsrecht, Englisch - Deutsch, 4. Aufl, S 261). In diesem Sinn ist das relativ einfache englische Wort, dessen Bedeutung sich zudem leicht aus dem im Deutschen geläufigen Fremdwort "Exposition" (= Ausstellung, Schau, vgl Duden, Das Fremdwörterbuch, 6. Aufl, Bd 5, S 248) ableiten läßt, den angesprochenen inländischen Verkehrskreisen auch ohne weiteres verständlich. Die englische Präposition "by" bedeutet ua "von" (vgl Collins Großwörterbuch, Englisch- Deutsch, Ausg 1997, S 982, s dort zB "painting by Picasso" = Gemälde von Picasso) und wird im inländischen Geschäftsverkehr nicht selten in Verbindung mit einem (Firmen-) Namen als Kurzform für "made, produced, created by" zum Hinweis auf einem bestimmten Hersteller gebraucht. Die angegriffene Marke "Exposed by Mysteria" wird daher vom Verkehr naheliegend im Sinn von "Ausgestellt/Ausgelegt/Feilgehalten von Mysteria" verstanden werden. Damit verbleibt in ihrem Gesamteindruck als einzig kennzeichnungskräftiger Unternehmenshinweis der Bestandteil "Mysteria", an dem sich das Publikum daher zur Bezeichnung der Marke überwiegend orientieren wird und der demnach die Marke in ihrem Gesamteindruck prägt.

Stehen sich mithin aber die jeweils prägenden Markenbestandteile "Mysteria" und "MYSTERE" isoliert zur Kennzeichnung identischer Waren gegenüber, sind, angesichts der weitgehenden Übereinstimmungen der beiden Markenworte hinsichtlich des gemeinsamen Wortstammes "Myster-/MYSTER-" und der demgegenüber nur relativ geringfügigen Abweichungen in den im allgemeinen weniger beachteten Wortendungen "-ia/-e", beachtliche Klangkollisionen nicht auszuschließen. Insbesondere bei der überwiegend zu erwartenden Betonung der beiden Markenworte auf der jeweils dritten Silbe treten die Endungen, bzw bei französischer Aussprache des Wortes MYSTERE die zusätzliche Endung "ia" in "Mysteria", im Geamtklang der Worte nur wenig deutlich hervor und sind nicht geeignet, das hinreichend sichere Auseinanderhalten der Marken zu gewährleisten.

2. Im Hinblick auf die in Ziffer I. des Beschluß-Tenors angeordnete Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der IR- Marke R 435 891 ist festzustellen, daß die Beschwerde hinsichtlich der Zurückweisung des Widerspruchs aus der der Marke 161 499 derzeit (dh vorbehaltlich einer Eintragungsbewilligungsklage) gegenstandslos ist.

3. Es besteht kein Anlaß, einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG). Insbesondere sind keine Gründe erkennbar oder vorgetragen, die den Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke rechtfertigen würden, die Kosten des Beschwerdeverfahrens abweichend von dem Grundsatz der eigenen Kostentragung aus Billigkeitsgründen der Widersprechenden zu überbürden.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
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Az: 24 W (pat) 203/01


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